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MsdmfferTageblalt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Taseblatt" erscheinr täglich »achm. 8 Uhr für den folgende» T»g, Ve-u-sprei«: Bet Abholung i» -M defchästofteLe and Le» Ausgabestellen 2 Wk. im Monnt, bei Justeklung durch die Boten 2,30 ML., bei Postbeftellung Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend «d BefchSstsstelle« ' nehmen zu jeder Zeit Bs- ÄMrurgen entgegen. Im Falle höherer Gemalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Aückseuduug eiugesandter SchriKftScke erfolgt nur, wenn Porto beiliest. für- Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die Sgespatte« Amrmgeile A» Doldpfennig, die 2gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen^ Gold- Pfennig, di« r-efpalteneNeklameHetle t« textlichen Teile l00 Goldpfennig. Nachweisungsgebühr 20 Goldpfennige. Vor- Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 ««nähme dis oorm. 10 Ukr Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Zeder Radattanspruch erlischt, wenn der Betrag dnrch Klage eingezogeu werden mutz oder der Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtliche« Bekanntmachungen der Amtshanptmcmnschatz Meitze», de» Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Noffeu. Nr 238 — 83 Jahrgang Telegr.-Adr.: »Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Freitag, 10 Oktober 1924 Matto»rgelvi«ner. Von sachkundiger volkswirtschaftlicher Seite wird uns geschrieben: Der Kriegsgewinner ist bereits ein alter Typ in der Geschichte, er taucht gelegentlich sogar schon bei den römischen Satirikern auf. Die Entwicklung des Jn- slationsgewinnertums in großem Stil ist ein Ereignis erst des letzten Jahrzehnts. Trotzdem steht im Bewußtsein des Volkes — und mit Recht — der Jnflations- aewinner auf der gleichen Stufe wie der Kriegs- gewinner, und es gönnt eigentlich beiden Schichten den, wie es instinktiv fühlt, gegen die wesentlichen Grundsätze geschäftlicher Moral erworbenen Reichtum nicht auf die Dauer. Nun zeigt sich das eigentümliche Bild, daß die Geschichte aller Länder Kriegsgewinnerdhnastien — ge waltige und bescheidenere — in großer Mengs aufweist, während von den Namen, die in den Inflationszeiten Österreichs, Ungarns und Deutschlands am häufigsten genannt wurden, ein großer Teil bereits wieder von der vorübergehend erreichten Höhe ins Nichts oder fast ins Nichts herabgesunken ist. Besonders nachdenklich wird nach dieser Richtung der Fall Castiglioni stimmen, den man gern den österreichischen Stinnes nannte, eine Bezeichnung, die aber nur mit den aller größten Einschränkungen zutrifft. Denn wenn auch Castiglioni auf der fallenden Krone, wie Stinnes auf der fallenden Mark, gewaltige reale Werte an sich zu ziehen verstanden hat, so war doch die ganze Wesensart des Triestiners eine ganz andere als jene des nüchternen, fast nur als Arbeitsmaschine anzusehenden Westfalen. Aber die Unterschiede zwischen beiden beschränken sich nicht auf jene im Wesen, sie gehen vielmehr ins Grundsätz liche insofern, als Hugo Stinnes auch in starkem Maße Kriegsgewinner war. Und der Kriegsgewinner hat vor dem Jnflationsgewinner eines voraus, was für seine Zukunft schlechthin entscheidend werden kann: angesichts der verhältnismäßigen Stetigkeit der Währung, mit der er rechnen kann, weiß er, was er verdient, und ist vor allen Dingen in der Lage, große Teile seines wachsenden Ver mögens so flüssig zu halten, wie es im Hinblick auf kom mende Krisen möglich sein mag. Hier liegt der Grund, Warum der Kriegsgewinner im allgemeinen, ein Durch schnittsmaß geschäftlicher Voraussicht angenommen, in der Lage sein wird, mit seinem Besitz zu Jahren zu kommen. Wäre das nicht der Fall, so hätte ja auch der Armeeliefe rant nicht in fast allen