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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.07.1918
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1918-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19180705010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1918070501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1918070501
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Text schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-07
- Tag 1918-07-05
-
Monat
1918-07
-
Jahr
1918
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Morgen-Ausgabe ««u,g»-rei»: L M »»«NEihttIch M. 600; str LLHolik monakllch M. 1.78: »,,ch »1«rc «»«»Iilliiii FM«l«a >»« Hao« ««bracht monatlich M. 2^8, »l«rt«l- >4hckch stl.Töü; dnrch »l« Dost t»a«rhald v«»tschland« »«samt-Bataab« WWMtUch M. 2^8, »Itrkillädrllch M. 6.78; Morarn-Aat-ad« M. IHa M. 0^0. Sann,«^.B.«,-tx M. 0« «onatltch kaa<lchli«bllch Posldrfltllgrdübr). Lasptschrifkleiter: Dr. Erich Everth, Leipzig. UL. Jahrgang der Stadl Leipzig Verlag: Dr. Reinhold L To.. Leipzig. »E ». B«b»rS«« t» «Ul. r«ll »l« K»l,n«l^tl« >0 Pf. ».««», .btatn« An^t««, dt« N»1,ii,l,«U, SU Pf. a,«»«rt« SS S»ichSstean,«ta«a mit platzaorlchrlft«» lm pr«it« «rl>»-t. LaNa^a: chaiamtaaflaa« M. 7.— »a« I«f«nd -utlchl. poft^dlb«. r » DZ. — Sa»»- «b -eß««,« >8 Pf. ». tieir. »<«w ab Voftlchmbt»^»7» «ch SafchSfiSff«!«: 2»b«»I««aff« dtr. 8. Freitag, den 8. 3uli Nv 837 1S18 EllglWe MM N der Smule Meitett Abendbericht W<d. Berlla. 4. IuN, abends. (Amflich.) Beiderseits der Somme wurden starke englisch« Teil angriffe in unserem Kampfgelände zum Scheitern gebracht. Sesterr «ungar. Heeresbericht vtb. Wien, 4. Juli. Amtlich wird gemeldet: Der Geschützkampf ist an zahlreichen Abschnitten der Siid- lvestfronk außerordentlich rege Bei Asiaqo und auf dem Monte Sisemol scheiterten englische Stoßtruppenunter- uehmen. 2m Mündungsgebiet der Piave dauern die Kämpfe an. Der Chef des Generalstabes. * Wien, 3. Juli. tDrahtbericht.) Aus dem KriegSpresseqoartier wird gemeldet: Nach mehrtägiger ocrhäilnismähiger Ruhe, die wohl ror allem durch die erlittenen schweren Verluste des Feindes er rungen war, hat sich die italienische Heeresleitung an einzelnen Ab schnitten sowohl im Gebirge als auch in der Ebene zu einem offensiven Vorgehen enlsästossen. Beim Morgengrauen setzte gestern um 3 Uhr immer heftigere, stellenweise dis zum Trommelfeuer gesteigerte Ar- lillerielötigkeit an der Front vom Montello bis zur Piavcmündnng ein. Unmittelbar nördlich San Iona und hauptsächlich gegen das Piave- Delta richtete sich der feindliche Vorstotz. Hier trachtete sowohl in direktem Anstürme von Westen und Süden als auch auf Ueber- schiffungSmitteln von See her die iialienische Infanterie gleichzeitig in das Mündungsgebiet des Flusses cinzudringcn. Sie wurde überall nach erbittertem Kampfe, der bis zum Einbrüche der Dunkelheit dauerte, adgewehrt und erlitt außerordentliche Verluste. Nur bei Chiesa Nuova, 4 Kilometer südlich von San Dona di Piave, konnten die Italiener nach Ueberschreitung deS Sile sich in einem schmalen Geländestreife» am Westrande d«S Deltas festsehen. Weiter nördlich wurde bei Zenson der Versuch einer feindlichen Abteilung, auf Kähnen das Ostuser der Piave zu erreichen, durch Feuer vereitelt. Weniger