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Nr. 168 1«. Junius 1848. Freitag Leipzig. DU Zeitung erscheint tLglich Abend«. Zu beziehen durch alle Postämter de« In- und Auslande«. Deutsche Allgemeine Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Prei« für da« Niertel- iahr 2 Thlr. - InsertwnSgebühr für den Naum einer Zelle 2 Ngr. Uebeevkick. Deutschland. *Uon -er Elbe. Hr. Fricke über das anarchische Trei ben. Frankfurt a. M. Die provisorische Ccntralgewalt. «Leipzig. Das Prager Wahlverfahren für Frankfurt. «Leipzig. Auswanderungsvcrein. München. Die deutsche Cocarde. Adresse. Hannover. Landtag. Darm stadt. Die Görlitz'schc Sache, f Mains. Die Buchdruckerversammlung. Mains. Die Volksversammlung in Hochheim. — Die Vorgänge in Schles wig-Holstein. * Weimar. Verein für ein einiges Thüringen, c Eisenach. Wartburgsfest. Oldenburg. Die Bürgerwchr. * Frankfurt a. M- Die Conflicte in Offenbach. Wahl. Preußen. .4 Berlin. Die Nationalversammlung. Unruhen. 6 Berlin. Selbsthülfe. Das linke Centrum. Kammerstatistik. Ständchen. Graf Keller. Neue Zeitung. Die Clubs. Auflauf. Der Prinz ^von Preußen. *Von der preussischen Weser. Die Dänen. *Äus der Provinz Preussen. Der constitutionclle Club. Stettin. Dio Sammlung für die deutsche Flotte. Bromberg. Protest. Ostrowo. Verhaftungen. — Schifföübung.— Der kölncr Dombau. Defkerreich. 0 Leipzig. Die Nachrichten aus Wien und Prag. Wien. Deputation nach Linz. Der Kaiser. — Die wiener Adresse. — Die Pra ger Studentendeputation. Handel und Industrie. Ankündigungen. D eutsch land. * der Eide, 14. Jun. Als Vorläufer einer angekündigtcn „zur Verständigung über Republik, constitutionclle Monarchie und deut sches Erbkaiscrthum" bestimmten Schrift, hat ein geistvoller junger Do- ccnt der leipziger Universität, Licentiat Fri cke, ein Schristchen veröffent licht, worin er die Frage zu beantworten sucht, woher das anarchische Treiben komme und wie ihm abzuhclfcn sei. Wollen wir dasselbe auch nicht als erschöpfend ausgeben, wie es denn natürlich viele Seiten anschlägt, die bei allseitiger und cindringcndcr Betrachtung allein zu Bänden Stoff gäben, wie einst Sartorius'Schrift: „Ucocr die Gefahren, welche Deutschland bedrohen und die Mittel, ihnen mit Glück zu be gegnen" und ließe sich auch über die Vertheilung des Mehr- oder Min dergewichts auf die einzelnen Punkte streiten, so enthält es doch ganz gewiß sehr viel treffende und beachtcnswcrthc Blicke und Winke. Der Verfasser hebt die äußern Gründe der frühem politischen Lauheit her vor, in Folge deren „der Bürger, obgleich er im Ganzen durchaus bci- stimmcn mußte, dennoch einem Theile nach seine Freiheiten von Aben teurern und Wühlern ohne eine Begeisterung sür die Sache des Va terlandes, oder ohne den Verstand der besonnenen Mäßigung, sich viel mehr erobern ließ als selber eroberte," dadurch aber „gleichsam ein moralisches Band sich um dieselben und das Volk geschlungen hat, und andererseits diesen Männern stürmischer That auch die Achtung vor dem gesunden und kcrnhaften Sinne des Volks fehlt und sie auf die poli tische Lauheit der Gemäßigtem rechnen." Diese Theilnahmlosigkcit am öffentlichen Leben, ein Erbübel des frühem Systems, wirke aber noch immer nachtheilig fort. Dazu komme, was gleicher Quelle entstammt, ein großer Mangel an wahrer politischer Bildung. Die Kräfte seien da, aber die Ausbildung mangele, und wahre Staatsmänner im hö her» Sinne des Worts gebe es wenige. In den untern Schichten des Volks fänden „viele weder sittlich gereifte noch politisch gebil dete Schreier Anklang, welche das Volk, anstatt es aufzuklärcn, verwirren, unter der Vorspiegelung goldener Zeiten zur Anarchie rei zen, die einzelnen Klassen der Bürger, die Armen und Reichen, die Ungebildeten und Gebildeten, zu gegenseitigem MiStraucn, und im Gegensätze zu der hochnöthigcn Einheit, zum offenen oder versteck ten und drohenden Kampfe drängen, und bei dem Allen oft genug nur ihre eignen Zwecke unter der Maske der Volksfrcundlichkeit aus beuten." Sie besitzen „meist Takt, Oberflächlichkeit und Beredtsam- kcit genug, um das frciheitsmuthige, das Bcdürfniß des Bessern em pfindende, aber politisch erst reifende Volk zu ihren widersinnigen Pla nen dauernder Ungesetzlichkeit mit sich hinwegzurcißen. Es ist dem frü hem Regierungssysteme zwar nicht allein, aber hauptsächlich zu danken, daß die Gebildeter» und Gemäßigter» meist noch keine Gewalt und kein