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für die Königliche Amlshauptmannschaft Kippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe " zu Dippoldiswalde und Irauenstein ' Verantwortlicher Redacteur: Carl Ikhne in Dippoldi-walde. Nr. 152. Sonnabend, dm 29. Dezember 1888. 54. Jahrgang. Je bewegter sich in unserer Zeit das öffentliche Leben gestaltet: je weniger sich der Bürger entbrechen kann, von den Vorgängen desselben Kenntniß zu nehmen; je mehr namentlich der Geschäftsmann darauf hingewiesen wird, sich über die Bestrebungen und Fortschritte des Gewerbefleißes in den verschiedensten Zweigen zu unterrichten: desto mehr tritt auch die Be deutung zu Tage, welche die Presse im allgemeinen Wettbetriebe der Kräfte einnimmt; desto mannigfaltiger und bedeutungsvoller wird aber auch die derselben gestellte Aufgabe. Die Leser der „Weißeritz-Zeitung" werden uns die Anerkennung nicht versagen, daß wir bestrebt gewesen sind, den vielfachen Anforderungen, die man mit Recht an ein der Oeffentlichkeit dienendes Organ stellen kann, nach Kräften entsprochen zu haben, und wenn wir daher am Schluffe des bürgerlichen Jahres um allseitige Unterstützung unseres Unternehmens für das neue Jahr bitten, so dürfen wir Wohl nicht ohne Grund uns der Hoffnung hingeben, daß unsere Einladung zur Erneuerung des Abonnements freundlicher Bereitwilligkeit begegnen werde. Wir werden wie bisher in knappen Leitartikeln die Zeitlage im Allgemeinen darstellen und betrachten, die Leser durch Nachrichten, bez. Telegramme, über politische und Gemeinde - Angelegenheiten auf dem Laufenden zu erhalten suchen und jeder wichtigeren Erscheinung im volkswirthschaftlichen Leben, in der Wissenschaft, Kunst, im Handel und Gewerbe Besprechung und Würdigung zu Theil werden lassen. Wir werden aber auch, um dem Bedürfnisse nach Unterhaltung noch lebhafter als bisher entgegen zu kommen und unserem Blatte neue Anziehungskraft zu verleihen, von Neujahr an demselben allwöchentlich eine acht Quartseiten starke Mustrirle Anlerhaltungs -Anlage beigeben, die also in Stärke von ca. 50 Bogen am Ende des Jahres einen stattlichen Band bilden wird, der hoffentlich im Familienkreise Mich später-noch gern vorgenommek' «nd gelesen werden dürfte. Obschon dadurch der Redaktion kein geringes Opfer erwächst, wird eine Er höhung des gewiß sehr mäßigen Bezugspreises nicht eintreten, da wir uns mit der Hoffnung schmeicheln, es werde durch neu hinzukommende Abonnenten einigermaßen der sich erhöhende Aufwand ausgeglichen werden. Die landwirthschaftliche Beilage wird wie bisher forterscheinen. Da bei der Stärke unserer Auflage und der Verbreitung unseres Blattes im ganzen amtshauptmannschaftlichen Bezirke und über denselben hinaus Bekanntmachungen wirksame Ver breitung finden, so laden wir für das neue Jahr nicht nur zu baldiger Erneuerung des Abonnements, sondern auch zu recht fleißigem Jnseriren hierdurch ergebenst ein. WMldismlde. DK WM« der „WrWH-Zritinz." Politische Jahresrundschau. Das nun zu Ende gehende Jahr 1888 wies gleich seinem Vorgänger als seine Signatur Rüstungen und militärische Vorkehrungen nicht nur bei den maß gebenden Nationen, sondern selbst bei kleineren Völkern unseres Erdtheiles auf. Dennoch entwickelten sich aus dem Waffenlärm keinerlei kriegerische Ereignisse und noch heute sind die Aussichten auf die fernere Erhal tung des Völkerfriedens nicht schlechtere und nicht bessere, als sie es schon vor Jahresfrist waren. Aber doch fehlte es nicht an