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Wcherih-Ieitmg ix Verantwortlicher Redacteur: Csrl Irhnr in Dippoldiswalde. Nr. 139 52. Jahrgang Dienstag, den 30. November 1886 Carnet erklärt hat, so steht die Republik zum sound sovielten Male wiederum vor einer ernsten Minister krisis — falls es der Gewandtheit und Beredtsamkeit Freycinet's nicht abermals gelingt, den drohenden Riß zwischen der Regierung und der widerspenstigen Kammer zu verkleistern. Aus der ganzen Affaire geht aber wiederum hervor, wie unsicher und verworren die parlamentarischen Verhältnisse jenseits der Vogesen sind. Selbst dem Ministerium Freycinet steht keine zuver lässige Mehrheit zu Gebote, sondern es muß immer zwischen den Monarchisten und den verschiedenen republikanischen Gruppen hin- und herlaviren, was doch schwerlich im Interesse des Landes liegt. Bis jetzt hat Herr de Freycinet mit wirklich erstaunlicher Geschicklichkeit verstanden, das Regierungsschiff zwischen all den drohenden parlamentarischen Riffen glücklich hindurch zu steuern. Fast scheint es jedoch, als ob die Finanzfrage zu der Klippe werden sollte, an der er und sein Ministerium scheitern — wer aber bei der unter den republikanischen Parteien herrschenden gegen seitigen Eifersucht die eventuelle Erbschaft Freycinet's übernehmen würde, läßt sich heute noch durchaus nicht beurtheilen. «Lokales rmd Sächsisches. Dippoldiswalde, 29. November. Gestern fand beim Vormittagsgottesdienste die Einweisung der neu gewählten Kirchen vor st eher der Parochie Dippol diswalde, der Herren Stadtgutsbesitzer Müller-Dippol diswalde, Wirthschaftsbesitzer Büttig - Berreuth und Gutsbesitzer Gemeindevorstand Lotze-Reinholdshain statt. Die übrigen frühere», bez. wiedergewählten Mitglieder waren gleichfalls erschienen, um dem Akte der Ein weisung beizuwohnen. Nach der Predigt des Herrn Sup. Opitz hielt derselbe an die auf dem Altarplatze versammelten Herren eine Ansprache, in welcher er theils ein Bild des gegenwärtigen kirchlichen Lebens der Parochie entrollte, theils, nach eidlicher Verpflich tung der Neueintretenden, Mahnungen an die zur Vertretung der Kirchengemeinde Berufenen richtete. — Der gestrige Sonntag war durch auswärtigen Verkehr schon recht belebt, und die verlockend heraus geputzten Schaufenster bewährten ihre Anziehungskraft nicht blos bei unsrer hoffnungsvollen Jugend, die be reits seit mehreren Tagen den sich entwickelnden Weih nachtsausstellungen mit ungetheiltem Interesse folgt, sondern auch bei dem zahlungsfähigen Theile der Zu zügler; wenigstens wanderten in den Abendstunden zahlreiche, mit Packeten beladene Dorfschönen der Heimath zu. Wir wollen nur wünschen, daß sich dieser angenehme Besuch an den nächsten Sonn- und Wochen tagen wiederholen und unfern Geschäftsleuten Gelegen heit bieten möchte, nicht nur die Fülle ihrer Waaren- vorräthe zu entfalten, sondern sich auch durch die preis würdige Güte derselben, sowie durch ihre liebenswür dige Zuvorkommenheit allerseits bestens zu empfehlen. — Der hiesige Männergesangverein feierte am vergangenen Freitage sein 45. Stiftungsfest in üblicher Weise durch Festtafel und Ball. Während der ersteren nahm der stellvertretende Vorstand, Hr. Spar- kassen-Kassirer Kunzmann, Gelegenheit, dem derzeitigen Liedermeister und Vorstand, Herrn Kantor Hellriegel, als ein Zeichen aufrichtigen Dankes für die großen Verdienste, die sich derselbe um den Männergesang im Allgemeinen, wie um den hiesigen Gesangverein ins besondere erworben, einen prächtigen Taktirstock, sowie eine goldene Uhrkette zu überreichen. Tief gerührt dankte der Beschenkte und versprach, mit allen seinen Kräften weiter wirken zu wollen wie bisher. — Am gestrigen Sonntag hielt unser Schlittschuh fahrverein „Eis-Club" seine Generalversammlung ab. Da doch dieser Verein in unserem öffentlichen Leben keine untergeordnete Rolle einnimmt, so dürfte es wohl von Interesse sein, einen kurzen Auszug aus dem Jahresberichte über denselben zu erhalten. Der Be Aus Frankreich. Jenseits der Vogesen gehen wunderliche Dinge vor sich und scheinen dieselben fast darauf hinzudeuten, daß Frankreich wieder einmal vor einer