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Nummer W — 26. Jahrgang Itmal wöch. Bezugspreis für April 3,00 Mk. «inschl. üeltellgelo An^i Stellengesuche Die Igesp. Pelltzelle »0L. L. Die Petitreklamezetle, 89 Milli- Bieter breit, 1 Offertengebühren für Selbstabholer 20 bei Uebersenbung durch die Post außerdem Portozufchlag. Einzel-Nr. 1v L. Sonntags-Nr. 1S L. Beschastlicher Teil: Artur Lenz in Dresden, SöckslMe volkrettl den 2N. "lull! ü>^./ Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v Anzeipenauflräaen u. Leistung o Scl>adenersatz. Für unoeutl. u. b. Fern» ruf iibermilt. Anzeigen übernehmen wir keine Ber« vntwortiinq. Uiwerlangt eingosanüle u. m Rückporto nicht versehene Manuskriple werd nicht anfi'ewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2—8 Uhr nachmittags, Hauptschriftleit.: Dr. Iolenk Albert. Dresden «teschäftSftell«. Demk uud «erlag: Sarouta- Viichdnickerel AindH., DreSdeiu«. l. Polierstraße 17. Fernruf 21012. Postscheckkonto: NotikurSoerwaNec Kleemann, Dresden 100«. Für christliche Politik und Fiuilur Nrdaktiou der Sächsischen «olkSzettnng DreSden-NItsladt l. Potte: strotze li. Fernruf Mil nnd rwl2. Bündnis zwischen Jugoslawien und der Türkei? — Der russische Einfluh — Ein polnischer Plan Amerika und China Von Hermann Wilhelm Reuß, Haneburg (Nachdruck verbotenes In der amerikanischen Presse wird oft mit Genug tuung festgestellt, in der Außenpolitik der Vereinigten Staaten gebe es kein schöneres Kapitel als die Behand lung der chinesischen Frage. Diese Behauptung der nordamerikanischen Zeitun- gen gründet sich nicht nur auf die wohlwollende Haltung der amerikanischen Negierung den jüngsten Entwickln», gen in China gegenüber, sondern bezieht sich aus die schon seit Jahrzehnten zur Tradition gewordene Politik Wa shingtons im Hinblick auf China. Die Linie dieser Poli tik war seit langer Zeit unerschütterlich wohlwollend. So ist es denn auch gekommen, daß Amerika und seine in China lebenden Bürger von den Chinesen stets mit Zu vorkommenheit behandelt wurden und auch neuerdings von der Welle des Fremdenhosses verhältnismäßig we nig berührt werden. Diese Tatsache wird man verstehen, wenn man einen kurzen Rückblick auf die Entwicklung der amerikanisch-chinesischen Beziehungen wirft. In den Jahren 1894 95 war bekanntlich der große Bruderkrieg der gelben Rasse: Japan erntete die Früchte seiner Umstellung auf die westliche Zivilisation in seinem Sieg über das ,an Land und Menschenzahl vielfach über legene China Hatten die übrigen Völker der Erde China gegenüber bis zu dieser Zeit wenigstens ein Mindestmaß an Zurückhaltung geübt, weil man das millionenstarke „Blumenreich der Mitte" für einen schlummernden Nie sen hielt, über dessen wirkliche Kraft man sich keine Vor stellung zu machen wußte, so ließ man seht alle Scheu fallen, da ja der japanische Sieg die Kraftlosigkeit Chi nas geoffenbart hatte. Die Mächte schichten sich daher zu einem allgemeinen Raubzug auf chinesisches Gebiet an: Großbritannien holte sich Weihaiwei und sicherte sich eine 260 099 Quadratmeilen umfassende Einflußsphäre im Pangtse Beäien, Rußland nahm Port Arthur und er preßte sich Privilegien in der Mandschurei und in der Mongolei. Deutschland pachtete Schantung und Kiaut- schou, Frankreich errichtete, in Kwanchow einen Marine stützpunkt und ließ sich in Südchina eine Einflußsphäre zusicherii. - Amerika dagegen hielt sich bewußt von allen diesen Unternehmungen fern und erstrebte weder Erobe rungen noch Zugeständnisse, die Chinas Souveränität be rührt hätte». Aber damit nicht genug: die amerikanische Regierung ließ es bei ihrer Passivität nicht bewenden, sondern