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Dresdner Journal. Verantwortlicher Redaeteur: I. (9. Hartmann, .1?141 Erscheint mit Ausnahme der Sonn» und Festtage täglich Abend« und ist durch alle Postanstalten zu beziehen. Freitag, den 20. Juni. Prei« für da« Vierteljahr 1^ lhaler. Insertion«-Gebühren für den Raum einer gespaltenen Zeile 1 Neugroschen. 18S« Amtlicher Theil. Dresden, 19. Juni. Seine Majestät der König sind mit Ihrer Kaiserlich Königlichen Hoheit der verwitt- welen Frau Großherzogin von ToScana, welche von München in Leipzig angelangt, heute Mittag ^12 Uhr, von dort hier eingetroffen und haben Sich sogleich nach Pillnitz begeben. Bekanntmachung, die künftige Benennung der Stadt Großenhain betr. vom 10. Juni 1856. Von den Vertretern der zeither verschiedentlich theils Gro ßenhain, theils Hain genannten Stadt ist darum nachgesucht worden, daß der Letztem, zu Vermeidung der durch diese un gleichmäßige Bezeichnung entstehenden Irrungen, inskünflige nur noch der Name Großenhain beigelegt werden möge. Nachdem nun diesem Ansuchen mit Allerhöchster Geneh migung stattzugeben beschlossen worden ist, so wird Solches zur allgemeinen Nachachtung hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Dresden, am 16. Juni 1856. Ministerium des Innern. Freiherr von Beust. Charpentier. Nichtamtlicher Theil. Arbersicht. Tagcsgcschichte. Dresden: Ankunft der verwitweten Groß herzogin von Toscana. Berichtigung bezüglich des Ver trags mit Frankreich. — Elster: Ankunft der Herzogin von Altenburg. — Wien: Oesterreich für Beibe haltung der Trennung der Donaufürstenthümer. Ernte aussichten. Eardinalsernennungen. Vermischtes. — Mün chen: Die Kaiserin-Mutter von Oesterreich. Vom Land tage. — Augsburg: Begrüßung des Königs von Preu ßen. — Stuttgart: Ankunft des Königs von Preußen. — Weimar: Die Königin-Mutter der Niederlande. Prof. Dropsen nach Königsberg berufen. — Eisenach: Eröff nung der Aollconferenz.— Frankfurt: Abreise des Prinzen von Preußen. — Paris: DaS Banket im Stadthause. Die Reise des Prinzen Napoleon. DaS Place'sche Fallisse ment. Graf Walewski mit dem schwarzen Adlerorden decorirt. Vermischtes. — Brüssel: Verurtheilung wegen Preßvergehen. — Madrid: Das TadclSvotum gegen O'Donnell verworfen. — London: Lord Palmerston über den Eonflict mit Amerika. — Helsingör: Zur Sund zollfrage. — St. Petersburg: Zur Anwesenheit des Kaisers in den Ostseeprovinzen. Aollangelegenheiten. — Warschau: Leichenbegängniß des Ministers Turkull. Local- und Provinzialangelegenheiten. Dresden: Verhandlungen der Stadtverordneten. Vermehrung der Dampfschiffe. Vermischtes. — Leipzig: Ergebniß des WollmarkteS. — Chemnitz: Selbstmordversuch.— Ge ringswalde: Unglücksfall. — Schönheide: Feuer. — Erledigte Schulstellen. AuS dem neuesten Geschäftsberichte der Albertsbahn. Feuilleton. Inserate. TageSkalender. Börsennachrichten. * Tagesgeschichte. Dresden, 19. Juni. Ihre k. k. Hoheit die verwitwete Frau Großherzogin von ToScana ist heute Mittag, über Leipzig von München kommend, in Begleitung Ihres Ober- kofmeisterS Marchese Martellini und der Hofdame Gräfin Bacciocchi zu einem länger» Besuche am königlichen Hofe eingetroffen. Se. Maj. der König waren Allerhöchstihrer durchlauchtigsten Schwester gestern bis Plauen entgegengereist, hatten mit Höchstderselben in Leipzig übernachtet und trafen von dort Mittags vor 12 Uhr auf dem hiesigen Bahnhofe ein, woselbst der Vertreter des Gouverneurs, Plahmajor Vitz thum v. Eckstädt, und der k. Polizeidirector v. Pflugk bei Ankunft des AugeS anwesend waren, worauf Se. Majestät Ihre k. k. Hoheit ohne Aufenthalt nach Pillnitz geleiteten. Dresden, 18. Juni. Die Leipziger „Jllustcirte Zeitung" Nr. 675 vom 7. Juni d. I. giebt einen Artikel über den zwischen Sachsen und Frankreich wegen gegenseitigen Schutzes gegen Nachdruck abgeschlossenen Vertrag, auf welchen wir wegen