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Sächsischer Landes-Anzeiger : 30.07.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-07-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188607306
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18860730
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18860730
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1886
-
Monat
1886-07
- Tag 1886-07-30
-
Monat
1886-07
-
Jahr
1886
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 30.07.1886
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i- ei» «S- 18» »I» «och doch «gr- >»M -telk» frag« reine »st»» eid« esttcht volle fräs- «i» uch- Me» eiß irgnr >age» > und - vd «eben. > mit >ied« I »Ir unser Zhre» sei»? ennt- »sehr dann anne» durch «fall» Setzer. »irtrich inrich. LL chaaK. Oskar «tzfert. Otto dorf: Bruno lkerkü. dorf: than: Karl ing»- >sse»: -Otto Ha» I». Musst» bfÄsd iildeM, lese» :t an« Icke. Mit» lbetr.) finden. chLL7«.-«SahrM, AbonuementspreiS: Der «nvartriische — jeden Wochentag Abend (mit dem Datum der folgenden LageS) zur Versendung gelangende — LondeS-Tmeiger mit BeiblSttem kostet monatlich 60 Pfg. bei den Ausgabestellen in Chemnitz und den Vororten, sowie bet der Post. (Eingetragen unter Nr. 4«SS.) JruL.u.4. Quartal »schein,für Abonnenten Sächsischer Eiseub-bs.rahrplauhkft. Im 4. Quartal erscheint für Abonnenten Sahnrbuch (SeihuachtSbeigabe) d. «nzeigerS. Verlag: Alexander Wiede, Bnchdruckeret, kheesnitz. Sächsischer »Mes-AMM u»n„«..-Chemnitzer Stadt-Anzeiger". sch« täglich« Zeitung für Sachs«» ««- Thüringen. streit«,, R». Juli IM. JusertiouSprek-:, Raum einer schmalen -vrpu-zeile ld Pfg§ — Reklame (Ispallige Petttzeile) SO Psa. — BeiWiederholuug großer AnnoncenRabatt. Bei Bestellungen von Auswärts wolle MM ittaa. Inserate uehmm außer der Verlag» Expedition die Annoncen - Bureaux «. Erpeditie» und Redaktion: Chemnitz, Theaterstrahe Ar. L. Telegramm-A-r.: Wiede'1 Anzeiger, Cbenmltz. Fernsprech st elle Nr. iZK. KMatttt! „Tägliches Unterhaltungslilstt" M humHH illustckl« SmtaPM ^Lustiges Bilderbuch". Für di« Mouate Augnst und September nehmen die Postanstalt«,. sowie in Chemnitz und Umgegend di« Ausgabestellen AbonuementSbestellnngen anf de« .Sächsische« LaudeS-Anzeig«* «st seine« Beiblätter« zum Preise von 1 Mark 20 Pfg. entgegen. Der Sächsische LaudeS-Anzelger ist in der deutsche« Post-Zeitungs-Preisliste u«ter Nr. 4633, in der österreichische« unter Nr 2108 eingetragen Im Beiblatt „Tägliches Unterhaltung»««^ beginnt Ansang August der höchst fesselnde Roman: „Schwer geprüft" von Julius Keller. Abermalige« Beitritt «euer Abonnenten steht entgegen die Berlags-Expedition des Sächsischen Landes-Anzeigers. Telegraphische -tachriehten. Vom 28. Juli. Berlin. Gestern Abend fand in der Philharmonie der Keil. kommerS der Berliner Studentenschaft anläßlich des bevorstehenden 70. Geburtstage» von Professor Gneist statt, gleichzeitig mit der Weihe der neuen Fahne der Universität. Der Saal war festlich ae- schmückt, die Büste Gneist's von Fahnen der verschiedenen Verbind- unge» umgeben; vor der Büste war die eiuzuweihende Fahne aus««, stellt. Gneist und Rektor Kleinert wurden bei ihrer Ankunft von Chargirteu unter Tusch in de» Saal geleitet. Anwesend waren zahlreiche Professoren, darunter Beseler, Curtius, Dernbnrg, Beller- mann. Rektor Kleinert bracht« ein enthusiastisch