einheitlich ge leitet, aber gleichfalls sehr hartnäckig waren die italienischen Vorstöße an der GclstrgSfronl beiderseits der Brenta. Alle Bemühungen d«S Gegners, hier über einzelne Punkte seiner Kampflinien vom 1b. Ium Raum nach vorwärts zu gewinnen, scheiterten an den unerschütterNche« s Stellungen unserer braven Infanterie, zum Teil schon unter der Wir kung deS raschen Eingreifens unserer Artillerie. * Bon der schweizerischen Grenze, 4. Juli. (E i g. D r a h t b e r i ch t.) Von besonderer militärischer Seite bringen die ..Neuen Züricher Nach richten" ein Nachwort zum Rückzug der Oesterreich er an dec Piave, eS heiht darin: Man kann menschlich den Jubel der Italiener, insbesondere nach der Katastrophe von Karfreit, vollkommen begreifen. Aber als neutraler Berichterstatter mutz man der Wahrheit die Ehre geben und sagen, datz erstens die Oesterreicher keine Niederlage er litten und zweitens, datz die Italiener mehr Glück als Ver stand gehabt haben. Was am Piave stehl, ist die Elite des öster reichischen Heeres, die gewiß danach trachten wird, das Unglück des ersten Angriffes durch einen Erfolg eines zweiten wettMinachen. Die Italiener ihrerseits scheinen dagegen nicht stark genug zu sein, um zum Gegenstoß auszuholc». Wohl haben sie versucht, den Oestcrreichern nachzudrängcn, wurden aber mit blutigen Köpfen abgewicsen. General Diaz scheint seine Instrumente sehr genau zu kennen, denn trotz seines welthistorischen Erfolges hat er schleunigst fünf von den sechs ita- lie irischen Divisionen aus Frankreich zurück gerufen. Das ist ein Erfolg für die Zentralmächtc und ein Ein geständnis- für die Italiener, alle ihre Kräfte zusammensasscn zu müssen, selbst unter der Gefahr, die berühmte Einheitsfront zu zerreißen, wäh rend die Oesterreicher ihre großen Reserven nicht angerührt haben- Das ganze Verhältnis der beiden Gegner scheint also gleich geblieben zu sein, nur dürsten sich die Aussichten der Oesterreicher für einen zweiten Angriff wesentlich günstiger gestalten. Zürich, 4. Juli. <Eig. Drahtbericht.) .D'Italia" meldet ihren Lesern mit Genugtuung das Eintreffen von Kolonialtruppen aus Marseille an der italienischen Front. Türkischer Heeresbericht Konstantinopel, 8. Juli. — Heeresbericht. — Palästinafront: Von der Küste bis zur Straße Jerusalem — Nablus war die Gefechts tätigkeit gering. Zwischen genannter Straße und dem Jordan lebte beiderseits die Arttllerietätigkeik auf. Durch unser gut geleitetes wirk sames Artilleriefcuer wurde der Feind in diesem Abschnitt gezwungen, mehrere Zeltlager zu verlegen. Oestlich deS Jordan war schwaches Ar tilleriefeuer. Gegen die HedschaSbahp unternahmen die Rebellen verschiedentlich Angriffe: sic wurden überall abgewiesen. — Von den anderen Fronten nichts Neues. Frankreichs FLottenpolitik Haag, 4. Juli. lE i g. D r a h t b e r i ch t.) In einem Artikel über die Flotlenpolitik Frankreichs bespricht der «TempS" die Ausführungen deS Berichterstatters über das Budget. Der Berichterstatter batte die Ansicht geäußert, die französische Regierung übertreibe ihre Flottenpolitik. Frankreich müsse eine Dofensivflotte hoben, denn die gegenwärtige Flotte sei veraltet. Der «TempS" tritt diesen Ausführungen scharf entgegen. Die Ausführung deS Berichterstatters sei um so bedenklicher, als sich gerade in letzter Zett