Volltext Seite (XML)
Wöckkntlich erscheinen drei Nummern. PränumcraiionS- Preis 22; Sgr. sZ Thlr.) viertehadrlich, 3 Thlr. sür das ganze Jahr, ahne Er- HSHung, in allen Theilen der Preu-ischen Monarchie. Magazin für die Man ar^numerin aus dieset Litcraiur-EIatt in Berlin in der Expedition der AUg. Pr. SraatS-Zeiiung ^Friedrimiftr. Nr. 72); in Ler Provinz so wie im Ausland« bei de« Wohllöbl. Poll-Aemlern. Literatur des Auslandes. 4 48. Berlin, Dienstag den 2i. April 1840 ' Norwegen. Norwegische Darstellungen Italiens. Von Wollert Konow.°) l. Erster Eindruck von Venedig. Ich hielt mich nur kurze Zeit in Padua auf; meine Sehnsucht rief Venedig, Venedig! und zog mich unwiderstehlich hin. Der Weg ging längs der Brcnra. Auf jeder Seite zog sich enic Reihe von Ulmenbäumen hin, an welchen der Weinstock in Guirlandcn von Baum zu Baum hing. Diese Weinbckränzung nnd die ungemein üppige Vegetation geben der,Gegend ein sehr reiches und festliches Anlehcn, welches auf das auffallendste Mit der Verheerung kontrastirt, die hier über Allem gewaltet hat, was der Menschenhand seine Ent stehung verdankt. Man steht ausgedehnte Paläste, wohin nur das Auge sich richtet; fie stehen in der Mitte von ungeheuren verwilder ten Gärten. Und welche Paläste! Es offenbart sich in ihnen ein solcher Geschmack in der Anordnung und ein solcher Rcichthum au Zierrathen, daß stc wie lauter Fürstenschlöffer ausschcn. Aber die Zerstörung hat an ihnen genagt. Hier ist ein Theil des Daches ein gesunken, dopt hängt ein" Thürflügel nur in einer Angel und klafft auf; Scheiben fehle» fast in allen Fenstern, und das Unkraut wächst üppig im Hofe; die Gebäude stehen fast alle unbewohnt, ein tiefes Schweigen brütet über ihnen. ES liegt etwas so seltsam Ergreifen des darin, ein stolzes Mcnschenwerk in Ruinen zu sehen, daß man es selbst hier in diesem wunderschönen Lande empfindet, wo" doch alles Andere zur Freude aufzuheitern scheint. Wenn man ein Monu ment steht, welches menschliche Eitelkeit gründete und auf welches die Hoffnung einer Verewigung sich stützte, wenn man ein solches Monument sich dem Untergang nähern steht, dann merkt man erst recht deutlich, wie nichtig unser ganzer Stolz, wie nichtssagend alle unsere Hoffnungen gewöhnlich sind. Es ruht ein so tragischer Aus druck über dieser ganzen zusammcugesunkeuen Herrlichkeit ter Vor zeit, daß die Einbildungskraft auch die blühende, festliche, üppige Natur darin reflcktirt. Das reiche, geschmückte Aussehen derselben drängt sich dann der Phantasie ebenfalls als der feierliche Anblick der Trauer auf; cs ist, als wenn die Natur sich in ihren Festanzug gekleidet, um ihren tiefen Kummer zu feiern. Freilich kommt man hier und da nach langen Zwischenräumen an Lustschlössern vvrbei, — sie verdienen in Wahrheit den Namen von Schlössern, die noch voll kommen erhalten sind, — aber der angenehme Eindruck, den eine solche Erscheinung hinterläßt, ist zu unbedeutend, um gegen die tragische Stimmung zu kämpfen, welche durch die deutliche Spur einer fast allgemeinen Zerstörung hervorgcrufen wird. Gegen Abend tras ich in Maestro ein. Hier verläßt man den Wagen, um. sich nach Venedig cinzuschiffcn. Ich trat in ein WirthshauS, um dort zu verweilen, bis das Boot in Ordnung gebracht worden, daS mich überfahren sollte. Ein Frauenzimmer von außerordentlicher Schön heit kam mir entgegen; cs war das WirthShausmädchcn, cin bloßcS Aufwärtermädchcn, aber cS war Seele in dem großen ruhigen Auge, Plebuchkeit in der Bewegung und Adel in der Haltung, Etwas, was man bei Frauen dieses Standes niemals in unserem Norden findet Ed ""cSwcgcs in Italien ungewöhnlich ist. AlS wir bei den Lagunen ankamen, war die Nacht nahe. Dunkle Gewitterwolken hingen drohend über dem Adriatischen Meere; der Wind bucS kalt und feucht und nahm jeden Augenblick zu. Die Tegel wurden aufgespannt, und das Boot schnitt schäumend durch die Wellen. Bald brach das Gewitter aus. Erst einige schwere Regentropfen, darauf ein rothes Leuchten, dann ein donnernder Schlag und nun ein blendender, bläulicher Blitzschein nach dem an deren- Venedig, das auf der anderen Seite der Lagunen lag, hatte sich bisher unserem Bück entzogen, cingchüllt in nächtliches Dunkel; aber jetzt, als das Blitzlicht m dieses hincinbrach und eS zerriß, zeigte es sich in den erhellten Augenblicken in einiger Entfernung wie ein Bild: große lange Hausermassen mit einigen Kuppeln und Thürmen, eine Erscheinung, die so luftig aussah, als wenn sie aus einer T-seerna magics käme. Der Wind nahm zu; immer stärker -) Inden, wir diesen Namen in dir Deutsche Lesewelt einsiibren, glauben wir eine Lie wir vem letzt griffig enworffredenden Ger ¬ manischen SU.weüerianLe der "ffen auS Liesen Skizzen