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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.07.1883
- Erscheinungsdatum
- 1883-07-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188307177
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18830717
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18830717
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1883
-
Monat
1883-07
- Tag 1883-07-17
-
Monat
1883-07
-
Jahr
1883
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.07.1883
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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Krdaction und Lrpk-ition JohanneSgasse 83. Sprechstunden der Hedaction: Lormittag« 10—13 Uhr. Nachmittag- ü—6 Uhr. gitr dt» WUk»«d« rin,«l»ndter M»oulcr>»te «cht fich dl« -tid»cn«n oicht «idmttlch, A««atz«e »er f»r »te «Lchftf«lge»de Nummer drftt«»te» -nierate an W*che«ta»en »t» S Uhr Nachmittag», an Sann-un» Festtagen srühhi» V.SUtzr. In de« /ilialrn für Ins.-^nnahme: Ott« Klemm, Universitit-strabe 31, Laut» Lösche» Katharinenstraße 18, v. «nr dt» '/,» Uhr Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- and Geschäftsverkehr. Auflage 18,100. Adounementspreis viertelt. 4'/, Mit. incl. Bringerlohn 5 Mk., durch die Polt bezogen S M. Jede einzelne Nummer 20 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren ,iir Extrabeilaar» ohnr Postbesörderung 39 Ml, mit Postbesörderung 48 Mt. Inserate ^gespaltene Petitzcile 20 Pf. Größere Tchristrn laut unserem Prrt»- vcrzeichniß. Tabellarischer «ay nach höherem Tarts. tleclamen unter dem Nedartiousstrich die Svaltzrile üO Pf. Inlerate sind stc's an die t-xpehttt»« z» senden. — Rabatt wird Nicht gegeben. Zahlung pracauw<-rn!»lo oder durch PoH- nachnahme. ^»198. Dienstag den 17. Jutt 1883. 77. Jahrgang. Amtlicher Theil. Bekanntmachung. Der Abpatz des Stadthauses am Obstwarkte soll erneuert werden. . Bewerber um diese Arbeit werden aus gefordert, ihre Offerten versiegelt und mit der Ausschrisl „Abputz de» Stadthauses" bis zum 2. August er. bei unserem Bauamte, bei welchem auch die Bedingungen und BlanquelS zu entnehmen sind, einzureichen. Leipzig, am 13. Juli >883. Der Rath der Stadt Leipzig. Ilr. Georg» CichoriuS. Vkbkahls-Vtkanntmachllng. Gestohlen wurden allbier «rtlatterer Anzeige zufolge: 1) Ein Paar lederne Frauenschuhe, em silberner Threlöffrl, ein Paar Messer und Gabel und vier div. Bücher in ledernem Einband, mittelst Einbruchs au- einem Garlcnhanie in der II. Ab- theilnng deö JohanneSihaleS, in der Nach! vom 8. zum 9. dis. Mts.; 2) ein MannSjaquet von grauem Lüster, aus gleiche Weise ebenda, zur nämliche» Zeit; 3) ein weißleinene- Taschentuch, gez. bk. v., und eine Lchuh- »Ürftr, aus dieselbe Art am gleichen Lrte, in derselben Zeit: 4) ein Mailltörock von hellfarbigem Stoffe, mit braunem Futter, ohne Knopse, eine glanzleterne Umtzäugetaschc mit Lederriemcn, ein aller hellgelber Loniienschirm und eine Nasenschrrre, eben, salls mittelst Einbruchs au- einem Gartenb,Luschen im Johanne-, thal, zu gleicher Zeit; b) eine Joppe von dunkelgrünem Stoffe (kenntlich an einigen Oelsarbeiisleaen) und eine Sinderschürre von schwarzem Ledertnch mit rother Kante, aus dieselbe Art ebenda, znr nämlichen Zeit; 6) ein Paar Hose» von braun-, roth- und grüncarririem Stoffe, mit gelbem Bnndsutter, au- einem Partecrelocale in Nr. 11 der Reichsstraße, am 9. dss. MIS. Nachmittag-; 7) ein Geldbetrag von II ^l, in zwei Lhaler», einem Zwei- mark- und drei Markstücken, au- einer Stnbe in einem Slallgcbäudc