heraus - gestellt hab«, daß eSDeutschlandnichtgelungensel,mtt be« Tauchbooten sein Zielz« erreichen. Das Blatt verweist auf die Erfolge, die Kreuzer, Torpedoboote und andere Schiffsklassen im Kampf« gegen Tauchboote und bei ihren Angriffen auf die flandrische Küste er zielt hätten. Im übrigen halt« auch Deutschland «och immer an seinem Flottenprogramm von 1900 fest, an besten Fertigstellung es sich nicht einmal durch den Krieg habe beirren lasten. Auch die Vereinigten Staaten würden Kriegsschiffe gewaltigen Umfangs bauen. Die Schlacht- sckisfe neuesten Typs hätten eine Verdrängung von über 41 000 Tonnen. In England würden Schiffe ähnlicher Gröhe gebaut. Wenn di« «ng- lifcheGrohkampfflotke nichtgewesen wäre,sowürde die deutsche Hochseeflotte mit den U-Booten die Herrschaft zur See an sich gerissen und alle über seeischen Transporte unmöglich gemacht habe«. Protest Tschitscherins gegen England Moskau, 3. Juli. (Drahlbericht.) Rach einer Meldung der Moskauer Zeitung «Swoboda Rossis" hat Tschitscherin folgend« Note an den englischen Vertreter gerichtet: «Rach dem Willen deS arbeitenden Volkes, das sich seiner geistigen Macht und der Solidarität mit de« Arbeiterklaffen der ganzen Welt bewußt ist, hat di« russische sozialistisch-föderative RatSrepubltk die Reihen der kämpfende« Mächte verlassen und den KriegSznstand aufgehoben, besten längere Dauer "7 innere Laqe Rußlands unmöglich macht«. DaS ArdeitSvolk Rußlands und die seinen Willen ausführend« Ne gierung der Arbeiter und Bauern trachtet nur danach, in Frieden «ad Freundschaft mit allen übrigen Völkern zu leben. Keinem einzigen Volk droht das Arbeitsvolk Rußlands mit Krieg, und keinerlei Gefahr kann von seiner Seite Großbritannien drohen. Mit um so größerer Entschiedenheit mutz die Arbeiter- und Bauernreqierung gegen den durch keinerlei aggressive Handlungen russischerseits hervorgerufenen Ein marsch englischer bewaffneter Truppen protestieren, di« soeben an der Murmanküfte gelandet sind. Das Volkskommissariat d«S Aeuhern besteht aufs allereittschiedenfie daraus, daß in Murmansk, einer Stadt des neutralen Rußlands, sich keine bewaffneten Streit kräfte Großbritanniens oder irgendeiner anderen feindlichen Macht auf holte« und indem eS noch einmal seinen schon mehrfachen vorgebrachte« Protest gegen die Anwesenheit englischer Kriegsschiffe in den Marman- Häfen wicherdolt und gleichzeitig di« bestimmte Erwartung anSspricht, daß die großbritannische Regierung di« der internationalen Lage Ruß lands widersprechenden Maßnahmen zurücknimmt, damit das Arbeits volk Rußland«, d«S den heißen Wunsch heg», in ««gestörten freund schaftliche« Beziehungen zv Großbritannien zu verbleiben, nicht gegen seine« Wstle« in eine Laqe gedrängt wird, die seinem alleraufrichtigsten Bestreb«, nicht ««»sprich». Kerenski« Besuch in Pari» Araekfnrt, 4. Juli. (E i g. D r a h tb e r 1 ch t.) Aus Gens meldet man der Franks. Ztg.': Es liegen jetzt Einzelheiten über den Besuch Kerenskis in Paris vor. Der Abg. M 0 rret erklärt« nach einer Besprechung mit K-erneski dem Vertreter eines Lyoner Blatt«S: Es bereitet« mir «in« große Freude, Kerenski wtederzusehen, mit dem ich und meine Kammer kollegen in Petersburg intim verkehrt hatten. Ich fand Kerenski sehr ver ändert. Man steht ihm an, daß er körperlich und seelisch gelitten