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AMMU W AWa ANtzkitW Nr. 116. ,u Nr. L9S de« Hauptblatte«. 1931. Beauftragt mit der Herausgabe Regierung-rat Brauße in Dresden. Landtagsverhandlungen. (Fortsetzung der «1. Sitzung von Mittwoch, den 1« Dezember 1931.) Die Punkte 15, 20, 21 und 22 werden zusammen begründet. Punkt 15: Beratung de» Antrag» de» Abg. Benner u. Ben. gegen die Derrormaßuahme« der Polizeiorgane und die Zusammenarbeit von Behördenpelten und nationalsozialistischen LA »Formationen, (Drucksache Rr. «93.) Der Alltrag Rr. 693 lautet: In letzter Zeit häufen sich die Tcrrormaßnahmen der Polizeiorgane gegen die Arbeiterschaft. Die Polizei- organe und die verschiedensten Behördenstellen voll führen eine offensichtliche Zusammenarbeit mit den nationalsozialistischen SA -Formationen. In Dresden-Löbtau, -Cotta, -Neustadt usw. wurden planmäßige Überfälle auf Arbeiterviertel durch die Nationalsozialisten, von der Polizei unterstützt, durch geführt. Arbeitermißhandlungen wurden geradezu unter dem Polizeischutz für die augreifenden Nazis durchyeführt. Dieselben Erscheinungen zeigten sich in Cossmanns dorf, wo die Arbeiter von geschlossenen Abteilungen der Nazis überfallen wurden. Ebenso in Lungwitz, Grüna, Gottleuba, Mittweida und anderen Orten. Mit Unterstützung des Behördenapparates wird die Schuld an den Zusammenstößen dann den Ar beitern zuaeschoben. Arbeiter werden verhaftet, wäh rend die Nazigruppen für die Behörden nicht auf zufinden sind. (Relchsbannermörder in Riesa usw.) Die einseitige Unterstützung der Nationalsozialisten zeigt sich auch in den Versammlungs- und Kund gebungsverboten für die revolutionäre Arbeitersä-aft, während die Aufmärsche dxr Nationalsozialisten erlaubt werden. So wurde in Dresden die Nevolutionskuudgebung am 8. November 1931 aus nichtigen Gründen unter An beziehung unkontrollierbaren Spitzelmaterials verboten. Am gleichen Tage wurden geschlossene Aufmärsche der Faschisten nicht gestört. Um das Verbot nachträglich zu rechtfertigen, wur den durch rigorose Absperrungsmaßnahmen Ansamm- laugen herbeigeführt, in die dann brutal hinein geschlagen wurde. Tie „Arbeiterstimme", die eine objekive Dar stellung dieser unerhörten Vorgänge brachte, wurde unter Zugrundelegung unrichtiger Darstellungen der Artikel auf vier Wochen verboten. Das aeschäftsführende Kabinett Schieck rechtfertigt alle die Maßnahmen der Behörden und Polizeiorgane und fördert die Entwicklung des Faschismus. Wir beantragen deshalb, der Landtag wolle beschließen: 1. Der Landtag mißbilligt das Verhallen der Schieck- Regierung. 2. Er beauftragt die Regierung: ») sofort unter Hinzuziehung von Vertretern der revolutionären Arbeiterschaft eine genaue Unter suchung gegen die verantwortlichen Stellen ein zuleiten; d) die verantwortlichen Leiter und Offiziere ihres Postens zu entheben; o) Maßnahmen gegen den faschistischen Mordterror durchzuführen. Punkt 20: Beratung de» Antrags de» Abg. Renner u. Gen. gegen den Polizeipräsidenten Fleißner in Leipzig wegen dessen Maßnahmen gegenüber dem ver antwortlichen Redakteur der „Lächsischen Arbeiter zeitung«. (Drucksache Rr. 799 ) Der Antrag Nr. 709 lalltet: Die in Leipzig erscheinende kommunistische „Säch fische Arbeiterzeitung" brachte unmittelbar im Zu sammenhang mit den in der gesamten Presse veröffent lichten Hessener Nmsturzdokumenten der NSDAP, auch Mitteilung über die Bewaffnung der Leipziger SA. Diese Tatsachenberichte der „Sächsischen Arbeiter zeitung" dienten der Aufklärung für die werktätige Be völkerung und zur Informierung darüber, daß nicht mir in einzelnen Teilen des Reiches die Bewaffnung der SA. durchgeführt, sondern