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WEM-GOW Anzeiger Tageblatt für Kohensteln-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Kermsdorf, Bernsdorf, Wüslenbrand, Ursprung, Mittelbach, Kirchberg, Erlbach, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Küttengrund rc. Der .Kohenftein-Ernftthaler' Anzeiger erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich abends mit dem Datum des folgenden Tages. Vierteljährlicher Bezugspreis bei kreier Lieferung ins Kaus Mk 1.50, bei Abholung in der Geschäflsslelle Mk. 1.25, durch die Post bezogen lauster Bestellgeld) Mk. 1.50. Einzelne Nummern 10 Psg. Bestellungen nehmen die Geschäfts- und Ausgobeslellen, die Ausiräger, sowie sämtliche Kaiser!. Poslanftalten und die Landbricslriigcr entgegen. Als Extra beilage erhalten die Abonnenten jeden Sonntag das .Illustrierte Sonnlagsblatt". — Anzeigengebühr für die Sgespallene Korpuszeile oder deren Raum 12 Psg., für auswärts 15 Psg. : im Reklameteil die Zeile 50 Psg Sämtliche Anzeigen finden gleichzeitig im .Oberlungwitzer Tageblatt' Ausnahme. 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Ksu erbautl 6rn«8to tu^ivubl In »Hon <Ior lnkrosrott ?u mllrurl^on ran >2 N l'lir. «»wie g I» «arte Van 5 l br »b Otullob eolvb« tutnvubl In ^ps/lnlrrerlekten. Ilaetmebtaugnrall Willi. Kiikn, variier to)»!>ri^sr Läebtvr äer „^Iksrtabursr". Gememde-Sparkaffe Oberlungwitz — im Gemeindeamt, Fernsprecher No. 161 Amt Hohensten-Er. — ist täglich vorm. von 8 -12, nachm. von 2—5 Uhr geöffnet, expediert auch schriftlich und verzinst alle Einlagen — die diS zum S. deS Monats geleisteten für den dosten Monat — mit 8' / „ Wahlrechts-Deputation und Wahlkreis-Einteilung. Die außerordentliche Wahlrechtsdcputativn der Zweiten Kammer hat am gestrigen Montag vor- mittags 10 Uhr im Ständehanse zu Dresden ihre Sitzungen wieder ausgenommen, um in das Kom promiß der Konservativen und Nationallibcralen daS wichtigste und Schlußstück, die Wahlkreis-Einteilung, einzusiigcu. Der Vorsitzende Abg. Opitz eröffnete die Sitzung mit einem Rückblick aus die bereits ge leistete Arbeit und mit einem Ausblick aus die künftige Behandlung der Wahlrechtsreform. Dabei hob er hervor, daß die Deputation, vielleicht entgegen der bisherigen Gepflogenheiten der parlamentarische» Körperschaften, sich nicht nur mit der Ablehnung der Regierungsvorlage, sondern auch mit positiver Arbeit und Vorschlägen beschäftigt habe, um daS schwierige Werk der Wahlreform zu fördern. Staats- ministcr Graf Hohenthal begrüßte darauf die De putation und erkannte dankbar an, daß sic von dem erustcn Streben beseelt gewesen wäre, die Lösung der Wahlrechtssragc zu verwirklichen. Der Minister gab daun der Hoffnung Ausdruck, daß bei gegen seitigem Entgegenkommen ein Wahlgesetz zustandc- kommcn werde, das für die Regierung und die Kammern annehmbar sei. Vorgclcgt wurden sodann den Mitgliedern der Deputation zwei Vorschläge über die Wahlkreiseintcilung. Der eine ist vom Geheimen Regierungsrat Heink ausgcarbcitct, der andere vom Abg. Andrä. Dem Heinkschen Vor schläge sind ausführliche erläuternde Bemerkungen beigegcbcn, in denen es u. a. heißt: „Nach den Be schlüssen der Deputation sind die Wahlkreise nach ihrer sozialen und wirtschaftlichen Zusammengehörigkeit unter Anhalt an die historische Entwicklung zu bilden. 