hat. Vas Aeußere seines Gesichts ist vollständig verändert. Wir unterhielten uns namentlich über die verschiedenen Strömungen in der sozialistischen Partei Frankreichs gegenüber der Möglichkeit «Ines Eingreifens der AMorten tn Rußland. Da aber diese Frage für unsere ftanzöstsche Partei fahr lwWWlzI i tt Sfk, «k°d «e Besprech«« «och «tntge Loge fmBgasetzL Kerenski empfing am Sonnlag auch den Vertreter der rassischen revolutionären Sozialdemokratie Rudanowitsch, der den Zeitungen über seine Unterredung eine längere Mitteilung machte und versicherte, daß die russischen Revolutionär« von den Bolschewisten nichts wissen wollten. Dazu ist za bemerk««, daß Rudanowitsch schon fett Jahrzehnten in Frankreich lebt, daß er naturalisierter Franzose ist, and daß er während des ganzen Krieges di« Politik der französischen Regierung offen unter stützt hat. Wenn das nicht der Fall wäre, wäre es ihm übrigens unmöglich gemacht worden, mit Kerenski zusanunenzutreffen. Falsche Gerüchte aus Wladiwostok Berlin, 4. Juli. (Drahtbertch 1.) Das Ukrainische Preste- bureau in Lausanne hat am 1. Juli die Meldung auS Kiew gebracht, daß japanische Truppen unter General Kato zur Unterstützung der Tschecho- Slowake« i« Wladiwostok gelaadet seien, sowie daß Großfürst Mi chael Alexandrowlksch zum Zaren ernannt sei and gegen Mos kau marschiere. Wie W. T. B. von zuständiger Stelle hört, ist diese Meldung von Anfang bis zu Ende reine Erfindung. Besondere Maßnahmen znm Schutze der spanischen Neutralität Haag, 4. Juli. <Sig. D rahtbertcht.) Realer «etdet q«S Madrid: I« Senat reichte Ma«ra «ine« Gesetzentwurf ei«, der die Regierung ermächtigen soll, besondere Maßnahme« zum Schatze der spanischen Reutratität zu ergreifen. Die Vorlage wurde einstimmig an genommen. Bevorstehende Tnternierrmg der feindlichen AuslSnder in England Haag, 4. Juli. (Ei4. D r a h t b e r i cht.) Der Miemoe Rotter- domsche Courant" meldet aus London: Der Feldzag für Internierung sämtlicher feindlicher Ausländer, der be sonders durch die .Morning Post' und .Evening News" geführt wird, erreichte seinen Höhepunkt mit der durch den Premierminister vollzogenen Ernennung eines aus 5 Mitgliedern bestehenden Ausschusses, der in dieser Angelegenheit eine Untersuchung veranstalten soll. A« Blätter erklären, daß anch die Zurückderufung Sir George Eaves aus dem Haag damit in Verbindung steht. Die mißglückte internationale Arbeiterkonserenz Haag, 4. Juli. (Eig. Drahtbericht.) Reuter meldet: Die Verwaltung der englischen Gewerkschaften erwähnt in einem Bericht, der stch mit dem mißglückten Versuche zur Herbeiführung einer Arbeiterkonserenz, bestehend aus Delegierten der krieg führenden Länder, beschäftigt, daß die deutschen Verbrechen d4e Ursache deS Widerstandes wären, den die amerikanischen, kanadischen, eng lischen und belgischen Arbeiter der Abhaltung einer internatio nalen Arbeiterkonferenz entgegengesetzt hätten. In dem Bericht wird ferner darauf hingewiesen, daß es nicht Sache der Arbeiterpartei oder irgendeiner andern Partei, sondern Sache der gesamten Ration sei. die Fr» edenSd e dt»gung e« fest- zns eh en. Deshalb sei es für die Arbeiterpartei »nmögstch, ein ein gehendes Programm mit Friedensbedingungen avfzustellen. Dies sei um so mehr ausgeschlossen, da Belgien, Noodsrankreich, Serbien, Ru