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md Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg und Brand. Berantwortlicher Redakteur: Julius Braun iu Freiberg. - ii — —, - gy AaNraana. " , -K/» LHOSd ü Erschein« jeden Wochenwg Nachmitt.'/.S Uhr für den Inserate werden bis Bormittag 11 Ubr angmom-ü I« j Sonntag, Sen 12. Dezember, IIMd. Die Woche. Die ernsten Mahnungen, welche Graf Moltke an den deutschen Reichstag richtete, sind nicht spurlos verhallt; dieselben fanden im ganzen Reiche mächtigen Wiederhall und wurden vielfach als ein seltenes Vermächtniß deS greisen Schlachtenlenvers an das ihm bereits so viel ver- dantende deutsche Boll angesehen Die Thronrede bei der Eröffnung des deutschen Reichstages sprach noch von den freundschaftlichen Beziehungen zu den beiden Kaiserhöfen und ließ immerhin eine friedliche Zukunft hoffen; die Be gründung der neuen kostspieligen Militärvorlage zeigte schon ein weit ernsteres Gepräge, trug aber nicht dazu bei, die Situation zu klären. Es bedurfte des Ausspruches einer so vertrauenswürdigen Autorität wie die des Grafen Moltke, um die Mehrheit des deutschen Volkes und seiner Vertreter im Reichstage davon zu überzeugen, daß unsere Zeit eine so ungewöhnliche ist, die so außerordentliche Opfer erheischt, um darüber Klarheit zu verbreiten, warum diese Opfer gebracht werden müssen. Tiefen Eindruck machte es, daß aus den Worten des alten Schlachtenlenkers nicht nur die Prophezeihung eines Heran nahens der Entscheidung, sondern auch ein Zweifel herausklang, ob dann ohne Wei teres das deutsch österreichisch« Bündniß hinreichen werde, um allen Feinden siegreich Trotz zu bieten. Die Größe und Schwere der geforderten Opfer erkannte selbst Graf Moltke rückhaltlos an und das läßt den Wunsch der Reichstagsmitglieder, den ganzen Umfang der dadurch hoffentlich zu vermeidenden Gefahren genauer kennen zu lernen, vollberechtigt erscheinen. Unser Kaiser stellte schon bei dem Empfang des Reichstagspräsidiums darauf be zügliche überraschende Enthüllungen in Aussicht, die aus naheliegenden Gründen nicht im offenen Reichstage gegeben werden können, sondern in vertraulicher Kom missionssitzung erfolgen sollten. Bei der von der Reichs regierung wiederholt betonten Nothwendigkeit, die Erledi gung der neuen Militärvorlage zu beschleunigen, entschloß sich der Reichstag, nachdem er die erste Berathung der Vorlagen über die Errichtung eines orientalischen Seminars und üver den Servistarif beendet hatte, eine mehrtägige Pause in seinen Plenarsitzungen eintreten zu lassen, um der Militär- kommission Zeit sür ihre wichtigen Berathungen zu schaffen. Die Letzteren nahmen am Donnerstag ihren Anfang, ohne den streng geheimnißvollen Charakter zu tragen, von dem ursprünglich die Rede gewesen war. Der ersten Sitzung wohnten verschiedene Mitglieder des Bundesrathes und fast Hundert nicht zur Kommission gehörende Reichstagsmitglieder bei; außerdem betonten die Abg. Richter und Rickert die Un möglichkeit vollständigen Stillschweigens über die Eröffnungen, welche die Grundlage für die Berathung der Militärvorlage im Reichstage bilden müßten. Demgegenüber bat der Kriegsminister General Bronsart von Schellendorff dringend, mindestens gewisse Zahlen, die noch nicht bekannt seien, nicht in das Publikum zu bringen und verlangte besonders für seine Mittheilungen über die nächsten Dislokationen der deutschen Truppen Bewahrung des Geheimnisses. Der Minister wies ziffermäßig nach, daß