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WSchenUich ersckemtn dr»> Nummern. Pränumeration«- »r«i« 22^ Sgr. (; Thlr.) »i-rtkliSdrlich, r TLlr. sür La« ganze Jahr, ohne Er- didung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man »rilnumerire auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staati-Zeitung (^riedrichSstr. Nr. 72); in Ler Provinz so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Post-Aemrern. Literatur des Auslandes. M 144. Berlin, Montag den 30. Nove nid er 1840 England. Neue Aufschlüsse über Shakspeare's Leben und Dichtungen. Shakspcare ist der Homer der nordischen Völker. Wie sein Vorgänger, hat er eine Unzahl von Nachahmungen, Auslegungen, Theoricen, Kommentaren, Systemen, Hypothesen und Mährchen her- voegcrufen. Es ist noch nicht einmal ausgemacht, ob er Sbakspcrc, Shakspear, Shakspcare oder Shakesperc geschrieben wirb. Die Fa deln, mit denen eine mehr oder minder gelehrte Abgötterei seine Wiege und seine Jugend ausgeschmückt, haben die wenigen feststehenden Thatsachen in ein noch dichteres Dunkel gehüllt. In der letzten Zeit haben einige unermüdliche Forscher die Archive der Gemeinden, die Sterbe- und Gcburtslistcn, die Aktcnsammlungcn der Notare und die Archive der Negierung durchsucht und einige neue Aktenstücke zu Tage gefördert, welche das alte Gerüst der Shakspcarcschcn Biogra phie von Grund aus umwerfen. Die Sage, welche der Lauf der Zeiten geheiligt hatte, machte aus Shakspcare einen armen Teufel, der in gänzlicher Unwissenheit auscrzogen war, von Almosen lebte und einen starken Verdacht der Wilddieberei auf sich geladen hatte. Fast machon ihn die neueren Nachrichten zu einem reichen, edlen Manne, der sich zu einer gericht lichen Steilung vorbereitet hatte und Griechisch, wo nicht gar He bräisch, verstand. So viel steht aber wohl fest, daß die alten Nach richten und Uebcrlieferungen durchaus keine Glaubwürdigkeit haben und als unhistorische Ausschmückungen für immer verworfen werden müssen. Wenn man diese Erfindungen aufgiebt, so erhält man ein biographisches Gewebe, dessen Unumstößlichkcit keine Entschädigung für die Dürftigkeit desselben bietet; es ist ein dürres Knochengerüst, das nur mit einigen bestimmten Angaben und Thatsachen übcrklcivet ist. Das Haupivcrdicnst dieser Entdeckungen gebührt Collier. In seine Fußstapsen trat Quincey; ferner Boadcn und Brown, welche in den Sonncttcn Shakspcarc'S eine mystische Enthüllung seines In neren sahen. Alle Entdeckungen sind indeß mehr negativer als posi. tiver Natur; sie bcstehcn weniger in der Aufdeckung neuer Thatsachen als in der Wegräumung vieler Anekdoten, die bis jetzt unangefochten geblieben waren. Man möchte wohl kaum noch der Erzählung von der tragischen Rede, die er als Schlächterbursche einem geschlachteten Kalbe gehalten haben sollte, Glauben beimesscn. Diese Sage ist entkräftet, sowohl wie die von dem Dammhirschc, welchen der Jüngling Shakspcare in dem Gebiete eines unseligen Friedensrichters geschossen haben sollte. Die Wahrscheinlichkeit steht diesen Anekdoten entgegen, welche keinen Bürgen haben als die geschwätzige Leichtgläubigkeit dcs alten Aubrey, der alle umlaufende Gerüchte sammelte. Seine Familie, über welche Malone die sichersten Aufschlüsse gegebeu