ersetzen, da« Künstle, »aiurcn, wie Dahl und Steffe S, nicht tzlvtz von Norwegen >u uns herudergetommen, sondern dort auch noch heimisch geblichen sind. peitschte er die unwilligen Wogen, die stürmisch und wild vorbcijagtcn, wie schnaubende Pferde. Ab und zu schlugen sie an den Bord und kamen ins Boot. DaS Adriatische Meer hatte sich diesen Abend in ein wlibes Gewand gekleidet; cs war, als wenn cs dcn Frcmden zeiqcn wollte, daß es jetzt nicht mehr des Dogen gehorsame Braut wäre, sondern sich in Freiheit tummeln könnte. Jetzt schoß der Nachen zwischen zwei hohe Wände von Häusern hinein, und wir be fanden uns in dem großen Kanal, der Venedig durchschneidct. Wir waren in Venedig, und noch war cs zeitig am Abend, aber dessenungeachtet herrschte cin voilkommcncs Schweigen, eine Stille, die kaum größer in der Palmenstadt der Wüste sepn kann. Die einzige Spur von Leben war dann und wann eine vorbcieilcnde Gondel, deren Erscheinung einen eigenen Eindruck machte, denn sie näherte sich und zog vorbei, ohne daß der Laut eines Ruderschlagcs sich hören ließ, am wenn fie sich durch eigene Kraftanstrcngung fort- bewegte; außerdem deutete cin schwacher blasser Schimmer, der bis weilen aus einem Fenster hervordrang, auf menschliche Gegenwart. Unser Boot glitt unter einem hohen, breiten Bogen hin, es war der Rialto. Auf der Brücke befinden sich zwei Reihen Buden, in welchen Juden ihren Verkauf haben. Wie oft sind nicht vergnügungssüchtige und geldbedürftige Nobili hierher geflüchtet, um sich das Mittel zu ihren Zerstreuungen zu verschaffen! Und der edle Verein auf der Brücke wollte für sich nur recht viele Prozente; auf Sicherheit sahen sie nicht so genau, sie gaben ihr Geld hin, und auf ihre Verschwiegen heit konnte man sicher rechnen — edle, schweigsame Seelen, von denen man sich auch hier einige in Christiani« wünschen könnte. Lom Rialto dis dahin, wo der große Kanal endet, in der Nähe des Dogen-Palastes, wird derselbe auf beiden Seiten von lauter Palästen bcgränzt. Einer von meinen Rudcrlcutcn nannte mir die Namen von mehreren derselben: Foscari, — Ticpolo, — Barbcrigo, — Grimani, — welche Namen — Namen, von denen jeder sein tausendzüngigcs Echo hat; die sich ernst gebietend wie ein Donner bewegt haben, welcher längs dcn fernen Bergen durch die Jahrhunderte hinrollt. Ich dachte an diese Rainen und sah auf die Paläste. Aber dort war Alles leer und dunkel; sie sahen mehr aus wie Grabstätten, als Wohnungen. Ich dachte auch daran, wie munter cs einst in früheren Tagen aus dem großen Kanal aus- gcsehcn; ich dachte an die Regatta und sah nach den Balkoncn hin aus; von dort hatten Venedigs Schönen bei solcher Gelegenheit dcn Kämpfenden Aufmunterung zugeweht, jene sanften, vollen, warmen Venctiancrinncn, deren Bilder Titiairs Pinsel uns hinterlassen; dort hatte vielleicht auch Desdcmona gestanden, umringt von ihren Ge spielinnen, alle strahlend von Schönheit und Diamanten; DeSdcmona, deren kleine, warme, weiche Hand Othcllo's ganze brennende zügel lose Eifersucht erweckte. Aber bald hielt das Boot still; wir be fanden uns vor dem little! ile l'kuropo, in welchem ich cinzukchrcn gedachte. Obgleich ich mich müde fühlte, wollte ich mich doch nickt zur Ruhe bcgcben, ohne erst dcn MarkuSplatz hesucht zu haben; ich ließ mich also dorthinführen. Es war früh am Abend, aber der Mar- kusplatz war leer, — denke Dir, Leser, der MarkuSplatz leer! Die Zeit hat selbst den MarkuSplatz leblos gemacht. U. Ein Abend auf den Lagunen. „ln Venire Dsssv's erbos «re no more" °), so sang der große Barde, der von allen Neueren Venedig am besten kannte, cr, dessen tiefste Töne hier erwachten; sic klangen vom Palaste FoScari aus und wogten über Europa. Ein ganzes Jahr konnte er vom Balkon dieses Palastes jeden Morgen den besten Theil von Vcnedig, dieser größten und schönsten Ruine, überschauen, und jeden Abend — nein, da wiegte er sich in der Gondel neben der sanften, schönen Gräfin Guiccioli mit den klaren Himmclsaugcn, 0, der glückliche Barde! Und welches Herz hätte stärker für Venedig schlagen können als seines? Er selbst war ein Genius, eben so groß und prachtvoll und seltsam als dieses Venedig, und er selbst war, wie dieses, vom Schick sal geschlagen, ein anderer vom Blitz getroffener Koloß; von jedem üderhängenven Balkon, aus jedem hohläugigen Fenster mußte Svm pathie ihm entgcgenblicken. Doch so ist der Unterschied zwischen dem Menschen und seinen Schöpfungen: Vcncdig trug damals dasselbe unveränderte tragische Kleid wie heute, und er, der Barde, stand, ob gleich vom Schicksal getroffen, noch cin in seinem ganzen Stolze drohcn- dcr Titan, und jetzt, jetzt ist cs schon lange her, daß cr in Missolonghi ') In Venedig hört man Taffo's BH nickt mehr. Bvron.