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«I. Jahrgang. AS 2S7. «ittwoch, 29. August 1917. L8S« Drahtanschrift: «achrichteu Dresh«». Fernsprecher-Sammelnummer: 2LL41. Nur sür NachtgrlprSch«: 20 01t. »aiug»»»«»»-« olrrtkllLhrllch In D»«den und Vorort«» »et poetmallgrr Zutragung <o» Sonn- un» Montage« mu etmnay sowie »et etninaltgei Zustellung durch dle Post -ohne «eftellgelds SM M., monatllch >M M. «ugelgeu-Prets«. Dle «lnlpaltlge Zelle (etwa » Sllden) 3V Vf. vorzugepliltze u. vnzeigen ln Nummern nach «»»». u. Felertage« li. Tarif. SO»/» l-uerun>»,ulchlag. — Au»w. Austr. geg. »orourbezahl. — Belegbl. >0Pl- Schrifileltung und Hauptgeschüstsslelle: Marienstraß« »8/40. Druü u. Verlag von Liepsch L Reichardt in Dresden. Nachdruck nur mit deuUlcher Ourllenangod« <.Dre»dner Nachr."» gulLlstg. — Unoerlongte Schrlftfwcke werden nicht aufbewahrt. ks1snkis-rsknmuncßv,s5ser:: Kslvkorm-Lsknosrts Vsksanci nsek suswLtts. Königs. Xok-Kftotkssts, vrssösn, Lssrgentor. VskS3n6 N3cti auswärts. Reue italieuische Niederlage aus der Heiligegeist-Hochfläche Stellenweise fluchtartiger Rückzug der Nallener. — Sin italienischer Mißerfolg östlich von Görz. — Die „Nordd. Akg. 3tg." über Kereurtis Rede. — Der neue französisch-italienische Bund. — Die erste Sitzung des Sonderausschusses beim Reichskanzler. Der deutsche Abendbericht. Verlt». 28. August, abends. sAmtlich. W. T. B.) I« Weste« bei Sturm geringe GefcchtStütigkeit. In der Moldau wurde» dem Feinde einige Höhen- stellungeu am Rand« des Gebirges nordwestlich von Focsani eutrisseu. LeVrneichW-««arischer strieirdericht. Wie », L8. Sug. Amtlich wird »erlautbart: Oestlicher Kriegsschauplatz. Bei Goveja mutzte vorgcster« eine gewonnene Höbe vor überlegenen Angriffe« wieder geräumt «erden. Bei der Armee des Generalobersten Kritok entrissen öster reichisch-ungarische und dentsche Regimenter den Russen in heitzen Sümpfen das Dorf Bo ja» und Stellungen anf dem Dolzok. LS wurde» über 1VÜV Gefangene, 6 Ge schütze «nd zahlreiche Maschinengewehre eingebracht. Italienischer Kriegsschauplatz. Durch Znschnb uener Kräfte verstärkt, setzten die Ita liener auf der Hochfläche Bainsizza-Hciligegeist alles daran, einen zu Beginn der 11. Jsonzoschlacht unter grobe» Opfer« errnngenc» Raumgewinn zu erweitern. Fast in allen Teilen dieser Front stürmte der Feind gegen unsere Truppen an. In erbitterten Handgranaten» und Bajoncttkämpsc» matz sich die in zehntägigcr Schlacht un gebrochen gebliebene Widerstandskraft nuferer Streiter mit der italienischen Ucbermacht. Die braven Verteidiger gingen anf der ganzen Linie als Sieger hervor. Der Gegner wurde überall geworfen. Er flüch tete stellenweise völlig ansgelöst. Auch östlich von Görz mißglückte den Italienern ein mit beträchtliche« Kräften unternommener Vorstob. Im Gebiet des Stilfser Joch führte ein unter be deutende« alpinen Schwierigkeiten ins Werk gesetztes Unternehme» zu vollem Erfolg. Kaiserschützen hoben in EiS und Schnee überraschend einen feindlichen Posten aus und brachten zwei italienische Ossiziere, 29 Alpini, ein Ma schinengewehr und eine« Scheinwerfer zurück. s«.T.V.i Der Chef des GeneralftabS. Batnsizza lieftt nordöstlich von Görz und ungefähr zehn Kilometer östlich von Plava am Jsonzo. Wilson» Sathrsviel. Satyrspicl hieb in der alten Tragödie ein heiteres Nachspiel, in dem die Saturn, mutwillige Walögöttcr, auf traten und allerhand Kurzweil trieben. Ein solches Satyr- spiel beliebt gegenwärtig Herr Wilson aufzuführen, -er Grobsprecher jenseits üeS Ozeans, der zwar in seiner steif leinenen. doktrinär angehauchten Persönlichkeit äußerlich mit einem Satyr nichts