zweier Unrichtigkeiten zurückkommcn müssen, die er ent hält. — Nach diesem Artikel soll der k. Gesandte, Herr v. Seebach, „sich bereit gezeigt haben, auf die Vorschläge des Kaisers einzügehen"; und ferner soll dessen letzte Reise, welche „le Nord" mit Mediatisirungüplänen deutscher Klein staaten in Verbindung gebracht habe, wie sich nun zeige, „die Mediatisirung deS Leipziger Buchhandels" zum Zwecke gehabt haben. Dagegen ist zu bemerken, daß die Initiative zu diesem Vertrage von Frankreich und zwar schon vor länger als Jahresfrist ausging und daß alle Verhandlungen in Dresden zwischen dem kaiserlich französischen Gesandten und dem Mi nister der auswärtigen Angelegenheiten gepflogen wurden, so daß Herr v. Seebach in dieser ganzen Angelegenheit weder anregend noch ausführend in irgend einer Weise bctheiligt gewesen ist. Die Veranlassung war ganz natürlich durch die Lage der beiderseitigen Gesetzgebungen, welche den gegenseitigen Schutz bereits principiell festgestelll hatten, gegeben und die Nothwendigkeit, gewiße formelle Schwierigkeiten auszugleichen, wurde nur benutzt, um dem Leipziger Buchhandel für seinen — nicht blos deutschen — sondern überhaupt nicht - fran zösischen, also auch lateinischen, griechischen, englischen u. s. w. Verlag — einige Vortheile in Frankreich zu sichern. Es ist auch dieses nicht eher geschehen, als bis durch den französisch belgischen , dem Hauptnachdruckqeschäft französischer Artikel ein Ende machenden Vertrag der Handel mit französischen Nachdrucken für die Folge den größten Theil seiner commer- ziellen Bedeutung verloren hatte. Der Artikel hebt ferner hervor, daß die französische Schutzdauer kürzer sei, als die sächsische und in Frankreich mehr Schwierigkeiten mit der Sickerung des Verlagsrechts verbunden seien. Diese letzter» zu beseitigen, dienen aber die Hauptbeflimmungen des Vertrags, und waS die Schutz bau er anlangt, so ist ausdrücklich stipu- lirt, daß der Franzose in Sachsen keinen längern Schutz beanspruchen kann, als im eignen Lande. Die Ungleichheit liegt also lediglich in dem Ueberwiegen deS Absatzes fran zösischer Artikel in Deutschland gegen den Absatz deutscher Artikel in Frankreich. Das ist nie verkannt worden. Ab gesehen aber davon, daß dieser Umstand sich allmählich und namentlich dann, wenn die spottbilligen Nachdrucke der fran zösischen leichten Romanliteratur ausgeschlossen sind, ändern wird und daß er allein bei der Lage der beiderseitigen Gesetze nicht genügen konnte, nm einen lediglich complementiven Vertrag zu schliessen, bemerkt die „Jllustrirte Zeitung" selbst, daß es sehr zweifelhaft sei, ob dieser große Absatz aller, auch der schlechtesten, französischen Erzeugnisse in Deutschland uns besonders zum Ruhme gereiche. Es ist alle Aussicht vorhan den, daß die meisten andern Staaten mit ähnlichen Verträ ¬ gen nachfolgen und damit wird der einzige allenfalls an- zucrkennende reelle Uebelstand verschwinden. Im Allgemeinen aber können wir darin, daß die „freie Bewegung" des Buch handels in der Richtung des Nachdrucks und der bodenlosen Vervielfältigung schlechter Übersetzungen etwas verliert, einen wesentlichen und dauernden Verlust für den reellen Buch handel nicht erblicken. n Bad (Kister, 18. Juni. Soeben, Nachmittags 3 Uhr, ist Ihre Hoheit die Herzogin von Sachsen-Alten burg zum Gebrauch der Cur hier eingetroffen und, ehrfurchts voll begrüßt von der königlichen Bade-Jnspection, im Hause „Zu den vier Jahreszeiten" abgetreten. Die Flaggen und Fahnen in den sächsischen Farben, mit denen der Ladeplatz und viele Häuser geschmückt waren, wehten dem hohen Gaste ein herzliches „Willkommen" entgegen. — In der Beglei tung Ihrer Hoheit befinden sich Deren Hofdame Fraulein v. Lindheim und Se. Ercellenz Herr Obersthofmeister v. Minckwitz. :ma: Töten, 17. Juni. Die gegenwärtig hier weilen den hohen Diplomaten, Fürst Gortschakoff (dessen