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R». 88 18. Iahrg. Mittwoch, »en S. Mär, ,»>v GeschSstsfteLe und Redaktor,» Dresden«A. 16, Holbeinsk»be LT Fernsprecher 21666 Vostscherttonto Leipzig Ne. 14?87 v«,»,»»r«tr> »kmlt tlluslr Betlag» dtertellShrlia WM« F». In Dre«den uni ganz Deutsch «ch frei Hau» 8.80 ln Oesterretci »«»,»», k> vterieliahrltch ».88^». In D«»»«n und ganz Deutschland frei Hau» ».— 4 in Oe,-erreich 8.8« X. »tt Eln,el-Bummer IV s> SltchMche Bolirzeituna «rschelnt vochrntagen nachmittag». Sächsische Uolksffitung Einzige katholische Tageszeitung in tzrichten. Organ der Zentrumspurre«. Ausgabe ^ mit illustrierter Unterhaltungsbeilage und reltg. Wocheubeilage FeieradeM Ausgabe k nur «it der Wochenbeilagr. Uozelgen, Annahme von KeschüstSaiizelaen dt» IS Uhr. von Familienailzcigen bi« 1, Uhr vorm. Pret» für die Petit-Evaltzeilc S8 Z, ,n> R«N» meteU 80 g. Familien-ilnzeigeu SV Z. Für undeutlich geschriebene, sowie Lurch Fern sprecher ausgegcbcnc Anzeigen kiinnc» wir die LerantworUichreit für die R ichtiglcit de« Lexte« nicht übernehmen. Sprechstunde der Redaktion: I I—IS Uhr vorm. st- Herr Ministerpräsident! Generalstreik und Bürgerstreik in Leipzig, Streik in Wurzen. Chemnitz und Deuben, Spartakistenherrschats i» Plauen. Wer weiß, was die nächsten Tage bringen. Ver haftungen von Bürgermeister und Amtshauptmann in Leip zig. gewaltsames Umherschleppen eines Stadtrates unter Ihren Augen in Dresden. Vergewaltigung der Majorität des sächsischen Volkes durch eine Minderheit. Ter B o l s ck) e- wismus ist nun auch bei uns ausgebrockzeii. Vielleicht bringt schon der morgige Tag Nachrichten von Plünde rungen in Leipzig. Herr Dr. Gradnauer, Sie wissen das alles ganz genau, und was tun Sie? Das sächsische Volk ist nicht bolschewistisch gesinnt, es sehnt sich nach Ruhe und Ordnung, es verlangt, daß derartige Zustände von seinen Grenzen ferngehaltcn werden. Es fordert dringend, datz seine Regierung ihm den Weg weist, wie dieses Ziel er reicht werden kann. Sie haben durch die Revolution die Macht in die Hand bekommen. Sie haben verlangt, daß zum Wohle des Landes sich alle gutgesinnten Elemente hinter Ihr Ministerium stellen sollten. Das ist geschehen. Nicht einen Tag hätten Sie regieren können, wenn nicht die gesamte Beamtenschaft unter Zurückstellung jeden Person- liehen Gefühles im Interesse des Landes im Amte geblieben wäre. Was wäre erfolgt, wenn nicht das gesamte Offizier- korps, obschon in seiner erdrückenden Mehrheit königstren, sich mit einer Selbstverleugnung, die seinesgleichen sucht, trotz aller Beschimpfungen, Verleumdungen und tätlichen Mißhandlungen, bei der Truppe geblieben tväre und die Millionenarmeen zurückgeleitet hätte? Was lväre eiffolgt, wenn Hindenburg der Revolntionsregierung die Gefolgschaft verweigert hätte? Di« Antwort darauf wissen Sie selbst. Sie haben mit Hilfe der vaterländisch gesinnten Arbeiter und Bürger bis heute di« Staatsleitung einigermaßen führen! können. Heute verlangt aber die Stunde mehr von Ihnen. Heute verlangt sie, Laß Sie auch mit Einsetzung Ihrer ganzen Persönlichkeit, ja, unter Nichtachtung jed weder Lebensgefahr die wirkliche Führung in die Hand nehmen» Staatslenker sein, ist eben doch etwas anderes als Parteiführer sein. Sie tragen eine schwere Verantwortung vor Gott und dem Vaterlande, und wenn Sie nicht an Gott glauben, vor Ihrem eigenen Gewissen. Sie tragen aber auch eine schwere Verantwortung vor der Partei, die Sie zum Führer erwählt hat. Sie wissen es genau, daß Bolsche wismus der Tod des Sozialismus ist, weil er der Tod für jedes wirtschaftliche und kulturelle Leben be deutet. Was wir heute aber noch immerhin in den An fängen in Sachsen! sehen, ist Bolschewismus. Tie Führer der