gemein hat, wohl aber in der Wirkung denselben Erfolg hat, indem er die Lachmuskcln reizt. Bei uns in Deutschland, dem „autokratischcn" Lande der „Barbaren", in dem nach der Ansicht unserer Feinde noch so „vorsintflutliche" Zustände herrschen, gilt neben anderen „Altertümlichkeiten" auch noch der Grundsah. daß die Lächerlichkeit tötet. Ein Staatsmann, der sich einmal ernstlich dem Fluche der Lächerlichkeit ausgesetzt hätte, wäre Lei uns endgültig erledigt und könnte nie wieder handelnd anf der politischen Schaubühne erscheinen. Bei unseren Feinden aber ist cs anders. Die vielgerühmte „Demokra tie". in deren ausgiebigem Genuß sie sich befinden, hat u. a. auch die bemerkenswerte Eigenschaft gezeitigt, daß die leitcn- «en Persönlichkeiten sich ruhig lächerlich machen können, ohne deshalb in ihrer Stellung erschüttert und in ihrem Ruse als führende Größen beeinträchtigt zu werden. Ist e» etwa nicht lächerlich im höchsten Grade, wenn Lloyd George und' Genossen fortgesetzt in ihren Reden in phan tastischen Vorstellungen von der Zertrümmerung Deutsch lands und seiner Verbündeten schwärmen und tolle, hirn verbrannte Friedensbeöingungcn auf dieser Grundlage er örtern. während wir von Sieg zu Sieg schreiten und unsere unerbittliche Unterseeboot-Klammer immer enger und fester die britische Gutgcl zudrückt, so daß längst jede Möglichkeit, die Zerschmetterung Deutschlands und seiner Verbündeten zu bewerkstellige», in nebelhafte, verschwommene Ferne gerückt ist? Diese Herren bleiben aber trotzdem ruhig im Amte, und der Fluch der Lächerlichkeit kann ihnen nichts «»haben. Genau so steht eö mit Wilson, dem erkorenen zeit weiligen Obcrhaupte der transatlantischen Aankec-Nepublik. Er benützt die ihm von der angelsächsischen össcnilichcn Meinung zugestandcnc Freiheit, sich ohne Schaden für seine Stellung lächerlich zu wachen, schon seit langem in un geniertester Weise und hat neuerdings wieder eine köstliche Probe dieses Talents durch den famosen „letzten Vermitt lungsversuch" geliefert, den er nach der Meldung eines schweizerischen Blattes zu machen gedenkt, bevor er die amerikanische Armee in Europa „ernsthaft" in den Krieg etngrcifen läßt. Ehe Herr Wilson wirklich lvSschlägt, will er den Mittelmächten gnädigst noch eine Galgenfrist »er statten und ihnen die Möglichkeit gewähren, die vo» ihm als Entente-Diktator vorzuschlagcnden Friedcnsbcdingun- gcn anzunehmen. Sollten aber die Mittelmächte vermessen genug sein, diesen ihnen von Herrn Wilson großmütig dar gebotenen Rettungsanker nicht zu ergreifen, dann — man höre und erschrecke! — dann wird Herr Wilson im Namen der. Lolente-„feierlich erklären, daß den Mittelmäch te» rz pH.« Jahre lang der Weltmarkt ver schlossen sein solle"! Man erkennt aus diesem Gebaren WilsonS, der in seiner maßlosen Ucberhebung einen geradezu grotesken Eindruck macht, wie sehr ihm jedes vernünftige Augenmaß für das wirkliche Können und Vermögen Amerikas und der Entente verloren gegangen ist. Der Widerspruch zwischen Wollen und Vollbringen, zwischen Worten und Taten, zwischen Wünschen und Erfüllung wird immer größer auf seiten unserer Feinde, die Kluft, die bei ihnen Absicht und Ausführung trennt, klafft immer breiter und tiefer, und darin offenbart sich die Schwäche des Viclver- bandes auf Ser ganzen Linie. Auch dieser „letzte Vermitt lungsversuch" Wilsons ist doch im Grunde nichts weiter als ein Eingeständnis der Unlust, die äußersten Folgerungen aus der so leichtfertig vom Zaun gebrochenen Kriegserklärung gegen die Mittelmächte zu ziehen und die Kastanien für die Engländer, Franzosen, Italiener und Russen aus dem Feuer zu holen. Die