Abreise auf den 21. d. M. angesetzl ist) und Aali Pascha, haben häufige Conferenzen mit unserm Minister der auswärtigen Angelegenheiten, deren Gegenstand hauptsächlich die bevor stehende Organisation der Donaufürstenthümer sein soll. Wie ich aus zuverlässiger Quelle vernehme, besteht Oesterreich auf der beizubehaltenden Trennung der Fürstenthümer. Sie wissen, daß die Türkei natürlich derselben Ansicht ist, während Ruß land für die Vereinigung der Fürstenthümer ist und in dieser Beziehung die Westmächte für sich hat. Herr v. Koller, österreichisches Mitglied der mit Organisirung der Fürsten- tkümer beauftragten Commission, ist bereits dieser Tage von Sr. Majestät in einer Privalaudien; empfangen worden und wird sich dieser Tage in die Fürstenthümer begeben. Die Commission soll am 15. Juli in Bukarest zusammentreten, dort zwei bis drei Sitzungen halten und sich hierauf auf ausdrücklichen Wunsch der hiesigen Regierung nach Konstan tinopel begeben, um dort ihre Arbeiten fortzusehen und in der Hauptsache zu beenden. — Auch aus Siebenbürgen meldet man von bedeuteten Hagelschäden, welche die Feldfrüchte sehr mitgenommen haben, waS ein Steigen derselben ver ursachte. Aus dem Banate u. den untern Donaugegenden sind die Nachrichten über den Stand des Getreides gut, man fürchtet aber dort die Heuschrecken, welche im Anzuge sind. Töten, 17. Juni. (W. Bl.) Sämmrliche hohe Würden träger, die behufs der (heute geschlossenen) bischöflichen Con ferenzen hier versammelt waren, werden morgen von Seiner Majestät dem Kaiser in einer feierlichen Abschiedsaudienz empfangen werden. Heute fand bei dem Herrn Cardinal- Nuntius Viale Prela ein großes Abschiedsdiner von 60 Cou verts statt, zu welchem sämmtliche Cardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe, welche die Conferen; bildeten, eingeladcn waren. Einer telegraphischen Privatmittheilunq auS Rom zufolge ist der Erzbischof von Agram, Georg Haulik v. Barallva, in dem am 16. d. M. abgehaltenen Consistorium als Cardinal proclamirt worden. Wir haben Grund, anzunehmen, daß gleichzeitig auch der griechisch-unirte Erzbischof von Lemberg, Lewicki, als Cardinal proclamirt worden ist. — Feldmarschall Graf Radetzkv ist am verflossenen Montage nach seiner Som- merresiden; in Monza abgegangen. München, 16. Juni. (A. Z.) Ihre Majestät die Kai serin-Mutter von Oesterreich ist, von Salzburg kommend, diesen Abend hier eingetroffen, und im WittelSbacher Palast abgeslicgen. Ihre Majestät wird zwei Tage hier verweilen, und dann die Reise zu dem königlichen Bruder nach der Ludwigshöhe in der Pfalz fortsetzen. - Eine Fahrt in die AlleghanieS. Von Fr. Löher.*) Von den Alleghanybergen hatte ich so viel Entzückendes ge hört und freute mich darauf, einmal wieder recht inS Gebirge zu kommen. Schon begannen seine Vorposten, Wiesen mit Flüß chen, Tannenplätzchen, in Menge verstreute FelSblöcke und kleine von roh behauenen Steinen aufqeführte Häuser. AIS wir höher kamen, sahen wir auf eine weite, von stolzen Bergen umragte Ebene zurück. Bor unS machte eine blaue Bergwand einen langen Strich durch die hohen Wolken, und als wir oben waren, sahen wir tief unten rin schmales Thal und un» gegenüber einen andern langen Bergzug, der jede Weitrrflcht abschloß. So blieben nun die Umrisse deS Gebirges. Weitgestreckle Verglichen ziehen in ungefähr gleicher Höhe hintereinander her, zu Zeiten durch eine Querwand verbunden, dazwischen find hübsche Helle Thäler tief eingefurcht, auS denen die Aecker oft bis in die hohen Bergwäkder hinrinreichen. Die Straße folgt gewöhnlich einem Flüßchen -, wo e» auS den Bergen herniedrrkommt, da schmiegt *) Wir entnehmen diesen vortrefflichen und sehr interessant ge schriebenen Aufsatz, welcher die Naturbeschaffenheit eine« ost genann ten Theile« von Amerika und die Sharakterverwandtung dortiger deutscher Ansiedler sehr lebendig schildert, einem bei Wigand in Gbttingen erscheinenden literarischen Sammelwerke: ,,Wa« Ihr wollt" (Dretdrn, Arnold'sch« Buchhandlung). 