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MsdrusferTageblatt Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und >Das »Wilsdruffei Tag-bl°II» erjcheim on ollen Werklagen nachmillag. 4 Uhr. Be.ug-prei- monatlich r,— RM. srei Haus, bei Postdestellung l.tiv AM. zu,»glich Bestellgeld. Einzelnummern IO Bplg. Alle Poftanftalten und Post, jederzeit Bestellungen ent- Wochenblatt fÜk WilsdkUff U. UNIgegeNd gege^ Im K-lle^rer wemalt.Kricgod. konftiger Betriebsstörungen besteht Lern Anspruch auf Lieferung «ver Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beiliegt. alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenpreise laut ausliegenbem Tarif Nr. 4. — Nachweisungs-MeblihkL W Npsg. — Dorgeschriebenc Erscheinungsiage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit bcrüiksichtig». >— Anzeigen. Annahm« bis vormittags la Uhr. .. - Für Lie Richtigkeit de« durch Fernruf übermit- Fernsprecher : Amt Witsdruss Nr. 6 testen Anzeigen übernehm men wir keine Ecwähr. " — Jeder Radattanspruch erlischt, wenn Ler Betrag Lurch Klage eingezogen werden, must oder der Auitraggebev in Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Städte rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 173 — 93. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Tageblatt* Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Freitag, den 27. Juli 1934 M Weil SMeWMer in Wien. Immer noch Kämpfe in Steiermark. Dottfuß' Tod. Wieder ist ein Fieberschauer über den Leib Österreichs gelaufen, der von diesem Fieber nun schon so lange ge schüttelt wird, seit versucht wurde, gegen die sich immer lebendiger und stärker als Deutsche und nur als Deutsche fühlende Volksmehrbeit in Österreich zu regieren. Aber mit einem grenzenlosen Fanatismus wollten die wenigen, die diesen Weg zu gehen sich vorgenommen hatten, auch gegen den immer ivieder zum Ausdruck und Ausbruch kommenden Willen jener Volksmehrhcit ihre Ziele er reichen. Und sie glaubten auch an einen Erfolg, weil sie bei ihrem Konflikt mit dem Reiche Adolf Hitlers und des selber seines Deutschtums bewußt gewordenen Brudervolkes ja die Zustimmung des Auslandes, der Gegner von einst besaßen. Dem inneren Zwiespalt zwischen Regierung und Volksmehrheit ist nun auch jener Mann zum Opfer ge fallen, der diesem System den Namen und immer neuen Antrieb gab: der bisherige Bundeskanzler D r. Doll fuß. Nichts von draußen her, wie die rasch fertiggestellte Verleumdung einzelner Teile der Auslandspresse be hauptete, hat die Ereignisse des 25. Juli in Österreich herbeigeführt, und gerade Deutschlands Außenminister ist der erste gewesen, der der österreichischen Regierung sofort nach Empfang der Nachricht das Beileid der Reichsregie rung zum Tode des Bundeskanzlers Dr. Dollfuß aus sprach. Und sofort auch wurden an der deutschen Grenze alle Maßnahmen getroffen, die verhindern sollen, daß die Folgen dieses innerpolitischen Konfliktes in Österreich die Beziehungen zwischen den beiden Staaten irgendwie schädigen könnten. Dazu gehört auch, daß der deutsche Gesandte in Wien abberufen worden ist, weil er, aller dings in einer ganz verworrenen und unübersichtlichen Lage, sich, und zwar auf ausdrücklichen Wunsch des öster reichischen Ministers Fey, zu einem Schritt entschloß, der zwar menschlich vielleicht nur Gutes wollte, aber politisch leicht mißdeutet werden konnte. Österreich, seine Regierung und sein Volk ganz allein muß dieser Tage Last und "Folgen