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Wickenilich erscheint» drei Nummern. Pränumeration«, Preis 22^ Sgr. sZ THIr.) vittteüädrüsi, Z THIr. für da« gan,e Jahr, ohne Er- HSHunq, in allen TbcNcn der Preußischen Monarchie. für die Man «ränumerirf aus diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Avg. Pr. Staatt-Zeitung (FriednsMr. Rr. 72); in der Provinz so lvie im AuSlande bei de« Wohllöbl. Post - Aemtern. Literatur des Auslandes. 3!) Berlin, Montag den 30. März 1840. Italien. Die Jtaliänische Volköliteratur. I. Neapel. Neapel, Venedig, Mailand und Palermo sind die vier Ccntral- punkte der Volkspoesie in Italien. Nach Venedig ist Palermo der wichtigste dieser Punkte. Abgesehen von seinen burlesken Dichtungen, die sehr zahlreich sind, hat Sicilien drei Literatur-Epochen gehabt: die mittelalterliche, von der noch Volksgcsängc und verworrene Ucbcr- lieserungen vorhanden; die klastische Exocheves N.lcn Jahrhunderts, welche Veneziani und eine Menge Dichter hcrvorbrachte und gleich- lam eine Sicilianische Entwickelung der Provcnzalischcn Poesie war; und eine dritte Epoche, die im listen Jahrhundert mit dem Verfall Italiens begann und im ltzlcn Jahrhundert mit den Dichtungen Melli S schließt. In Vieser letzten Epoche, welche man die idyllische nennen kann, erneuert Sicilien den Ruhm Thevkrit'ö, als wäre cS das ewige Vaterland des Hirtengedichts. Das Venctianischc Theater blüht im listen Jahrhundert, und es ist der Mittelpunkt aller Lokal- Literaturen. Die gegenwärtige Uedcrsickt soll sich inveß aus das Jtaliänische Festland beschränken, und Venedig ist eine Insel wie -Sicilien; cs hat, so wie dieses, einen ganz abgesonderten Eharakter. Wenn die Volks-Literatur in Italien sich reicher als bei irgcnv einer neueren Nation entwickelte, so rührt Vies daher, weil sie auf «ine National-Litcratur folgte, während in Frankreich, Spanien und anderen Ländern gerade das Umgekehrte der Fall ist. Es soll nun hier die Auflehnung der Dialekte gegen die allgemeine Sprache der Nation nachgewicsen werden. Niemand kann leugnen, daß in einem gewissen Zeitraum diese Auflehnung siegreich war, und die Er scheinung, daß eine Literatur im Kampfe gegen Vic Provmzial- Dialekic oen Kürzeren zieht, ist nur in Italien vorgckommcn. Die Thatsachcn hiervon sind in den SN Bänven der Neapolitanischen Dichter, in den 12 Bänden vcr Mailändischen und in fast L«> Bänden der Lcnelianischcn enthalten. Es giedr Sammlungen vcr Dichtungen Gcnua's, Bologna's, Padua's unv Siciliens, unv der Nciscnvc kann in Italien überall Volkslieder finden. Die Literatur Neapels beginnt eigentlich erst mit dem listen Jahrhunvcrt. Zwar hatte schon vor diesem Zeitpunkt der Neapoli tanische Dialekt einige Fortschritte gemacht, besonders unter Alphons von Aragonien, wo er zur Sprache der Negierung erhoben wurde unv vas Parlament von Neapel ihn an die Stelle des Lateinischen setzte. In der ersten Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts war eine Neapolitanische Chronik voll wunderbarer Erzäklungcn erschienen; es war eine Art von BolkSgedicht, in welchem Virgil als Zauberer auftritl und Neapels Schicksale lenkt. In anderen noch vorhanvencn Chroniken ist die Geschickte weniger entstellt, unv ungeachtet ver da mals noch auf künstliche Weise erstrebten Herrschaft veS