Allgemeinerscheinung ist lind offensichtlich geduldet und noch unterstützt wird. Da nun der Polizeipräsident Fleißner in Leipzig in den letzten Tagen von dem verantwortlichen Redak teur der „Sächsischen Arbeiterzeitung" eine Unterschrift unter einer sogenannten Verwarnung wegen einer zu scharfen Sprache gegenüber politischen Gegnern ver langte, ohne auch nur anzugeben, welche Stellen oder Zitate der Zeitung in Frage kommen, muß angenommen werden, zumal es schon in kurzer Zeit die zweite Ber- warnung ist, daß der Polizeipräsident systemastisch die Voraussetzung zu einem neuen Zeitungsverbot schaffen will. Damit soll aber erreicht werden, daß die Öffent lichkeit mchtliber Vorkommnisse, wie sie oben angeführt werden usw, informiert wird. Mir beantragen deshalb, der Landtag wolle beschließen: die Regierung zu beauftragen, dem Polizeipräsidenten Fleißner diese Willkürmaßnahmen zu untersagen. Punkt 21 der Tagesordnung: Beratung de- An trag» de» Abg. Renner «. Ben. gegen da» Vorgehen der Polizei anläßlich einer Versammlung der „Roten Hilse" am 2. Dezember 1931 in Leipzig. (Drucksache Rr. 711.) Der Antrag Rr. 711 lautet: Anläßlich einer Versammlung der „Roten Hilse" am 2. Dezember 1931 in Leipzig kam es nach Schluß dieser Versammlung ohne jedweden Anlaß zu Polizei- übersällen, die eine starke Empörung unter der werk tätigen Bevölkerung auslösten. Selbst die bürgerliche Presse, u. a. die ,,Neue Leipziger Zeitung", brachte unter der Überschrift: „Der Zwischenfall vor der Alberthallc" folgende Notiz: „Am Mittwochabend kam es nach Schluß einer KPD-Versammlung vor der Alberthalle zu Zu sammenstößen zwischen Versammlungsteilnehmern und der Polizei. Wir brachten darüber einen kurzen Bericht von polizeilicher Seite. Im Lause des Donnerstags ist uns daraufhin von Personen, die versichern, der KPD. nicht anzugehören, nur die Gelegenheit hatten, die Zwischenfälle zu beobachten, versichert worden, daß der Polizeibericht den Tat sachen nicht entspreche. So sei vor der Alberthalle nicht gesungen worden, sondern im Hausflur der Alberthalle; die Versammlungsteilnehmer hätten den Gesang sofort eingestellt, als sie auf die Straße traten. Hingegen seien die Maßnahmen, die die Polizei zu dieser Versammlung getroffen hatte, von vornherein so unglücklich angelegt gewesen, daß Zu sammenstöße fast unvermeidlich waren. Während am Tage vorher bei der Severing-Versammlung die Polizei ziemlich unsichtbar gewesen sei, seien diesmal vier Beamte am Eingang zur Alberthallc gestanden, so daß sich die aus den» Versammlungs lokal strömenden Massen zwischen diesen hätten hin durchdrängen müssen. Auch sei von einzelnen Be amten von Anfang an ein sehr nervöses Verhalten an den Tag gelegt worden. Ein Widerstand (Rusen usw.) der ausftrömenden Versammlungs teilnehmer sei erst entstanden, nachdem das Über fallkommando mit dem Guminiknüvpel eingegriffen und die Menschenmassen in den Hausflur zurück- gedrängt habe. Bei einer besseren Organisation — insbesondere aber dadurch, daß Mitglieder der die Versammlung abhal(enden Parteien den Ord nungsdienst übernähmen — nud einer größeren Zurückhaltung der Polizei seien Zwischenfälle, wie sie sich am Mittwochabend vor der Alberthallc ab gespielt haben, jedenfalls leicht vermeidbar." Wir beantragen, der Landtag wolle beschließen: die Regierung zu beauftragen: 1. eine strenge Untersuchung dieses Vorfalles ein zuleiten; 2. die veranwortlichen Polizeiosfizierc ihres Postens zu entheben. Punkt 22 der Tagesordnung: Beratung de» An trag» de» Abg Renner «. Beu wegen de» Verbot» der Auslegung de» Organ» der Lächsischen Schutz polizei in den NMerknnft». und Ansenlhalt»ränmen