jener innerpoli- trschen Krisen steht, deren es seit dem Sturze des Kaiserreiches schon eine bedenklich große Anzahl erlebt hat. Es sind erst einige Wochen verflossen, seit die Minister Goblet und Sarrien wegen Meinungsver schiedenheiten mit der radikalen Partei ihre Entlassung «inreichten, doch gelang es schließlich dem Minister präsidenten Freycinet, seine Kollegen zum Verbleiben im Kabinet zu bewegen. Kaum war dieser Zwischen fall erledigt, so reichte der Bauten Minister Baihaut seine Entlassung ein und dieselbe mußte angenommen werden, da der mächtige Fraktionschef der Radikalen, Clemenceau, eine besondere „Pike" auf den Bauten- minister zu haben schien; für den scheidenden Minister trat der Senator Millaud ein, mit ausdrücklicher „Ge nehmigung" Clemenceau's. Schon aber drohte eine neue Krise; die Projekte des Finanzministers Sidi Carnot zur Herstellung des finanziellen Gleichgewichts — es handelte sich einfach um die Deckung von Aus fällen im Gesammtbetrage von 200 Millionen Frcs.! — sanden vor der Kammer keine Gnade, namentlich wollte dieselbe von der vom Finanzminister vorge schlagenen Einkommensteuer nichts wissen, während dieser die von den Finanzpolitikern der Kammern be fürwortete Herabsetzung des Zinsfußes der Sparkassen, Verschiebung der Amortisationen und dergleichen finan ziellen Hausmittelchen zurückwies. Daneben brachte noch die Budget-Kommission besondere Vorschläge aufs Tapet und zwischen diesen drei Parteien wanderte das Budget hin und her, bis endlich Sidi Carnot die Sache satt bekam und seine Entlassung einreichte. Da legte sich der Konseilpräsident wiederum ins Mittel und ihm gelang es in der Thal, einen Vergleich zwischen den streitenden Theilen zu Stande zu bringen, der darin gipfelte, daß Sidi Carnot aus die Einkommensteuer sowie auf das von ihm gleichfalls vertretene Anleihe projekt, die Kammer dagegen auf die Zinsrcduktion verzichtete. Der Finanzminister zog seine Demission zurück und die Budgetverhandlungen, die wegen dieses Konfliktes mehrere Tage gestockt halten, wurden in der Kammer wieder ausgenommen und schienen nun normal verlaufen zu wollen, bis plötzlich in der jetzigen Diens tagssitzung ein neuer Zwischenfall eingetreten ist. Trotz des lebhaften Widerspruchs des Finanzministers ge nehmigte die Kammer ein Amendement, das die Ge hälter der Beamten, speziell des Finanzministeriums, um circa 600,000 Francs reducirt und zog ähnliche Amendements in Erwägung, obwohl Sidi Carnot auch hierbei energischen Einspruch erhob. Als die nächste Folge dieser unläugbaren parlamentarischen Niederlage des französischen Finanzministers erscheint der Rücktritt von vier Unterstaatssekretären, welche Beamten die von der Kammer vorgenommene Gehaltsbeschneidung am meisten empfinden. Sidi Carnot selbst hat zwar von einer gleichen Absicht noch nichts verlauten lassen, aber daß die Situation in Paris sehr gespannt ist, geht auch aus dem telegraphischen Auszug über die Mittwochsitzung der Deputirtenkammer hervor. Obwohl neben dem Finanzminister sich auch der Konseilpräsident gegen die von der Kammer in Erwägung gezogene weitere Reduktion bei einzelnen Budgetposten aus sprach und hierbei vor einer übertriebenen Sparsam keit gegenüber den Erfordernissen des Dienstes warnte, wurde die Reduktion mit großer Mehrheit angenommen. Außerdem wurden noch andere Amendements bezüglich weiterer Ersparnisse in Erwägung gezogen und nur das Amendement, betr. die theilweise Aufhebung des Rechnungshofes, lehnte die Kammer infolge der Ein wendungen Freycinets ab. Die französische Deputirten kammer beharrt also auf ihrem Widerspruch gegen die Finanzpolitik der Regierung und da das Kabinet sich in der Finanzfrage für solidarisch mit Herrn Sidi Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirk same Verbreitungfinden, «erden mit 10 Pfg. die Spaltenzelle ober deren Raum berechnet. — Ta» bellarische und complicirt« Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionelle« Theile, die Spaltenzril« SOM- Amtsblatt für die Königliche Amtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein richterstatter erwähnt zunächst, daß der „Eis-Club" auch