in Nr. 1 am Dösener Wege, vom 8. bi- 10. dss. Mt».; 8) ein Portemonnaie von gelbem Leder, enthaltend ca. 6 ^l, in zwei Zweiniark-, einem Markstücke und div. kleiner Münze, au« einem Beckaufsstande in Nr. 8 der Nürnberger Straße, am 10. dss. Mt-. Abend«: v) ein goldener Lteielrt»« mit blaue« Stein, au- einem Schlaf- locale in Rr. 31 der Hohen Straße, tu der Zeit vom 4. bi« 13. dsl. Mt«.; 10) «in Zehnmarkstück, au- einem Verkauf-stande in der Fleischhalle am Plauen'schc» Platze, am 12. dss. Mt-, früh; 11) eine Tischdecke von roth und gelbem Plüsch, mit bunter gestickter Kante und roth und gelben Troddeln, eine kleine Decke von Lanevas, mit bunter Stickerei und ebensolchen Troddel» und eine Photographie, in einem Rahmen von rolhbranncni Sammet, a«S einer Wohnung in Nr. 10 b der Humboldtstraßc, am gleichen Tage Vormittags; 12) zwei Brode L 3 Kilo und ein« desgleichen 4 Kilo schwer, an- einem Wagen, welcher in der Slernwartenstraße gestanden hat, an demselben Tage Nachmittag«; 13) eine ziemlich neue Kartätsche, au- einem Pferdestalle in Nr. 17 der Leibnizstraße, am gleichen Tage Vormittag-; 14) eine Geldsumme von 7 >l> l»v i» drei Zweimark., einem Mark- und einem Füiiszigpsennigstücke, aus einem Gastlocale in Nr. 9 der Mittelsiraßc, am 13. dss. Mi«. Abend«; 1b) ein Sommcrübcrziehcr von dunkelblauem Kammgarnstoff, mit einer Reihe Sieinnußknöpsen, Seileniaschen mit Patten und schwarzfeidenem Futter — in den Taschen besand sich ein weiß» seidene« HalStttch und ein weißleinene« Taschentuch, ge., k. L. — au« einem Expedition-locale in Nr. 19 der Universität-straße, am 14. ds«. MtS. Vormittag«; 16) eine silberne Etzliuder-Remontotruhr mit Sekunde und geriester Rückseite mit Plättchen in der Mitte, ferner ein Klemmer in Stohlgestelle, au- einer Ankleidezelle im Dianabad, am 1b. ds«. Mt«. Vormittag«; 17) ein Lommerübrrzieher von schwarzgrauem gerieften Stoff, mit einer Reih« Knöpfen, verdeckter Batterie, blau- und roth- gestreiftem Aermel- und schwarzem Schooßiutter, — in de» Taschen befand sich eine Cigarrcnspiye von Meerschaum mit Bernstein- Mundstück, nebst Futteral mit der Firma: „Xrtbur 8eöneläer, I-einnix", ein schwarrlederne« Eigarrcnetnt und ein roihleineneS Taschentuch mit weißer Kante — au« einem Gastlocale in Nr. 9 der Schulstraße, an demselben Tage Mittag«; 18) ein Anzug für einen zwölfjährigen Knaben, bestehend in einem Iaquet von blauem Tuch mit schwarzem Futter, einer eben- solchen Weste und einem Paare grau- und schwarzmelirten Hosen, mit weiß-, gelb- nnd rothgestreiftem Bundfutter, ferner einer Mütze von braunem Stoffe, mit rothem Futter, in welche- der Name „äVilli Rübls" mit Tinte eingeschrieben ist, einem weißleinenen He«», einem ebensolchen Kragen und einem Paar rothen Hosen trägern, ferner ein roth- und weißcarrirte« baumwollene- Taschen tuch und ein schwarrlederne« Portemonnaie mit einem Inhalte von 17 ^1, au« dem Kreibade am Schleußiger Wege, am nämlichen Tage Nachmittag«: 19) ein Geldbetrag von 8 »iS 10 in div. Münzsortcn, au« einem Küchenroume in Nr. 1 de« GoldhahngäßchenS, zu gleicher Zeit. Etwaige Wahrnehmungen über den Verblieb der gestohlenen Sachen oder den Thäter sind ungesäumt bet unserer Lriminal- Abtheilung zur Anzeige zu bringen. Leipzig, am 16. Juli 1883. Ta» Polizei-Amt »er Stadt Leipzig. I. B.: Junck, Polizeirath. vr. Dcnecke. Nichtamtlicher Theil. Zur Auseinandersetzung mit Rom. Der Zank zwischen „Kreuzzcitung" und „Post" tobt heftiger al» je, die Polemik zwischen der „Germania" und der „Nord- deutsche,»" zeigt