der Polizei. (Drncksache Rr 712.) Der Antrag Nr. 712 tautet: Tas vom Innenministerium ausgesprochene Verbot der Auslegung des Organs der sächsischen Schutz polizei in den Unterkunft»- und Aufenthaltsräumen der Polizei wird nach wie vor aufrecht erhalten. Demgegen über wurde aber das Organ des Sächsischen Polizei beamtenbundes „Ter Bund" nach kurzer Verbots dauer zur Auslegung wieder zugelassen. Tas geht aus dein Tagesbefehl vom 6 November 1931, der nachfolgenden Wortlaut hat, hervor: „Tas Ministerium des Innern hat die Anordnung, daß die Berbandszeitschrift des Sächsischen Polizei- tieamtenbllndes „Der Bund" in den Tiensträumen zur Einsicht nicht ausgclegt werden darf, aufgehoben, nachdem die Zeitschrift seit der angeordneten Maß- nähme keinerlei Anlaß zu Beanstandungen mehr gegeben und der sächsische Polizeibeamtenbund die Versicherung abgegeben hat, mit Nachdruck dafür besorgt zu sein, daß sich sein Organ künftig in den Bahnen einer reinen Gcwerkschaststätigkeit unter Ausschließung parteipolitischer Ziele halten werde." Des weiteren ist laut eine- Tagesbefehl» vom 4. November 1931 allen Beamten schärfstens verboten worden, über dienstliche Vorgänge an Landtagsabge- ordnete Mitteilung zu machen Die Vorgänge in der sächsischen Polizei, vor allem die Anweisungen rind Handlungen der leitenden Per sonen tragen einen offenen faschistischen Charakter. In Chemnitz sind in dieser Beziehung Zustände eingetreten, die zum größten Teil auf die Anordnung de» RegierungSratS Schulz, der offener Anhänger der NSDAP, ist, zurückzuführen find. Wir beantragen, der Landtag wolle beschließen: die Regierung zu beauftragen: 1. anzuordnen, daß die Tagesbefehle vom 4. und 6. November 1931 sofort rückgängig gemacht werden; 3. die Berbandszeitung „Die Sächsische Schutzpolizei" zur Auslegung zuzulassen; 3. den Regierung-rat Schulz seines Postens zu ent heben. Abg. Linderman» (Komm. — zur Begründung): Wenn ich einige Drucksachen der Kommunistischen Partei begründen soll, dann ist es selbstverständlich notwendig dag man dabei gleichzeitig die Frage des Faschismus von feite» der Arbeiterklasse grundsätzlich stellt, und daß man» es nicht auf irgendwelche lapidaren Redensarten ankommen lassen kann Es ist für die Arbeiterklasse eine entscheidende Frage, darüber klaren Wein ein zuschenken, wie man überhaupt in der gegenwärtigen Situation die Anträge stellen muß, wo man die Spitzen hinzuwenden hat, und ob man die Hoffnung hat, daß in diesem Parlament überhaupt Abhilfe geschaffen werden könne über das, was gegenwärtig draußen vorgeht und was gegenwärtig der Faschismus überhaupt ist Wir stehen als Kommunisten auf dem Standpunkt, daß »vir nicht allein in dieser Bewegung hier drüben (zu den Nationalsozialisten gewandt) die Bewegung des Haken kreuzes, den Faschismus, sehen, sondern wir haben gerade hier in diesem Hause schon genügend zur Kenntnis ge geben, daß der Faschismus eine Herrschaftsform des Kapitalismus ist (Sehr wahr! b. d. Komm ), die im be sonderen im Staatsapparat selbst ruht, aber wo der Kapitalismus in seiner Herrschaftsform gleichzeitig außer dem Staatsapparat auch noch eine bestimmte Massen basis unter der werktätigen Bevölkerung braucht, um seine Macht aufrechtcrhalten zu können. (Sehr wahr! b. d. Komm.) Wenn im letzten Reichstag Reichskanzler Brüning, im besonderen an die Adresse der Harzburger gerichtet, darauf hinwies, daß die Methode des Kampfes so, wie sie Hitler heute will, die offene faschistische Militärdiktatur gegen die Arbeiterklasse, die Einig keit der Arbeiterschaft erzeugt, wenn er auch ander seits darauf hinwies, daß hinter dieser Einigkeit der Arbeiterschaft im