Jtaliänisckcn kommt vcr Dialekt darin zum Vorschein. Gegen Envc des löte» Jahrhunderts aber verbreitet sich die Jtaliänische Sprache über die ganze Halbinsel, und selbst in Neapel schreiben Pontano, Sanazzaro, Costanzo, Brittonio, Summontc unv noch einige Anvcrc in derselben. Nun gerieth der Dialekt mit vicscr Sprache in Streit, wurve aber systematisch von der Pontanischen Akademie bekämpft und läbä aus dem Parlamente verbannt. Während des Ifltcn Jahrhunderts wurve keine nur irgcnv dcmcrkenswerthc Schrift in dieser Mnnbart heraus- gegcben, ja es gingen sogar die Verse verloren, die Brittonio und Sanazzaro, fast wider ihren eigenen Willen, darin geschrieben hatten; niemals zog sich ein Dialekt bescheidener vor der Bewegung zurück, die darauf ausging, Einheit in die Literat»! eines Volkes zu dringen. Erst beim Versal! der Jtaliänischcn Literatur erschien er wieder m den Büchern; hundert Jahre nach der Befestigung der Spanisckcn Herrschaft, als die National-Pocsic fast ganz umcrgcgan- gen war, bemächtigt cr sich der lange unterdrückten Volks-Ideen, flackert auf wie ein jäher Feucrstrahl, unv drci Dichter erstehen zu derselben Zeil, um ans vrei verschicvcnen Gesichtspunkten den Auf schwung des Volkes darzustellc», der damals mit der Empörung des Mammcllo sich Bahn machte. Der Nitter I. B- Basilio ist der erste unter diesen drci Dichtern; seine Poesie strotzt von seltsamen Bildern; sobald er sich aber von ver Rationalsprache losmgt unv zum Patois wenvct, wirv er vcr liebenswürvigstc und einfachste Schriftsteller Italiens. Sein Meisterwerk ist das Pcntamcrone oder W t'um» I> cnnti, ein in Neapolitanischem Dialekt ver aßtcs Buch. Folgendes ist unge fähr ver Inhalt ves Pcmameron. Der König von Monlerunno ist durch einen Zauberer in eine Slatue verwandelt worden unv soll nur vann wicvcr zum Leben zurückkehren, wenn ein junges Mädchen drci Eimer mit ihren Thräncn anfüllt. Diese Aufgabe ist schwierig zu lösen, und der König schläft schon seit mehreren Jahrhunderten m seinem Mausoleum. In einem anderen weit entfernten König reiche lebte eine Prinzessin, die so weise wie Zoroaster, so crnstdäft wie Heraklit war unv vie in ihrem ganzen Leben noch nicht ein ein ziges Mal gelacht hatte. Ihr Vater halte zur Zerstreuung ihrer Schwcrmutb nichts unversucht gelassen, cr gab die herrlichsten Feste, cr bcrics alle Spaßmacher der Welt an seinen Hos, das Ucdcl aber Unverstand allen feinen Anstrengungen. Eines Tages kam cr auf ven Einfall, einen Oel-Springbrunnen auf der Straße anbringcu zu lassen, vielleicht vaß die Scilensprüngc der über diesen künstlichen Regen erschreckten Vorübergehenden seine Tochter belustigen möchten. Das Mittel schlug an, denn eine Here, die über die Straße ging, machte einen so großartigen Satz, vaß vie Prinzessin in lautes Gelackter ausbrach. Alle sinv darüber entzückt, die alte Here aber rächt sich, invem sic dic Prinzessin Zoza dazu verdammt, den König von Mon- terunno zu hcirathen. Zoza entflieht aus vcm Palaste ihres Vaters, um ihren Gemahl aufzusuchcn; mit vcm Bcistanvc zweier wohlgesinn ter Feen kömmt sie in vem Königreiche Monlerunno an; sic bezieht sich sogleich zur Slawe des Königs unv vergießt Ströme von Thränen in vie vrei am Grabmal befestigten Zauber-Eimer. In vielem Zustande bringt sic zwei Tage zu, die Eimer