eine fast nie vorher beobachtete Schärfe, und selbst die vor Kurzem noch als liebe Freundin und Bundes genossin von dem CenlrumSblatte gefeierte „Kreuzzeitung" wird jetzt von dein Organ der Ultramontauen Tag für Tag feindseliger behandelt. Wa« ist geschehen? Soeben ist ein Gesetz angenommen worden, welche« der Curie weit mehr Zugeständnisie macht, al- sie vor drei Monaten noch zu fordern wagte, ein Gesetz, da« nach der Auffassung sehr vieler besonnener staatS- und gesehestreuer Männer den Gang nach Canossa bedeutet: eben hatten sich noch Herr Windlborst und Herr v. Rauchhaupt, Herr v. Scborlemer und Herr Stöcker gerührt die.Hände gedrückt, und nun dieser Zorn, diese Wuth! Nock> gestern hat die .Kreuzrtg." Alle» gut gesunden, heute bläst die „Nordd." rin neue» Signal, sofort ist da- konservative Organ ankeren Sinne» und macht Front gegen den Bundesgenossen von gestern. Fast könnte man glauben, rin »euer Cultnrkamps sei entbrannt wo doch allen ossiciöscn Versicherungen zufolge eS sich um den Abschluß deS Friedens nach langem Kampfe bandelt. Je unbefangener man die Vorgänge der letzten Wochen betrachtet, um so weniger vermag man ein Ver- ständniß dafür zu gewinnen, klar ist eben nur die Unklar heit der ganzen Situation, und da kein Parlament vcr- ammelt ist, sind auch die Minister vor den neugierige» Fragen und Interpellationen geschützt, man kann nichts weiter lhun, als warten. DaS deutsche Volk und mit ihm ganz Europa bewundert den Fürsten BiSmarck besonders wegen seiner viploinatischen Erfolge. Oft und mit Reckt ist bcrvorgeboben morde», daß der große Kanzler mit den llebcrlieferungen der allen Sckule gebrocken, daß er fick niemals als ein Anhänger der Düste- leien und diplomatischen Quer- und Winkelzuge gezeigt, daß er vor Allem nicht selten durch seine gerade;» verblüffende Offenheit gewirkt habe. Es wird u»S darum sckiver, daran zu glauben, daß unser Reichskanzler der römischen Eurie gegenüber eine Niederlage erlitten habe, und doch können wir de» offenkundigen Thalsachen gegenüber uns diesen, Eindruck nickt verschließen. Wenn mir nach einer Erklärung für diese schmerzliche Wahrnchmiina suche», so müssen mir einige Zeit zurückdeiike». Es mar im März de» Jahres 1880. als Fürst BiSmarck ii» Reichstage in einer längeren Rede seinem Unmukh über den Gang der kirchenpolilischen Enlmickelung Lust machte, seiner Unzufriedenheit über die Haltung des Eentriims mit tebbastcn Worten Ausdruck gab. Geb. Rath Hiibler batte in Wien mit einem Vertreter des Pavftes den ganze» Winter hindurch verhandelt, obi'.e daß irgend c»> nciincnsmerlkeS Resultat erreicht worden wäre. Nack den Worten des Kanzlers mußte man glauben, er würde nunmehr den Kampf gegen Rom mit neuer Energie aufuehmen, war er bock so weit gegangen, zu erklären, daß er eventuell seine Stellung im Nakbe der Krone ausgebcn würde, um als einfacher RcichStagS- abgeordncler den Kampf gegen den UltramontaiiiSinus aus- zrinebmen. Und welches Schauspiel wurde unS wenige Wochen daraus geboten? Die erste kirckenpolitische Novelle wurde in den preußischen Landtag eingebracht, durch welche der Staat zum ersten Mal von dein früheren Wege zu Gunsten der Ansprüche Rom» zurückwich. Damals trat noch Herr Falt als einfacher Abgeordneter den Aussübrungeu seines Nach folgers von Puttkamcr entgegen. — Scildcm sind »och zwei Novellen nacbgesolgt, ein preußischer Gesandter ist in der i Person de« Herrn v. Scblözer „ach Rom gesendet worden, aber eS läßt fick nickt verbehlen, daß die ganze Campagne