Uabhängigen, wenn man ihnen auch noch soviel Idealismus zubilligen will, treiben ein entsetzlich frivoles Spiel mit dem Volk. Kommen sie zur Herrschaft, so wird sie nicht lange dauern, dann kommt Spartakus und mit ihm die Russen. Ich brauche Ihnen die weitere Entwicklung nicht auszumalen. Was aber tun Sie dagegen? Sagen Sie nicht, daß Sie machtlos sind. Es bedarf nur eines Aufrufes, eines Appelles an die gemäßigten und gut gesinnten Elemente aller Kreise. Arbeiter, Bauern, Bürger, Beamten und Offiziere aller Grade, alle würden Sie hinter sich haben, wenn Sic das erlösende Wort sprechen würden. Ein Aufruf zur Bildung einer freiwilligen Volks wehr gegen den Bolschewismus, zur Erhaltung gesetzmäßiger Zustände, zur Stützung der jetzigen Regierung und zur Durchführung der Beschlüsse der Volkskammer genügt, um rn einer Woche eine zuverlässige Truppenmacht von 30 000 Mann in Sachsen auf die Beine zu bringen. Ebenso könnte in jeder Stadt eine freiwillige Polizei gebildet werden, die unter Führung von erfahrenen Offizieren im Notfälle ans den Plan tritt. Wenden Sie sich nur an die Berufsorgani sationen, Vereine, Gelverkschaften usw. Ein vaterländischer Appell würde Wunder wirken. Als zweiter notwendiger Erlaß wäre die sofortige Auflösung der Armee und deren eventuelle Ueberführung in die Volkswehr, die nur provi sorisch für «in halbes Jahr errichtet wird. Aber dazu ge hört ein gewisser Mut und eine Entschlußkraft. Wenn das Vaterland in Not ist, gibt es keine Rücksichten auf Parteisondcrintcressen. Bis heute ist die Spartakus bewegung besonders in Ostsachsen klein. Wendet man Ener- gie'cm zu ihrer Bekämpfung, so verschwindet sie im N». Bis heute hat aber diese Energie gemangelt, stets haben Ihre Parteifreunde, die in den übrigen deutschen Staaten die, Mjimsterposten bekleideten und bekleiden, es bis z»»i äutztrstzp kommen lassen. Muß nicht Spartakus glauben, daß und Ihre Partei ihnen immer noch eine gewisse Sympathie eistgegenbringen. Das freieste Wahlrecht der Welt hyt ergebcn, daß das sächsische Volk in seiner Mehrheit sowohl für die Ideen der Unabhängigen wie der Sparta- kisten keinerlei Verständnis hat und ihre Durchführung ab lehnt. Sir sind vor dem Volke verpflichtet, diesem Volks- wille» Gehör und Achtung zu verschaffen. Es gebt auch um Ihren Kopf und Kragen, wie um das Bestehen Ihrer Partei. Sie sollten auf das kindische Gewäsch und blöde Geschrei von der Reaktion und Gegenrevolution doch wenig geben. Sie. der Sie jetzt besser beurteilen können, welches Maß von Selbstverleugnung und Vaterlandsliebe die nichtsozialisti-. sehen Volksgenossen anfbringen. Sie wissen genau, daß es der berühmte Diebesruf ist „Haltet den Dieb"! Aber wir verlangen mehr von Ihnen, als ein trüb sinniges Haarranfen und mit Grabesstimme vorgetragenem „Es brennt »ns der Boden unter den Füßen" Ihres Kollegen Harnisch. Zeigen Sie, daß Sie wirklickx'r Ministerpräsident sind. Ein Mann der Tat nnd nicht der Phrase. Ein Mann, der weiß, was Verantwortung bedeutet und auch den Mut des Einsetzens seiner Persönlichkeit hat, ans Vaterlandsliebe. Zeigen Sic, daß Sie, was Mut anbetrifst, nickst hinter den soviel gelästerten Offizieren stehen, von denen Sic ja wissen werden, daß ihnen das Leben nichts galt, wenn es sich um Pflichterfüllung nnd Vatcrlandswolst handelte. Auch für Sie, Herr Ministerpräsident gilt der Satz: „Der Hieb ist die beste Parade." Ist v. zv. Aus der Nationalversammlung. Sitzungsbericht. Präsident Fehrenbach eröffnet die Sitzung nach ch/t Uhr. Auf der Tagcsordnnna stehen zunächst folgende Anfragen: Abg. Dr. Kahl (Deutsche Volksp.) fragt, welche Schritte die Reichsregierung unternommen hat, um die so fortige Befreiung der vom Feinde verurteilten Deutschen zu