im vergangenen Winter nicht nur in seinem In neren ein gesundes Leben gezeigt, sondern auch nach außen hin sich die Achtung und Zuneigung, welche er sich seit seiner Gründung bei den Einwohnern unserer Stadt zu erwerben gewußt, zu wahren verstanden hat. Es bezeugt dies sowohl die allgemeine Theilnahme der Einwohner an den Veranstaltungen des Verein-, als auch das wohlwollende Interesse, welches ihm durch verschiedene Schenkungen bekundet wurde. Die für die Vereinszwecke so hochwichtige Witterung ist sehr günstig gewesen, denn an 57 Tagen war Gelegenheit geboten, dem Schlittschuhlauf zu huldigen; ein sehr erfreuliches Resultat. Infolge der Witterungsgunft war der Ausschuß in der Lage, den Mitgliedern öfter den Genuß, nach den Klängen der Musik fahren zu können, zu bieten; es fanden außer dem Stiftungsfest 9 Concerte statt. Der Mitgliederbestand weist die bisher höchste Ziffer auf, indem 284 Mitgliedskarten ausgestellt wurden. Auch die finanziellen Zustände des Vereins sind insofern als günstig zu betrachten, als im vorigen Jahre ein Ueberschuß von ca. 70 Mk. erzielt wurde. Die Hausbauschuld ist wieder um eine« Theil verringert worden, und hofft der Ausschuß, in vielleicht 5 bis 6 Jahren das im vorigen Jahre er baute Vereinshaus schuldenfrei zu haben. Am Schluffe des umfangreichen Berichtes wird noch dem Danks Ausdruck gegeben dafür, daß die städtischen Behörden durch unentgeltliche Ueberlaffung des Eises vom großen Teiche die Herstellung und Benutzung einer Fahrbahn ermöglichten, und der Verein somit in der Lage ist, die Freuden des so wohlthätig wirkenden Schlittschuh laufes auf billige Weise genießen zu können. Die Tagesordnung der Generalversammlung wurde in glatter Weise erledigt, die ausscheidenden Ausschuß mitglieder wiedergewählt und der Jahresbeitrag in der bisherigen Höhe von 75 Pf. belassen. Möge, wie am Schlüsse des Berichts gewünscht wird, der nächst jährige Bericht ebenso erfreuliche Resultate aufweisen, der „Eis-Club" überhaupt ein stetes Gedeihen zeigen. — Obschon es eigentlich in voriger Woche bei uns nie recht ordentlich geregnet hat, wenn auch der Himmel meist bewölkt war und ein dicker nässender Nebel auf der Erde lag, so ist doch nunmehr die Weißeritz zum Fließen gekommen und sieht nun wenigstens wieder einem Flusse ähnlich, während sie sich bisher von einem Hohlwege mit einigen Tümpeln kaum unterschied. Genug Wasser, um einfrieren zu können, hat sie aber immer noch nicht, und müssen wir darum auf größere Wafferfülle hoffen, ehe wir Eis wünschen können. — Nächste Mittwoch, den I. Dezember, findet im Saale zur „Reichskrone" das erste der drei Abonne- mentsconcerte statt, die Herr Kapellmeister Trenkler hier veranstalten wird. DerRuf, der demselben voraus geht, bedarf wohl keines erneuten Heroorhebens, haben wir doch selbst schon öfters Gelegenheit gehabt, Ge nannten hier zu hören, und darf wohl ein zahlreicher Besuch des Concertes vorausgesehen werden. — Wie aus dem Jnseratentheil unserer heutigen Nummer zu ersehen ist, findet das für den 3. Dezbr. angekündigte Abonnementsconcert erst am 14. Januar 1887 statt. Wie wir hören, liegt der Grund darin, daß der Tonkünstlerverein zu Dresden am 3. Dezember eine Weberfeier veranstaltet, bei welcher die Mitwirkung der hier engagirten Künstler nothwendig ist. Da ohnehin die nächste Zeit mancherlei Vergnügen bietet, dürfte diese nothwenvige Verlegung nicht un passend sein, und wollen wir hoffen, daß der Besuch des betr. Concertes ein um so zahlreicherer werde. — Am 1. Dezember wird zur Beförderung von gewöhnlichen und eingeschriebenen Briefsendungen zwischen Dippoldiswalde und Reichstädt eine Botenpost mit folgendem Gange eingerichtet: aus Dippoldiswalde 1 Uhr 10 Min. Nachm. in Reichstädt ! Uhr 55 Min. Nachm. Die Botenpost erhält Anschluß an die um Die „Weißeritz-Zeitung" ^scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners- laq und Sonnabend. — Preis vierteljährlich 1 M. Sb Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg., einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern N Pfg. - All« Postan- «alten, Postboten, sowie di« Agenten nehmen Be stellungen an.