Jahre 1931/32 etwas anderes steht als 1923, so ist das nur die Bestätigung von feiten des gegenwärtig immerhin besten Politikers der Bour geoisie oder des Politikers der Diktatur des Finanz kapitals, der da sagt, daß eben letzten Endes die Einig keit der Arbeiterschaft außerhalb des Parlamentes, die Einigkeit der Arbeiterschaft in ihrem Kampf um ihre Forderungen, um ihre Lebenshaltung den Faschismus nicht nur zerschlage» wird, sondern selbst de» Sturz des Kapitalismus herbeiftthrt (Sehr wahr! b. d. Komm.) Da- ist für uns das Entscheidende. Deshalb haben wir auch unsere Anträge nicht so gestellt: Tie Regierung möge untersuche» und dein Landtag Mitteilung machen usw., nein, das wissen wir, daß von diesen Regierungsräten Untersuchungen so eingeleitet werden, wie sie der Re gierungsforni des Kapitalismus, der Herrschaitsform des Kapitalismus, eben dem Faschismus entsprechen, wo die Arbeiterschaft immer die Leittragende ist, wo die faschi stischen Polizeibeamten, wo die Faschisten selbst, diese organisierte Razibewegung, fortwährend geschützt sind und wo die Justiz des Kapitalismus heute zu jeder Zeil die Arbeilersck-aft als Freiwild dieser Horden erklärt. Sie läßt die Arbeiterschaft 1'estrafen, während jene frei aus- gehen. (Sehr wahr! b. d. Komm.) Wenn wir das sehen, dann ist es selbstverständlich, daß wir auch die Formu lierungen unserer Anträge etwas anders halten, als es die Sozialdemokratische Fraktion in diesem Falle getan hat. Wir könnten auch 50 Anträge mindestens aus den letzten 2 Monaten vorlegen über jede kleine Fingerver letzung oder irgend etwas, was Arbeitern passiert ist. Aber ich stehe aus dem Standpunkte, und auch meine Partei, daß diese Art des Kampfes der Faschisten gegen uns eben nicht abgewendet wird durch Hilferufe nach Her Regierung, sondern allein abgewendet wird durch die Kraft der Arbeiterklasse auf der Straße und im Betrieb selbst. (Sehr wahr! b. d. Komm.) Diese planmäßigen Überfälle waren auch in Dresden zu verzeichnen in den Arbeitervorstädten Löbtau und Cotta, im besonderen dort, wo planmäßig die Faschisten der Polizei, wo stundenlang die National sozialisten in diesen Arbeitervierteln durch die Straße» zogen. Jeder Arbeiter, den sie irgendwie als Sozial demokraten, als Reichsbannermann, als kommunistische» Jugendoerbändler oder als Kommunisten sahen und kannten, wurde niedergeschlagen. Und solange trieben sie dieses Spiel, bis die Arbeitersck-ast in bestimmten Trupps zur Gegenwehr schritt. Tann war die Polizei dieser Herren da, und nicht die Nazis, nicht diese Helden von da drüben wurden hochgenommen, nein — da» mußte heute Herr Edel schon selbst zugeben — die Arbeiter, die sich ihrer Haut wehren gegen die Über fälle, werden von der Polizei bestraft. Aber ist das denn anders möglich, wenn man gerade bei der letzten Polizeiaussprache im Landtage schon An träge von der Sozialdemokratischen Fraktion brachte, die darauf hinausliefen, daß in Chemnitz soundso viele Nazi-Offiziere vorhanden sind? WaS ist seitdem ge schehen? Die Leute stellen sich vor die Regierung hin, vor den Regierungsvertreter, schlagen die Hacken zu sammen und sagen: Wir sind bei den Nazis; da läßt man sie los, und die Sache ist erledigt. Den Leuten werden tausend Meineide gestattet, ehe man einmal der Arbeiterschaft glaubt. (Sehr wahr! b. d. Komm.) Diese ungeheure Tatsache muß die Arbeiterschaft so bewerten, wie sie ist, und sie muß den Gegenkampf organisieren Angesichts der Überfälle der letzten Zeit müssen wir der Arbeiterschaft sagen, daß irgendwelche Hoffnung auf da/ Parlament, auf die Entscheidung durch 96 Abgeordnete für die Arbeiterschaft nicht zu erwarten ist