Geschick hatten und haben, diesen Feinden der Ordnung entgegen- zutretcn." ES ist auch an sich weit schwerer, die Ideen der Ordnung zu vertreten, als die der Freiheit, ungeachtet beide gleich mächtig sind und einander gegenseitig bedingen; es ist weit dankbarer, dem Volke seine Rechte zu erklären, als seine Pflichten; weit leichter, ihm das glänzende Ideal auSzumalcn, als die Wirklichkeit und ihr Bedingendes geltend zu machen. Der Verfasser deutet auch den wichtigen Umstand an, daß der „gewaltsame Anstoß von außen unwiderstehlich über die bis dahin vorhandenen Bedürfnisse, Sympathien und Vorbereitungen hinauSge- trieben hat" und daß das Reifen der politischen Anschauung „nicht allein in dem Sturmschritte gewaltsamer Ereignisse verfrüht worden ist, sondern bei der Allgemeinheit der Aufregung und des Federns fast alle Stände umfaßt und zu gleicher Zeit Alles neugestalten will." Er zeigt aber auch die Hoffnung des Bcsserwerdens, durch Selbst- crkcnntniß, Bcdürfniß und Ucbung politischer Bildung, durch die Er ziehung des aufwachsenden Geschlechts, und unter dem verklärenden und erwärmenden Einfluß einer geläuterten Religion, welcher immer erinnert, daß „wir in höhcrm Auftrage dieses Leben leben und in Einem große» Danke, den eben unser Leben auödrückt, der ewigen Liebe des Schaf fen« und Erhaltens unsere Gegenliebe darlegen sollen." Kann das deutsche Volk „nicht srei und in seiner Freiheit glücklich, anarchielos, einig und stark sein, so kann es kein Volk; cs müßte denn geistige Trägheit sür Reife und Freiheit zelten. Aber eS haben sich durch die Masse der bisherigen Misstände, die mit einem Male zur Entscheidung und Erledigung dringen, namentlich durch die Masse des Proletariats und des überflügelten Handels (?), durch die Sturmeile, in der die neue Zeit kam, durch die Hartnäckigkeit der Männer des Gegensatzes, durch die Uebereilung der Männer der Freiheit und durch das erst wer dende Reifen der politischen Bildung, Gewitter der Unruhe an dem Himmel seines Friedens heraufgezogcn und werden vielleicht noch lange dort von sich hören machen. Erkalten wir nicht in der Saatarbeit die ser Tage unter den Schlägen Dessen, was uns trifft." Fran klurt a. , 1v. Jun. Die Veröffentlichung eines Dahl mann zugeschricbcncn Entwurfs über die Formen einer provisorischen Centralgewalt(Nr. 163) ist einer Jndiscrction zu verdanken. Cs ist dies aber nur ein Projekt gewesen. Die Majorität von 10 gegen 5 der Commission hat sich über etwas Anderes geeinigt. (W.-Z.) k Leipzig, 15. Jun Der Verein zur Wahrung der deutschen Sache an den östlichen Grenzen macht nach Berichten aus Prag den Hergang der Wahl oder vielmehr Nichtwahl zur Constituirendcn Versamm lung bekannt, da von Czcchomancn ein besonderer Nachdruck darauf ge legt worden ist, daß Prag in Frankfurt unvcrtreten sei. Man wird aus ihm ersehen, daß von den Czechomanen ein freches, betrügerisches Spiel mit dem Rechte der Wähler getrieben worden ist, wofür sie zur/ Verantwortung und Strafe zu ziehen sind. Bereits am 6. Mai erging an den Bürgermeister von Prag der Auftrag, die Erwählung von zwei s Vertretern der Stadt Prag zu veranlassen. Der Bürgermeister Tho mas Pstroß schrieb in einer vom 22. Mai datirtcn Kundmachung das Wahlverfahrcn dahin vor, daß die Wähler erst ein Wahlcomite durch Acclamation, und Wahlmänner mittels Stimmzettel erwählen, und darauf die gewählten Wahlmänner am 24. Mai um 2 Uhr im Gemeinde sitzungssaale des altstädtischcn Nathhauscs zur Wahl der beiden Ab geordneten nach Frankfurt schreiten sollten. In dieser Kundmachung heißt es wörtlich: „Ucbrigcns wird ausdrücklich bemerkt, daß nur die wirklich Wählenwollcnden vorgcladcn werden, dagegen die Nichtkom- mcnden keineswegs als einverstanden mit dem Beschlusse der Er schienenen, sondern als nicht wählen wollend sollen angesehen wer den." Der Bürgermeister öffnete mit dieser eigenmächtigen Bestim mung den Czcchomancn eine Hinterthür, die Wahl als ungültig an- zufechten. Aber er fand sogar ein Mittel, die Wahl selbst unmög lich zu machen. Nämlich, ohne daß vorher der Einwohnerschaft eine Nachricht gegeben worden wäre, wurde am 22. Mai Abends 7 Uhr die Wahl in der Art angesagt, daß die Wähler am folgenden Morgen früh 6 Uhr erscheinen und aus ihrer Mitte daS Wahlcomite und Wahl männer erncnniii sollten. ES war kaum nölhig, daß noch hier und da diese Anschläge abgerissen wurden, eine Wahl konnte nicht wohl zu