'Neben der Wählcrzahl soll in gewisser Beziehung auch die Grundfläche des Kreises berücksichtigt werden. Unter Beachtung dieser Gesichtspunkte galt cs zu nächst, die Zahl der Wahlkreise der fünf exemten Städte zu finden, weil diese nach den Deputation^ bcschlüssen in der Hauptsache Wahlkreise sür sich bilden sollen. Bisher wählten Dresden, Leipzig, Chemnitz und Zwickau zusammen 18 von 82 Ab geordneten. ES wird nunmehr vvrgcschlagcn, von den künftig 06 Abgeordnetensitzen den jüns exemten Städten 2l zu gewähren, ferner 16 Wahlkreise rein städtischen Charakters zu bilden, 48 ausschließlich sür Landgemeinden und l l aus Stadt- und Land gemeinden kombinickt. Der Andräsche Vorschlag kommt nach den im Kompromisse zur Wahlrcsorm scstgclcgtcn Grundsätzen aus 17 großstädtische Wahl kreise, 19 miltelstädtischc Kreise und 60 Kreise länd liehen Charakters. Geh Regierungsrat Heinl er läuterte danach seinen Vorschlag und betonte dabei insbesondere, daß er sich bei dessen Ausarbeitung durchaus aus den Boden der in dem Kompromiß über die Wahlkreiseintcilung cnthallcnen Grundsätze gestellt und sich bemüht habe, die ganze Angelegen heit rein sachlich, keiner Partei zu liebe oder leide, zu behandeln. In der Aussprache über die im Druck vorliegenden beiden Vorschläge wurde im allgemeinen der Anschauung Ausdruck gegeben, daß es ratsam sei, nicht jetzt schon, bevor sich dic Deputativnsmitglicdcr über die Vorschläge genau informiert hätten, in die Diskussion über den einen oder anderen Vorschlag cinzutretcn. Der einzelne könne auch für sich allein über diese außerordentlich wichtige Frage heute eine Entschließung noch nicht fassen, sondern müsse sich vorher mit seinen näheren politischen Freunden ins Einvernehmen setzen. — Heute werden sowohl die konservative wie die nationallibcralc Fraktion des Landtags zusammentretcn, um zu den WahlkreiScin- tcilungsvorschlägcn Stellung zu nehmen Die nächste Sitzung der WahlrcchtSdcputation findet morgen mittag statt. Marx s seliges Ende. Unter diesem Titel veröffentlicht Friedrich Naumann in der demnächst erscheinenden Oktober nummer der „Neuen Rundschau" (S. Fischers Verlag, Berlin) eine Skizze über die Entwicklung des deutschen Sozialismus in den letzten 60 Jahren. In großem Zuge und klarer Durchsichtigkeit zeichnet er die Geschichte und das Geschick der prophetischen Theorien von Marx, des Sozialisten von 1848, küssen „schwere, fast religiöse Dialektik" im Verein mit Lem Pathos Lasalles di- Massen mit. sich ge rissen und aus einer verworrenen und ungebärdigen Arbeiterbewegung eine soziale Großmacht geschaffen habe. „Er gab ihr weite Weltgeschichtsgedanken, starke dramatische Phantasten, Wahrheiten, denen man die Glut des Schmelzofens anmerkte." Nau- manu entwirft dann in der seinen Anhängern ver trauten Art, die Ideen zu gruppieren und aus ihnen ein Gebäude aufzuführen, von Vergangen heit und^Zukunft des Marxismus folgendes Bild: Seiner eigenen historisch-ökonomischen Theorie zum Trotz, war Marx und sein dialektischer Kopf eine geschichtliche Kraft. Was wären alle die Liebknecht, Bebel, Auer, Grillenberger, kurz die ganze erste Generation sozialdemokratischer Führer, ohne tun Hintergrund der marxistischen Begriffs- dichlung gewesen und geblieben? Wie Napoleon Feldherren schuf, so weckte Marx Talente der Ar beiterbewegung. Die „ökonomischen Verhältnisse" allein, die in Marx's Theorie den bekannten be vorzugten Platz einnehmen, hätten daS nicht ver- mocht. Doch nun, nach zwei Menschenaltern, da wir an der Schwelle einer dritten Generation stehcn, so geht Naumann« Gedankengang sort, da gleich BiSmarck, Wagner und Darwin auch Marx anfängl, Vergangenheit zu werden, tritt die Ge schichte in ihr Amt als Meisterin der Kritik. Männer, deren geschichtliche