find beinahe ge füllt, da versinkt sic am Ende des drillen Tages aus Ermattung in einen tiefen Schlaf; eine Negersklavin, die sic beobachtet hatte, raubt ihr vie Eimer unv ergänzt das Fehlende durch Thränen. Sogleich be lebt sich die Statue, steigt von ihrcin Picvestal, unv die Negerin wirb auf der Stelle dic Gemahlin des erlösten Königs. Man kann sich Zoza's Schmerz bei ihrem Erwachen Vorsteven, doch hofft sie den Betrug noch zu enthüllen, unv nm vazu die günstigste Gelegen heit abzupanen, bezieht sie einen Palast, vem vcS Königs gegenüber. Die Negerin, vie »ck in guter Hoffnung befindet, hat vie seltsamsten Gelüste unv verlangt vie außerorvcmlichsteu Wunvcr ves Feenreiches zu schauen. Aus einmal kömmt chr vie Lust an, sich Geschichtchen erzählen zu lassen; ver König, der unermüvlich ist, wenn es sich darum handelt, ihr gefällig zu sepn, läßt alle Damen seine Hofes sich versammeln; aus vielen wählt er zehn auS, worunter fick auch Zoza definvct, unv trägt ihnen auf, den neuen Wunsch der Königin zu erfüllen. Nun beginnt eine Folge von fünfzig mit Eklogen unv anvcren Gedichten vermischten Erzählungen; es sind fünfzig kleine Dramen von vcr wunvcrlichsten Seltsamkeit. Schlangen, sprechenvc Katzen, gräulicke, fratzenhafte Sccungethümc, alle Phantomc der Mythologie unv vcr Sagen vcS RittcrthumS, eine Menge obscöner, prächtig unv scheußlicher Verwandlungen unv alle abenteuerliche Schöpfungen ver Zauberei reihen sich in diesen zur Kurzweil für die Gemahlin Monlerunno's erzählten Mährchen an einander. Als aber dic Reihe an dic Prinzessin Zoza kömmt, glaubt man in die Wirklichkeit zurückzukchren, denn ihre eigenen Abenteuer, die sic in der lctzlcn Novclle erzählt, scheinen nicktS weiter als eine nur zu wahre Geschichte zu sevn. Der König, der auf diese Weise die List erfährt, deren Opfer Zoza geworve», läßt dic Negerin tödtcn und heirathct die Prinzessin. In seinem Pcntameron erfindet Basilio Be gebenheiten, dic wunderbarer als alle Wunder der Zauberei sind. Hier werden auf Befehl eines grausamen Königs einer Prinzessin die Hände abgeschnittcn, in einen Krystallkasten eingeschlosscn unv ins Meer geworfen; sie durchschwimmen den Ocean und werden von einem Prinzen aufgefunvcn, der darob in Liebe entbrennt unv seine unbekannte HcrzenSgcbictcrin aufsucht, wobei ihm die sonderbarsten Dinge widerfahren. In einem anderen Mährchen ist ein König in irgend einen bösen Zauber gebannt, in Folge dessen eine allgemeine Empfängniß über seinen Palast sich verbreitet, von der nicht allein alle Bewohner, sondern auch die leblosen Gegenstände heimgcsucht werden. Nack Verlauf von neun Monaten gebiert die Königin cm Kind, dic Stühle kleine Stühle, kurz alle Gegenstände verdoppelten sich. Die wunvcrliche Novelle schließt mit der Vermählung des Königssohnes, der durch ein an demselben Tage geborenes Kind, vaS mit einem Schwert kämpft, welches unter dem Einfluß des Zaubers von einem anderen Schwerte geboren wurde, aus einer fürchterlichen Gefahr gerettet wirb. Eine Blume, die sich nach einem phantastischen Ereigniß in ein junges Mädchen verwandelt, ist ver Gegenstand einer anderen Novclle. Besonderer Erwähnung aber verdiene das Mährchen von der Schlange: Eine Schlange verwandelt nämlich ein ganzes Königreich in massives Gold und Silber, um die Tochter des Königs