verfolgte schon damals eine Politik, die — wenn sie auch den eigenen politischen und wirtschaftlichen In teressen Amerikas entsprang — doch den Interessen Chi nas sehr entgegenkam. Im Jahre 1899 nämlich schrieb der damalige amerikanische Staatssekretär Hay an die Mäch te eine Note, die unter dem Namen „Ofsene-Tür-Nate" in das Arsenal der Diplomatie eingegangen ist. Vo» dem amerikanischen Handel, also einem wirtschaftlichen In teresse Amerikas ausgehend brachten die Vereinigten Staaten es damals doch auch zuwege, daß die Mächte in der chinesischen Frage auch Zusagen politischer Färbung machten, indem sie die Integrität des chinesischen Reiches zu respektieren und selbst in ihren besonderen Einfluß sphären den Handel aller Nationen auf gleiche Stufe zu stellen versprachen. Besondere Sympathien gewann sich Amerika bei den Chinesen, als es im Jahre 1910 den nachher auch verwirk lichten Vorschlag unterbreitete, seinen Anteil an der Bo- xerentschüdigung für Erziehnngszwecke zugunsten der jungen Chinesen zu verwende». Es wurden denn auch schließlich in China nach amerikanischem Muster einge richtete und von Amerikanern geleitete Erziehnngs- institute gebildet, deren Absolventen dann zur Fortset- zukig ihres Studiums amerikanische Universitäten bezo gen. Hierdurch uud durch die mit großen Geldmitteln arbeitenden amerikanischen Missionen betrieben die Ver einigten Staaten in China gleichzeitig auch eine Kultur propaganda größten Stiles. Alles dies hatte nach außen hin und nicht zuletzt in den Augen der Chinesen die Wirkung, daß man Amerika für eine edle und großmütige Nation hielt. Daran än derte auf die Dauer auch die Zurückhaltung nichts, mit der Amerika de» japanischen Eingrisfen in die chinesische Souveränität während des Weltkrieges durch die sog. 21 Forderungen zugesehen hatte. Man war über diese Zurückhaltung zwar enttäuscht, sah in ihr aber keine Billigung dieser japanischen Aktion seitens Amerika. Wie wenig man dazu auch ein Recht gehabt hätte, geht in gleicher Weise aus der ganzen Tradition hervor, wie auch aus dem vor einigen Jahren von dem Staats sekretär Hughes in einem Memorandum für den chine sischen Gesandte» niedergelegten Standpunkt, der eine durchaus konsequente Fortsetzung der amerikanischen Chinapolitik bedeutet. Es ist kein Zweifel, daß diese Politik auch in die Ge- genwartsgeschichte Chinas ihre Spuren eingräbt. Erst Paris, 28. April.. Aus Belgrad wird berichtet, daß die Vertreter der Groß mächte bei der jugoslawischen Regierung einen neuen freundschaftlichen SÄ) ritt unternommen haben, lieber die Beweggründe zu diesem Vorgehen erfährt der Asien Ost- europadicnji aus Paris von einer dem türkischen Außenminister Ruschde Bey nahestehenden hervorragenden Persönlichkeit: Die Einsprache auf Belgrad soll die unmittelbar drohende Gefahr größerer Komplikationen beseitigen. Tie Bündnis verhandlungen zwischen Jugoslawien und der Türkei sind infolge des italienischen Druckes aus beiden Seilen schon ziemlich weit vorgeschritten. Jugoslawien hat sich bereit erklärt, den Fricdensvertrag von Lausanne zu unterzeichnen, wenn die TUrkei sich verpflichtet, die türkische Bevölkerung aus Mazedo nien nach Kleinasien zu verpflanzen und mit Jugoslawien ein Defensiv-Biindnio abzuschließen. Der Zweck des Bündnisses wäre die Verteidigung beider Staaten gegen die italienische Gefahr. Der diplomatische Bertreler Jugoslawiens i» Angora machte dabei ausmerksam, das; schon die Tatsache des Bestehens eines solchen Bündnisses genügen würde, um Italien von seine» Drohungen und kriegerischen Absichten abzubringen. Auf dieses Anerbieten gab Tewsik Ruschür; Bei; die