aufgenommene» Hoch auf den Kaiser au». Der Vorsitzende des Ausschusses der Studentenschaft hielt die Festrede auf Gneist, worauf Letzterer, um geben von einer Chargirtenschaar, vor dar neue Banner trat, das selbe unter Hinweis auf die Aufgaben der jetzigen akademischen Jugend weihte mit dem Wunsche, daß die Fahne bei jedem Auftreten der akademischen Körperschaften als Ganzem voranglävzen möge Gneist schloß mit einem Hoch auf die akademische Jugend; nach Weiteren Toasten Dernburg'S auf den Ausschuß, Hoffmaun's auf Gneist rc. begann die allgemeine Fidelitas. Berlin. S. M. Kanonenboot .Iltis* Commandant Capitän Leutnant Hofmeier, hat am 27. Juli c, von Malta die Heimreise fortgesetzt. Kissing««. Der chinesische Gesandte Marquis Tseng Iras soeben, 7 Uhr 20 Min. morgens, zum Besuche des Fürsten Bismarck »in. Wien. Kalnoky und Tisza gehen nächste Woche nach Ischl an das kaiserliche Hoflager, erster« behnfs Berichterstattung über die Kisfinger Entrevue, letzterer wegen Klarstellung der in Ungarn noch immer nicht zur Rahe kommenden sogenannten Armeefrage. Wien. Laut einer Meldung des .Neuen Wiener Tagblatt* hat Fürst Alexander von Bulgarien mittelst Dekrets die AußercurS- setzung der russischen Rubel in Bulgarien binnen zwei Monaten an geordnet. Triest. I« Laufe des heutige« Tage- find drei Cholerasälle, zwei in der Stadt und einer im Territorium, vorgekommen. Die ersterr« betreffen die 17jährige Tochter deS Gemeiuderathes Holzer in der Via Ghrga s»d ei» Dienstmädchen in der Bia Tesa. Von den früher Erkrank« ist eine Person gestorben. Fiume. In den letzten 24 Stundest sind hier sechs Erkrankungen und drei Todesfälle in Folge von Cholera vorgekomme». Lemberg. Die polnische» Blätter erhalten au» Warschau die Nachricht, in Russisch Pole» seien di« Urlauber uudNrservisteu avgewiesen worden, ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort nicht zu verlassen, damit sie bei einer etwaigen Brnachrichtignng sich binnen zwanzig Stunden in den gewöhnlichen Sammclorten einfinden könne». Krakau. Einem Warschauer Berichte der Rcforma zufolge hätte die Warschauer Polizei dieser Tage eine weitverzweigte, mir Paris und Petersburg in Verbindung stehende revolntionär-socialistijche Verschwörung, an der viele polnische Studenten beteiligt waren, entdeckt und das Hanpt derselbe« bereits dingfest gemacht. Madrid. Die Kammer beschloß, die noch zu ihren früheren Herren in Abhängigkeit stehende« 26,000 Neger Cubas in vollständige Freiheit zu setzen. Amsterdam. Gestern Morgen fanden noch einige Zusammen rottungen statt, der Tag selbst verlief indeß ohne Ruhestörungen Abends gab es unbedeutende Zusammenstöße des Pöbels mit der Polizei, Patrouillen zerstreuten die Menge. Gegen 10 Uhr war die Ruhe vollständig hergestellt. Im Ganzen sind am Montag Abend 25 Personen getödtet und gegen 90, darunter 40 Polizisten, ver wundet worden. Der „Chemnitzer Soeialistenproeetz" vor dem Landgericht in Mreiberg. I'r. Freiberg, den 28. Juli 1886. III. Der Zuhörerraum ist Leute überfüllt. Gegen 8'/« Uhr Vormittags er öffnet der Präsident, Landgerichtsdircctor Bollert, wiederum die Sitzung und ertheilt sofort das Wort dem Oberstaatsanwalt Schwabe (Chemnitz): Die gegenwärtige Anklage beschäftigt bereits zum zweiten Male die Gerichte. Das erste Mal bei der Verhandlung vor dem Landgericht in Chemnitz schei terte die Anklage an der zu beschränkten