tragen. Auch wenn das deutsche Volk es nun seit mehr als einem Jahre mitansehen mußte, wie in Österreich ein System, dem Dr. Dollfuß den Namen gab, gerade mit der deutschbewußten Mehrheit des Brudervolkes um gesprungen wurde, so ist man im Reich doch erschüttert davon, daß diesen Mann selbst die Kugeln eigener Mit bürger aus dem Leben gerissen haben. Das durfte nicht sein! Die Tragik dieses Schicksals muß manches zum Vergessen bringen, weswegen Dr. Engelbert Dollfuß sich in der Zeit seiner fast diktatorischen Betätigung als Bundeskanzler so viele Gegner und Feinde schuf. So manches, — aber nicht alles! Und wenn nach ihm ein zweites Opfer der Ereignisse in Wien gefallen ist, Doktor Nintelen, langjähriger Bundeshauptmann der Steier mark, mehrmaliger Minister und zuletzt österreichischer Ge sandter in Rom, so beweist der Tod dieses fähigen, aber sehr ehrgeizigen Mannes aus einem seltsamen Vor kommnis ganz besonders deutlich, wie wenig der Vor wurf einzelner Auslandsstimmen berechtigt ist, Deutsch land habe seine Hand in dem traurigen Wiener „Spiel" gehabt: Jene Kolonne, die den Wiener Sender „erobert" hatte, vroklamierte durch diesen sofort den Dr. Rintelen zum Bundeskanzler. Immer aber ist er einer der be deutendsten Führer der Christlich - Sozialen in Österreich gewesen und Dr. Dollfuß hat ihn an den der zeit wichtigsten diplomatischen Posten gestellt, den die Wiener Regierung überhaupt zu besetzen hat. Obwohl Deutschlands Regierung sich also nicht zu „entschuldigen" braucht, ist es doch aus allgemeinen politischen Gründen erfreulich, daß nun wenigstens die englische Presse zuerst die durchaus korrekte Haltung unserer Regierung an erkennt. Was sich im Gebäude des Wiener Senders und vor allem im Wiener Bundeskanzleramt abgespielt hat, ist aber mehr als die Tat einer offenbar recht kleinen Schar, — was dort geschah, ist eines von den vielen Phasen des Kampfes zwischen der österreichischen Regie rung und der Mehrheit ihres Volkes. Schon einmal ist, ebenfalls von einem ehemaligen Angehörigen des. Bundesheeres, ein Attentat auf Dr. Dollfuß verübt wor den. Jetzt erlag er einem zweiten. Vor einem halben Jahr hatte er den blutigen Kampf gegen große Teile der österreichischen Arbeiterschaft durchgeführt, — und so war der Kreis derer immer kleiner geworden, die noch zu ihm hielten. „Auf der Spitze der Bajonette kann man nicht regieren", — die Wahrheit dieses Wortes wollte Dr. Doll fuß nicht einsehen. Das Schicksal seines Sterbens aber hat dieses Wort noch einmal ausgesprochen. Das Schutzkorps in Österreich einberufe«. Das österreichische Schutzkorps, das sämtliche Wchrverbände umfaßt, ist jetzt sowohl in Wien als auch in den Bundesländern wieder aufgefüllt worden. Die Stärke der cinbcrufenen Formationen erreichte bereits am Mittwochabend die Ziffern des während des F ebruar- Aufstandes unter Waffen stehenden Schutzkorps. Ei» Schreiben des Führers «n den Mzebmzler. Berlin, 27. Juli. Reichskanzler Adolf Hitler Hal an Vizekanzler von Papen nachstehendes Schreiben gerichtet: Bayreuth, 26. 7. 