die Heeresmacht Oester reichs bei Weitem nicht derjenigen Rußlands gewachsen sei, konnte aber über die diplomatischen Beziehungen zu Otster- reich keine Auskunft geben, welche die oppositionellen Mit glieder befriedigt hätte. Die Letzteren betonten, daß Deutsch land auch ohne Krieg durch die Militärvorlage fast an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit gelange nnd erklärten vor Allem weitere Aufklärungen über die auswärtigen Verhält nisse durch ein Mitglied des auswärtigen Amtes für dringend nöthig. Der Regent des zweitgrößten deutschen Staates hat sich aber in den letzten Tagen, während er als hoch gefeierter Gast des deutschen Kaisers sich in Berlin aushielt, gegen die ihn begrüßenden bairischen ReichstagSabgeordnetcn über die Militärvorlage in einer Weise ausgesprochen, welche annehmen läßt, daß wenigstens die verbündeten Regierungen von der Nothwendigkeit der Verstärkung der deutschen Wehr kraft vollständig überzeugt worden sind. Der Besuch des Prinz-Regenten Luitpold in Berlin dürfte überhaupt nicht als ein bloßer Alt der Courtoisie sondern als eine Folge ernster Mittheilungen anzusehen sein, die es dem Prinzen wünschensmerth erscheinen ließen, über dieselben mit dem deutschen Kaiser und dem deutschen Kronprinzen mündlich zu verhandeln. Es ist dies eine Ansicht, welche durch den von dem bairischen Regenten dem sächsischen Königshause «bgestatteten Besuch noch an Glaubwürdigkeit gewinnt. Von der österreichisch-ungarischen Regierung wurden die Vorbereitungen für die Wiederaufnahme der Ver- traasverhandlungen mit Rumänien fo weit gefördert, daß, so bald von diesem Staate der erste offizielle Schritt aesckieht, die Arbeiten beginnen können. Man erwartet in Wien in nächster Zeit die Ankunft rumänischer Bevollmächtigter, da beiderseits volle Bereitwilligkeit besteht, den Zollkrieg zu beendigen. — Die bulgarische Deputation, die Mittwoch m Pest von der studirenden Jugend jubelnd empfangen wurde, ist in Wien ganz still eingerückt, aber dort sofort von dem MinisterlGrafenKalnoky empfangen worden. —Am Freitag fanden sich in den siebzehn österreichischen Landeshaupt städten die Landtage zusammen, denen bis zum Wieder- zusammentritt des Reichsrathes am 28. Jan. 1887 hin reichend Muße gegönnt ist, die dringendsten Landesange legenheiten zu erledigen. Eine überraschende Lösung fand die Ministerkrisis in Frankreich, die theils durch den Schmerz des Präsi denten Grvvv über den Tod seines militärischen Rathgebers General Pittw, theils durch das Verlangen der Radikalen nach einem Ministerium Floquet verzögert wurde. Das Letztere würde der inneren Lage Frankreichs vielleicht zu meist entsprochen haben, erschien aber der stark auf ein Sündniß mit Rußland rechnenden deutschfeindlichen Bevöl- rrung Frankreichs deshalb bedenklich, weil Floquet einst den Vater des jetzigen Zaren bei eiMm Besuche der fran zösischen Hauptstadt durch ein auf Polen ausgebrachtes )och tief verletzte. So empfing denn ein Freund und ehe maliger Kollege Freycinets, Goblet, den Auftrag ein neues kabinet zu bilden. Goblet wurde, als er noch als einfacher reputirter des Somme-Departements auf den Bänken der kammermitglieder saß, zu der radikalen Partei gerechnet. Seit dem 7. April v. I. hat er jedoch nach einander dem Ministerium Brisson und Freycinet als Minister für öffent- ichen Unterricht, Kultus und der Künste angehört und als olcher durchaus nicht radikale Politik getrieben. Ins besondere ist er während