Auffassung deS Wortes „Verbindung . Inzwischen hat die Anklage durch das Erkenntuiß des Reichsgerichts vom 23. December einen festen Boden gewonnen. Das Wort Verbindung bildet den Hauptangelpunkt in der gegenwärtigen Angelegenheit. Daß eine Ver bindung besteht, hat die Beweisaufnahme ergeben. Man könnte wohl schon in dem Vorhandensein der socialdemokratischen Partei an sich eine Verbind ung erblicken, allein in dieser Beziehung wird sich ein Beweis schwer führen kaffen. Jedoch ich behaupte, innerhalb der socialdemokratischen Partei ist em Kern vorhanden, der sich als Verbindung charakterisirt. Die Angeklagten haben sich darüber, inwieweit eine Organisation innerhalb ihrer Partei be steht, sehr unklar geäußert, sie haben über diese Frag- hinwegzuschlüpsen gesucht. Sie haben zunächst gesagt: eS befiehl überhaupt keine Organisation, dann sagten sie wieder: eine gewisse Organisation behufs Verbreitung der Wahlen, behufs Sammlung von Beiträgen war allerdings vorhanden. Ich behaupte keineswegs, daß Organisation und Verbindung gleich ist. Allein ich behaupte, innerhalb der socialdemokratischen Partei exiftirte eine fest gegliederte Ver bindung. Wir haben ja verhältnißmäßig wenig über diese Verbindung ge hört. Da ist zunächst die aus der socialdemokratischen Reichstags-Fraktion bestehende Parteileitung, die die Fäden der Verbindung in der Hand Hane. Es wurden Vertrauensmänner unterhalten, Bezirks-Provinzial-Versammlungen rc- abgehalten. Ferner bestand ein officiellcS Parteiorgan. ES ist wohl di? La>tetteln,^ über den Vertrieb des Blattes berathen wurde, eine n!°b, N umgangen werden konnte. Die Partei gab außerdem stri«ten w°rd7n^Äa^"^^^^ heraus. ES ist von den «ugcklagleu be- erkord«^?» st-Beamte unterhalten- Allein die ganz« Organisation Fraae Eorrespondenzen u. s. w„ daß unwillkürlich die banden°üe diese Arbeiten? SS müssen dazu Leute vor- Di-besoldet dieselbe«, wer stellt sie an, wer entläßt sie? ""Herde« ganz erhebliche Fonds- Wir hören ja auch von alle ^"trol-Commission u. s. w. Di» Angeklagten sagen nun: alle de! Schweiz verwaltet- Allem jedenfalls sprechen will nickt bebÄ.-»° L dab di« Partei Beamte unterhalten hat. Ich zu - kÄmin feste Parteibeiträge erhoben wurden und ich gebe wurden ^ bedingen kein, Verbindung. Allein die Beiträge Rede lein Unmäßig eingezogen, daß von freiwilligen Beiträgen kaum d e ist ttlorkee??»"'Bebel sagte ja: zur Partei-Zugehörigk.it BorbankA-i»' ? ° durch Geldbeiträge zu unterstützen Für das einer Verbindung spricht ferner die innerhalb der Partei be- Diszipn. Die Mitglieder mußten sich der Partei-Disziplin wollt-^ * ber Unterstützung nicht vollständig verlustig aehen ^ r Parteileitung hatte da« Recht der Ausschließung aus der Partei, Riecht, über die etwaige Auswanderung drr einzelnen W?» LT. bestimmen. Allerdings sagte uns Auer: Die Parteileitung aus der ReichstagS-Fraktion ausschließen, die AuS- d„ P?"ei konnte nur durch den Congreß erfolgen. Ich bin ms». boß. dws gleichgiltig ist. Die Parteileitung hatte sogar das ber Auzschliehnng aus der Partei zu drohen, wen« ein Partei- ?."