gegen Nom unS bis beute auch noch nickt den geringste» Er folg gebracht bat. Während Fürst BiSmarck gegenüber allen weltlichen Staaten im diplomatischen Schachspiel immcrMeisicr geblieben ist, weil er bei jedem Zuge immer den unfehlbar cin- tretcndenGegcnzug genau vorher berechnet batte, ist ibm dies der Curie gegenüber durchaus nicht geglückt. DicEuric hat sich niemals cinschücbtcrn lassen, sondern immer nach alle» Zugeständnissen ihre ursprünglichen Forderungen aufrecht erhallen, indem sic dabei ihren alte» Traditionen treu geblieben ist. Wir glauben, daß ein bedauerlicher Jrrthum des Fürsten BiSmarck darin gelegen hat, daß er allzu sehr mit der Persönlichkeit des PapneS gerechnet, eine» Unterschied zwischen eine», mehr friedliebenden und kriegerische» Papste mache» wollte, während in Wirklichkeit seil Langem die Person deS PapstcS für die Politik der Curie gleichgültig ist. diese aber vo» der Tra dition diclirt wird, welche besonders consequcnte Ausdauer fordert. Man darf also nickt sonderlich überrascht sein, wenn nunmehr nach den neuesten Zugeständnissen die Curie keine größere Gefügigkeit zeigt als vorher. Die politische Unter- stützung deS CentrumS in den Parlamenten zu erlangen, dazu mag wieder die neueste kircheupolitische Novelle a»S- reichen, aoer zuin Frieden mit No», führte sic sicherlich nickt. A»S der neuesten Polemik zwischen den klerikalen und gouvcrnementalcn Blättern wagen wir keine sonderliche Hoff nung zu schöpfen, so heftig auch der neue Kamps entbrannt zu sein scheint. Nach den bisherigen Erfahrungen, wo wiederholt nach dem heftigsten Anlauf ein um so energischeres Zurückweicken und Nacbgeven erfolgte, glauben wir vielmehr wiederum folgern zu müssen, daß eS sich nur um ein Inter mezzo handelt. Auf die moralische Entrüstung der „Nord deutschen" über den Undank der Klerikalen ist nickt viel zu geben. Wiederum zeigt unS Nom. daß ihm gegenüber eben sowenig wie im Allerthum vo» Pactiren die Rede sein kann, hier heißt eS entweder herrschen oder sich unterordncn. Kein Drittes giebts. Wird die preußische Negierung diese Lehre endlich be herzigen? Wir haben, wie gesagt, fast keine Hofsnung. Seit dre, Jahren ist die Stellung deS preußischen Staates der Curie gegenüber immer schwächer, immer schlechter geworden. DaS Parlament vermag nicht) dem Reichskanzler gegenüber, die Coiiscrvativen haben e§, wie so oft, auch diesmal bewiesen, daß ihnen daS volle Vcrstäizdniß für die wahren und höchsten Interessen deS Landes fehlt. DaS Ccntrum bildet mit den Eonscrvativen die Mehrheit, wir leben überhaupt im Zeichen deS conservativ-klerikalcn Bündnisses, und da ist nichts zu erhoffen, da lwißt eS eben abwartcn, bis neue Wahlen kommen, um die Verhältnisse zu ändern, z» bessern. Leipzig, 17. Juli 1883. * Die Anregung der letzten NcickStagSsession wegen der Entschädigung unschuldig Verurtheilter undVcr- hasteter bat zur Folge gehabt, daß in der Presse eine wahre Jagd nach Vorfällen der Art veranstaltet wird. Specielle Vereine und Prcßorgane macken sich den „Rechts schutz" zur Aufgabe und sammeln von überall her Beispiele von Verurteilungen und gerichtlichen Untersuchungen gegen Nicktscbuldige mit der Tendenz oder wenigstens der Wirkung, im Volke die Anschauung zu erzeugen, al» ob w>r in Deutsch land unter einer Richtercorrnptioi, und Justizmißbräuchen lebten, die zum Himmel schreien. Wir haben in Deutsch land wenig Dinge, aus die wir so stolz sein können, wie aus unser RecktSweien und unfern Richtcrsiand, und die Achtung vor der