welterschütternden Vorgängen, die allerdings zunächst nur Deutschland berührten, die jedoch auch in der gesammten übrigen Welt ge waltige Bewegung hervorriesen: das Hinscheiden der beiden ersten Kaiser des neuen Deutschen Reiches. Am 9. März 1888 war Wilhelm I., der kaiserliche Begründer des Reiches, 91 Jahr alt, nach einer un vergleichlich ruhmvollen und erfolgreichen Negierung, heiß betrauert vom deutschen Volke, , aus dem Leben geschieden und es folgte ihm in der Regierung des Reiches und Preußens sein einziger Sohn, Kaiser Friedrich IH. Aber das heimtückische Nebel, mit dem der unglücWhe Fürst schon seit Monden unter banger Theilnahme der gesammten Welt gerungen, setzte dem Leben Kaiser Friedrichs nur zu bald ein Ziel, denn bereits am is. Juni folgte der edle Monarch, nach kaum dreimonatlicher Regierung, die aber dennoch auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens leuchtende Spuren zurückließ, seinem unvergeßlichen Vater in die Ewigkeit nach. Der älteste Sohn des Heimgegangenen Fürsten bestieg nunmehr als Wilhelm II. den in so kurzer Zeit zwei Mal erledigten deutschen Kaiser- und preußischen KöpigSthron !und hoffend richteten sich nach all' dem schweren Leid die Augen aller deutschen Stämme auf den jugendlichen Herrscher. Mit einem hochbedeutsamen Akte leitete er seine Negierung ein, durch die eine Woche nach seiner Thronbesteigung voll zogene Eröffnung des außerordentlichen Reichstages. Einmüthig schaarten sich hierbei die deutschen Bundes fürsten um das neue Haupt des Reiches, hiermit vor aller Welt verkündend, daß auch fernerhin die deut schen Stämme und ihre Fürsten treu zu Kaiser und Reich stehen werden. Kaiser Wilhelm II. aber hat durch alle seine weiteren Handlungen und Regierungs akte kundgethan, daß er entschlossen ist, nach außen wie nach innen in den Bahnen seiner großen Vor gänger zu wandeln und mit Muth und Vertrauen sieht darum das deutsche Volk der weiteren Zukunft entgegen. Unter den sonstigen für Deutschland be- merkenswerthen Begebenheiten des Jahres 1888 steht der Erlaß des Landsturmgesetzes vom 11. Februar, also noch unter Kaiser Wilhem I., mit voran, welches in feinen Konsequenzen eine gewaltige Verstärkung der Wehrkraft Deutschlands bedeutet. An den Beginn der Negierung Kaiser Friedrichs knüpfte die vielerörterte „Kanzlerkrisis" an, die schließlich mit dem Rücktritte des preußischen Ministers des Innern, v. Puttkamer, und dessen Ersetzung durch den Unterstaatssekretär Herrsurth endigte. Unter der Regierung Kaiser Wil helms II. traten weitere bedeutsame Personalverände rungen ein. Zum lebhaften Bedauern aller Volks kreise trat Generalfeldmarschall Graf Moltke infolge seines hohen Alters vom Posten eines Chefs des deut schen Generalstabes, welchen der bisherige General quartiermeister Graf Waldersee übernahm, zurück, doch blieb der berühmte Schlachtendenker durch seine Er nennung zum Präses der LandeSvertheidigungs-Kom- mission in Berührung mit dem deutschen Heere. Weiter vertauschte der seitherige Chef der Admiralität, v. Caprivi, diesen Posten mit dem eines komman- birenden Generals; an seiner Stelle übernahm Vize Admiral Graf Monts die oberste Leitung der deutschen Flotte; eine Reihe weiterer Veränderungen in den höheren Kommandostellen des Heere- und der Marine schloffen sich hieran an. Die Sozialreform wird auch unter Kaiser Wilhelm II. kräftig weitergeführt werden wie die dem Reichstage zugegangene Vorlage über die Alters- und Invalidenversicherung der Arbeiter be kundet. Unter