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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration--Preis 22 > Silbcrgr. (, Tblk.) vierteljährlich, Z Thlr. für du« gattzeIahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preussischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt ans diese« Literatur- Blatt in Berlin in der Erpedition der Allg. Pr. CtaatS-Zeitung (Friedrich»- Straße Nr. 72); in der Pronin; so wie i,n Auslande bei den Wohllöbl. Post Armier». Literatur des Auslandes. 11. 1843. Berlin, Mittwoch den 25. Januar Nord - Amerika. Die Presse in den Vereinigten Staaten. Das letzte Heft der in London erscheinenden ^nrnig» »jiisrtcr!) Kevien enthält einen Artikel über die politische Presse in den Vereinigten Staaten, der sowohl in England als in Amerika allgemeines Aufsehen erregte und, wie man versichert, den berühmten „Boz" (Dickens) zum Verfasser hat. Bekanntlich machte Letzterer im Anfang vorigen Jahres eine Reise nach Amerika, wo man ihn, als einen der populärsten Schriftsteller unserer Zeit, mit beispiellosem Enthusiasmus aufnahm und nichts verabsäumte, um ihm einen vorthcilhaften Begriff von dem Lande selbst, seinen Bewohnern und seinen Institutionen einzuflößen- Diesen Zweck glaubte man auch erreicht zu haben; cs wurden große Diners und Festlichkeiten gegeben, bei denen der Gast und die Wirthe sich gegenseitig mit Artigkeiten überhäuften; man be mühte sich, ihm wo möglich Alles von der glänzendste» Seite darzustcllcn, und als er sich wieder in New-Aork einschiffte, gaben sich die patriotischen Iankees der schmeichelhaften Hoffnung hin, recht bald eine lobpreisende, mit den hellsten Farben auSgemalte Schilderung ihres Vaterlandes aus der Feder des dankbaren Autors zu erhalten. Diese angenehme Täuschung wurde jedoch nur zu balv zerstört. Bruchstücke aus dem Tagebuche des Reisenden sanden schnell, als Vorläufer eines größeren Werks über denselben Gegenstand °), ihren Weg über den Ocean zurück und bewiesen deutlich, daß der Verfasser sich durch die ihm zu Theil gewordenen Ehrenbezeugungen das Recht nicht im mindesten verkürzen lassen, seine Meinung über Amerikanische Zustände frei und unvcrholen auszusprcchen und alles Mangelhafte oder Verkehrte in der ihm eigenen originellen Weise mit scharfer Lauge zu begießen. Ein Schrei der Entrüstung ertönte durch die ganze Republik; der vor wenigen Monaten noch vergötterte Boz wurde von seinem Picdestal gcrissen und mit Koth be worfen; man beschuldigte ihn der systematischen Verleumdung, der treulosen Undankbarkeit, und um das Maaß seiner Verbrechen voll zu machen, wurde ihm auch jene beißende Charakteristik des Amerikanischen Journalismus zuge- schricben. Ob sie wirklich von ihm herrührt, müssen wir dahingestellt scpn lassen ; sic zeigt auf jeden Fall von einer genauen Kcnntniß dcS bchandeltcn Thema's und wird deshalb in eincr möglichst gedrängten Uebersicht auch dem Deutschen Publikum nicht unwillkommen scpn. °°) Es ist eine eben so merkwürdige als unbestreitbare Thatsachc, daß man in dem Lande, welches mehr Papier und Druckerschwärze konsumirt, als irgend ein anderes in der bekannten Welt, auch noch nicht den Anfang zu einer National-Literatur gemacht hat. Alles Materielle gedeiht in Amerika, alles Geistige verschmachtet. Die Wahrheit dieses Satzes wird durch den Zustand der dortigen Presse auf eine überzeugende Weise bestätigt. Die Amerikanischen Zeitungen sind im Auslände wenig gekannt und noch weniger geachtet. Jedes Paketschiff bringt uns einige Spalten voll barocker RaisonncmcntS und