Bedeutung unantast bar bleibt, sind allmählich alt und sremd und schwer geworden. Denn das Leben geht weiter. To ist eS jetzt Marx ergangen. Die Geschichte hat ihn widerlegt und manche Korrektur an seinen Prophe zeiungen vollzogen. Hören wir Naumann weiter: Das größte, was Mmx geleistet hat, war, daß er die deutschen Ar beiter vor einem blinden Haß gegen „den Mammon in allen seinen Gestalten" bewahrte und in eine optimistische Auffassung vom technischen Fortschritt überhaupt hineinlenkte. Dadurch hat er Deutschland vor der unabsehbaren Gefahr einer antitechnischen Proletarterstimmung bewahrt. Er hat den unge heuren Wert der wirtschaftlichen Produktionskraft, die die „Bourgeoste" verkörpert, unumwunden an erkannt, und den kapitalistischen Liberalismus sür die stärkste Umgestaltungskraft der Weltgeschichte gehalten. Freilich sollte nun dieser Kapitalismus nur ein Wegber.iter deS Sozialismus werden, nur em kurzes glänzendes Zwischenspiel zwischen ihm und dem zugrunde gegangenen Feudalismus, so meinte Marx DaS Kapital schafft Massen über all, Massen des Besitzes, Massen der Betriebe und Massen der Arbeiter. Aber dadurch zeugt eS sich auch seine eigenen Totengräber, indem eS durch die Atomisierung der Gesellschaft immer neue Teile der Bourgeosie in daS Proletariat hinabschleudert; so muß endlich der Tieg und aller Gewinn dem einheitlichen Proletariat in den Schoß fallen. DaS war der Marxsche Glaube Doch eS kam anders. Die Theorie wurde nicht Wirklichkeit. Als nach dem Ende des Sozialisten gesetzes von 1891 die Sozialdemokratie ihr unge brochenes Marxsches Programm ausstellte, indem sie die „letzten Dinge" vor dem Kommen des Zu- kunstSstaates prophezeite, eine auS massenhafter Ueberproduklion erwachsende, immer schroffere Gegensätzlichkeit von Ausbeutern und Ausgebeuteten, und daraus wiederum immer verheerendere Krisen und allgemeine Unsicherheit, übersah sie, was auch Maix übersehen hatte, daß die Wirklichkeit durch aus nicht Anstalten machte, in dem Schema: Großbetriebe und Proletartermassen, auszugehen, daß vielmehr der Kapitalismus dem Sozialismus eins parallele Entwicklung gegenüberzustellen hatte. Der „Vergesellschaftung" des Sozialismus trat die „Vergesellschaftung", die Assoziierung deS Unter- nehmertumS entgegen, das erst dadurchzur eigentlichen „Klasse" wurde. Eine zerbrechliche Reihe indivi dualisierter Einzelunternehmer wäre dem Prole tariat vielleicht bis heute schon unterlegen, aber daS System der organisierten VerbandSunternehmer wirft alle Marxschen Theorien über den Hausen und stellt dem Heere der Sozialisten eine gleich ge- chlossene Armee entgegen, die noch dazu die größeren Kanonen hat. Nicht eine Verengung der äpitalistischcn Interessentenkreise hat stattgesunden, Bonnie. Erzählung v. I. Pia. (Nachdruck verboten.) „Aber wie konnte ich auch denken, daß Du meine Worte für ernst hieltest?" rief ich ärgerlich aus. „Du sagtest mir aber doch. Du hättest gern einen Affen," erwiderte Vetter Han» ganz traurig. „Schwerfällig warst Du immer," fuhr ich seufzend fort, — „aber daß Du einen solchen Scherz falsch verstehen würdest, hätte ich allerdings selbst Deinem schwachen Hirn nicht zugetraut!" „Höflich bist Du gerade nicht," versetzte Vetter HanS, während eS einen Moment zornig über sein gutmütige« Gesicht glitt, „und ich versichere Dich, Wera, wenn Du nur eine Ahnung davon hättest, was für Mühe und Unannehmlichkeiten er mir auf der Reise gemacht hat, würdest Du Dich selbst undenkbar schelten!" Ohne etwa» zu erwidern, starrte ich ratlos auf den Gegenstand