Ländern sprichwörtlich werden können. Die Voraussage, die man dem Jnflationsgewinner stellen muß, ist bei weitem nicht so günstig. Selbst wenn er im Anfang seiner Kometenbahn das nötige Augenmaß be sitzt, um abwägen zu können, welche Teile seines Gewinnes er zu Neuanlagen in „Sachwerten" verwenden und welche er flüssig halten soll — das kann er, da er gegen seine eigene Währung spekuliert, stets nur in Fremdwährungen, also Devisen —, so zeigen doch alle Erfahrungen des letzten Jahrzehnts, daß ihm dieses Augenmaß im Tanze der Millionen früher oder später abhanden kommt und daß er vor allen Dingen fast immer den Augenblick versäumt, in dem die Inflation zum Stehen kommt; welche Folgen das für Geldmarkt, Börse und Gesamtwirtschaft hat, ist zu bekannt, als daß es hier noch eingehend auseinander gesetzt zu werden brauchte; für den Jnflationsgewinner aber bedeutet es fast immer eine weitgehende Immobili sierung, den Zwang, große Kredite aufzunehmen und, da diese in solchen Zeiten ungeheure Zinsen kosten, eine scharfe, sich rasch steigernde Verringerung mindestens des rasch verfügbaren Vermögens. So ist Castiglioni zu grunde gegangen, und wer weiß, ob die Krankheit oder der Tod von Hugo Stinnes, so bedauerlich sie unter anderen Gesichtspunkten sein mögen, für das Vermögen der Familie nicht gerade im rechten Augenblick kam. Als er erkrankte, noch mehr wohl kurz nach seinem Tode, als sich die Erben in den verwickelten Bau des Konzerns genauer hineinarbeiteten, da war es natürlich unangebracht, um nicht zu sagen ausgeschlossen, neue große Geschäfte zu be ginnen. Man hielt sich zurück, wickelte vielleicht hie und da sogar einzelne Geschäfte ab, — mit dem Erfolg, daß der Konzern im Augenblick des Jnflationscndes bei weitem nicht so festgelegt war, als es sonst der Fall gewesen wäre. Aber derartige Zufälle kommen, wie die Erfahrung der letzten Jahre beweist, den Jnflationsgewinnern und ihren Erben nicht eben häufig zugute. Meist heißt es bei ihnen noch mehr als bei den Lottenegewinnern: .Wie ge wonnen so zerronen", wie ja jeder Börsen-„Ge- winner" der letzten Jahre aus eigener Erfahrung be stätigen kann. Zwar setzt sich im wirtschaftlichen Leben die Vernunft stets früher oder später durch, aber von der Gerechtigkeit kann man das nicht immer behaupten, sonst wären ja auch Markenschutzgesetze, Vorschriften gegen den unlauteren Wettbewerb usw. niemals notwendig geworden. Aber beim Jnflationsgewinner werden in der Mehrzahl der Fälle ausnahmsweise einmal wirtschaftliche Vernunft und Gerechtigkeit zusammentreffen und es ist kaum anzunehmen, daß allzu viele Dynastien von solchen, sagen wir einmal bis ins zweite Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts, sich werden erhalten können. Vie HicWinien äes HrichskariLkrs. Grundlage die gellende Verfassung.l Berlin, 8. Oktober. ! Die vom Reichskanzler den Fraktionen des Reichs- tages übermittelten Richtlinien für die Entscheidung über den Eintritt in die Volksgemeinschaft lauten: i. Die Berfassung vom 11. August 1919 wird als rechtsverbindliche Grundlage des staatlichen Lebens aner kannt. Jeder Versuch, ihre Abänderung auf ungesetzliche, insbesondere gewaltsame Weife herbeizusühren, wird dem gemäß als Hochverrat zu verfolgen und zu be strafen sein. 2. Die Richtung der Außenpolitik wird in erster Linie durch die Londoner Abmachungen bestimmt. Die auf Grund derselben erlassenen Reichsgcsetze sind loyal aus- zuführen, ebenso wie wir die loyale Durchführung des Ab kommens von unseren Vertragsgegnern erwarten. Die Negierung wird es sich angelegen sein lasten, die Auswir kung der übernommenen Verpflichtungen aufs sorgfältigste zu überwachen und die sich als notwendig erweisenden Ab änderungen zu erreichen. Die Aufnahme in den Völkerbund soll entsprechend der im deutschen Memo randum uiedergelegten Auffassung erstrebt werden. 