schauderhafter Beschreibungen der in den südlichen und westlichen Staaten verübten Gräuclthate», von welchen erstere unser Geläch ter, letztere unseren Unwillen erregen, ohne daß wir sic jedoch als Anzeichen der sozialen Lage, der Sitten und der Eivilisation des Landes betrachten. Sic werdcu als seltsame Phänomene einen Augenblick angestaunt und dann der Vergessenheit übergeben. Wer hätte die Stadt Boston, „die Citadelle der Amerikanischen Kunst und Wissenschaft", wie man sie vor kurzem nannte, odcr die Stadt New-Aork, den von Allen anerkannten Mittelpunkt Amerika nischer Macht und Thätigkeit, einer so namenlosen Barbarei beschuldige» wollen, wie sic auS jenen Enthüllungcn hervorgeht? Es ist keine angenehme Aufgabe, Jrrthümcr dieser Art zu berichtigen; aber es ist nützlich und pflichtgemäß, die Wahrheit auszuspreche». So widrig es seyn mag, die öffentlichen Blätter in Missuri mit Brutalitäten und Poffcn- ') TicscS ist scüdcm, wie bekannt, unter dem Titel- <>» America, erschienen und bereit« durch Moriarty und Andere ins Deutsche übersetzt. Mau vergleiche den Art. „Mannigfaltiges" in Nr. r des Magazin«, so wie die in Nr. 5 und v von d. I. und in Nr. irr ». Ijj von« v. I. mitgetheilleu Auszüge. ") In den „^»lortoan kSot-u,'' berührt Dicken» da» dortige Acnunzswescn nur mit kurzen Worte» und verweist Solche, die vollstättdtgerc Notizen über dasselbe wünschen, auf eben diesen Artikel der knr-lxn ttuurtorlv Novlorv, der also, wenn nicht von ihm abgcfaßt, doch wenigsten« mit seinen Ansichten üu Ganzen übeeeinstimmcu muß. Jene Bemerkungen über die Nord-Amerikanische Preße in den änwrieau Kote« waren es, die einem Artikel, welchen die Augsburger Allgemeine Zeitung kürzlich über diese Materie brachte, z»m Grunde lagen und der mit dem gegenwärtigen Artikel nicht zu verwechseln ist. reißereien angcsllllt zu schcn, so wird diese Sprache »och ekelhafter, wenn sie sich auch auf MassachuffettS erstreckt. Es ist schrecklich, daß ein halb wildes Mitglied der Legislatur von Arkansas seinen gleich wilden Gegner in öffent licher Sitzung nicdermctzcln darf; aber eS ist noch schrecklicher, daß man kul- tivirten Bösewichtern in New-Aork und Washington gestattet, sich ihr tägliches Brod durch das moralische Morden des guten Rufs ihrer Mitbürger zu erwer ben. Je gebildeter eine Amerikanische Stadt ist, desto größer ist mit einem Worte die Verderbtheit und Herabwürdigung ihrer politischen Presse. Man wird uns fragen, ob wir in England nichts AchnlicheS haben? Wir können nun zwar nicht lcngncn, daß auch bei uns Blätter dieser Klasse cristiren, aber ihre Zahl ist sehr gering und ihr Publikum ganz auf London beschränkt, wo sie nur unter dem Answurf eincr großen Hauptstadt einige Unterstützung finden. Wenn wir aber in Amerika uns nach dem Journal er kundigen, das sich der größten Verbreitung unter allen Ständen erfreut, so wird man, wie in London die Mmon, in New-Aork den kkcralü nennen. Dieses Blatt, welches täglich in großem Format erscheint und nur zwei Cents (>> Pfennige) kostet, rühmte sich kürzlich einer Circnlation von Zll,A>0 Erem- plarcn, und so selten cs sich auch im Allgemeinen eine Wahrheit zu Schulden kommen läßt, so scheint doch hierin keine Uebertreibung zu liegen. Man kann daher annehmcn, daß es zur täglichen Lektüre von mehreren hunderttausend Bürgern der Vereinigten Staaten gehört, odcr, wie es selbst behauptet; „von allen Parteien, allcn Klassen, allen Sekten, allen Geschlechtern" ge- lesen wird. Es steht, nach den eigenen Worten des Redactcurs, unter der Leitung des „Besitzers, Herausgebers, Verlegers, Propheten, Prinzipals, Haupt-Heiligen, Haupt-Gelehrten oder Haupt-Teufels der Anstalt — wie eS Euch beliebt — James Gordon Bennett." Eine Erscheinung wie diese zu schildern, ist eine eben so schwierige als undankbare Ausgabe. Tag für Tag gießt der IlocM seinen Geifer und seinen Schmutz über die edelsten Namen des Landes aus; die Ehre jedes Staatsmanns, der Charakter jedes Bürgers wird auf die frechste Weise ver unglimpft; erhabenes Verdienst, ehrwürdiges Alter, schuldlose Kindheit ge währen keinen Schutz gegen seine Angriffe — und dennoch nehmen Familien, deren zartes Gewissen ihnen nicht erlaubt, einen öffentlichen Vergnügungsort zu betreten, keinen Anstand, sich cin Blatt zu halten, welches, seiner ab scheulichen Tendenz ungeachtet, in diesem Augenblick auS Partei-Rücksichten der besonderen Protection des Präsidenten der Vereinigten Staaten ge nießen soll. In seiner äußeren Einrichtung weicht der Hernlst von den übrigen Ameri kanischen Zeitungen nur wenig ab. Politische Nachrichten, leitende Artikel, Polizei-Berichte, moralische Betrachtungen, Annoncen, Anpreisungen (puff!;) und Schmähungen drängen sich in bunter Verwirrung und bilden ein Chaos der heterogensten Bestandthcile. Der Redactcur eines Amerikanischen Blattes giebt sich nie die geringste Mühe, seinen Stoff einigermaßen zu ordnen; alle Rücksichten gegen das Publikum werden seiner Bequemlichkeit oder seiner Laune aufgcopfcrt. Langweilige odcr unanständige Annoncen verdrängen oft die in- tcrcssantestcn Tages-Neuigkeiten von ihrem Platze °), und die erbitterten, von -j In einem «er anständigeren Journale treffen wir neben politischen Abhandlungen unter Anderem auch auf folgende Notizen; „Fish, StaatS-Straße Nr. r, hat die schönste Partie Apfelsinen und Feigen erhalten, die je auf iinserem Markte gewesen ist. Die Apfelsinen sind sastia, non vortrefflichem Geschmack und für Gesellschaften oder öffentliche Mahlzeiten sehr gelegner. Bergcßt nicht, ihm einen sreundtchaftlichen Betuch abzustattcu." „Speist, wo Ihr wollt, wcun Ihr nur gleich darauf nach einer guten Restauration geht und Ench dort die Zählte stochert." „Dio Liebe ist ein himmlifcheS Fest, woran jedoch nur reine, offene Seelen thcilnehmcn können. Es ist eurem ehrlosen Menschen eben so unmöglich, wahrhaft z» liebt», als einem Heuchler, selig z» werden." „Das Wetter ist seil kurzem ungewöhnlich warm, aber wen kümmen'i, so lange Nicholson odcr Ctarkweaiher vortreffliche» Sodawasser zu tl EenlS da» GlaS verkaufen?,, Zuweilen bemerkt auch cin Rcdactcnr, daß man ihm irgend euren Artikel sehr empfohlen habe, er könne aber kein UrlheU darüber ablegcn, weil er noch nicht Gelegenheit gehabt, davon zu versuchen. Dieses ist cin Wink für dc» Eigemhümer, ihm einige Proben ein- zusendcm Mittheilungc» wie die folgenden solle» für witzig gelten: „Da» zarte Geschlecht. Wir lc-en in der Mobiler Zcit»ng einen Bericht über einen sehr ungewöhnlichen Auftritt, den zwei Damen jener Statt zum Besten gaben. Eine Dame prügelte die Wirthin ihres LogicrhauscS dermaßen, daß die Ohrringe der Letzteren auSgerjsse» lind ihr Körper Übel zugerichtct wurde. Da» nenne ich mir einen starken Geist fi- „Miß Louifa Wathon, eine junge Dame von zweifelhaftem Ruf, nahm Freitag Abend in> Saale de» Chatham-ThcaterS einen Tropfen über den Durst; sic machte auch die Be kanntschatt eine» uctten Jüngling», Namen» Joseph RogcrS, und da da» glückliche Paar anfing, ziemlich ausgelassen zu werden, so sührtt man sie Beide nach der Wache, um ihnen Bescheidenheit und Moralität zu lehren.'"