/hbriger sichder Partei-Disziplin nicht fügen wollte. Herr Bebel sagte: l ^ Bedeutung, eine Ausschließung aus der Partei konnte die bewirken. Es ist nicht anzunehmen, daß solch' intelligente mzss und seine Parteigenossen etwas unternehme«, waS zwecklos >*age, welch' anderer Partei solche Einrichtungen bestehen? .... LZ erlaube mir nun, »Inen historischen Rückblick aus die sozialdemokra- s^chr Parte, zu werfen. Es dürfte allgemein bekannt sein, welch' seftgeglie- /^Atmisation die sozialdemokratische Partei bis zum Erlaß der Sozia- ? "Ich! anzunehmen, daß diese Organisation mit dem Jnkrasttret-n de- Sozialistengesetzes sogleich vollständig vom Erdboden ver- iqwand. Ich behaupte, nur die Form ist verschwunden. Die« beweisen auch die verschiedenen Reden der sozialdemokratischen Abgeordneten im Reichs tage, "> denen wiederholt betont wurde: Die Organisation kann man nicht zerstören- Ganz charakteristisch ist der in Schlesien abgehaltene Parteitag. Dort wird unumwunden eingestanden, daß eine feste Organisation besteht. Als da» Socialistengesetz in Kraft trat und die socialdcmokratische Presse in Deutsch land unterdrückt wurde, griff man zu dem AuShülfsmittel, im Auslande ein Organ ins Leben zu rufen. In dem Ausruf bei Gründung des „Social- vemolrat , der von allen socialdemokratischen ReichStagsabgcordneten unter schrieben ist, wird dies unumwunden zugestanden. Nun sagen die Angeklagten: Der „Sscialdemokrat war ein reines Prtvatunternehmen, aus dessen Redaction und Expedition sie nicht den mindesten Einfluß hatten. Dem widerspricht doch aber vollständig die Art, in der auf dem Congresse in Kopenhagen über den ..Soc aldemokrat" Bericht erstattet wurde. Wenn das Blatt vollständig selb ständig dastände, dann ist es nicht ersichtlich, weshalb die Geschäftsbücher des „Eoctaldemokrat* vorgelegt wurden. Dieser Umstand spricht doch dafür, daß der „Socialdemokrat* Eigenthum der Partei war- Die umfangreichen Arbeiten, mit denen außerdem die Herausgabe von Druckschriften bewirkt wurden, sprechen ebenfalls zwc,fellos für das Vorhandensein einer festgeglicderten Organisation. Wie die Verbreitung des Partei-Organs und anderer Druckschriften bewirkt werden soll, dafür werden im „Socialdemokrat* die verschiedensten Weisungen gegeben. Es wird Geheimhaltung und Vorsicht in allen Dingen empfohlen, es werden in verschiedenen Orten Sektionen gebildet. Man müßte geradezu die Augen verschließen, wenn man sagen wollte: diese ganze Organisation be ruhe aus bloßen Zufälligkeiten, eine feste Verbindung sei nicht vorhanden. Wenn sich eine Anzahl Personen zu gemeinschaftlichen Zwecken zusammen- thun und ihren Willen dem der Gesammtheit unterordnen, so ist be- retis eine Verbindung vorhanden, es ist nach dem Urtheil des Reichs gerichts nicht erforderlich, daß diese Unterordnung durch eine bestimmte Willenserklärung geschieht, cs genügt, daß dies durch konkludente Handlungen bethätigt wird. Wenn Sie mit mir zu der Ueberzeugung gelangen, meine Herren Richter, daß eine solche Verbindung vorhanden war, dann werden Sie mir auch beipflichten, daß diese Verbindung geschah, um das Socialistengesetz durch ungesetzliche Mittel unwirksam zu machen. Daß dies der Zweck der Verbindung war, geht aus den verschiedenen Reden der socialdemokratischen Abgeordneten im Reichstage hervor, in denen mebrfach betont wurde: wir er kennen das Gesetz nicht an, wir werden uns in unserer Agitation nicht beirren lassen- Ich erinnere hierbei, daß auf dem Congreß in Wydcn das Wort „gesetzlich" aus dem Programm gestrichen wurde. Der Hauptzweck der Verbindung war die Herstellung und möglichst weite Verbreitung von verbotenen Druckschriften ES werden in dieser