Rechtspflege kann im Volke unmöglich gestärkt werden, wenn man ihm tagtäglich einredet, sie sei voll von Jrr- tbümern und Mißbräuchen, und Rechtsschutz und Rechts sicherheit seien aus ein so tiefe» Niveau berabgesunkcn, daß ihre Rettung und Verteidigung die dringlichste Aufgabe jedes BolkSsreundeS sei. Gewiß werden in Tculschland wie i» der ganzen Welt alljährlich etliche Menschen irrlbümlicb verurtbeilt und noch mehr werden in Untersuchung gezogen, die nachher sreigesprocken werten, weil ihre Unschuld bewiesen wird, oder ihre Schuld nicht bewiesen werden kann. So lange Mensche», die dem Jrrthum unterworfen sind. Recht sprechen, wird dies nicht ander» sein. So hart das auch im einzelnen Fall treffen mag, eS ist nun einmal in der Schwäche der menschlichen Natur begründet. Sicherlich ist eS ein« Forderung, filr die sich mancher lei BilligkeitSqründe anführen lassen, daß ein Verurteilter, der einem Jrrthumc zum Opfer gefallen ist und Jahre seine» Leben» schuldlos gebüßt hat, wenn hinterher seine völlige Unschuld erwiesen wird, eine Entschädigung empfängt, soweit sie der Staat und die Gesellschaft gewähren kann. Dafür hat sich bei Beratung des PbillipS-Lenzmann'scben Antrag» im Reichstag viel Sympathie aus allen Seilen gezeigt und die Vertreter der Justiz verwaltung baden stch auch nichl ganz ablehnend verhalte» Allein es muß dock sckars unterschieden werden zwischen einem Verurlheilten, dessen Unschuld hinlerher erwiesen wird, und einem zur Untersuchung gezogenen Angeklagle», denen Schuld nickt bis zum völligen Beweis na bgewiesen werke» kann und der darum sreigesprochcn wird. NcnerkingS werde» aber in der Poesie, die sich dcn Rechtsschutz zur besonveren Ausgabe gemacht bat, auch schon Personen der leyleren Art als bedauernswerte Opfer de» Justizirrtums bingestellt unk Entschädigung für sie verlangt. Es ist aber dock eine ganz un billige und unverständige Forderung, daß ein Angeklagter, von desto» Schuld Richter. Geschworene und die ösfenllicbe Meinung überzeugt sind, zu dessen Uebersühnmg unk Verurteilung aber die vollständig erschöpfenden Beweise fehlen und der darum sreigesprochcn werde» muß, für die erlittene Untersuchungs haft auch noch eine Entschädigung empfange. DaS hieße dock wirklich die Achtung vor der Rechtspflege im Volke ausS Tiefste erschüttern. Diese ganze gezwungene Agitation für Rechtsschutz in einem Lande, wo die Justiz von dcn ver trauenswürdigsten Personen auSgeübt wird und mit den möglichsten Garantien der unparteiischen Gerechtigkeit und der ehrlichen Erforschung der Wahrheit auSgcstattet ist, bat etwa- Krankhastc» und kann nur dazu dienen, daS wohl- begründete Vertrauen in die Rechtspflege zu erschüttern. * Der Ccnlralverbaiid deutscher Industrieller hat in seiner l tzlen Delegirtenversaminlung in Nürnberg mit Erfolg *'e Frage des gewerblichen UnterrichtSwesenS in daS Zerrich seiner Berathnngen gezogen und dadurch auch die An egung zur Behandlung und Erörterung dieses wichtigen itandcS in weiteren Kreisen gegeben. Insbesondere öabcr sich hervorragende Berliner Vereine mit dieser Frage besaßt, und c» hat bereits ein Ideenaustausch zwischen Ver tretern der StaatSregierung und der Industrie statlgesunden. Die Delegirtenversaminlung deS EentralverbandeS, welche im September d. I. in Heidelberg Zusammentritt, wird sich auss Neue mit diesem Tbema beschäftigen und insbesondere die bei der ersten Berathung vorbchaltenen Detailfrageu zur Erledigung bringen. ES haben Referate übernommen: Herr Dircctvr Böttcher über die Organisation