8« bringt in zwanglosen Heften je zu S Rgr. sehr mannichfaltige Aussätze au« fremder und deutscher Literatur, die im Allgemeinen gediegen und aut gewählt find. So schließt sich da« Stanze den bekannten „Sisen- iahnbibliotheken" an, nur daß e« kürzere Aufsätze und weniger Novellistische, breite Produktionen bringt. O- D. Feuilleton. sie sich hinein, läuft dann ganz allmählich an einer Berglehne hinauf; auf ihrer Spitze angelangt, wo man fast nur die Kämme der Wellenlinien deS Gebirge« steht, sucht die Straße ein Quer joch, auf dem sie zur nächsten Höhe führt, um auf deren anderer Seite wieder den Windungen eines Flüßchens entlang hinabzu steigen, ein Thal rasch zu durchschneiden und dann wieder zu ganz gleicher Bergfahrt überzugehen. In den Thälern, deren grüneS bewässertes Bette man von oben weithin verfolgen kann, kamen wir durch kleine Städtchen, welche ziemlich schwarz auS- sahen und viele Schmieden hatten. Die erbärmlichen Wagen zerstoßen sich auf den noch schlechter« Wegen an dem Gesteine, Radmacher und Schmiede finden daher an der Straße reichliche Arbeit. Im Abenddunkel sahen wir sie vor einem Feuer auf der Straße auf die rothglühenden Radreifen loShämmern, daß die Funken sprühten. AIS wir nach dem Abendessen wieder eine ansehnliche Höhe hinauffuhren, lag über dem Gebirge der Schimmer einer wunder voll Hellen Mondnacht. Bergzüge über Bergzüge hoben ihre Kämme hintereinander empor, hier und da hing schon etwas Scknee an den Felsen und Bäumen, auS den tiefen Tbälern starrten die zahllosen Baumwipfel. Die ganze Reisegesellschaft war auSgestiegen. Nm mich herum liefen und stolperten rin paar berauschte Viehhändler auS dem Westen, weiter unten schallte daS rohr Gelächter von einigen Burschen, welche ein junges Ehepaar zaghaft immer eine Strecke voraußgehrn ließ. Die Alleghanie« scheiden den Osten vom Westen, sie machen auch eine Grenzscheide zwischen der feinern städtischen Bildung, dein nüch- «ernen Wesen der Bewohner der alten Staaten und dem frei müthigen, warmherzigen, aber rohern Benehmen der Westleute. WaS ich von den letztern bisher gesehen, nahm nicht sehr für sie ein. E» waren geriebene Leute, welche Karten spielten, Brannt wein tranken und denen bei den ersten Worten Dollars und EentS immer zwischen die Zähne kamen. Weil ich mit diesen Reiseqenossrn nicht anbinden wollte, suchten fie mich durch derbe Späße zum Reden zu bringen. Der gewöhnliche Amerikaner findet eS unausstehlich, wenn Jemand ihm nicht sein Geschäft und seine Denkweise offenbaren will. Diese Neugierde ist häufig so zudringlich und widerwärtig, daß man da- unbehagliche Ge fühl hat, als wollte sie einem bis in den Magen hinabsehrn. Bei dem Abendessen hatte der Wirth, rin alter Deutschpennsylvanier, eine Banknote, dir er irrthümlich für unecht hielt, nicht an nehmen wollen, den nannten fie einen „regelrechten deutschen Dummkops (regulär ckulci» kiockiieack), und ergingen sich in den rohesten Witzen über daS „verdammte deutsche Volk". AIS ich still blieb, vergnügten sie sich zu drängen und zu stoßen, daß ich dachte, der alte Wagenkasten müsse auSeinanderbrechen. 3ch sah eine schlimme Nacht voraus, fing endlich an zu fluchen, englisch, deutsch, französisch, italienisch, waS mir nur einfallrn wollte, und hielt meinem Gegenüber den Fuß nahe vor die Augen mit dem Versprechen, ihn da hinein zu stoßen, wenn er mich noch einmal drüc^; das gab erst ein Gelächter, und dann wurden sie freund- sich und fragten nach Deutschland und der alten Welt. Ich er- zählte ibnen nun Wunderdinge und hatte den Erfolg, daß fie nicht nur artig wurden, sondern sich auch die Hälfte al« Nach kommen von Deutschen zu erkennen gab. Führt Einen da« Un glück unter solche amerikanische Rowdie«, so hat man nur die