bewirken, die während des Krieges in den besetzten Ge bieten Belgiens und Nordsrankrcichs Jndustriematerial an gekauft haben. Eine Regierungskommission erwiderte, daß die Waffenstillstandskommiision noch einmal »in eine un parteiische Prüfung der Frage ersucht hat. Sollte diese:« Wunsche nicht entsprochen werden, so müsse erneut gegen die flagrante Verletzung des WaffeustillstandSvertrages Pro test eingelegt werden. Tie Abgg. Arnstadt n. Gen. (Teutschnat. Volksp.) fragen nach den Maßnahmen der Regierung gegen den herr schenden Papiermangcl. Reichswirtsckzastsminister Wissel. Das Reichswirtschaftsministenum bedauert, daß es der Tagespreise infolge des Papiermangels nicht möglich ist, ihre gerade jetzt besonders bedeutsame Aufgabe zu erfüllen. Der Mangel beruht auf der Streikbewegung und auf den Schwierigkeiten der Kohlenvcrsorgung und des Transport- Wesens. Hierauf wird die Beratung der Verfassung fort gesetzt. Abg. Henke (Unabht): Ter vorliegende Verfassungs- cntwurf enthält wesentliche Verschlechterungen gegenüber dem ursprünglichen. Beispielsweise dadurch, daß Versammlungen bewaffneter Massen nicht erlaubt sind. Ter kapitalistische Charakter der Ver fassung zeigt sich darin, daß Enteignungen nur gegen Ent- sckzädigung zulässig sein sollen. Die heutige soviel gepnesene Demokratie ist eine Demokratie der Minderheit der besitzen den Klassen, eine Demokratie der Reichen. Auch der neue Reichstag wird ein Parlament sein, in dem viel geredet nnd nichts vollzogen wird. Das ist ja auch in den Augen der Arbeiter der Mangel an diesem Nationalversammlungspar- lament, daß soviel geredet wird, daß ihm aber die Vollzugs- getvalt fehlt. Das Räteshstem allein kann wirklich helfen. Es bedeutet das Ende des Parlamentarismus. Tie Ver fassung wird ein Stückwerk bleiben, aber schnell überholt werden durch eine Entwicklung, die sehr schnell den neuen Formen ihren Platz einräumen wird. Abg. Dr. Stresemann (Deutsche Volksp.): Ter Herr Reichsminister hat die Frage aufgeworfen, ob die glänzende Entwicklung Deutschlands sich nicht vollzogen habe wegen, sondern trotz der alten Verfassung. Ich glaube nicht, daß Sie dielen Satz ernstlich anfrechterhalten können. Was sich in Deutschland nach der Begründung des Reiches ent wickelt hat in kultureller, wirtschaftlicher »nd politischer Be ziehung, das können Sie gar nickst trennen von derjenigen Politik, die ansmündet in dir Einheit des Reiches und der Bismarck seinen Namen gegeben hat. Angesichts der Reden, die von den Abgg. Delbrück und Heinz« zu diesem Ver- fassiingscntwnrf gehalten worden sind, ist der Borwurf, daß von unserer Seite hier eine verantwortungslose Opposio, getrieben würde, selbst verantwortungslos. Pnsußen i> lieute ebenso eine demokratische Republik wie irgendein an- derer Staat in Deutschland. Gewiß war Preußens Politik rückständig »nd man hätte 'ein Wahlrecht nicht erst im Kriege, sondern längst vor dem Kriege ändern müssen. Es bleibr nichts anderes übrig, als die Ausrechterhaltu g st-r Bundesstaaten, denen man dann aber auch die Mögllck'leck zur Entfaltung ihrer Eigenart geben muß. Für dir stst-S- lösnngsbcstrebnngcn gilt das- Wort: Widerstehe den An fängen! Man lasse Preußen wie es ist, seine Hegemonie ist nicht mehr vorhanden. Was für die Rbeinrepnlstit gilt, gilt erst recht für Niedersachsen. Hannover hat durch den Anschluß an das lebensstarke Preußen auch sehr vir! ge wonnen. Man sollte nicht immer von dem alten Tentickch'iid sprechen, als wenn es der Hort alles Unheils gewesen Ware. "Gegenüber den! kommenden Völkerbund können wir leinen vertrauensseligen Idealismus sehen. Er ist ja eiaent'.wh nur ein Staatenbnnd, nichts anderes als die heilige Allianz in neuer Form. Nicht Staaten, sondern internationale