3. Bei der Lastenverteilung in Ausführung der bezeichneten Gesetze soll °»ie Maßgabe der Wirtschasts- förderung und der sozialen Gerechtigkeit angewendet werden. Die bestehenden Finanzgcsctze sollen nach diesen Gesichtspunkten durchgearbeitet werden. 4. Als eine der wichtigsten Aufgaben der Regierung wird cs betrachtet, die sozialen Leistungen vem Bedürfnis entsprechend zu steigern, sobald die finanzielle Lage des Reiches es irgendwie zulätzt. 5. Wirtschaftspolitisch wird möglichste Steige rung der Produktion und des Nutzungsgradcs der Arbeit angestrebt werden, um die internationale Kredit- und Wett bewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu sichern, wie sie insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der Rcpara- tionsbclastung unerläßlich ist. Ausgehend vom G rund- satz der wirtschaftlichen Freiheit werden staatliche Eingriffe nur insoweit in Betracht kommen, als sie notwendig erscheinen, um eine wirtfchastsschädliche Unterdrückung der Wirtschaftsfreiheil von anderer Seite abzuwehren. Bei Lösung der bevorstehenden außenhandels politischen Aufgaben wird mit der Stärkung der inlündi- Iwen Prooumon gleichzeitig auf vre möglichste Forderung der Ausfuhr auf dem Boden von Gegenseitigkeit und Meist begünstigung und die tunlichste Schonung des Verbrauchs hingrarbeitet werden. Heute traten alle in Betracht kommenden Reichstags- sraktwnen zusammen, um Entschlüsse zu den Richtlinien und zu der Regierungsumbildung zu fassen. Der Reichs kanzler hatte die Fraktionen wissen lassen, daß er bis heute abend 8 Uhr ihre Entscheidungen zu erfahren wünsche. Es ist aber fraglich, ob diesem Wunsche Genüge geleistet werden kann, da die Fraktionen am vorgerückten Nachmittag ihre Beratungen zum großen Teil noch sort- setzren. Die Deutschnationalen sollen dem Ver« nebmen nach an der Aufstellung von Mindestforde rungen arbeiten, die mit den Richtlinien des Reichs- kanzlers vereinbar sind, die aber eine baldige praktische Entscheidung über die künftige Reichspolitik ermöglichen und erzwingen sollen. Es soll die Absicht bestehen, diese Mindestsorderungen den jetzigen Koalitionsparteien zu übermitteln und die Verhandlungen als gescheitert abzu brechen, falls diese sich nicht auf ihren Boden stellen sollten. Beschlußfassung des Zentrums. Nur die schon früh an ihre Besprechung gegangene Fraktion des Zentrums kam zu einem einmütigen Be schluß, der allerdings noch keine endgültige Klärung bringt. Er lautet: „Die Zenttumssraktion des Reichstages ist der Überzeu gung, daß nur ein in innerer Einigkeit gestärktes Volk Deutsch land reiten, der durch die Annahme des Londoner Abkommens geschaffenen gesamtpolitischen Lage gerecht werden und die uns auscrlegten schweren Lasten unter tätiger Mitwirkung aller schassenden Kräfte der Arbeit und der Wirtschaft tragen könne. Auch das ersehnte Ziel der baldigen völligen Befreiung der besetzten Gebiete ist aus diesem Wege am besten zu erreichen. Die Zentrumsparlei unterstützt daher nachdrücklich die aus dieser Grundanschauung beruhenden Bemühungen des Reichskanzlers, die bestehende Koalition durch Hinzuziehung aller zu ausbauender Mitwirkung bereiten Parteien von rechts und links zu verbreitern und durch eine starke und gesicherte Regierung zu schaffen. Die Zentrumspartei er wartet von der vaterländischen Gesinnung und der Staatsverant- worlung aller zur Mitwirkung berufenen Parteien bestimmt, daß sie sich unter Zurückstellung sämtlicher Parteiinteressen der dem Volksganzen dienenden Arbeitsgemeinschaft zum Wieder aufbau des Vaterlandes anschließen." Macdonalds Niederlage. Der liberale Antrag angenommen Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". London, 9. Oktober. Die Regierung ist gestürzt