Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.01.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120127017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912012701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912012701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-01
- Tag 1912-01-27
-
Monat
1912-01
-
Jahr
1912
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezvft-.Prei- fßr Letpit, »,rch «f« Tria«k »i» So«d«t»»r» r»«l l-iltch Nu ya>» grdrachl « Pf. »»icatU. LTV ML »temltüdrl. B»c »n(«ni siUcal»« ». An» NLhmrfteÜen adaed»U G HN. «»»atü. L» «L »>«» »« v'It! timi-al» Lotichland« »nd der d«»N-«n Äotonten »(«Uryührt. ».SU Mk.. monatU LSI ML milcht. Voftd«ft«lla«ld. 8«»»« t» velit««, Danemart. d«n r>,nouftaat»n, Italt«», Luirmdora. Stl«d,iland«. A.r- «<a»n, V«ft»n«a» U»«an,. AuIUand. 8chw»d»n, vcdw«U a EpanUn. In allen übrigen «»aalen nur o»r,N darch dt« E«IchStt»ftrll« »<» «lalle» »rhällttch. Da» Lelpliger ragedlatt «rlchelat Lmal tögltch, Sonn» ». Helerlag» nar morgen». Adonn«m«nt»»Annabm» S»tza»n>»«aN« 8, bal anleren Lragern. ^»»alen. lspediteure» >md Annabmeftrüen. lowl« «oilümlern »ab Bneitrbger». Gt»,»l»»,k«»I»»,«i, »0 M> Morgen-Ausgabe. UcipMer Tagtlilaü Handelszeitung. Amtsblatt -es Nates und -es Volizeiamtes -er 2ta-t Leipzig. Sn;eiqen» Preis Mr Inserat« an» Letowa an» Um,ebn», dl. llpaltlg, P«tt,».ll. 2SP,_ dl. «.Nam^ »etl» l Mb oo» aa»«är», M Ps^ ««Namen llv ML Inlerat, „n Veh-,den lm amt» ltch«, Teil dl, P«ttl,e»l« Sü Pf <r«Ichäs»»ant«tgen mll Pla,vorlchrtft«n lm Prell« «rdüdl «abatt nach Tarts ««tlagrgrdSbr Gelamt auslag« S Mk. o Taalend »rkl. Poftgebll-r. Telld«ilag« Heber. A«lt*rt«tlt« Aultrda» können nt<dt «nrüil» aerogen w«rd«n. gar da» Lrlcheinen an bestimmten Tagen and Plähen wird k«tn» Garantt« übernommen. An,eigen»Annahm«: Sotzannl»,«!« 5, de» lämtltchen Atttal«n ». all»» Annonc«» Trpedttton«» de» In» and Aa»lanb«» Drnck ,n» Verla, »»» All«»«« A AürstM Inhaber: Pani Aürste». ««da«!»» „» ».lchöft»»«»«: Iodannl»,all« L Haapt -kitlial« Le«»»«»: Leest,ah« < 1 (Telephon «S2lT Nr. 48. Lonnadenü, aen 27. Januar ISI2. 106. Zshrgsns. SV Seiten UM- Unsere gestrige Abendausgabe umfaßt 1V Seiten, die vorliegende Morgennummer 18 Seiten, zusammen Oss Wichtigste. * Kaiser Wilhelm vollendet hente sein S3. Lebensjahr. * Die Erste Sächsische Kammer beschäftigte sich am Freitag mit mehreren Kapiteln des ordsitt lichen Etats. (S. Landtagsber. S. 9.) * Die Zweite Sächsische Kammer er» ledigte am Freitag den Rechenschaftsbericht 1908/09 der Universität Leipzig. (S. Land tagsber. S. 9.) * Der Staatssekretär v. Kiderlen-Wächter ist vom Urlaub zurückgekehrt. * Die Regierung von Paraguay hat auf das Ultimatum Argentiniens keine Ant- wort erteilt; infolgedessen sind die diplomatischen Beziehungen abgebrochen worden. (S. Ausl. S. 9.) * In Schwetz kam es nach Bekanntwerden des Wahlresultates zu schweren Polen ausschreitungen. (S. Tageschr. S. 10.) * Bei dem Erdbeben in Thessalonien wurden mehrere Dörfer zerstört. (S. Tageschr. S. 10.) * Bei der Ausstellung des Deutschen Künstlcrbundes in Bremen kamen die bei den diesjährigen Villa-Romana-Preise zur Verteilung. sS. Kunst u. Wissensch. S. 3.) Dem Sailer. Der diesjährige Geburtstag unseres Kaisers, zu dem die gesamte Nation und alls Deutschen bis in die fernsten Erdenwinlel einmütig und herzlich ihre Glückwünsche dem erhabenen Ober haupte unseres großen deutschen Vaterlandes dar bringen, steht unter dem Eindruck der Friedrichs- feier und der Reichstagswahlen. Vom Enkel wen det sich das geistige Auge aller Vaterlands freunde zum Ahn, dem der Kaiser am Mittwoch bei der feierlichen Kranzniederlegung vor Rauchs Meisterwerk Unter den Linden seine