Ursache dieser Unlust aber ist die Erkenntnis, daß auch Amerika nicht stark genug ist, um die deutsche Mauer von Stahl und Eisen, die im Westen starrt, zu durchbrechen. Wie richtig diese Schlußfolgerung aus dem zögernden Verhalten Wilsons ist. zeigt der Bericht der amerikanischen Militärkommission, die unter Führung des Generals Pershing an die Westfront entsandt morden war und kürzlich nach Neuyork zurückgekehrt ist. Es wird darin unumwunden erklärt, daß die Mcnschcnrcserven Deutsch lands scheinbar unerschöpflich seien, und daß gar keine Aus sicht auf einen Durchbruch bestehe,' der Krieg könne unter diesen Umständen noch 10 bis 15 Jahre lang unentschieden fortdguern, und Amerika müsse daher auf die Verbündeten cinwirken, um sie zur Herbeiführung einer Friedenskon ferenz geneigt zu machen. Unterstützt werden diese Dar legungen durch eine angesehene Ncuyorker Zeitschrift, die „New Republik", die zuerst in kriegshetzerischem Sinne schrieb, jetzt aber alle Register der Abwickelung zieht und u. a. schreibt: „Das Ergebnis dieses und des nächsten Sommers würde im besten Falle cinuncntschicdeneS schreckliches Nbsch lachten sein. Das Gleichgewicht könnte nur gebrochen werden durch die Entsendung einer großen amerikanischen Armee »ach Europa: aber eine so große Armee kann nicht vor dem Sommer 1919 kricgscrcit sein. Und wenn sic kriegsbereit ist. so kann inzwischen der Abtransport unmöglich geworden sein. Ein Krieg, der bis z»m Jahre 1920 geführt wird, in einem Maßstabc, der eine Entscheidung zu bringen vermag, könnte den Frieden mit Sieg bringen, aber er würde gleichzeitig den Sieg mit Selbstmord bedeuten." Das Blatt bemerkt sodann, daß der Versuch, den Vereinigten Staaten derartige Lasten aufzncrlegcn, zu einer viel blutigeren uyd drastischeren Revolution führen könnte, als in Ruß land. Herr Wilson und mit ihm eine Gefolgschaft, deren zahlenmäßige Stärke und politischer Einfluß sich zurzeit noch nicht übersehen lasse», wollen also augenscheinlich an die hossnungsloic Aufgabe, die deutsche Front im Westen zu 'erschüttern, nicht recht heran. Ihnen ist in erster Linie darum zu tun, das Land zu militarisieren, um die inter nationale Stellung der Republik sür die kommenden Ereig nisse, insbesondere Japan gegenüber, zu stärken und um beim Frtedcnsschluß ein erhebliches Gewicht zu amerika nische» Gunsten in die Wagschalc werfen zu können: denn sie kalkulieren nicht mit Unrecht, dast Amerikas Ansprüche auf einer Friedenskonferenz in weit größerem Umfange aus Berücksichtigung hoffen dürfen, wenn die Pankec-Republik dort mit dem Range und dem Selbstbeivußtseiu einer mili tärischen Großmacht auftritt, als wenn sie sich mit der be scheidenen Nolle begnügen mußte, die mit ihrer bisherigen militärischen Hilflosigkeit notgedrungen verbunden wäre. Den Vorteil der neugcschnssenen starken Wehrmacht zu Laude will also das „smarte", geschäftskundige Amerikaner- tum nach allen Richtungen weidlich aiisniitzcn, indessen mög lichst nur auf diplomatischem Wege und jedenfalls unter möglichst geringen Opfern ans blutiger Walstatt. Tic ganze neugebackene Armee aber mil einem Schlage für die Entente zu riskieren, und noch dazu ohne jede Aussicht aus einen durchschlagenden Erfolg, das entspricht durchaus nicht der praktischen amerikanische» Auffassung von Einsatz und Ge winn. So pendelt nun Herr Wilson „rmrteilos zwischen Kraft und Willen" hin und her und weiß nicht, wozu er sich entschließen soll. Da versucht er cs noch einmal anf echt amerikanische Weise mit einem Tssissf, mit der Drohung an die Mittelmächte, daß er, der „Herr der Entente und der Welt", sie für zehn lange