mänien und Rußland noch immer vom Feinde beseht sei«. Der Selettzrrg nach Indien führt nicht Haag, 4. Juli. tDrahtbericht.) Der Konvoi nach Holländisch- Indien hat auf Befehl der Regierung noch nicht die Ausreise an getreten. Die Negierung, die ihren Rücktritt heule vollzieht, »Ul di« Regelung dieser Frage offenbar dem neuen Kabinett über lasten. - - - kommen und Familtenbezichungen in diese Atmosphäre hinein gewachsen waren. Diese Atmosphäre aber ist etwas Uebermäck- ffgeS, daS haben wir gerade jetzt in unserer Kriegswirtschaft ge- sHen. LS ist kein Geheimnis, daß stch beute häufig genug Männer, die auS dem praktischen Leben kamen, in den amtlichen Klubsesseln sehr schnell zu Boreaukraten schlimmster Art entwickelt haben. Hie sogar den Spott alter Beamten wachrufen. Man muß mil Zur Erneuerung unserer Außenpolitik Die Schwierigkeiten, die sich gerade in Deutschland einer er folgreichen Außenpolitik cntgegenstelien, liegen zum Teil auf einem ganz anderen Gebiet, als man narb den allgemeinen Er örterungen annehmen müßte. Der Mangel an staatsbürgerlicher Erziehung, der sich in den innerpolilijchen Kümpfen bemerkbar macht, ist auch ein Hauptgrund, weshalb wir außenpolitisch immer in das Hintertreffen gekommen sind. Man braucht nur frühere Debatten über auswärtige Politik in unseren Parlamenten nach zulesen, um über die völlige Unerfahrenheit zu erschrecken. Bei dem Haushalt des Auswärtigen Amtes kam cs jedesmal .zu Er örterungen, die sich fast über eine ganze Woche erstreckten. Aber das Ergebnis war immer gleich dürftig und beschämend. Soll man es heute verschweigen, daß sich diese Reden von der Politik des Stammtisches nicht allzuviel unterschieden? Vor allem sah fast jeder der Abgeordneten auch die größten internationalen Fragen durch eine Parteibrillc an. Es gab geradezu Schablonen, nach denen gearbeitet wurde. Rußland war für die Konservativen ein Ideal, für die Linke ein Schreckgespenst. Mit England stand es etwa umgekehrt. Frankreich wurde so iwgcsähr wie ein ver lorener Sohn betrachtet, dem man gerne die Tür ins Vaterhaus öffnen wollte, wenn er nur selber das Bedürfnis hätte, reu mütig zurückzukehren. Der Balkan galt schlechthin als ein Blümlein Rührmichnichtan, das man nur höchst ungern und anch dann nur mit einigen Redensarten streifte. Was vollends außer halb Europas lag. kam kaum in Betracht. Es sind nur ganz wenige, wie etwa Hertling und Basscrmann, gewesen, die etwas tiefer in diese Fragen eindrangen. Freilich, eine Entschuldigung hat unser Parlament immer für sich in Anspruch nehmen können: Was vom Negierungstischc gesagt wurde, klingt, heute an den Tatsachen gemessen, auch nicht viel besser. Ls ist ohne Zweifel richtig, daß die Geheimniskrämerei, die bei uns von amtlichen Stellen betrieben wird, an dieser außenpolitischen Ahnungs losigkeit deS Reichstages sehr viel Schuld trägt. Auch in den AoSschuhsitzungen wurden den neugierigen Fragern nur Brocken hingeworsen. Im übrigen hüllte man sich in die Toga des Schuoeigens, die immer ein gewisses Relief gibt und geistige Blößen würdevoll verdeckt.. Wem diese Schilderung übertrieben vorkomint, der lese einmal die Novemberdebatte von 1908 nach, die sich an das bekannte .Daily-Telegraph'-Interview des Kaisers knüpfte. Die Linke be gehrte auf, weil sie hier eine Kundgebung des