persönliche Huldigung ansdrückte mit der Schleifeninschrift: „Auchder Uebcrmacht gewachse n." Eine treffende Würdigung der einzigartigen Persön lichkeit Friedrichs des Großen, aber vielleicht auch eine bemerkenswerte Mahnung an jene Stellen, die seit Jahren eine Ucbermacht gegen unser deutsches Vaterland zusammenznbringen geneigt sind. Am Ende der Marotkoverhandlungen, deren Ergebnis gerade in den letzten Tagen die Zustimmung der ersten französischen Kammer ge funden hat, wissen wir es unseren: Kaiser be sonders Tank, daß er in den schweren Tagen und Wochen des letzten Sommers seine Persön lichkeit für die Sache des Friedens eingesetzt hat. Und wir nehmen gern gerade diese maßvolle Betätigung unseres Kaisers für ein Zeichen eines in sich gesicherten Kraftbewußtseins, das sich, seiner Stärke, aber auch seiner Verantwortung voll bewußt, bis an die Grenze des Möglichen entgegenkommend zeigen kann. Wir sind der festen Ueberzcugung, daß Kaiser Wilhelm keinen Moment zögern würde, das scharf geschliffene deutsche Schwert zu ziehen, wenn Deutschland ernstlickien Gefahren entgegengehen sollte. Vor- beugend und abwehrend werden wir ihn auf dem Posten finden, wie einst seinen großen Vorgänger Friedrich II., dessen hehre Herrscherperson er sich schon in seinen Jugcndjahren zum Vorbild gesetzt hat. Mer gerade die letzten Monate haben der Welt gezeigt, daß dem gewaltigen Kriegsherrn der deutschen Wehrmacht neben der Tatkraft die Besonnenheit eignet, die uns die tröstliche Ge wißheit verleiht: des Vaterlandes Geschicke sind wohlaufgehoben bei unserem Kaiser. Freudig wird das deutsche Volk auch zu seinem Führer stehen, wenn es demnächst gilt, die Waffen für einen vielleicht unvermeidlichen Zu sammenprall noch weiter zu schärfen. Dem neuen Reichstage, der in diesen Tagen gewählt worden Ist, werden alsbald nach seinem Zusammentritt umfangreiche Heeres- und Flottenvorlagen zu gehen. Ter Reichstag wird, dessen sind wir ge wiß, dem Vaterland« geben, was es bedarf, und diejenigen, die in bedauernswerter Verblendung sich abseits stellen sollten bei dem großen Werke der Befestigung unseres Deutschen Reiches, sie werden «S niemals zur Uebermacht bringen in den deutschen Landen. Alle aber, denen Deutschlands Wohl am Her zen liegt, werden gerade am heutigen Tage sich einmütig um unseren Kaiser scharen. Ihm er neuern sie heute daS Gelöbnis unwandelbarer Treue und mit den in Berlin zur Feier des schönen deutschen Festtages versammelten deut schen u:ü> verbündeten Fürsten rufen sie alle zum Lenker der Wclteugeschicke: Erhalte und beschirme uns unse ren Kaiser! Der neue Reichstag. Die 397 deutsche:: Gesetzgober sind gewählt. Wenn es die Aufgabe des Parlaments ist, «in Spiegel bild der Volksmetnung zu sein, so erfüllt der neu« Reichstag, der für die Zeit von 1912 bis 1917 ge wählt ist, diese Aufgab« reckzt gut. Zwar würde die volle Durchführung des Prinzips d«r Zahl noch ganz erheblich« Verschiebungen herbeiführen; nach dem Zahlenprinzip müßten di« Sozialdemokraten mit ihren 4 238 919 Stimmen mehr als doppelt so viel Sitze haben wie das Zentrum mit seinen 2 012 990 Stimmen, während die Mandatszisfern 110 und 93 sind. Doch ist das Gefühl, daß die Chancen des Kampfes ungerecht seien, während der letzten Wochen nicht vorherrschend gewesen; die Benachteiligten sahen auch bei der geltenden Wahlkreiseinteilung die Möglichkeit des Erfolges vor sich. Unbewußt scheint sogar ein Empfinden dafür sich gebildet zu haben, daß der Staat aus Land und Leuten besteht und daß es eine sehr harte Maßregel wär«, die Landes- teile, die in der Einwohnerzahl zurückgeblieben sind, auch noch durch die strengste Durchführung des Zahlenprinzips bei den politischen Wahlen zu