Beziehung im „Socialdcmokrat" die eingehendsten Weisungen gegeben, es werden Be- lehrungen ertheilt, in welcher Weise der Massen-Jmport des „Socialdemokrat" nach Deutschland zu bewerkstelligen sei u. s. w. Es machte gestern einen sörmttch wohlthuenden Eindruck, als die Angeklagten Bebel und Vollmar, im Gegensatz zu den anderen Angeklagten, offen erklärten: sie wünschen die weiteste Verbreitung des „Socialdemokrat". Es ist auch gar nicht erklärlich, daß den Angeklagten die Verbreitung des „Socialdemokrat" gleichgültig sei Die Angeklagten gaben ja selbst zu, daß der „Socialdemokrat" ihr osficiellcs Partei-Organ ist, sie hatten somit ein großes Interesse an seiner Verbreitung Sie hatten im Autlande eine Druckerei gegründet, zur Herstellung des Blattes >md anderer Druckschriften und unterhielten eine Verbindung behufs Ver breitung derselben in Deutschland. Ich will nicht das politische Gebiet berühren, aber ich muß doch her vorheben, die Verbindung halte, wie die Beweisaufnahme ergeben, den Haupt zweck, durch Verbreitung socialdemokratischer Druckschriften die sociatdemo- lratischen Ideen im Volke zu nähren, um zu geeigneter Zeit etwa» zu unter nehmen. Wie diese Verbindung gegliedert war, konnten wir ja nur zum Thetl erfahren, daß sie aber vorhanden und zu ihren Zwecken und Be schäftigungen gehörte, durch Verbreitung socialdemokratischer Druckschriften das Socialistengesetz unwirksam zu machen, darüber, meine Herren Richter, werden Sie nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme kaum noch in Zweifel sein- Auch darüber, daß die Angeklagten die Leiter der Verbindung waren, dürste k>ar gestellt sein. Es ist nicht erforderlich, daß die Angeklagten an der Beschäftigung der Verbindung direct Antheil genommen haben, die Förderung dieser Beschäftigung ist gleichbedeutend mit der Antheilnahme. Ich glaube, den Beweis für die Schuld der Angeklagten vollständig erbracht zu haben und beantrage sonach, dieselben im Sinne der Anklage für schuldig zu erachten. Verthcldigcr Rechtsanwalt Freitag 1. (Leipzig): Es wird bei Beurtheil- ung der Sache zunächst daraus ankommen, ob eine Verbindung vorhanden ist. Der Herr Oberstaatsanwalt sagte: durch das Erkenntniß des Reichs- Gerichts ist ein fester Boden geschaffen worden. Allein das Urtheil des Reichs- / Gerichts widerspricht dem des Chemnitzer Landgerichts in keiner Weise- ES ist ein Inlhu», wenn angenommen wird, das Chemnitzer Landgericht habe den Grundsatz ausgestellt: zu einer Verbindung ist erforderlich, daß eine mündliche Willenserklärung des Einzelnen erfolgt, sich dem Scsammtwillen unterzuordnen. Das Chemnitzer Landgericht ist bei Abfassung seine« Er- kenntnisses ebenfalls von der Auffassung ausgegangen, daß eine solche Willens erklärung durch konkludente Handlungen erfolgen kann- Ich stimme dieser Auffassung ebenfalls bei, eS entsteht nur zunächst die Frage, ob ein« Ver bindung vorhanden ist. Allein weder das Reichsgericht, noch der Herr Ober staatsanwalt hat uns einen Fingerzeig gegeben, wo die greifbare Verbindung zn suchen ist. Der Herr Oberstaatsanwalt sagte: Die Angeklagten sind über das Wort „Organisation" hinwcggeschlüpst. Dieser Vorwurf ist vollständig ungerecht. Die Angeklagten haben zugegeben, daß «ine geistige Organisation besteht. Hätten die Angeklagten etwas anderes gesagt, dann hätten sie eben ^°"Das erste Moment für die Parteiverbindung findet