hat, die auch durch die neuesten Untersuchungen nicht angefochten worden sind, war zur Zeit, wo.William geboren wurde, noch nicht herabgckommen. Shakspcarc'S Vater, Hanbschuhvcrkäusrr und Alderman, hatte bis zum Eintritt der Krise, über die wir nichts Näheres wissen, und welche in Shak- spcare's Jugcnbaltcr fällt, gute Geschäfte gemacht. Wir können also annehmcn, daß Shakspcare in einem gewissen Wohlstände aufwuchs, dann aber, nach dem Berichte eines Zeitgenossen, in die Armenschnlc von Stratford geschickt wurde. Eben so ausgemacht ist cS wohl, daß er Repetitor oder Unterlchrer in einer Schule war; der alte Anbrcy behauptet, er sey in seiner Jugend Dorsschullehrcr gewesen. Eine andere Ucberlicferung fübrt ihn unS alü Gcrichtsschrciber vor, und diese scheint durch die Bestimmtheit und Genauigkeit der gericht lichen Ausdrücke, die er gebraucht, gerechtfertigt zu werden. Wenn die Lage seiner Familie ihn nöthigte, für sich selbst zu sorgen, so boten ihm der Stand eiucS LchrerS und eines Schreibers die beste und natürlichste Gelegenheit. Man hat viel über die Kenntnisse hin und her gestritten, die Shakspeare in diesem Alter besessen. Ein Doktor Farmer hat mit einem großen Aufwande von Gelehrsamkeit, indem er die unbedeutendsten Stellen aus Shakspeare's Werken hcrausgriff, beweisen wollen, daß derselbe kaum lesen und schreiben gekonnt habe. Ein Bewunderer des Dichters hat nicht minder scharfsinnig bewiesen, daß derselbe fast alle Sprachen verstanden uns Plutarch, Nemcsian, Tcrenz, Homer, PlautuS, Juvenal und HippokratcS wörtlich übersetzt habe. Im Buche Hiob kommen die Worte vor: „Das Pferd verzehrt den Raum", bei Nemcsian dieser halbe Vers: „curxu ooimuinrio camp»,»." — Daraus wird der Schluß gezogen, daß er Hiob und Nemcsian übersetzt habe, wenn er ebenfalls diesen Ausdruck gebraucht. Ein nicht weniger belustigendes Beispiel wird aus Timon von Athen genommen. Shakspcare läßt den Timon sagen, er sey Menschenfeind und Haffe das menschliche Geschlecht. Ungefähr dieselben Worte ge. braucht Lucian. Also Das sind Kindereien. Wir treten durchaus der Ansicht Jobnson'S bei und glauben, daß Shakspearc wenig Latein und nichts vom Griechischen verstanden habe. Mit der letzteren Sprache befaßten sich nur wenige Gelehrte, und außer Roger Asham, dem Kanzler Bacon uns der Königin Elisabeth verstand wohl sonst Niemand etwas davon. Shakspcare uminc wenigstens Lateinisch verstehen; den Be weis liefern die vielen Latinismen, die bei ihm mituutcrlaufcn, und die Epitheta, Bilder und Mctaphcrp, die er augenscheinlich Virgil und Lucrcz entlehnt hat. In seinen ersten Dramen, vorzüglich im zweiten Theile Heinrich'« ll., finden sich Stellen, welche bezeugen, daß ihm die grammatikalischen Elemente der Lateinischen Sprache bekannt waren. Die ergötzliche Karikatur, Sir Evans, der big, llsg, kog statt lüc, band, llno sagt, deutet wohl auf persönliche Erinne rungen hin, die seine erste Schulzeit in sein Gedächtniß cingcgraben hatte. Von der Französischen und Jtaliänischcn Sprache hatte er einige Kenntnisse, aber unbedeutende und oberflächliche. Das beweisen die vielfachen Fehler, die er macht, wenn er sich der einen oder der an deren bedient. — ,.0'exk »n<» cboxo, gu'il n'k.xt pax ,!