34. Sehr verehrter Herr von Papen! In Verfolg der Ereignisse in Wien habe ich mich gezwun gen gesehen, dem Herrn Reichspräsidenten die Enthebung des deutschen Gesandten in Wien Dr. Rieth von seinem Posten vor zuschlagen, weil er auf Aufforderung österreichischer Bundes minister bzw. der österreichischen Ausständijchen sich bereit fin den ließ, einer zwischen diesen beiden getroffenen Abmachung bezüglich freien Geleites und Abzug der Aufständischen nach Deutschland ohne Riicksrage bei der deutschen Reichsregierung seine Zustimmung zu geben. Der Gesandte hat damit ohne jeden Grund das Deutsche Reich in eine interne österreichische Angelegenheit hineinge- zogcn. Das Attentat gegen den österreichischen Bundeskanzler, das von der deutschen Reichsregierung aus das schärfste verurteilt und bedauert wird, hat die an sich schon labile Lage Europas ohne unsere Schuld noch weiter verschärft. Es ist daher mein Wunsch, wenn möglich, zu einer Entspannung der E-esamtlage bejzutragen und insbesondere das seit langem getrübte Ver hältnis zu dem deutsch-österreichischen Staat wieder in normale und freundschaftliche Bahnen geleitet zu sehen. Aus diesem Grunde richte ich die Bitte an Sie, sehr ver ehrter Herr von Papen, sich dieser wichtigen Aufgabe zu unter ziehen, gerade weil sie seit unserer Zusammenarbeit im Kabi nett mein vollstes und uneingeschränktes Vertrauen besaßen und besitzen. Ich habe daher dem Herrn Reichspräsidenten vorgeschla gen, daß Sie unter Ausscheiden aus dem Reichskabinett und Entbindung von dem Amt als Saarkommissar für eine befristete Zeit in Svndermission auf den Posten des deutschen Gesandten in Wien berusen werden. In dieser Stellung werden Sie mir unmittelbar unterstehen. Indem ich Ihnen auch heute noch einmal danke für alles, was sie einst sür die Zusammensührung der Regierung der na tionalen Erhebung und seitdem gemeinsam mit uns sür Deutsch land getan haben, bin ich Ihr sehr ergebener (gez.) Adolf Hitler. * Wie sich die Vorgänge im Vundeskanzleramt Micken. über die Vorgänge in Wien am Mittwoch ergibt sich aus den amtlichen österreichischen Meldun gen solgendes Bild: Um 11 Uhr vormittags trat im Bundeskanzleramt ein Ministerrat zusammen, während dessen dem Minister Feh von einigen Heimwehrleuten mitgeteilt wurde, daß sich in der Siebensternstraße Leute in Uniformen von Wachbeamten und Heeresangehörigen sammelten, die an geblich eine Mion vor hätten. Fey unterrichtete sofort den Bundeskanzler Dr. Dollfuß, der den Ministerrat unterbrach, um die notwendigen Erhebungen anzustellen. Der Bundeskanzler berief Minister Fey, den Staats sekretär für die Landesverteidigung und den Staats sekretär für das Sicherheitswesen in seins Kanzlei zu einer Beratung. Der Staatssekretär für die Landesverteidigung wurde beauftragt, im Landesverteidigungsministerium die nötigen Vorbereitungen zu treffen, während sich Staatssekretär Karwinsky mit dem Polizeipräsidium in Verbindung setzte, um ebenfalls Maßnahmen zu troffen und festzustellen, was an den Mitteilungen richtig sei. Minister Fey veranlaßte die Alarmierung des Heimat schutzes. Während »och berate« wurde, erschienen plötzlich einige Automobile mit bewaffneten uniformierten Leuten im Hof des Bundeskanzleramtes. Sic drangen sofort in alle Räume des Hauses ein, überwältigten die Wache und schlossen die im Bundeskanzleramt befindlichen Regie- rungsmitglicder und Beamten in ihren Kanzleien ein. Unter den Eingcschlossenen befanden sich Bundeskanzler Dollfuß, Minister Fey und Staatssekretär Kar winsky. Einer der Eindringlinge gab auf den Bundes kanzler zwei Rcvolverschüsse ab, die diesen tödlich ver letzten. Ein sofortiges energisches Vorgehen gegen das Bundeskanzleramt, wie es gegen das gleichfalls von Uni formierten besetzte Gebäude der Rävag' fiättgefunden hatte, war nicht möglich, weil die Eingedrungenen zahl reiche