persönlichen Regiments sah, die Rechte, weil ihr die Annäherung an England nicht zusagte. Auch das Zentrum ist aus ähnlichen Gründen wie der Liberalismus und die Sozialdemokratie vorgcgangen. Um was eS in Wirklichkeit ging, wird in all den vielen Reden kaum berührt. Auch diese große außenpolitische Debatte, man kann wohl sagen die größte, die der Reichstag seit Bismarcks Rücktritt hatte, ist im wesentlichen parteipolitisch gewesen. Und hier sind wir an dem entscheidenden Punkte angelangt. Unter Politik hat man in Deutschland eigentlich nur daS verstanden, was man am besten als Partelpolitik bezeichnet. Es ist bemerkenswert, daß keiner unserer Kanzler nennenswerte Schwierigkeiten wegen außenpolitischer Probleme gehabt hat. Anch der Kampf gegen Caprivi wegen der Kündigung des Rückversichcrungsvertrages ist im wesentlichen innerpolitischer Natur gewesen. All die anderen Ereignisse sind wohl im Reichstag erörtert worden, aber immer nur von ganz bestimmten Gesichtspunkten aus. Als der Frieden von Schimonoseki durch das Eingreifen Deutschlands, Frankreichs und Rußlands Japan um einen Teil seiner Kriegsbeute brachte, hat im Reichstage niemand die ganze Bedeutung dieses Schrittes er kannt- Und ähnlich verhielt es sich mit allem, was später kam. ES wäre falsch, dem Reichstage oder einzelnen Parteien daraus einen Vorwurf .zu machen. Man darf nicht vergessen, daß Deutschsand erst so spät wie außer ihm keine andere Macht in Europa zu einer wirklichen Außenpolitik gekommen ist. Die größte Frage, die ganze Geschlechter beschäftigt hat, war eine innerpolitische, die Einigung Deutschlands. Bis dahin, bis Ver sailles, war die deutsche Außenpolitik tatsächlich innerpolitisch. Unter diesem Einfluß haben dann auch unsere Parlamentarier gestanden. Und nicht nur sie, sondern im Grunde genommen das ganze Volk. Hinzu kam, daß man bis 1890 die Führung der Skaatsgeschäfte in guten Händen wußte und daß Bismarck auch den diplomatischen Dienst auf sein eigenes Riefenformat .zuschnitt. Die sprunghafte Entwicklung, die uns plötzlich aus Ohnmacht und Zerrissenheit zu Größe und Weltgeltung emporführte, trägt die entscheidende Schuld. Einheitsstaaten wie Frankreich oder Eng land mit ihrer langen Geschichte waren uns in dieser Hinsicht wett voraus. Ls ist daher eine Frage zweiten Ranges, ob die Fähigkeiten der Diplomaten der sogenannten alten Schule genügten oder nicht. Die erste Frage muß lauten: Hatten wir andere? Und da muh ehrlich zugestanden werden, daß das Volk der Denker und Dichter, das Volk einer märchenhaften Entwicklung von Indrrstrie und Technik keine Politiker .zur Verfügung hatte. Wir waren viel zu viel Beamten staat, als daß ein Talent sich in die große Maschine als Rad hätte einstigen lasten. Nicht nur die geringe Bezahlung hat den Eintritt in die diplomatische Laufbahn verhindert, sondern auch die Liebe zur Freiheit. Wer etwas leistete, der sah sich nach einem Gebiet um. auf dem er voll und unabhängig zur Geltung kommen konnte. Lin solches Gebiet aber war die auswärtig« Politik so wenig wie die innere Verwal tung ES ist nicht jedermanns Sache, sich in die Klüngelrvirtschast hineinzufinden, und deswegen überließ man die diplomatischen Poften genau wie die der Verwaltung Männern, die durch Her-
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