persönlicher Theilnahme de» Kaiser« wurde in Hamburg der Zollanschluß, in Leipzig die Grundsteinlegung zum Reichsgerichtsgebäude vollzogen. Von wichtigeren Begebenheiten, welche die deuffch? auswärtige Politik berührten, sind die Veröffent lichungen der gefälschten „BiSmarck-Depeschen" und des deutsch-österreichischen BündnißvertrageS, in ge wissem Sinne der Erlaß der Paßvorschriften in Elsaß- Lothringen, die Reisen Kaiser Wilhelms II. nach den nordischen Höfen, wie nach Wien und Rom, sowie die Besuche des Grafen Kalnoky und des Herrn CriSpi, also der Leiter der auswärtigen Politik Oesterreich- Ungarns und resp. Italiens, in Friedrichsyth beim Fürsten Bismarck hervorzuheben. An die deutsche Kolonialpolitik endlich traten neue Aufgabe» durch den Araberaufstand in Ostafrika heran; doch ist die ReichS- regierung in jedem Falle entschlossen, die Errungen schaften Deutschlands in Ostafrika festzuhalten und stehen im Uebrigen hierüber noch wichtige ReichStags- debatten bevor. Weüden wir uns zunächst der "Deutschland so vng befreundeten österreichisch-ungarischen Monar chie zu, so treten uns in dessen innerer Politik be deutsame Ministerveränderungen entgegen. Zwar will die Ersetzung des polnischen „Landsmann-Minister-" v. Ziemialkowski durch v. Zaleski nichts besagen, be deutungsvoll ist dagegen die Ersetzung deS bisherigen Kriegsministers Grafen von Bylandt durch General Freiherr v. Bauer und einen politisch besonders scharf ausgeprägten Charakter trug die Ernennung des Czechenfreundes Grafen Schönborn zum österreichischen Justizminister. Sie bekundete eine offenbare Stärkung de« die Slaven des Kaiserstaates begünstigenden Systems des Grafen Taaffe und war um so eigen- thümlicher, als ihr in Bellovar die Zurechtweisung deS panslavistisch gesinnten Kroatenbischofs vr. Stroßmayr durch Kaiser Franz Josef selbst vorausgegangen war und obwohl auch vorher Kaiser Wilhelm II. bei seinem Besuche in Wien den Ministerpräsidenten Grafen Taaffe weder empfangen noch durch eine Ordensverleihung ausgezeichnet hatte. Jedenfalls haben aber alle Wider sprüche der innern österreichischen Politik an dem kräf tigen Weiterbestände der deutsch-österreichischen Allianz nichts geändert, vielmehr geht aus den in Wien zwischen den Kaisern Franz Josef und Wilhelm ge wechselten Trinksprüchen hervor, daß die Waffen brüderschaft ihrer Reiche und Heere unerschütterlich weiterbesteht. Die Schlagfertigkeit des österreichisch ungarischen Heeres hat durch das vom österreichischen Abgeordnetenhause bereits definitiv angenommene neue Wehrgesetz eine weitere Erhöhung erfahren, während anderseits die in beiden Reichshälften von den Parlamenten genehmigte Vorlage über die Spiritus steuer eine Kräftigung der österreichisch-ungarischen Finanzen bezweckte. Das 40 jährige Regierungsjubi läum Kaiser Franz Josefs wurde von allen Völker stämmen Oesterreich-UngarnS am 2. Dezember freudig begangen und bildete es somit gegenüber dem sonstigen Nationalitätenhader im Donaureiche einen erhebenden Lichtpunkt. Die dritte Macht im europäischen Friedensbunde, Italien, war im Laufe des alten Jahres sichtlich bestrebt, durch eine Reihe einschneidender militärischer Maßregeln, von denen einige noch in den letzten Tagen erst die Zustimmung des italienischen Parlamentes ge funden haben, den Werth ihrer BundeSgenoffenschaft zu erhöhen. Die verschiedenen bedrohlichen Reibungen zwischen Italien und Frankreich, so in den Fragen wegen Hunis und Massauah, ließen im Uebrigen die