unseres Streites, einen kleinen, gran- grünen Affen mit braunen Augen und plaltgedrückter Nase, der eS sich in HanS' Armen wohlsein ließ. „Wenn Du nur wüßtest, waS er mich gekostet hat, von Anfang bi» Ende," fuhr Vetter Hans ärgerlich fort. .Was habe ich allein fürs Ein sangen bezahlen müssen!" „Wie? Es ist auch noch ein wilder Affe?" frug ich entsetzt „Affen sind im ganzen schwer zu ziehen," er- widerte er, während es gleich einem Hellen Sonnen strahl über sein Gesicht leuchtete; „Bonnie aber ist frei von jeder Untugend." Erleichtert atmete ich auf. „Seine R.lse und das und jenes, was auch dazu gehört, kostet mich runde zweihundert Mark; dazu kommt nun auch noch die Hotelrechnung." „Was? die Hotelrechnung?" und wider Millen mußte ich hell auflachen. „Gewiß; was sollte ich mit ihm anfangen, als ich in Hamburg ankam? In meine Wohnung konnte ich ihn nicht mitnehmen; zu Euch, wußte ich, konnte ich in den ersten Tagen nicht gleich kommen — so ließ ich ihn im Hotel Gestern nun ließ ich ihn mir mit dem ersten Zuge kommen, und heute folgte eine Rechnung, die auf dreiund vierzig Mark lautet." „Das wundert mich gar nicht genug," erwiderte ich mitleidlos, „ich staune nur, daß sie ihn über- Haupt aufnahmen! Wo sie ihn nur untergebracht haben mögen?" „Sie haben ihn an ein Bein vom Küchentisch gebunden." .Auf wie lange denn?" „Z.hn Tage lang." „Dieses Quartier haben sic sich mit dreiund vierzig Mark allerdings gut bezahlen lasten, das muß ich sagen." „Nicht wahr, mein Bonnie, Du bist ein kleiner schlauer Bursche? Ich bin überzeugt, Wera, wenn Du erst nähere Bekanntschaft mit ihm gemacht hast, wirst Du ihn sehr lieb gewinnen; Du hast Liere doch immer gern gehabt." „Nun ja, aber doch nicht so ein Lier, so einen Affen!" versetzte ich ärgerlich." „Nun, wenn Du ihn nicht magst, so laß eS bleiben!" sagte Vetter Hans heftig. „Aber das muß ich sagen: launisch bist Du über alle Be- griffe! Dein letztes Wort, als ich Dir vor meiner Abreise nach Indien Lebewohl sagte, war: „Ver giß aber auch nicht, mir einen hübschen Affen mit zubringen!" und nun, wo ich keine Mühe gescheut habe, Deinen Wunsch zu erfüllen, willst Du nichts von dem armen Tiere wiffen." „Wie konnte ich aber auch denken, daß Du mich so mißverstandest und meinen Scherz für- Ernst nehmen würdest. In meinem Leben werde ich keinen solchen Scherz wieder machen." „Das hilft uns nur momentan nichts", brummte HanS. Hätte ich Vetter Hans in seiner HerzenSgüte nicht ganz genau gekannt, so könnte ich wahrhaft denken, der Affe sei nur eine Rache von ihm für all meine kleinen Scherze und Neckereien, — dazu ist er ja aber viel zu gutmütig. Im Grunde tat eS mir doch auch leid, ihn so enttäuscht zu sehen; ich selbst tat mir aber noch viel mehr leid. Da kam mir ein guter Gedanke. „Eigentlich ist er ganz hübsch — sür einen Affen," fing ich an „Glaubst Du, Hans, daß sie ihn im Zoologischen Garten annehmen werden?" Aber Adieu, schöne Hoffnung! — Kaum waren diese Worte über meine Lippen, als Vetter Hans die Stirn in finstere Falten zog und ganz tragisch ausrief: „Wie, glaubst Du, daß ich mir all diese Mühe und Kosten gemacht habe, um ihn dem Zoologischen Garten zu schenken? Dazu habe ich das arme, kleine Tier auch viel zu lieb," und zärtlich strich er mit seiner sonnverbrannten Hand über Bonnie» Kops. „Nein, Wera, wenn Du ihn nicht haben willst, dann weiß ich, waS ich mit ihm mache." „Nun?" frug ich begierig, von einem neuen Hoffnungsfunken beseelt. „Ich lad« meine Flinte — lasse ihn frei — und schieße ihn tot." (Fortsetzung folgt.)