strafen. Auch wer über di« politische Zusammensetzung d«s neuen Reichstages nicht erfreut ist, wird wünschen müssen, daß er sich aus lebe, daß alle Entwick- lungsmöglichkeitcn ausgekostet werden, alle Er fahrungen, die auf dem von den Wahlen gewiesenen Weg« liegen, gemacht werden. Es wäre denn, man hielte den gewählten Reichstag für s o schlecht, daß er am besten durch eine sofortige Katastrophe hinweggefegt würde, oder man sähe den Hauptwert der Politik in der rasend schnellen Flucht sensa tioneller Ereignisse. Die Block Mehrheit des Fürsten Bülow ist nach der Meinung vieler z u früh zerstört worden. Ihr Schöpfer, «ben der Fürst Bülow, war der Ansicht, daß der ihr zugrunde liegende Gedanke noch nicht ausgelebt und ausge kostet war. Den fr ei! en deut schein Geist wollte Fürst Bülow mit preußischer Zucht und Ordnung paaren, den Liberalismus in seiner stammverbindenden Kraft mit der staatlichen Energie der Konservativen, kurz die Mächte des Be wahrens mit denen des Entwickelns. Was Fürst Bülow an positiven gesetzgeberischen Aufgaben in seiner berühmten Programmrede mit der lässigen Einleitung: „ich denke da an . . ." aufgozählt hat, ist noch nicht erfüllt; erst recht nicht, was man in natürlicher Weiterbildung des Programms hinzu fügen könnte; dem Bülowülock sind wie einem zu früh Verstorbenen die Tränen der Wehmut geflossen. Sie müssen sich heute erneuern. Mancher lei Mehrheiten kann man im neuen Reichstage kon struieren: eine Biilowmehrheit ist in ihm nicht vor. Händen; Liberale und sämtliche rechts stehenden Parteien zusammen kom- men nicht bis auf 170. Der neu« Reichstag hat überhaupt keine feste Mehrheit. Freilich ist die Dahn für die Erb- schaftssteuer geebnet. Die Parteien, die 1909 für di« Steuer stimmten, aber in der Minderheit blieben, sind jetzt so erstarkt, daß sie sie durchführen könnten. Die Mehrheit ist zwar nur gering; aber die Mehrheit des Dülowblockcs war auch gering und bat doch zur Durchführung wichtiger Gesetze gereicht. Die Parteien, die jetzt während des Wahlkampfes gegen den „schwarzblauen Block" angerannt sind, haben aber gleichzeitig gewußt, daß sie eine feste Mehrheit für eine künftige Regierung nicht bilden könnten. Parlamentarisches Snstem ist, wie der ehe malige Abgeordnete Naumann richtig erkannt hat, nichts anderes als Mehrheitsbildung. Das «nt- gegenstehende deutsche System, das einerseits auf der geschichtlichen Entwicklung und der Verfassung, andererseits auf der Zerrissenheit des deutschen Parteilwesens beruht, ist gleichsam durch das Volks votum von 1912 neu bestätigt worden. Es bleibt beim System der wechselnden Mehrheiten. Auch ein Anhänger d«s parlamen- torischen Systems könnte kaum befürworten, daß an den Tagen, wo im Reichstag« über Wehrvor lagen beraten wird, ein Neichsministerium Heyd«- brand-Hertling-Dassermann, an den Tagen, wo über di« Erbschaftssteuer beraten wird, ein Mini sterium Bassermann-Payer-Debel die Geschäfte führe. So ist di« Möglichkeit einer Mehrheitsbildnng von Vassermann bis Beb«l politisch, d. h. von den Aufgaben des Staates aus gesehen, noch nicht ent scheidend. Immerhin ist sie bedeutsam. Sic bedeutet für die Sozialdemokratie doch so etwas w:e poptwe Mitarbeit, freilich an der durch Theorie und Partc:- phantLsi« längst geübten „Expropriierung" des Ka- prrals. Von innerlicherer Bedeutung ist das Bekennt nis zur Erbschaftssteuer für die Nationallrberalen und Freisinnigen. Der Verbäckst, daß man auf dieser S«ite das mobile Kapital der Besteuerung zu ent ziehen hoff« und sich nur freue, das immobile bluten lassen zu können, ist in dieser Allgemern- heit sicher eine schwere UngerechtigkaSt. Es ist wirklich Opfersinn vorhanden, und da hier das Opfer sich auf das