seiner letzten Amtsführung sehr entschieden für die Aufrechterhaltung des Kultusbudgets eingetreten, was die Radikalen wenig befriedigte. Wie ver lautet, wird das neue Ministerium Frankreichs wie folgt zusammengesetzt sein: Goblet Präsidentschaft und Inneres, Duclerc oder de Courcel Auswärtiges, Dauphin Finanzen, Burdeau Unterricht, Sarnen Justiz, Boulanger Krieg, Aube Marine, Granet Posten und Telegraphen, Lockroy Handel, Millaud Arbeiten, Ricard Landwirthschaft. Dem Vernehmen nach eröffnete die englische Regie rung dem Pariser Kabinet, daß sie zur Zeit nicht in der Lage sei, sich über eine Frist für die Räumung Egyptens zu äußern und schlug dieselbe es ebenso entschieden ab, über dieselbe Angelegenheit mit der Pforte in einen Meinungs austausch zu treten. Das Ministerium Salisbury sieht den Ereignissen mit um so größerer Ruhe entgegen, als die Gemäßigt-Liberalen über die Weigerung Gladstone's, sich von den Irländern loszusagen, empört sind und sich dadurch veranlaßt fühlen, die Tories zu unterstützen. Dazu erklärte sich Lord Hartington gleichzeitig im Sinne Goschens und Chamberlains in einer am 7. d. M. in London statt- gefundenen Versammlung der unionistischen Liberalen bereit, eine Erklärung, welche der Premierminister Salisbury am Tage darauf nn konservativen Klub als hochersreulich und geeignet bezeichnete, der Regierung diejenige Festigkeit zu verleihen, deren sie zur Wiederherstellung geordneter Zu stände in Irland bedürfe. Wie aus Petersburg gemeldet wird, veranlaßte die ge hässige Sprache, welche dierussische Presse gegen Deutsch land führt, den General v. Schweinitz zu einer Beschwerde bei dem Grafen Tolstoi Der russische Minister erklärte sich trotz der Machtmittel der Zensur außer Stande, dem von ihm selbst beklagten Ucbelstande abzuhelfen. Gegen England, bei dessen Königin Prinz Alexander von Battenberg seit Dienstag als Gast weilt, und gegen Oesterreich, dem die Russen ebenfalls die Absicht einer Wiedereinsetzung des Battenbergers zutrauen, zieht die Petersburger Presse freilich noch weit schärfer los. „Jetzt", so schreibt z. B. das Journal „Nowosti", „kann man nicht mehr verhüllen, daß Oesterreich-Ungarn in einen offenen diplomatischen Kampf gegen Rußland getreten ist. Die Ziele Rußlands und Oesterreich-Ungarns in Bulgarien sind entgegengesetzte. Die österreichisch-ungarischen Staatsmänner erklären offen, daß die Forderungen Rußlands nicht erfüllt werden können, und ertheilen überdies dem letzteren Rathschläge, für imm 5 auf irgend welche Theilnahme an den Angelegenheiten auf der Balkan-Halbinsel zu entsagen. So wie Graf Andraffy sprach, kann nur ein Staatsmann sprechen, der sich an em Reich wendet, welches er für schwach und gleichzeitig un fähig hält, selbst seine eigenen Interessen wahrzuneymen. Die Offenherzigkeit, welche man in Wien an den Tag legte, erfordert auch auch russischerseits ein aufrichtiges Wort. Die russisch-österreichisch-ungarische Freundschaft ist schon jetzt ein leerer Schall. Ein Reich, welches einem anderen Reiche bei Wahrnehmung seiner vitalsten Interessen offen Widerstand entgegensetzt, kann unmöglich ein Freund sein. Das Gegentheil zu behaupten, hieße eine wissentliche Lüge sagen." Inzwischen vertritt der türkische Dcleairte in Sofia, Gadban Pascha, dort die russischen Interessen mit mehr Eifer als Geschick, indem er fortwährend für den Fürsten von Mingrelien agitirt, dessen Kandidatur sür den bulgarischen Thron dm Bulaaren gänzlich