der Oberstaatsanwalt in dem Umstande, daß eine Parteileitung vorhanden war- Wenn das richtig wäre, dann wäre es doch znm Mindesten erforderlich, daß diese Parteileitung oder „Parteivorstand", wie der Herr Oberstaatsanwalt sich ausdrückte, gewählt worden wäre. Dieser Parteivorstand bildete sich aber eo ipso aus den le weiligen socialdemokratischen Reichstags-Abgeordneten. Es muß mm erwogen werden, daß diese Abgeordneten keineswegs ausschließlich von Socialdemokraten gewählt werden. Bekanntlich sind in den letzten Jahren die meisten social- demokratischen Reichstags-Abgeordneten in der Stichwahl, also auch von vielen Leuten anderer Partei gewählt worden. In Breslau werde» die social- demikrattscheu Reichstags-Abgeordneten regelmäßig in der Stichwahl mit Hilfe der Ultramontanen gewählt. Wenn es in Berlin zu einer Stichwahl zwischen einem Socialdemokraten und einem Liberalen kommt, stimmen die Conservativen, auS Haß gegen letztere, für den socialdemokratischen Kandidaten. Am Rhein, in Hannover und mehreren anderen Orten sind dieselben Ver hältnisse vorhanden. Die Zusammensetzung der Parteileitung war somit dem reinen Zufall anheimgegcbeu. Der Herr Oberstaatsanwalt fand ferner eine Verbindung in dem Bestehen von Parteibezirken, Local-Comitee's rc., der Herr Oberstaats anwalt ist un» nur dm Beweis schuldig geblieben, daß dieselben mit der Parteileitung in irgendwelchem Zusammenhänge stehen. Mit Bermuthungeu können wir aber nicht rechnen. Der Herr Staatsanwalt sagte: Die Partei muß Beamte unterhalten haben, denn eS sei sonst unerklärlich, wer all' die Correspondenzen besorgt hat. „Wer hat aber diese Beamten bezahlt, wer stellt sie an, wer entläßt sie?" Ja, diese Frage richte ich an den Herrn Oberstaatsanwalt. Der Herr Oberstaatsanwalt muß doch den Beweis liefern, daß besoldete Beamte vorhanden waren. Ich behaupte, alle diese Arbeite» geschehen von Parteigenossen unentgeltlich. Es exiftirte ein WahlfondS, ei« DIätensondS, ein Fonds für Gemaßregelte. Zur Verwaltung derselben waren besoldete Beamte doch nicht erforderlich. Als ein sehr wesentlicher Moment für das Vorhandensein einer Verbindung führte der Herr Oberstaatsanwalt die ParteidiScipltn an, die innerhalb der socialdemokratischen Partei herrscht und die so weit ging, daß die Partei leitung berechtigt war, einzelnen Parteigenossen die Unterstützung zu entziehen. ES ist selbstverständlich, daß die Parteileitung dies Recht Laben mußte. Die Parteileitung, die den Fonds für Gemaßregelte verwaltete, ein Fond», zu dem auch sehr viele Gegner der Socialdemokraten aus reinen HumanitätS- gründen beisteuerten, hatte die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß nicht Unberechtigte au- diesem Fonds Unterstützung erhielten- Lag eS nicht im Bereiche der Möglichkeit» daß Vagabonden, Bummler rr. sich als AuS- gewiesen« ausgaben und um Unterstützung nachsnchten? Das Recht der Aus schließung von Abgeordneten aus einer Fraction nimmt jede Partei für sich in Anspruch Der Umstand, daß die Parteileitung aus einzelne Mitglieder einen moralischen Druck auSzuüben suchte, kann doch nicht für eine Verbin dung sprechen; eine BerrufSerkläruiig ist niemals erfolgt. Auch in dem Ab halten von Partei-Kongreffen kann eine Verbindung nicht gefunden werden. Derartige Kongress« werden von allen Parteien abgehalten, ohne daß irgend ein StaatSonwalt in diesem Umstande eine