Antwort, daß der Vor schlag betresst,>d die Ueoersiedlung der türkischen Bevölkerung aus Mazedonien non der Angora^Regierung unter gewisse» Be dingungen grundsätzlich angenomme,, werden könnte. In der Frage des Militärvertrages bewahrt die Türke! Zurück haltung. weil sie einerseits das Schwergewicht der italie nischen Gefahr im Augenblicke von sich selbst abgewandt sieht, andererseits ihre asiatischen Besitzungen durch das Müüärbünd nis mit Rußland gesichert weiß. Es wird von der informierenden türkischen Persönlichkeit weiter mit allem Nachdruck hcrvorgehobenchaß ,zw,sä»cn der Tür kei und Rußland ei» politischer und militärischer Osiensiv- und Desensio-Bertrag besteht, der eine gegenseitige militärische Ver teidigung der territorialen Unversetzbarkeit beider Staaten ge gen einen Angriff kriegerische, Ai ächte vorsieht. Er bindet beide Parteien aber nur in bezug aus ihre asiatischen Länder und deren Beziehungen zu de» westeuropäischen Ländern soweit, als Asien in Frage kommt. Weder Moskau „och Angora hat das Recht, mit einem asiatischen oder europäischen Staat über asiatische Fragen abzuschließen, ohne eine vorhergehende Verständigung untereinander zu trefsen. I» bezug auf den Weste» bel;alten sich beide Länder vollständige Handlungssreiheit vor. Demnach hätte die Türkei das Recht, mit jedem Balkan- oder Europa- Staat ein Bündnis abzuschließen, ahne einen Bruch mit Ruf; land zu befürchte», ja der Towjetgesandte in Angora befürwortet ein türkisch-sugosloivisches Bündnis energisch. Warschau, 28. April. Heute pag ja na War schm, eine Konferenz der polnischen Gesandten in Bukarest. Belgrad uud Sofia mit dem Außen minister Zalesk, statt, in der Richtlinien für eine vollständige Neuorientierung der polnischen Politik auf dein Balkan ausgestellt worden sind. Wie berichtet wird. Hot die pol nische Politik die Gründung eines Blocks zwischen Polen und dem Balkan zum Ziel. Sofort »ach der Konserenz im Außen Ministerium verließen die drei Gesandten Warsel-au uns begaben sich in die Lander ihrer Amtstätigkeit. Ende Januar dieses Jahres verösjeutiichte das amerika irische Staatsdepartement eine Erklärung des Staatssc kretärs Kellogg über die Stellungnahme der amerika nischen Negierung zu der chinesischen Zollautonomie und zu der Ausgabe der exterritorialen Rechte. In dieser Er klärung heißt es, Amerikas Wunsch sei es. China sobald als möglich sowohl von der Zollkontrolle, als auch von den Exterritorialitätsverlrägen. die beide Eingrisfe in die Sou veränität des Landes darstellten, befreit zu sehen. Die Vereinigten Staaten seien bereit, mit jeder chinesischen Regierung oder Delegation, die als Vertretung Chinas gelten könne, zu diesem Zwecke zu verhandeln. Anderer seits erwarte Amerika, bei Abschluß neuer Verträge mit China als meistbegünstigte Nation behandelt zu werden, und hoffe, daß China die Politik der „ofsenen Tür" wei ter verfolge. Zum Schluß stellt diese Erklärung jedoch unzweideutig fest, „die Notwendigkeit der Beschützung des Lebens und des Eigentums der amerikanifchen Bür ger in einem Konflikt, für den Amerika nicht verantwort lich sei", könne von der amerikanischen Regierung trotz Diese Meldungen zeigen recht gut das Gegeneinander der Interessen, das heute wie ehemals aus dem Balkan herrscht. Da ist einmal Frankreich, das in der „kleinen En»! tente" Rumänien, Jugoslawien und die Tschechoslowakei zu einem Intercssenblock unter französischem Protektorat zusam». mengesaßt hat. Das Ziel für Frankreich >var ursprünglich, dem Riitg um Deutschland im Süden zu schließen und ein Wieder»' erstehen Oesterreich Ungarns sür immer unmöglich zu machen. Nun aber