der Meisterschule», Herr Stadlbaumeister Stubben über die Organisation cor LcbrlingSschulen. Herr Prosegor Undcutsch über die Organi sation de« die Elcmcntarschulbilduiig erweiternden Eursus; Herr Professor Lotbar Meyer über die Grenzen, in denen der nalurwisienschasttiche Unterricht in dcn gewerblichen UnkerrichlSaiislalten zu geben ist, und Herr Dr. Grotbe über die Frage, wie die Mittel für daS gewerbliche Uuterrichls- iveseu zu beschaffen sind. Insoweit eS eines die Spccial- rescrate zusammensassendcn Gcsammtreserals bedürfen sollte, wird H-rr General-Sccretair Vucck in Düsseldorf dasselbe übernehmen. » e- » * Ueber die Stellung der ungarischen Negierung zmn TiSza-ESzlarer Proceß schreibt man der Prager „Bohemia" anscheinend ossiciöS auS Pest: „Seitens der Re gierung hat man sich bisher dem Pioccsie gegenüber paisiv verhalte», wa» darin seinen Grund bat. baß ein Eingreifen in denselben mit Rücksicht aus die Unabhängigkeit der Gerichte unmöglich war, der Proceß aber geführt werden mußte, weil sonst die Negierung in den Verdacht gekommen wäre, ihn auS Parteinahme sür die Juden niedergeschlagen zu haben. Gleichwohl ist man sich in den hiesigen RcgierungSkrcisen bewußt, daß, so weit eS unter Respectirung der Unabhängig keit der Gerichte möglich ist, auch ibrcrseilS etwas geschehen müsse. Dem, für die Erscheinungen, welche während Veö ProcesseS zu Tage getreten sind, ist man in den Regierungs kreisen keineswegs ölind. E» ist daher mit Sicherheit zu erwarten, daß, sobald der Proceß zum Abschluß gekommen sein wird, im diSciplinarcn Wege eine Untersuchung über daS gerichtliche Gebahrci, cingeleilct werden wird, wie da» Urthcil immer lauten möge, wobei eS sich von selbst versteht, daß, falls da» Urtheil nicht sreisprechend lauten sollte, der Proceß vor die zweite Instanz käme." * Man schreibt der „Politischen Correspondcnz" auS St. Petersburg, tO. Juli: „Das Kaiscrpaar weilt in sei.-em Lustschlosie zu Pekerhos, welches eS n»r von Zeit zu Zeit verläßt, wenn besondere Anlässe dies erfordern. So kamen Ihre Majestäten am 6. d. nach St. Petersburg, um im Wintcrpalastc verschiedene BcglückwünschungSdeputalionen auS der Provinz zu empfangen. An demselben Tage haben auch die deutsche Colonic sowie die Juden von St. PclcrS- burg dem Kaiserpaare kostbare Geschenke dargcbracht. Gesten, hielt der Kaiser in dem Hasen von Kronstadt über zehn Schisse verschiedener Bauart eine Revue ab, welcher die Kaiserin, der Großsürst-Tbronsolger, dieGroßsürsten AleriS Alerandrowitscb, Michael Nicolajewitsch, die Großsürstin Maria Pawlowna, die Herzoain von Edinburgh, niedrere andere Mitglieder der kaiser lichen Familie und viele höhere Functionaire beiwohnten. Ta» Kaiscrpaar ist sofort nach Beendigung der Revue nach Peterbo; zurückgekchrt. Die vor Kurzem gebrachte Nachricht, daß der König von Dänemark da» Kaiserpaar in der nächsten Zeit in Petcrbos zu besuchen beabsichtige, wird von woklinscrmirler Seite bestätigt. DaS. allerdings mit ausdrücklichem Vor behalte verzeicknete Gerückt, daß Kaiser Alexander möglicher weise sich behusS Abstattung eine» Gegenbesuche» nach Kovcn- bagen begeben dürste, muß dagegen dem gleichen Gewäyrs- manne zufolge sehr bezweifelt werden. Man dürfe säst entschieden bcvaupten, daß eine solche Reise de» Kaisers nicht erfolgen werde". * Nach einer un» auS Warschau zugehenden Meldung soll der neuernannte General-Gouverneur von Warschau. General Gurko. keineswegs bereit sein, die auf die voll ständige Nussisicirung Polen- abzielenden