eigene, nicht auf fremdes Eigentum be zieht, steht man vor echter sozialer und Staats-Ge sinnung. Ob die Konservativen und bas Zentrum sich die Erfüllung dieser Gesinnung durch die Tat noch einmal versagen und eine neu vorgelegte Erb schaftssteuer ab lehn en würden, weiß man nicht. Bindende neu« Erklärungen der Parteien gegen die Erbschaftssteuer liegen jedenfalls nicht vor. Daß die Nationalliberalen im übrigen eine uferlose Sozialpolitik unterstützen würden, kann be- zweifelt werden. Im allgemeinen ist in der Partei und in der Rsichstagsfrakiion nicht die Neigung hcr- vorgetreten, den Arbeitern des Großgewerbes und des Mittelstandes di« Lage weiter zu erschweren, und der Wahlaufruf der Nationalliberalen hat zum erstenmal die Forderung nach besserem Schutze der Arbeitswilligen vor Terrorismus erhoben. Auch in der Zollfrag« ist «in Ab- gleiten der Nationalliberalen nach links nicht zu er warten. So werden denn die Wirkungen d«s Zu- sammengehens von Liberalen und So zialdemokraten sich gesetzgeberisch zunächst wohl nicht in entscheidender Weise äußern; si« wer den vielmehr auf dem Gebiete, wo man nicht mit der Pfundwage wägen kann, liegen, in den Dingen, die man sich gewöhnt hat. mit Bismarck die Impon derabilien zu nennen. Die Nationalliberalen können nicht mehr mit Stolz auf das Zentrum und die von ihm mit der Sozialdemokratie im Speierer Dom oder sonst wo abgeschlossenen Bündnisse herab blicken. Das ist unwiederbringlich dahin. Was das Zentrum getan hat, haben jetzt auch na- ttonalliberrl« Wähler getan, zum mindesten im Süden und Westen drs Reiches. Auch den Konserva tiven wird man ein Zusammenarbeiten mit dem Zentrum nickst mehr in gleicher Weise verwerfen können; „und ihr geht mit der Sozialdemokratie zusammen", wird man erwidern. Auf liberaler Seit« wird man zu seiner Rechtfertigung sagen, die Sozialdemokraten seien gar nickst so schlimme Leute, sie hätten sich gemausert. Das ist vielleicht noch schlimmer als ein einmaliges taktisches Zusammen gehen zur Erreichung eines bestimmten Zweckes. Unleugbar ist und bleibt, daß die Sozial demokratie« ntimonarchisch ist und daß sie dem Gegenwartsstaat, dem von Bismarck ge einten Deutschen Reich, die politische Rüstung verweigert. Würde sich im Volke der Eindruck festsetzen, daß die Sozialdemokrati« im Reichstckg den Geßlerhut aufpflanzt und daß er von anderen Par teien gegrüßt wird, so wiiide bald eine Gegenbe wegung einsetzen, die zum Sturme anschwellen und bei einer Neuwahl die jetzt gewonnenen sozialdemo kratischen Mandate und dazu die ihrer Helfer Hin wegfegen könnte. Wir und andere werden Wache halten, ob sich Anzeichen für die Liebe dienerei bürgerlicher Parteien gegenüber der Sozial demokratie geltend machen, und ob die nationale Ehre verletzt wird. Trüben Pessimismus gegen über der neuacwählten Volksvertretung halten wir nicht für angebracht, schon deshalb nickst, weil er geeignet ist, untätig zu machen. Aber Wachsamkeit ist allerdings geboten! —^v. Oss neue Sckmlgeletz. lieber die Stimmung in Kreisen des Leipziger Lehrervereins dem Entwurf dcS neuen sächsifckxm VolkSsckulgesetzcs gegenüber unterrichtet die nachfol- gende Zuschrift aus hiesigen Lehrerkreiscn, mit der wir uns keineswegs identifizieren möchten, der wir aber der Wichtigkeit der Materie wegen und im Hin blick auf die bevorstelMde Konferenz der Lehrer in Dresden, die sich mit der Materie befassen soll, Raum gewähren. Man schreibt uns: Der mit Spannung erwartete Entwurf zum neuen Volksschulgesch ist endlich erschienen. Für diejenigen, die sich der Hoffnung Hingaben, er möchte die Forde» rungen der Landtagsmehrheit von 1871 wieder auf» greifen oder der Zusammensetzung des jetzigen Land» tags cntgegenkommen