Personen sestgenommen hatten. Es wurden daher Verhandlungen ausgenommen, die aber zunächst zu keinem Ergebnis führten. Schließlich wurde den Eindringlingen vom Minister Neustädter-Stürmer im Auftrage der "Bundes regierung mitgeteilt, daß sie bis 19.30 Uhr das Bundes kanzleramt zu räumen hätten. Gleichzeitig wurden starke militärische Kräfte bereitgestellt, um nach Ablauf des Ultimatums mit Waffengewalt cinzugreifen. Den Ein gedrungenen wurde freies Geleit zur Ausreise aus Österreich in Aussicht gestellt, falls von den im Bundes kanzleramt Fcstgcnommenen niemand ums Leben gekommen sei. Daraufhin ergab sich die Besatzung des Bundeskanzler amts gegen 20 Uhr. Bundeskanzler Dr. Dollfuß war vor der Übergabe seinen schweren Verletzungen erlegen. Bei den Personen, die den Anschlag auf das Bundes- kanzleramt und das Gebäude r-sr Ravag unternahmen, handelt es sich anscheinend mei2 E Ih em a li g e An gehörige des Bundeshr»rrL, die wegen poli tischer Betätigung aus dem Heecy entlassen worden sind. * Oie Lage in -en Bundesländern. Von amtlicher Stelle wird ausdrücklich erklärt, daß im ganzen Lande, in Wien und in den Bundesländern, vollständige Rnhe herrscht und keine weiteren Unruhen festgestellt worden sind. Im Gegensatz hierzu meldet Radio Wien: In Juden burg und eitrigen anderen steiermärkischenOrten haben die Aufständischen die Waffen gestreckt. Nur noch einzelne Orte in Steiermark leisten Widerstand. Starke Abteilungen der Exekutive sind überall im Anmarsch. * Die Kontrolle an der österreichisch-ungari schen Grenze wurde verschärft. Es werden nicht nur die mit der Eisenbahn nach Ungarn unterwegs befindlichen Reisenden scharf kontrolliert, sondern auch alle Kraftwagen, sonstige Fahrzeuge und Fußgänger, die nach Ungarn überwechseln wollen. * Das Giraßenbild in Wien. Zahlreiche Verhaftungen. Schon am Mittwochabend war die ganze Stadt, so wohl die inneren Bezirke als auch die äußeren, von zahl losen Heimwehrposten besetzt. Polizei und Bundes heer sah man nur sehr wenig. Auch am Donnerstag be herrschten die Heim wehren und die Schutzkorps- abteilungen das Straßenbilo. Das Regierungsviertel war durch Polizei in Stahlhelm von allen Seiten abgeschlossen. Alle öffentlichen Gebäude haben Trauerfahnen angelegt: auch von einzelnen Geschäftslokalen sicht man schwarze Fahnen wehen. Sämtliche Gesandtschaften haben zum Zeichen der Trauer die Fahnen auf Halbmast gesetzt; die deutsche Gesandtschaft hat in gleicher Weise an der allgemeinen Trauer des Diplomatischen Korps teil- genomen. Bei der Polizeidirektion herrscht lebhafter Be trieb; ununterbrochen sieht man die grünen Wa- gen, die zur Beförderung von Verhafteten bestimmt sind, an- und abfahren. Im Laufe der Nacht und des Donnerstag sind Verhaftungen von National sozialisten im großen Ausmaß durchgeführt worden. Es wird angenommen, daß allein in Wien mehrere hun dert Nationalsozialisten festgenommen wor den sind. Das Navag-Haus schwer beschädigt. Das Navag-Hans hat durch den Kampf, der um das Gebäude tobte, sehr stark gelitten. In den einzelnen Stockwerken sieht man an Türen, Büromöbeln und Wän den die Spuren zahlreicher Geschoßcinschläge. Auch Fensterscheiben und Rahmen sind völlig zerschossen. Im Wiener Rundfunk wurde ein Befehl des Bundes- ftthrers des Hcimatschntzcs, des Fürsten Star Hem berg, verbreitet, der die Mitglieder des österreichischen Heimatschutzes anfsordcrt, sich unverzüglich in Uni form und voller A u § r ü st ung zu melden.