Tendenzen, welchen verschiedene russische Organe da» Wort reden, zu adoptiren. General Gurko hat vielmehr in St. Petersburg den Wunsch geäußert, daß ihm in Betress der in der Verwaltung Polen» emzuschlagcnden Richtung keine zu streng bindenden In structionen crtbeilt werden mögen. Er möchte in dieser Beziehung einigermaßen freie Hand behalten, um sich erst nach gewonnener Kenntniß der Verhältnisse in Polen sür eine definitive Richtung in politischer und administrativer Hinsicht zu entscheiden. * Fürst Nikolaus von Montenegro hat seine Tochter Prinzessin Zorka mit dem serbischen Kronprätendenten Fürsten Peter Karageorgewitsch verlobt und soll die Vermählung bereit» im September vollzogen werken. Fürst Alexander Karageorgewitsch war im vergangenen Frühjahr längere Zeit in Eettinje und gab sein Besuch am Hose des Fürsten von Montenegro Belgrader und Wiener Politikern Anlaß zu weitgehenden politischen Conjunclurcn. Da» Ver- hälluiß zwischen Serbien und Montenegro, daS feit lange kein besonder» freundliches ist, wird durch die verwaadt- chastlicbe Verbindung der Häuser Petrowilsch-Njegusch und Karageorgewitsch jedenfalls »och gescannter werden; den« König Milan wird fortan, wie Fürst Nikila in der Wein- lauue, »ach Miltbeilung eines Wiener Corresponventen, offen ausgesprochen, in Eettinje den Herd der gegen seinen Thron gerichteten Jiitriguen z» suchen haben. Diese Vermählung iildet unter den Auspicien deS Kaisers Alexander'» III. statt, und der König von Serbien mag darin die Folgen seiner Hinneigung z» Oesterreick erblicken. In Petersburg drängt man jetzt aus die Abberufung de» serbischen Gesandten Horwatowilsch, dem man ebenfalls eine Vorliebe sür Oesterreich zuschreibl, die soweit gegangen sein soll, daß er sich um die russische Politik gar nicht gekümmert habe. * General Sobolesf weilt „och immer in St. Peters burg und man verbreitet in Sofia über die Ursachen seine- auffällig langen Aufenthalts in Rußland verschiedene Ge rüchte. Ans Grund verläßlicher Informationen läßt sich ver- ickern, daß die Tbätigkcit deS Generals in St. Petersburg keinem anderen Zweck gilt, als dem Versuche, die maß gebende» russischen Persönlichkeiten zur Ausarbeitung einer neuen Bersaisung für Bulgarien zu bestimmen. Di« Bemübungen de-Z General» sind jedoch, wie mit Bestimmt heit gesagt werden kann, vergebliche: die russischen Staats männer wollen von einer Verfassungsänderung in Bul garien Nichts wissen. Man glaube übrigens nicht, daß General Sobctess nck üdcr die Aussichtslosigkeit aller weiteren Schritte in dieser Richtung nickt klar sei. Wenn er seine UmstimmungS« versuche dessen ungeachtet sortfctzt, hat dies seinen Grnnd da ein. daß rr den Liberalen, die ihn in seinem Kampfe gegen die Conservativen unterstützten, versprochen hat, ihnen auS Rußland gleichsam als ein specicll für Bulgarien angefertigtes Ki'önungSaiiveiiken eine neue Eonsiitution mitzubringen. Der General, sür den wobt Sofia in Folge der sich immer verschärfenden allgemeinen Unzufriedenheit in Bulgarien gegenwärtig sehr geringe Anziehungskraft haben dürste, ver längert seinen Äusentbalt in Rußland, um den Liberalen mit um so größerer Berechtigung erklären zu können, er habe Alles gclhan, um sein Versprechen cinznlöscn. — Tie Nach richt von der Ernennung des Generals Ernroth zum Rathe des Fürsten Alexander, von welcher General KaulbarS peinlich berührt worden sein soll, wurde von Vor bulgarischen Bevölkerung alS daS erste Anzeichen deS Anbruchs einer besseren Aera begrüßt. Man hofft, daß die