« vonx <Io ckirn", anstatt: „v'o.xr nun eboro, gu'il ne roux ennviend pax üo stire", ist einer der unglücklichen Sätze, gegen den seine Vcrthcidiger nichts cinzuwcnvcn wissen. Doch ist wohl zu glauben, daß sein hoher Verstand ihm eine Leichtigkeit des Errathens gewährte, ver möge welcher er beide Sprachen verstehen und einige Novellen, die noch nicht übersetzt waren, im Original lesen konnte. Ein wichtiges Ereigniß seines Lebens, seine Bcrbeirathung, die Ursache, der Zeitpunkt und die Folgen derselben sind jetzt allem Zweifel entrückt. Es scheint erwiesen, daß eine jugendliche Unbe sonnenheit dieselbe veranlaßte. Die Zeit der Geburt seines ersten Kindes verwandelt die bisherigen Vermuthungen in Gewißheit. Anna Hathaway, der Shakspearc seinen Namen gab, machte ihn zwei Monate nach der Hochzeit zum Vatcr. Die für die Hochzeit ertheilte Liccnz ist kürzlich wieder aufgcfundcn worden. Der Ver lobte wird darin William Shagspcrc, die Braut Anna Hathwey genannt. Die wahrscheinlichsten Resultate zeigen uns also einen jungen Mann, der eine ziemlich gute Erziehung erhalten hatte, für seine Zeil sogar ziemlich gebildet war. Im Alter von zwanzig Jahren war er Repetitor oder Professor, hernach Gerichtsschrcibcr. Eine jugendliche Unbesonnenheit lud ihm die Sorge für eine Familie auf. Nichts tritt hier aus den gewöhnlichen Verhältnissen heraus. Wie kam Shakspcare nach London? Welche Gründe bestimm ten ihn dazu? Welche Hülfsquöllen fand er hier? Diese interessanten Fragen bleiben ohne genügende Antwort. Unmöglich können wir noch länger an die Sage glauben, die ihn zu einem „erraixt-bo.v" macht, der an der Thür der Theater einige Pfennige verdiente, indem er die Pferde der Evellcute hielt und ihnen mit einer Fackel leuchtete. Zu allen Zeiten, und besonders im sechzehnte» Jahrhundert, wo die Kunst des Schreibens und Lesens noch nicht so verbreitet war, muß ten die Elemente des Unterrichts einem jungen Menschen ein anstän digeres und reichlicheres Erwerbsmittel liefern. Schon im Jahre IS8!) erscheint Shakspcare, der damals 26 Jahr alt war, als einer der Schauspieler der Königin am Theater von Blackfriars. Nicht allein war er Schauspieler, sondern er hatte auch einen Antheil an dem Unternehmen, und auf einer Liste von 16 Actionairen ist sein Name der zwölfte. Der Sprung von einem Pfcrdehatter zum berühmten Schauspieler und Mitcigenthümer eines blühenden Theaters ist doch zu stark, als daß die gutmüthigste Leichtgläubigkeit noch daran festhalten könnte. Im Jahre Ibl)6 crhiclt Shakspeare's Vater die Erlaubniß, sein Wappen wieder zu sühren, was auf einen Glücksumsckwung in seiner Familie hinzudeuteu scheint, die dieses Recht eingebüßt hatte. Der junge Shakspeare, dessen Ruf und Bedeutung immer größer wurden, war vielleicht dabei bctheiligt. Gleichzeitig ist die Bittschrift, mit welcher siebe» seiner Kameraden und er um den Wiederauf bau des Schauspielsaales beim Gcheimerath einkamen. Shakspeare's äußere Verhältnisse verbesserten sich fortwährend; auf dieser Liste nimmt sein Name die fünfte Stelle ein. Im Jahre 1603 ist er noch weiter gekommen. Das Patent, welches den Schauspielern des Thea ters von Blackfriars bewilligt wurde, erwähnt ihn unter den drei ersten Mitgliedern der Gesellschaft. Im Jahre 1608 sind Burbadge