Verbindung erblickt- Der Oberstaatsanwalt sagte: Die vortreffliche Organisation der Social« demokratcn kann doch keine rein zufällige sein. Der Herr Staatsanwalt sagt«: die Form ist blos verschwunden, ich glaubte, er würde Hinzusitzen: der Geist ist geblieben. Dieser Geist, der unter den Socialdemokraten herrscht und den allerdings auch das Socialistengesetz nicht hat zerstören können, ist die Erklärung für die vortreffliche Organisation. Die Form ist zerbrochen, aber der Geist ist geblieben. Allein nicht der Geist, sonder« nur die Form ist strafbar. Auf dem Kongreß zu Wyden wurde der Antrag gestellt, ei« Korrespondenz-Bureau zu errichten. Ueber diese Frage wurde jedoch sehr bald zur Tagesordnung übergegangen, indem gesagt wurde: „Eine derartige Organisation könnte einmal der Polizei nicht verborgen bleiben und anderer seits könne die Partei auch ohne feste Organisation bestehen." Die socialdemokratische Partei könne ohne eine festgegliederte Organisation bestehen, die Sache sür die sie kämpse, der Geist, der in ihr herrsche, ersetze jede formale Organisation. Das Vorhandensein einer Verbindung bedingt doch, daß etwas Greifbares vorhanden ist. Hat die Verhandlung irgend einen Beweis ergeben, wo die Verbindung ihren Sitz ha», wer den Vorstand gewählt, wer der Verbindung beigetreten ist? Wir haben bloS feststelleu können, daß eine Organisation von Mann zu Mann vorhanden, eine Orga nisation, die von dem Geiste der Zusammengehörigkeit getragen war. Wenn Sie aber, was ich nicht glauben kann, eine Verbindung als vorhandm erachten, dann entsteht doch die Frage: haben die Angeklagten dolose ge handelt, haben sie gewußt, daß sie einer strafbaren Verbindung angehören? Wenn aber die Ansichten über die Auffassung deS Wortes „Verbindung" selbst im Richterstande eine so grundverschiedene ist, so werden Sie, sollten Sic zu der Ansicht gelange», die Angeklagten haben eine Verbindung unter halte», die Angeklagten trotzdem freisp.recheu müssen, da dann den Angeklagten, als Laien, jedenfalls das Bewußtsein der Strafbarkeit gefehlt hat. Eine Verbindung ist aber erst dann strafbar, wenn deren Dasein, Verfassung oder Zweck vor der Staats-Regierung geheim gehalten werden soll. Daß in allen Dingen Vorsicht und in vielen Sachen auch Geheimhaltung anempsohlen wurde, liefert wohl keinen Beweis sür eine geheime Verbindung. Der „Socialdemokrat" ist durchaus nicht das exklusive Organ der social demokratischen Partei Jeder Angehörige einer anderen Partei, der sich über die Verhältnisse der Gegenparteien unterrichten will, ja die Polizeibehörden aller größeren S ädte, jeder Staatsanwalt u. s. w. ist Abonnent des „Social- demolrat". In diesem Blatte annoncirt die Parteileitung den Ausschluß von Personen, in demselben beruft sie den Congreß ein, fordert zur Beschickung desselben auf und zeigt die Tagesordnung an; von einer Geheimhaltung kann somit keine Rede sein- Geheim wurde lediglich der Ort deS CongresseS und die Namen der Dclegirten, aus den bereits von Herrn Bebel mitgetheilten Gründen, gehalten. Nun sagt der Herr Oberstaatsanwalt: Es muß doch etwas dahinter stecken, was wir nicht wissen, denn es wurde im Congreßprotokoll nicht Alles ver öffentlicht. Allein ich wiederhole: mit Muthmaßungen können wir nicht rechnen. Daß die Angeklagten bemüht waren, Maßregeln der StaatSrcgierong durch ungesetzliche Mittel unwirksam zu machen, ist