Jahre von dein Genuß aller Gitter ^dcr Weltwirtschaft ausichließeu werde, wenn sic nicht aus jsein Gebot zu Kreuze krieche» und den von ihm dargcbote- nen Oelziveig ans Gnade und Ungnade aunchmcn werden. In der Tat, ein Satyrspicl, wie es leibt und lebt! Wir, die Zuschauer, billigen Herrn Wilson zunächst gern einen Heiier- keitsersolg zu und werden die ernste Antwort geben, sobald der Aankec-Satyr die ihm zugcschriebenc Absicht verwirk lichen sollte. Ne„Nm'dd. Mg. 3tg." öder Ksrenslis Rede Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt über die Rede Kcrenskis: Die Petersburger Tclegraphenagentur hat uns den ausführlichen Bericht über die Rede übermittelt, die der russische Ministerpräsident Kcrcnski auf dein Bi o s- lauer Kongreß gehalten hat. Diese Rede ist, sagte Kcrenski, nicht nur für unsere Freunde, sondern besonders für unsere Feinde bestimmt, die unsere Truppen vernichten. Die ganze Darstellung Kcrenskis ist vsfenficht lich zu dem Zweck bestimmt, Deutschland als denjenigen hinzustellen, der das arme russische Volk überfüllt und seine Freiheiten wieder zu zertrümmern droht. Kerenski weiß genau, daß dies nicht der Fall ist, aber von Macht hunger erfaßt, stutzt er die alten Schlagwvrtc der Entente neu zu, um auf das friedliche russische Volk zu wirken, dessen Bundesgenossen aus Eroberungssucht den allgemeinen Frieden weiter verhindern. Wenn sich niemand in der Moskauer Nationalversamm lung fand, der Kcrenskis Darstellungen widersprochen hat, so deutet dies darauf hin, daß die Methode, die Herr Kerenski anivandtc, um dem russischen Bolke gegenüber den wahren Hergang der Ereignisse zu entstellen» bereits ihre Wirkung getan hat. Das „freie" russische Volk wird von den jetzigen Machthabern genau so an der Nasc h e r u m g c f ü h r t, wie unter der zaristischen Herrschaf t. Jedem Russe», der die Ereignisse ohne Voreingenom menheit verfolgt hat, muh der Gang der Entwicklung klar sein. Kercnski Hai in einem Zeitpunkte, wo er glaubte, daß die galizische Front von Truppen entblößt sei, gegen den Rat Brnssilows eine Offensive unternom men, zu der er von Englau d u u d Fraukrcich ge preßt wurde und von der er leichte Triumphe erwartete, um im Innern die volle Macht in die Hände zu bekommen. Herr Kerenski war sich klar darüber, daß die Offensive für Rußland fremde Kriegsziele geführt wurde, deren Inhalt erst kürzlich der Welt durch den deutschen Reichs kanzler bekanntgege-ben worden ist. Die Offensive rief als Verteidigungsmaßmahme die kraftvolle Gegenoffensive Deutschlands und Oesterreich-Ungarns hervor. In dem Blute der russischen Soldaten, die gegen ihren Willen in dte Schlacht htneingetricben worden waren, erstickte der russische Angriff. Kercnski. fälschte diesen Hergang der Er gebnisse, um Deutschland alS Angreifer hrnzustellen. der die russischen Freiheiten vernichten malle. Ja, mehr noch, um seiner Rede eine Unterlage zu schaffen, ließ er wenige Tage vor der Eröffnung der Moskauer Versammlung die russi schen Truppen an der Aa znrückrufen und verkündete seinem Volke eine deutsche Offensive an der russischen No-rd- front. die niemals stattgefundcn hat. Ucbcr Deutschland hat Herr Kerenski manches Ver wunderliche gesagt und uns Bestrebungen und Anerbietun gen zur Herbeiführung eines Sonderfriedens an- gcdichtet. Den Beweis dafür, daß ein solches Anerbieten jemals erfolgt ist. ist Herr Kercnski schuldig geblieben. Wenn in der russischen Presse teilweise die Rede des früheren Reichskanzlers v. Bethmann-Hollweg vom 80. März als Ancrbictc» eines Sonderfriedens hingcstcllt worden ist, so entbehrt das der Unterlage. In der Rede war nur ge-