Wirksamkeit deS Generals Ernroth der Militairdiclatur, welche die Generale Sobolesf und KaulbarS anSüben, dem NcpokiSmuS und Pro- tcction-wcscn, welche die Verwaltung Bulgarien« unfähigen und oft selbst ihren Charakter nach nicht makellosen Leuten in die Hände lieferten, der zum schweren Unhcile deS Landes immer weiter fortschreitenden Zersetzung der Administration ein Ende macken werde. Alle BcvölkerungSschichlen wünschen die Rückkehr des Fürsten und die Ankunft deS Generals Ernroth herbei, von tenen sie die Erlösung von dcn gegen wärtige», geradezu unerträglichen Zuständen erwarten. So berechtigt nun auch da» Vertrauen in die Fähigkeiten und den Eöaraktcr de» Generals Ernroth ist, nnd so begründet auch die Hoffnungen sind, die inan an dicNückkehr deS Fürsten knüpft, kann man fick, wenn man ander» den Erstercil nicht überschätzt und Letzterem nickt au» überschwänglicher Loyalität geradezu Zaiibcrkrast zuscbreibt, keiner Täuschung darüber hingeben, daß de» Fürsten und seines RalhcS eine sehr schwere Arbeit harrt. Selbst bei den energischsten und unermüdlichsten An strengungen kann eS dem Fürsten und dem General nur in geraumer Zeit gelingen, die kläglichen Zustände in Bulgarien einigermaßen zu bessern. Man darf überzeugt sein, daß der Fürst selbst sich dieser Einsicht durchaus nickt verschließt. Angesichts der gcgenivärligen Situation im Fürste»lbume, deren Wirrsale trotz der vielen Lamentos, welche auS Sofia in die Welt drangen, keineswegs erschöpfend geschildert wurden, wäre eS eine Illusion, Mehr zu bossen, als daß Fürst Alexan der und General Ernrolh das kraule Bulgarien einer allmäligcn Wiedergcncsmig ciitgegensühren werden. * Die Lößnig der schon so lange schwebenden ostrumc- lischen Tribut frage, be:w. Sie Herabsetzung des von der autonomen Provinz an die Pforte zu entrichtenden JahreS- tributs dürfte binnen Kurzem erfolge». Der Großvezicr bat darüber Aleko Pascha bei dessen Anwesenheit in Konstantinopel die bündigsten Berncherlingcii gegeben und erklärt, daß die ottomanische Regierung dem von der Provinzialversamnilung beschlossene» Gesetze betreffs der Herabsetzung de« Tributs ibre stillschweigende Znsiiinmnng ertheile und bereit fei, den Beschluß in csneieller Form an.ncrkenncn, sobald derselbe die Zustimmung der Sianatariuachte de» Berliner Vertrage- erhalten haben werde. * An? Athen wird vom 7. Juli geschrieben: „König Georg wird sich am 2l. Juli zum Eurgcbrauche nach Wiesbaden begeben n»d etwa sechs Wochen daselbst ver weile». Während ticstr Zeit wirk er, wie eS beißt, einen kurzen AuSflug nach Koronbagen nnternebmen, um daselbst seine Schw-st-r zu best, Die Königin ist vorgestern in Corsu angekoinmen. — Der bisherige türkische Geschäftsträger am griechischen Hofe, Tcwfik Be», ist zum Gesandten in Alben erbeben worden. — Wie im Vorjahre aus Anlaß der enalische» Expedition nach Egypten, stebl auch Heuer in Folge der Cholera eine Rückwanderung der im Nillaiite ansämgen Griechen nach ibrcm Heimathlanbe bevor. Die überwiegende Mehrzahl jener Personen, die. ihre BerniSgeschäslc im Sticke lassend, sich vor der Epidemie au» Egvplen fluchten. besteht au- Grieche», Li«, von wenigen Au-nabmen abgesehen, nirgend» anderSbin alS nach Griechen land ibre Schritte lenken werken. Sie werden sich von dieser Absicht selbu durch d e strengen Maßregeln nicht abbringen lauen, welche die gri-ckischc Regierung sogleich nach der ersten Nachricht über das Auftreten de- Cbolcra in Damiette ver-
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