oder auch den Wünscl)cn des Sächsischen Lehrervereins entsprechen, ist er eine Enttäuschung. Er basiert vielmehr aus den Be» schlüssen, die von der Mehrl-eit der Beschwerde» und Petitionsdeputation des vorigen Landtags gefaßt und von dem ganz anders zusammengesetzten vorigen Landtage gutgeheißen wurde::. Es ist nicht zu verkennen, daß er in einzelnen Forderungen eine Wendung zum Besseren bedeutet. Zn wesentlichen Fragen bringt er keinen Fortschritt. Tas zeigt schon eine Gegenüber, stellung des 8 l im alten Gesetz und im neuen Ent wurf. Nach ersterem hat di« Volksschule die Aufgabe, die Jugend durch Unterricht, Uebung und Erziehung die Grundlagen sittlicks-religiöser Bildung und di« für das bürgerliche Leben nötigen allgemeinen Kennt nisse und Fertigkeiten zu gewähren. 8 1 des neuen Entwurfs bringt nur eine unwesentliche Umänderung und eine überflüssige Einschiebung, insofern a/H er verlangt, die Volksschule solle auch die Grundlage vaterländischer Gesinnung gewähren. Wir können uns keine sittlich-religiöse Bildung denken, die nicht zugleich eine vaterländisck»e tyesinnung in sich schlösse. Die Zeiten des Kosmopolitisrmks sind mit dem Zu» sammenschluß der Deutsche in einem einigen Reiche vorüber. Unsrer Meinung nach müßte aber das neue Bolksschulgesetz mehr pädagogisches Emp finden verraten. Tas spricht aber aus den „Wün schen der sächsischen Lehrerschaft zum Volksschulgesetz", in denen es als Aufgabe der Volksschule bezeichnet wird, „im Kinde den Menschen zu emwickeln und eS zum tätigen Glied« der Kulturgemeinschaft erziehen zu Helsen. Sie hat daher unter steter Berück- sichtiaung der natürlichen Entwicke lung des Kindes alle sein« geistigen und körper lichen Kräfte zu entfalten". Es war der größte Fehler des sonst vorbildlichen Volksschulgefetzes vom Jahre 1873, daß es zu wenig Rücksicht auf den Bildungsgrad und die Entwicke lungsstufe des Kindes nahm, daß es nicht ausging vom Kinde, sondern von dem Wunsche, dem Kinde ein größtmögliches Maß vock Kenntnissen und Fer tigkeiten beizubringen. Damit begünstigte es die Viclwisserei und führte zu der vielbeklagten Ueber- bürdung, erzeugte auch eine Geringschätzung in der Ausbildung des Körpers gegenüber der gedacht- niSmäßigen Aneignung von vielem oftmals für das Kind totem Wissen. Alle die Ideen, die wir unter Arbeitsschule, Jugendfürsorge, Ju gendpflege, Schulwanderungen zusam menfassen, kommen in 8 l des neuen Entwurfes so wenig zur Geltung wie im alten Gesetze. Wir ver mögen aus diesem Grunde in der Zielsetzung keinen Fortschritt zu erkennen. Auch 8 2 bietet nichts wesentlich Neues. Die Unterrichtsfächer bleiben dieselben. Bürgerkunde soll in geeigneten Unterrichtsfächern die Jugend Vor bereiteno ins Leben einführen. Die Scheidung in die vielen Unterrichtsdisziplinen ist von den höheren Schulen, wo sie durchaus am Platze ist, in die Volksschule übernommen worden. Man Überlege sich aber den Zweck beider Schularten. Die höhere Schule soll für dre gelehrten Berufe vor bereiten. Die vermittelt darum eine Spezialausbil dung. Die Volksschule dagegen soll für das soge nannte praktische Leben vorbereiten. Durch sie allein hindurch gehen 93 Proz. aller Schüler, also fast alle Gewerbetreibenden, Kleinhändler, Landlvirte und Ar beiter. Da müßte auck' die Volksschulbildung vom praktischen Leben auSgehen und immer wieder zum praktischer: Leben hinführen. Bei der Zersplitterung in viele Unterrichtsfächer wird aber so manches Ka pitel behandelt nur wegen der Vollständigkeit des Systems, und manche Kapitel werden um des Systems willen schon ip zu frühem Alter an die Kinder bracht, in einem Alter, das das reckte Verständnis nickt voraussetzen läßt. Slber da rächt sich eben der Fehler