worden. Nachdem der konservative Tadelsantrag mit 359 gegen 198 Esimmen abgelehnl worden war, wurde der liberale Antrag, der eine Untersuchung fordert, mit 364 gegen 198 Stimmen an genommen. London, 9. Oktober. Der Ministerpräsident erklärte ' gestern im Unterhaus, daß, wenn das Haus dem konservativen ! oder dem liberalen Antrag zustimmte, die Regierung gehen würde. Es würde das Ende einer Regierung sein, die dem Lande viel Ehre brachte. Kurz darauf aber würde die Regie rung wieder zum Atnt kommen. Fortdauer der deutsch-französische« Wirt- schastsverhandlungen. Paris, 9. Oktober. Die deulsch-fr. Wirtschastsverhanblungen dauern fort. Gestern und vorgestern haben keine Sitzungen stattge- fundcn, doch haben sich die Delegierten zu privaten Besprechungen ge troffen. Die nächste Sitzung findet Freitag statt. Immer noch Uebermachuug des Pvst- verkehrs. Frankfurt a. M., 9. Oktober. Auch nach Aufhebung der Zollgrenze wird der Postverkchr zwischen dem unbesetzten und dem besetzten Gebiet immer noch von der Besatzungsbehörde über wacht. Die Absender tun gut, dies im Verkehr mit dem be setzten Gebiet zu berücksichtigen und auch in verschlossenen Briefen und Paketen alle Aeutzerungm zu unterlassen, durch die dem Empfänger im besetzten Gebiet Nachteile entstehen können. Z. R. 3 zu einer Probefahrt aufgeftiegeu (Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes".) Friedrichshafen, 9. Oktober. Z. R. 3 ist heute vormittag 8,20 Uhr zu einer Probefahrt aufgestiegen. Schon in den frühen Morgenstunden hatten sich zahlreiche Zuschauer, auch von auswärts, eingesunden. Die Fahrt dauerte etwa 2 Stunden. Von dem Ergebnis der Fahrt wird wesentlich der Zeitpunkt abhängen, wann die Ameri ka-Fahrt stattfindet. Das Luftschiff nimmt nach Amerika 148 Kilo gramm Post mit. — Der Verkehrsausschuß des österreichischen Nali- onalrates mit Minister Dr. Schuersf wird heute vormittag mit Sonderschifs hier eintreffen. Die Herren besichtigen in den letzten Ta gen verschiedene industrielle Werle und werden in den nächsten Ta gen das Luftschiff und die Zeppelin-Werke besichtigen. Die Amerikafahrt wiederum verschoben. Friedrichshafen, 9. Oktober. Da die Witterung über dem Ozean augenblicklich sehr ungünstig ist, ist die Amerika- fahrl -es Z. R. 3 wieder verschoben worden und wird voraus sichtlich erst am kommenden Sonnabend ersolgen. knlgltlfung eine! kxpreßMez. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Nom, 9. Oktober. Der von Paris kommende Expreßzug ist gestern bei Santa Magerita De Lugano entgleist. 6 Reisende wurden getötet und 15 schwer verletzt. Die dänische« Abrüstungspläne. Kopen Hagen, 9. Oktober. Iu der gestrigen Sitzung des Reichstages legte der Verteidigungsminister seine Abrüstungs pläne vor. Diese sehen vor, daß die Wehrpflicht ausgehoben, die Festungen geschleift, die Freiwilligenkorps aufgelöst, ein Wachkorps und eine Staatsmarine gebildet werden sollen. Die Staatsmarine wird die Bewachung der dänischen Gewässer durch führen und die Oberaufsicht über die Fischerei und die See- Messungen haben. Dos Abkomme« zwischen Tschangsolin u - Rußland Paris, 9. Oktober. Aus Washington wird gemeldet, daß die Vereinigten Staaten nicht beabsichtigen, gegen das zwischen den Sowjets und Tschangsolin getroffene Abkommen, das Ruß land die Kontrolle über die chinesischen Eisenbahnen überträgt, i zu protestieren. Tschangsolin wird Peking angreifen. Paris, 9. Oktober. Eine Meldung aus Mulden zufolge hat i Tschangsolin in Beantwortung der letzten Note der auswärtigen De- i legation erklärt, daß seine Armee Peking angreissn wird, weil sich i das Hauptquartier des Gegners in der Stadt niedergelassen hat. Don ! einem Angriffe werde abgesehen, wenn eine Uebersiedlnng des Haupt quartiers nach einem anderen Orte veranlaßt werde.