Or ganisationen müssen die Träger eines Völkerbundes sim. Ich vermisse in der Verfassung eine Bestimmung zum Schutz der Deutschen im Ausland. Das Ausländer - Tcnsickstw.n muß gerade in der Zukunft gestärkt werden, da in den nächsten Jahren viele Deutschland verlassen müssen. In Elsaß-Lothrinaen haben die Deutschen in den wenigen, Wochen Schlimmeres leiden müssen als die Elsässer in all den 7>0 Jahren »ntci deutscher Herrschaft. Ebenso ist es nnt den Unterdrückungen in Polen. Das parlamentarische System verstehe ich so, daß der politische Leiter der Leiter eines Ressorts ist. die Unterstaatssekretäre aber müssen wie in England die ruhenden Pole in der Erscheinungen Flucht sein. Der Gedanke einer sozialen Parlameiitarisicrung, den der Abg. Schücking angeregt hat, scheint mir durcsims ek- wägensweit. Die Vorstufe zu einem sozialen Parlament ist vielleicht die Arbeitsgemeinschaft zwischen Großindustrie und Gelverkschaften. Betriebsräte könnten ein Zusammenwirken, in einein sozialen Parlament nur zertrümmern. Reichsminister Tr. David: Die Hohenzollern hatten vielleicht im Osten Preußens eine starke Anlsiingerschast, iw Westen schon weniger, und im übrigen Deutschland möchte ich den sehen, der die Volksabstimmung für die Wiederein setzung der Hohenzollern gewinnt. (Rufe rechts: Abw'arten!» Der Reichstag aber war kein vollwertiges, sondern nur ein Scheinparlamcnt. Ich freue mich, daß in der Nationalver sammlung im großen und ganzen ein Zug zu einer mögktchsl weitgehenden Vereinheitlichung und einer möglichst starken Zentralgewalt des Reiches zum Ausdruck gekommen ist. Der Staatsmann, der die Arbeiterbewegung so gründlich ver kannte, daß er glaubte, mit den brutalen Machtmitteln des Ausnahmegesetzes ihr das Lebenslicht ausblasen zu können, jagte Millionen in die Ttaatsseindschaft hinein. Nun ist der Stein, den die Bauleute verworfen hatten, zum Eckstein geworden, denn auf der Arbeiterdemokratie ruht der starke Zusammenhalt dcS Reiches »nd sie wird ihn tragen. Dazu ist allerdings nötig, daß neben der politisck-en T-emokcatie, nun auch die wirtschaftliche Demokratie ihren Einzug hält. So wenig das Christentum etlvas taugt, das aus Kanonen - schlünden gepredigt wird, so wenig taugt der Sozialismus, der den Menschen mit Maschinengeweyren aufgezwungeir wird. Hier hat das deutsche Volk eine nationale Weit- Mission zu erfüllen und sich selbst zu heilen und anderen Völkern zum Vorbild zu dienen. Die Lösung der Ausgabe wird uns ungeheuerlich erschwert durch die Vorgänge drau ßen, die wieder»»! ans das Schnldkonto des Herrn -Henke und seiner Freunde zu setzen sind. Damit schließt die erste Besprechung der Vcrsassnr.gö- rorlage, diean einen Ausschuß von 28 Mitglie dern verwiesen wird. Der Ausschuß ffir den Vcrsassungscntwurs. Weimar, t. Mjärz. Ter Ausschuß der Nationale::r> sammlung zur Vorberatung des Verfass,,iigseutwurfes setzt sich aus 28 Mitgliedern zusammen, und zwar aus ll Sozial demokraten, 6 Z e n t r u m sa b g e o x d net c n , 5 Ab ge- ordneten der Demokratischen Volkspartei, 3 Dentschnatio- nalen, 2 Abgeordneten von der Deutsche» Volkspartei und einem Unabhängigen. Ter Ausschuß konstituierte sich n- mittelbar nach der heutigen Sitzung. Enrährurigsfraqen in der sächsischen Volkskammer. Dresden, 1. März. Auf der Tagesordnung standen die beiden Interpella tionen der Abgg. Bl über »nd Tr. Roth betreffend die Lebciismittelrermranng soivie die Kartofsels mge und der Antrag Arzt n. Gen. bctr. die Anibebung der Blockade. Abg. Blüher (Deutsche Voffspartei) begründet zunächst die von ibm eingebrackite Ji terpellation. Der Kartoffel- mangcl sei besonders in den sächsischen Großllidt.n empfun den worden. Er wünsche zu wissen, wie lange di« Kartoffel'"