Volltext Seite (XML)
SllMmiM Tageblatt «nd Waldenburger Anzeiger Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Mittwoch, den 8! November 1882 ^L26« Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster, scheinende Nummer bis Mittags 12 lehr deS vorhergehenden Tages. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich L Mk. 5V Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. "Waldenburg, 7. November 1882. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser hält, wie cs he-ßt, dem Widerspruch seiner Aerzte gegenüber auf das Bestimmteste an der Absicht fest, am 14. November in Person die Eröff nung des preußischen Landtages zu vollziehen. Trotzdem wird es nicht für unwahrscheinlich gehalten, daß der Kaiser, wenn das Wetter nicht sehr schön bis zum Eröffnungstage bleibt, dem Rath der Aerzte folgt, welche jede derartige Anstrengung mit Recht von dem greisen Monarchen fernhalten, der bei aller wunderbaren körperlichen Frische doch sehr zu Er kältungen neigt und daher nicht ohne Gefahr für seine Gesundheit sich der kalten ungesunden Tempe ratur des Weißen Saales aussetzt. Bei der vor jährigen Eröffnung der neuen Legislaturperiode des Reichstages war es bekanntlich bis zum letzten Morgen der feste Wille des Kaisers, die Thronrede selbst zu verlesen, die schon in der bekannten großen Schrift gedruckt war, bis dann kurz vor der Eröff nung die Absicht aufgegeben und die bisher unge wöhnliche Form der kaiserlichen Botschaft gewählt wurde. Die conservativen Wahlmänner des Kreises Bitter- seld-Delitzsch sandten an den Grafen Moltke ein Glückwunschtelegramm zu dessen am 26. October stattgehabten Geburtstag, an welchem Tage auch die Landtagswahlen stattfanden. Moltke sandte darauf an den Landrath v. Rauchhaupt folgendes Schreiben: „Ich danke für den Glückwunsch und spreche zugleich meine Gratulation zum Siege unse rer Partei aus." Gegenüber denZeitungserörterungen überdieFrage, welche Parteicombination die preußische Regie rung versuchen werde, um sich eine Majorität zu verschaffen, hebt die „Nordd. Allg. Ztg." hervor, daß in Preußen das Parteiregiment weder rechtlich, noch faktisch irgend welchen Boden habe. Eine Regierung, welche ihre Aufgabe darin finde, als listiger Makler von Fraction zu Fraclion herumzugehen, um ein Geschäft zu Stande zu bringen und die erwünschte Courtage einzuheimsen, stehe in schroffem Gegensatz zur Auffassung derjenigen, denen die Erhaltung des preußischen Staatswesens am Herzen liege. Die Regierung werde bei ihren Vorlagen an die Volks vertretung lediglich das Staatswohl im Auge haben; die Partei, welche die Regierung dabei unterstütze, werde naturgemäß einen Einfluß auf die Negierung gewinnen, weil sich beide auf ihren Wegen treffen Müßten, die Regierung werde es aber abwarten, daß ihr Unterstützung entgegen gebracht werde. Der preußische Cultusminister hat einen Erlaß wegen Belebung volksthümlicher Jugendspiele erlassen. Die Gewinnung offener Turnplätze wird Überall als nothwendig bezeichnet. Eugen Richter's Stern ist im Erbleichen! Die „B. B. Z." schreibt: Während infolge der Diffe renzen zwischen den Herren Hänel und Richter be kanntlich vor einigen Wochen der Austritt des erste ren und seiner nächsten Freunde und ihr Anschluß an die Secessionisten als ziemlich sicher galt, wird es jetzt infolge des Ausfalls der Wahlen als gewiß betrachtet, daß er seine Stellung an der Spitze der Fortschrittspartei mit Erfolg im Hause der Abgeord neten wahren wird — woraus sich die entsprechende