stößt Frankreich bei diesem Borgehen auf einen an deren Konkurrenten: Italien. Mussolini hat, wie wir ja mehrfach das dargestellt habe», um seinen Einfluß aus dem Ost ufer der Adria zu sichern, mit Ungarn nnd Albanien Freund- schastsve, träge geschlossen. Durch den Freundsci-aslsvertrag Italiens mit Rumänien schließlich ist das Bündnis der kleinen Entente gelockert worden. Nun bedroht Mussolini die jugosla wische Regierung, um sie gleichfalls in das Kielwasser seiner Politik zu bringen. Jugoslawien sieht in dieser Bedrängnis, daß die kleine Entente keinen sicheren Rückhalt mehr bietet. Frankreich will in diesem Konflikt neutral bleiben. So sicht man sich in Belgrad »ach neue» Bundesgenosse» um und knüpft mit der Türkei an. Die Türkei t>at vor wenigen Jahren genau so unter dem diplo matischen Drucke Italiens gestanden wie jetzt Jugoslawien. Die ser Bündnispian wird stark gefordert von Rußland, dessen Beziehungen zu Italien erkaltet sind, seit Mussolini den Bes- snrah:e»-Bertrag (der dieses Land von Rußland aktrennt nnd zu Rumänien schlägt> anerkannt l>at. Schließlich mischt sich »och Polet, in dies« Bündnispolitik, das von jeher in einem ge wissen Gegensatz zur kleinen Entente gestanden hat. — Ter -Balkan ist. wie wem sieht, auch heute noch der Wetterwinkel Europas, wie er es vor den, Ausbruch des Krieges gewesen ist. Aom—Belgrad London, 28. April. M ni , vli n iS 4t u > wo r t in d-er albanisch?,, Frage, die durch seine Abwesenheit von Rvn, während der Ostertage verzögert wurde, ist jetzt in London «eingeirosfe». Darin heißt es u. a.: Die Beziehungen zw>- schen Ron, und Belgrad hätten keine Unterbrechung erlilcen. Wenn der jiigosiavische Gesandte in No», irgendeine Mitte lung zu machen wünsche, werd« diese in sehr sreundstharr- lichem und giitnachbarl'.ctstin Geis,« entgege„genommen wer den. Der B-e-rrrag von Tirana aber sei zwischen Italien und Albainen in Vvller Ausübung ihrer Souve rän itätsv.-chte abgeschlossen und vor seiner Ratifizierung durch das albanisch' Parlament anssührl'ch besprochen wor den Da er in keiner Welse ge»«,« irgendeine» anvcicn! Staat gerichtet sei, könne seine erneute Net'erprnsnng nicht in Frage komm«». Pakts, 28. April. Der Balkansv»derberich,e,staner d>eS „Petit Parisien" halt« ,„ Belgrad «ine Unterredung mit dem jugvslapüchcn Außenminister Mari»kvwil,ch über die italienisch-jugoslnvische Frage. Marinkowitsch er klärte: Ich tn» davvn überzeugt, daß eine vssene Aussprache zwischen Belgrad und Nom für beide Länder «ine wirtl ch dauerhafte Entspannung bringen würde. Mil gutem Wil le» aut beiden Seiten würde das »ich. allzu schwierig r Ans keinen Fall aber kann der gegenwärdge Zustand ru- ciiler Sympathie. die sie für das Erwachen des chinesischen Natiouaigefühles hege, nicht van der Hand gewiesen wer den. Es ist ja bekannt, daß diese Notwendig!,eil zu Trup- penentsendunqen geführt hgt. aber mich diese Wendung der Dinge darf nichi darüber täuschen, daß es die ausge sprochene Politik der amerikanischen Regierung ist. so weit wie möglich jeden Anschein einer Drohung zu ver meiden, sich allerdings gleichzeitig ans jede Eventualität vorzubereiten. Diese durchaus wohiivoilende Ehiuapoiilik Amerikas hat natürlich ihre höchst wohlwollende reale Begründung: wirtschaftlich ist diese in den» ausgedehnten Chiua- geschäjt der amerikanischen Kaufleute zu sehen, das na türlich durch Feindschaft gefährdet, durch Freundschaft hingegen befestigt und gefördert werden kann: dazu tritt als politischer Grund das Interesse Amerikas an der Freundschaft Chinas, damit dieses nicht eines Tages von Java» gegen die Vereinigten Staaten ausgespielt wird.