in keiner Weise erwiesen. Die Aufforderung zum Abonnement auf eine verbotene Druckschrift ist nicht strafbar, sondern lediglich deren Verbreitung. Eine solche Handlung ist aber durchaus nicht nachgewiesen worden. Und selbst wenn, was nicht nachgewiesen ist, die Angeklagten zur Verbreitung des „Sozialdemokrat" aufgefordert hätten, so ist noch sehr zweifelhaft, ob sich die Angeklagten laut 8 49 des Strafgesetz buches, der von der Aufforderung zu einem Verbrechen spricht, strafbar ae- macht hätten. ES ist ein Jrrthum vom Reichsgericht, wenn eS meint, das Chemnitzer Landgericht habe nicht alle Thatumstände genau geprüft. Im Interesse deS Ansehens unserer sächsischen und deutschen Rechtsprechung hoffe ich mit Zuversicht: Sie werden gleich den Chemnitzer Richtern zu einem Nichtschuldig gelangen. Vertheidigcr Rechtsanwalt Muuckcl: Ich muß zunächst bemerken, daß weder das Reichsgericht, noch der Herr Oberstaatsanwalt für das Vor handensein einer Verbindung irgendwelche Beweise beigcbrocht hat. Der Herr Oberstaatsanwalt sagte: dar Reichsgericht hat der Anklage einen festen Boden aegeben, ich habe aber bisher vom Herr» Oberstaatsanwalt einen solchen Nachweis vermißt. Der Herr Oberstaatsanwalt sagt: die Partei als solche ist noch keine Verbindung, allein der Kern der Partei bildet eine Verbindung. Ich gebe ja zn, daß es Parteien geben mag, die keinen Kern haben, allein angenommen, in der sozialdemokratischen Partei ist ein solcher Kern vorhanden, dann verlange ich doch zum Mindesten den näheren Nachweis, wo dieser Kern ansängt. Wenn die Deduktion deS Herrn Oberstaatsanwalts richtig wäre, dann würde jeder Abgeordnete, der sich der sozialdemokratischen Partei an schließt, sich oo ipso der Verletzung der 88 E und 129 des Straf-Bcsetz» buche- schuldig machen und seine Wähler könnten auSrusen: „Sitzt nicht der Reichstag, dann sitzt doch wenigstens der Abgeordnete". (Heiterkeit im Auditorium.) Der Herr Staatsanwalt sagt: Es Ist doch nicht anzunchmen, daß die feste Organisation der socialdemokratischen Partei vollständig verschwunden ist? beiläufig eine sehr bezeichnende Auffassung von der Wirksamkeit des Socialisten- gesetzes. Der Herr Oberstaatsanwalt scheint zu meinen: Da das Socialisten gesetz erlassen worden ist, die Socialdcmokraten aber noch fortleben, so müssen sie etwas vegangen haben, denn sonst würden sie nicht mehr leben. Es er innert mich dies an die Geschichte jenes Arztes, der e'neu, Patienten nur noch wenige Wochen Frist z»m Leben gab und als er Letzterem nach einem Jahre begegnete, zurief: „Sie haben medicinisch längst kein Recht mehr, zu leben." (Heiterkeit im Auditorium.) Was das Socialistengesetz zerstört hat, das hat der Geist der Zusammengehörigkeit, der in der socialdemokratischen Partei vorhanden und durch das Socialistengesetz eine wesentliche Stärkung erfahren hat, ersetzt. Wenn die Auffassung des Herrn Oberstaatsanwalts die richtig« ist, dann ist eine Gefahr nicht blos für die socialdemokratische Partei vorhanden, denn eine Organisation, wie sie diese Partei besitzt, ist bei jeder Partei zu finden. Es ist dies auch ein Grund mit, daß ich, der ich einer anderen Partei angehöre, an dieser Stelle stehe. Es würde geradezu eine Kränkung der deutschen Polizeibehörden sei», wenn man annehmen wollte: unter ihren Augen konnte eine so großartige
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