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Ucbcr den Schutz der Photographie, bezüglich der unbc- , rcchtigteu Nachahmiiug, in vergleich mit den anderen Pcr- vielfältiguilgsiiiittclu der bildlichen Darstellungen. Von A. Martin. Wenn man Nachfrage hält, ob und wie in den verschiedenen Ländern die Erzeugnisse der Photographie gegen unbefugte Nach ahmung geschützt seien, so erhält man niemals recht befriedigende > Antworten. Es scheint, daß diese Angelegenheit noch nirgend voll kommen gesetzlich geregelt sei, und daß in den meisten vorkommenden ! Klagesällen die individuelle Anschauung der Richter, bei Fällung des i Urtheils, den Ausschlag gibt. Es erscheint wünschcnswerth, daß man j in maßgebenden Kreisen, den Beziehungen der Photographie zn den übrigen graphischen Künsten, sein Augenmerk zuwende. In den nach folgenden Zeilen will ich versuchen diese Verhältnisse näher zu be leuchten und glaube um so mehr in dem Umstande eine Entschuldigung zu finden, als dem Vernehmen nach, gegenwärtig in Frankfurt eine Kommission tagen soll, welche sich mit der Formulirung eines Ge setzes zum Schutze des geistigen und artistischen Eigenthums zu be fassen hätte. Die Photographie ist ein neuer Zweig bildlicher Darstellungen. Ihre hohe Ausbildung und ihre weit ausgedehnte Benutzung machen es nöthig, daß dieselbe in gesetzlicher Beziehung, den anderen Zweigen der bildlichen Darstellungen, insofern dieselben Vervielfältigungs mittel einer bestimmten Abbildung sind, gleichgestellt werde. Wenn man auch mit einigem Schein von Recht behaupten kann, daß die Photographie, z. B. in Oesterreich, in dem Gesetze zum Schutze deS geistigen Eigenthums, unter dem Ausdrucke — „Jede, ohne, Ge nehmigung des Urhebers unternommene Vervielfältigung eines — Werkes wird als verbotener Nachdruck erklärt, und zwar ohne Unterschied, ob hierbei das nämliche oder ein anderes Verfahren als bei Erzeugung des Originalwerkes augewendet worden ist" — einbezogen sei, so hat doch die Erfahrung gezeigt, daß die Richter an verschiedenen Orten bei Nachdrucksprozeffen verschiedene Urtheile gefällt haben, obwohl der Klagesall ein und derselbe war. Es ist Wünschenswerth, daß ein Gesetz so klar als möglich alle jene Fälle, wenn auch nur in allgemeinen Umrissen, bezeichne, aus welche das selbe angewendet werden soll. Die Photographie hat so viele Nuancen und Beziehungen zu den anderen Vervielfältigungsmitteln der bild lichen Darstellungen, daß es absolut nothwendig erscheint, dieser schönen Kunst, in dem Gesetze zum Schutze des geistigen und ar tistischen Eigenthums auch nominell einen Platz zu gönnen und ihre Anwendung und ihren möglichen Mißbrauch durch gesetzliche Bestimmungen zu regeln. Warum dies nicht schon lange und namentlich gleich anfangs geschehen ist, scheint in einem eigenthümlichen Umstande begründet. Die Kunstwelt hat die Photographie gleich nach ihrer Erfindung mit scheelen Augen angesehen und hat, trotz der damaligen Unvoll kommenheiten derselben instinktmäßig in ihr eine Erfindung erkannt, die bestimmt war durch ihre hohe Ausbildung, den Vervielfältigungs mitteln der bildlichen Darstellungen Konkurrenz zu machen. Die Kunstkritik suchte daher schon damals die Photographie ans so niedrige Stufe als möglich zu stellen und hat dadurch das Kind mit dem Bade verschüttet. Die Fortschritte der Photographie nahmen riesenmäßige Dimensionen an und so mancher Künstler hat sich aus materiellen Rücksichten bewogen gefunden, den Pinsel wegzulegen und die Lichtstrahlen für sich zeichnen zu lassen. Keinem vernünftigen Photographen wird es je in den Sinn kommen, für diePhotographie einen Kunstwerth in höherer Bedeutung des Wortes an sprechen zu wollen, selbst wenn er sich auch bewußt ist, daß ein ge wisser Geschmack oder Kunstsinn zn ihrer richtigen Anwendung noth wendig sei. Es hat also vor Allem bas Gesetz der Photographie ihren Platz in der Reihe der graphischen Künste anzuwctsen, und wenn man dabei ganz vorurtheilsfret zu Werke geht, so kann man gewiß nicht leugnen, daß die Photographie ein Verviel fältig» ngsmittel bildlicher Darstellungen sei, und daß der Kunstwerth des photographischen Bildes, insofern ülwrhaupt eine Kopie einen Kunstwerth haben kann, in einem gewissen Zu sammenhänge stehe, mit dem Kunstwerth des dargestellten Gegen standes. Wenn man z. B. ein Original-Oelgeniälde auf photogra phischem Wege reproducirt.so wird doch gewiß niemand leugnen, daß die Photographie gewissermaßen eine Emanatioi^ des OclgemäldcS sei und denKunstwerth deS Oelgcmäldes gewiß besser zn repräsentircn im Stande ist, als eine schlecht gemachte Lithographie. Hierbei ist jedoch vor Allem zu bemerken, daß ein Gesetz gegen den Nach druck, nur die Vervielfältigung überhaupt ins Auge zu fassen habe, nicht aber den Kunstwerth der Vervielfältigung, denn es schützt bildliche Darstellungen, mögen sie gut oder schlecht sein, und verbietet widerrechtliche Reproduktionen, gleichviel, ob sie besser oder schlechter als die Originale sind. Die häufigen Klagen, welche gegen den photographischen Nachdruck existiren, beweisen hinlänglich, daß