widerstrebt. Die Regentschaft erläutert ihre Weigerung über diese Kandidatur zu ver handeln damit, daß sie der Sobranje nicht vorgreifen dürfe, scheint übrigens über den möglichen Erfolg der bulgarischen Deputatton an den europäischen Höfen sich sehr weitgehendm Hoffnungen hinzugeben. Tagesschau. Freiberg, dm 11. Dezember. Gestern setzte die vom deutsche» Reichstage zur Bv- rathung der Militärvorlage eingesetzte Kommission ihre Verhandlungen fort, wobei der Kriegsminister General Bron art von Schellendorff sich dahin äußerte, daß die Vorlage den Zweck verfolge, das Land rasch vertheidigungs- ähiger und die Armee kriegstüchtiger zu machen. Schon vom 1. April 1887 an würden durch die vermehrten Rekruten - aushebungen die Regimenter mit einer größeren Anzahl, wenn auch nur halbausgebildeten Soldaten vermehrt. Hierauf gab der Minister noch weitere Aufklärungen über Dislokationen, die er aber als streng vertrauliche bezeichnete. Dann meinte er, daß er die innere Tüchtigkeit der österreichischen Armee nicht bestreiten wolle und als Soldat auch erfreut sei über die Lobsprüche, welche in der Kommission über die innere Tüchtigkeit der deutschen Armee gefallen seien, aber die innere Tüchtigkeit einer Armee sei ein viel unsichereres Element als das der Zahlen. Es sei nicht richtig, was der Abg. Richter m Bezug auf die französische Streitmacht gesagt habe, da das algierische Armeekorps, wie wir 1870 gesehen hätten, recht rasch auf den europäischen Kriegsschauplatz gebracht werden könne. Interessante Mittheilungen machte der Munster über die Zustände in der Artillerie, wo die nöthige scharfe Tren nung zwischen Feld- und Fußartillerie noch nicht überall er folgt fei. Dieser Uebelstand werde durch die Annahme der Militär-Vorlage beseitigt. Die Geschützbespannung sei in Frankreich eine weit bessere, als in Deutschland. Auch hier müsse Wandel geschafft werden. Der Minister erklärte, daß er bei der Einzelbrrathung noch weitere Auf klärungen geben würde. Die Sitzung wurde daraus vertagt. — In der gestern abgehaltenen Plenarsitzung d e'S Reichstages genehmigte der letztere zunächst in erster und zweiter Berathung den Beschluß des Bundesraths, detr. die Aufnahme der Anlagen, in welchen Albuminpapier hergestellt wird, in das Verzeichniß derjenigen gewerblichen Anlagen, welche nach Bestimmung des Z 16 der Gewerbeordnung einer besonderen Genehmigung bedürfen, sowie den Gesetzentwurf, betr. die Kontrole des Neichshaushalts und des Landeshaus halts von Elsaß-Lothringen für das Jahr 1886/87. ES folgte die zweite Berathung des Militäretats. Zu Titel 1 der Ausgaben (Kriegsministcr) griff der deutschfreisinnige Abg. Rickert das Vorgehen des konservativen Abg. von Köller heftig an, der in einem Zirkular an die Offiziere Bei träge zur Agitationskaffe der konservativen Partei verlangt hatte. Abg. Rickert wünschte zu wissen, welche Stellung der Kriegsminister dazu einnehme und protestirte dagegen, daß die Offiziere zu Agitationen sür die konservative Partei be nutzt würden. Das sei verfassungswidrig. Abg. v. Köller erwiderte, sein Schritt sei nicht Parteisache gewesen, sondern lediglich persönlich von ihm ausgegangen. Der Schrittwider- strebe auch nicht dem Gesetz und der Verfassung, denn daS Zirkular enthalte keine Aufforderung zu Ungesetzlichkeiten. Der Kriegsministcr Bronsart v. Schellendorsf meinte, daß die Theilnahme der Offiziere an politischen Vereinen und Agitationen sich mit der Stellung deS OsfizierstandeS »ich;