Wirkung im Reichstage wohl von selbst ergeben wird. Hätte die Richter'sche Agitation für die Fort« lchrittspartei ähnliche Erfolge erzielt, wie im vorigen Jahre bei den Wahlen zum Reichstage, so würde Herr Hänel dem dadurch gesteigerten Prestige seines Rivalen wohl nicht haben die Spitze bieten können; Unter den ganz anderen Verhältnissen aber, welche jetzt obwalten, ist Herr Hänel eines gesteigerten An sehens in seiner Partei sicher. Die diesmaligen Wahlen in Nord-Schleswig haben wiederum den Beweis erbracht, daß das dä nische Protestelement daselbst in langsamem, aber stetigem Abnehmen begriffen ist. Die fünf auf einander folgenden Landtagswahlen von 1870, 1873, 1876, 1879 und 1882 brachten der däni schen Partei im Kreise Hadersleben folgende Wahl männerziffern: 205, 183, 168, 162, 157; es ist also eine stetige Abnahme zu erkennen. Eine ebenso stetige Zunahme erfuhr die deutsche Partei: die Zif fern 28, 32, 37, 55, 57 bezeichnen die Anzahl ihrer Wahlmänner in denselben fünf Jahren. Die Dänen haben also 30 pCt. verloren, die Deutschen 100 pCt. gewonnen. In socialdemokratischen Kreisen beginnt den „Pol. Nachr." zufolge die Ansicht Platz zu greifen, daß die Arbeitercongresse für die Zwecke der Partei ohne Nutzen sind. Es wird deshalb vorgeschlagen, kleine Gruppen zu bilden, die, in sich straff organisirt, von, einem Centralcomitee aus geleitet werden; die Beschlüsse sollen nach Majoritäten gefaßt und ihnen dann blinder Gehorsam geleistet werden, zu welchem Zwecke von vornherein alle Dissidenten auszuschließen sein würden. Zum Zwecke der Propaganda sollen kleinere Vereinigungen veranstaltet, Journale und Manifeste verbreitet werden. Behufs statistischer Ermittelungen über die gegen wärtigen bäuerlichen Besitzverhältnisse in Preu ßen sind Formulare zur Ausfüllung durch die zu ständigen Behörden und Beamten entworfen wor den, aus welchen der kleine, mittlere und große Be sitz auf dem platten Lande erhellen soll. Der kleine Besitz reicht (um bei dem alten Maßsystem stehen zu bleiben) bis zu 30 Morgen, der mittlere von da ab bis zu 600, der große von 600 bis 1000 und dann über 1000 Morgen. Neben der Stückzahl der Güter u. s. w. ist auch das Gesammtareal festzu stellen. Professor Virchow ist erkrankt und befindet sich, wie die „Nordd. Allgem. Ztg." mittheilt, in Behandlung seines Schwagers, Professor Meyer, und des Or. Siegmund. Die Aerzte haben die Natur der Krankheit noch nicht genau feststellen können. Der Patient fiebert stark. Die Nacht zum Sonnabend ist zwar etwas besser gewesen, doch war das Befinden am Sonnabend früh wieder ein etwas weniger gutes. Nach einer anderen Meldung soll Virchow an Nierenentzündung leiden. Frankreich. Die Pariser Blätter „Temps" und „Rep. Fran?." beuten den Ausfall der italienischen Wahlen im deutschfeindlichen Sinne aus. „Temps" rälh den Italienern, der deutsch-österreichischen Allianz den Rücken zu kehren und sich in Frankreichs Arme zu stürzen. Das Gambetta'sche Blatt stimmt außer dem noch ein Loblied auf das Listenskrutinium an und regalirt die Majorität der französischen Depu- tirten mit allerlei versteckten Drohungen, wie denn überhaupt die Haltung der „Rep." in allen Fragen der inneren Politik tagtäglich zweideutiger wird. Italien. Dieser Tage hat wenig gefehlt, so hätte man den Papst gepfändet. Leo LIII. besitzt nämlich, wie italienische Blätter berichten, in dem Dorfe Cori (Mittel-Italien) einige Ländereien, die er an Bauern verpachtet hat, welche zugleich auch die vorgeschrie benen Abgaben dafür entrichten müssen. Einer dieser Bauern weigerte sich jedoch kürzlich, die directe Steuer im Betrage von fünfunddreißig Lire zu ent richten. Die Steuerbehörde in Cori beschloß nun, sich an den Gutsherrn selbst zu halten und ihn unter Androhung der Execution zur Entrichtung der Steuer aufzufordern. Das betreffende amtliche Schreiben wurde dem päpstlichen Güter-Jnspector in Cori zugestellt und trug folgende Aufschrift: „An den Bürger Joachim Pecci, seines Standes Papst, wohnhaft in Rom in den vatikanischen Palästen und dorthin auch zuständig." Der Papst ließ es natür lich auf eine Pfändung nicht ankommen und erlegte sogleich die fünfunddreißig Lire. Er erhielt darauf eine Quittung mit der Bestätigung, daß der „Bür ger Joachim Pecci" seiner Steuerpflicht gehörig nachgekommen sei. Schweden. Zur Feier des 250. Jahrestages der Schlacht bei Lützen und des Todes Gustav Adolph's sand am 6. d. Vormittag in Stockholm in der Ritter holmskirche ein von dem Erzbischof zelebrirter Fest- gotlesdienst statt, welchem die königliche Familie und die Großherzogin von Baden beiwohnten. Das Gustav-Adolph-Denkmal am Gustav-Adolph-Platz war mit Lorbeeren und den in der Schlacht bei Lützen erbeuteten Trophäen geschmückt. Die Trup pen der Garnison defilirlen vor dem Monument und trotz des ungünstigen Welters nahm die Be völkerung an den Feierlichkeiten den regesten Antheil. Abends sand bei dem Gustav-Adolph-Denkmal eine Gesangsaufführung statt. Rußland. Der jetzige Petersburger Oberpolizeimeister ent wickelt nach wie vor eine sehr heilsame Thätigkeit. Jetzt sucht er die Stadt von den Spelunken zu säu bern, in denen öffentliche Dirnen gehalten wur den. Bekanntlich dienten diese Spelunken sehr häu fig verfolgten Nihilisten zum Zufluchtsort. Egypten. Von 380 Gefangenen wurden 50, die sich bis her in Voruntersuchung befanden, für schuldig be funden und dem Kriegsgericht überwiesen. Es fin den Vorbereitungen statt, um 8006 Mann Truppen binnen 14 Tagen nach Suakim zu senden; 3000 Mann bleiben als Reserve in Koresco. Die Untersuchungscommission empfing neue Be weise für die Theilnahme Arabi's an den Brand stiftungen in Alexandrien. Der Ministerrath beschloß, bei Führung des Processes gegen Arabi sich gleich falls englischer Advocaten zu bedienen und berief den Advocaten Grosjean in Alexandrien nach Kairo. Amerika. Auf Kuba giebt es noch immer 137,500 Scla- ven. Dank dem stetigen Fortschreilen des Emanci- pationswerkes vermindert sich die Zahl der Sclaven mit jedem Jahr um ein Beträchtliches. Seit der Inkraftsetzung des Emancipationsgesetzes von 1880 sind 16,615 Neger frei geworden und zwar 66 Procent durch die freiwillige Handlung ihrer Herren, 11 Procent in Gemäßheit der vor 1880 in Kraft befindlichen Civil- und Strafgesetze und 23 Procent in Folge des neuen Gesetzes. Von diesen 23 Pro cent erlangten */s ihre Freiheit durch Erkaufung der selben. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 7. November. I. I. D. D. Frau Fürstin und Prinzessin Elisabeth von Schönburg- Waldenburg sind heute Nachmittag auf einige Tage zum Besuch nach Schloß Droyßig adgereist. — Nachdem in Zwickau das Projecl eines Theater neubaues, welcher vorläufig mit einem Kostenauf wande von 250,000 Mk. veranschlagt war, daran gescheitert war, daß die aus Privatmitteln aufzu bringende Summe nicht gezeichnet wurde, ist neuer dings die Theaterbaufrage in ein neues Stadium getreten, indem eine Anzahl Zwickauer Herren den Entwurf eines kleineren Theaters hat ausarbeiten