in der falschen Zielsetzung deS 8 1- Dagegen ist eS zu begrüßen, daß es den einzelnen Orten überlassen wird, Haushaltungs- und Kock unterricht für die Müdcl^en, Handferngkcitsunterricht für die Knaben, Unterricht in einer oder mehreren lebenden Fremdspracl^n und in der Kurzsclynft ein zuführen, wahlweise oder verbindlich. Als ein Fort schritt ist das allerdings auch nicht anznsprechen; denn unter dem gegenwärtigen Schulgesetz war die Möglichkeit hierzu auch nicht abgeschnitten. In Wirklichkeit sind diese Kurse auch in den meisten größeren Städten Wahlkreise oder verbindlich schon eingeführt. Auck ß 3 läßt alles beim alten. Es bleibt den Schulgemeinden überlassen, ob sie eine allge meine Volksschule unterhalten wollen oder höhere, mittlere oder einfache Volksschulen neben einander. In den süddeutschen Staaten und vor allem in den nordgermanischen Staaten hat sick die allgemeine Volksschule durchaus bewährt. Sie hat ihr besonders auch das Interesse der gebildeten Volks» schichten zugewcndct, so daß das Schulwesen der süd deutschen Staaten dem Sachsens jetzt ebenbürtig, das der nordgermanischen Reiche aber dem unfern überlegen ist. Bei dem großen Konkurrenzkämpfe der Staaten auf industriellem und kommerziellem Ge biete wird aber nur das Volk siegen, das die besten Schulen hat. Auch Preußen müßte uns als das klassische Land der Standes- und Vorschulen, das aber zugleich auf dem Gebiete der Volksschule am meisten rückständig ist, zur Durchführung der allgemeinen Volksschule veranlasse::. Die Gliederung dürfte erst nach dem 4. Schuljahre cintreten. Wir meinen, das sei auck aus nationalen und sozialen Gründen zu fordern bei einem Volke, das, wie das deutsch, durch die Religion und jahrhundertelange nationale Zer klüftung so große Gegensätze aufweist. Die religiöse Scheidung dürfte auch nickt schon in der Volksschule einsetzen. Der Entwurf aoer hält an dem Prinzip der konfessionellen Volksschule fest. Tie Lehrerschaft hat in den Zwickauer Thesen oen Weg gezeigt, den die Volks schule gehen müßte. Sie muß einen Religionsunter richt erteilen, der noch nickt in das System einer Konfession einführt. Der Religionsunterricht muß mehr geschichtlicher, aber nicht dogmatischer Unter» richt sein. Der letztere muß der Kirche, insbesondere dem Konfirmandenunterricht überlassen bleiben. Die Schule aber muß bieten, was eint, nicht was trennt. Wie alle Systematik in der Volksschule als verfrüht zu bekämpfen ist, so auch all« Systematik im Religionsunterricht, aller Dogmatis mus. Hier ist aber seit Jahrhunderten kein Fort schritt wahrzunehmen. Professor Brieger bat auch nach der Veröffentlichurm des neuen Entwurfes recht, wenn er — in seiner Rektoratsrede — darauf hin weist, daß dieKinder des 20. Jahrhunderts in der Religion noch in derselben Weise unterrichtet werden w e dieK1 nder des 16 Iahrhund ert Auck in Zukunft sollen die Schüler grundsätzlich nach dem kirchlichen Bekenntnis der Eltern getrennt wer den, und so soll der gesamt« Unterricht, nicht nur der Religionsunterricht, konfessionelles Gepräge tragen. Es ist vom nationalen Standpunkt au« un begreiflich, daß auch in Zukunft die Keime der Spal tung und Zerklüftung schon in das wachsende Ge schlecht getragen werden soften. Vielleicht ergibt sick aber mit der Zeit von selbst, daß in der Schule da» einigend« Moment mehr in den Vordergrund tritt. Der Entwurf hebt wenigstens nominell die geist liche OrtSscknlauficht auf. Wenn endlich nach dem Wunsche einsichtsvoller Geistlicher und der gesamten Lehrerschaft eine reinliche Scheidung der Erziehnngsmächte erfolgt sein wird, wird man die durch den Entwurf angebahnte Trennung als ein«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite