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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.11.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111106011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911110601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911110601
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-11
- Tag 1911-11-06
-
Monat
1911-11
-
Jahr
1911
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BeqvgS-Vrri- ttk L,t„tll und Vuiun« durch »ns»« IrSarr und Eprdttro« Um al «dal ich in» »au» eedraml dv Pf. monatl, L7V Mt. vteneliühe» Bei »nsrrn Stltalen ». An» nahmeftrllen adaedult 1» Vs. «ouaU., r.N slk. oi»rt»llührl. D»»ch di» Paftr ttmrrdalb DeuNchlanv» and d»r deutschen Kolonien viettetiüdkl. >.t» »Nl„ monatl. 1L) «t au»ichl Poltd«ft»lla»ld Kerner tn Belaie», Dänemark den Donaustaaten. Italien. Luremduig. «tederlande. «ar» wegen Oesterreich - Unaarn. Bulcland, Schweden dchweit u trponien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch dl« E«schatt»itell« de» Blatte» erhältlich. Da» l!«tp»lg«r Tageblatt erscheint Sinai tigltch. Sonn« » Krierrag» nur morgen». >donn«m»nt»'Vnnohm« I»da,«r»gals« tt, der unleren Tragern. Filialen. Spediteure» «nd VnnahmesreUen. sowie Vagämtern «ad vnestragern. «lai,lo»tkaus,prit» »0 Pp Morgen-Ausgabe rMgcrTagMaü s 14 SS2 lV-cht-uIchlu») Tel.-Änschl.^ 14 8SL I 14 684 r-i..Ä°,ch>^.EHandelszeitung. Amtsblatt öes Rates un- -es Rolizeiamtes -er LtaSt Leipzig. 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Das Wichtigste. * Der französische Ministerpräsident Caillaux besprach in einer längeren Rede die Marokko angelegenheit. (S. Letzte Dep.) * Italien hat seine Oberhoheit über Tripolis und Cyrenaika erklärt. (S. Letzte Depeschen.) * In Breslau wurden bei einem Straßen- bahnunglück 15 Personen schwer verletzt. (S. Letzte Dep.) * Der deutsche Luftfahrerverband bestimmte Stuttgart als Ort des Eordon-Bennett- fliegens 1912 der Freiballons. Die Ausschei - dungsfahrten finden in Leipzig und Mün chen statt. (Siehe Sport.) Gin sllsmeriksnllchesVününis. Präsident Taft hat das Auswärtige De- partement mit der Wiederaufnahme der Verstand- Handlungen über ein allgemeines Bündnis aller nord-, mittel- und südamerikanischen Staa ten beauftragt. Die Wahl des Zeitpunktes wird mit der Ausschaltung des Präsidenten Diaz, des , Hauptgegners jenes Gedankens", begründet. Es handelt sich also dieses Mal um ein „Bünd nis", nicht um jene völkerrechtlichen und Ver kehrsfragen, deren Erörterung der Beratungsstoff der „panamerikanischen Kongresse" zu sein pflegt. Da dieses Bündnis sämtliche amerikanischen Staaten umfassen soll, so muß es also gegen irgendwelche angenommenen Gegner nichtameri- kaniscl-er Herkunft gerichtet sein. Es liegt nahe, die angestrebte Gründung als einen Schutzbund der berühmten Monroe-Lehre zu betrachten. Nun erscheint aber die „Doktrin" gerade gegenwärtig von keiner Seite bedroht. Selbst die Reibereien, die Deutschland und England in den letzten beiden Jahrzehnten öfters mit Venezuela, Honduras und anderen kleinen Raubstaaten am Antillen-Meere hatten, liegen ziemlich zurück. Die bei jenen Gelegenheiten aufgeworfenen Prinzipienfragen: ob z. B. es europäischen Mächten untersagt werden soll, zur Eintreibung finanzieller Ansprüche Waffengewalt gegen faule Schuldner kreolischen oder Misch- lingsgebtütes anzuwenden, und zu solchen Zwecken Stückchen amerikanischen Bodens vor übergehend mit Beschlag zu belegen, sind aller dings bis jetzt noch nicht in der Weise entschieden, daß die in Betracht kommenden Mächte ihre glatte Unterwerfung unter die Jnfallibilität der Herren Drago und Calvo, der das Werk Monroes fortsetzenden und vertiefenden Apostel, angezeigt hätten. Es ist aber an allen maßgebenden Stel len östlich des Atlantik eine so unverkennbare Unlust an den Tag getreten, die Streitfrage wieder anzuschneiden, daß der große Apparat eines allamerikanischen Bündnisses sich wirklich nicht verlohnen würde, um etwa eine Mobil machung Paraguays zu sichern, wenn deutsche Strafexpeditionen in La Guaria oder in Ama- Pala-Honduras ans Land gehen sollten. Da es der Taftsche Ukas offen läßt, ob bloß ein Verteidigungs- oder gar ein Angriffs bündnis gemeint ist, so könnte man auf den Gedanken kommen, es solle jetzt der Monroe- Lehre jene Konsequenz gegeben werden, die weder ihr Urheber noch ihre Dolmetscher aus zusprechen wagten: daß nämlich das amerikanische Festland samt Jnselzubehör auch von den noch bestehenden europäischen Herrschaf ten frei gemacht werden müßte. Die Tat hat ja hierin schon den Anfang gemacht, eine solche Konsequenz zu ziehen: Rußland ist aus Alaska ausgekauft mrd Spanien aus Kuba und Portoriko hinausgeworfen. Auch hat der demokratische Sprecher des Repräsentanten hauses in den Wochen, da er covsul ässiguatus war, sich nicht entbrechen können, die schlummern den Herzenswünsche der Patrioten in bezug auf Kanada auszuplaudern. Wie zur Antwort dar auf hat die kanadische Wählerschaft mit einer Abstimmung quittiert, die alles andere als eine Vertrauenskundgebung an die amerikanische Adresse war. Der Vertreter des Großenglander- tums zieht in das Ministerstaus von Ontario ein, das Gegcnseitigkeitsabkommen verschwindet in einer Versenkung, und für die nächste Gesetz gebungsperiode wird Größerbritannien an Stelle inneramerikanischer Verbrüderung nörd lich des Niagara Trumpf sein. Unter solchen Umständen wäre es nicht verwunderlich, wenn man in Washington jetzt an den Erfolgen einer Umschmeichelung der Kanadier verzweifelte und sich zu gewaltsamerem Austrage des wieder ver schärften Gegensatzes rüstete. Schlägt doch auch in diese notwendige Betonung der Monroeformel die Mlehnung des englisch-amerikanischen Schiedsocrtrages idurch die Senatskommission, die die Aufnahme einer die ausdrückliche Unterwer fung unter die Formel enthaltende Klausel ver langt! Wenn man nach weiteren Gründen für die Wiederaufnahme der früher gescheiterten Ver handlungen gerade im jetzigen Augenblicke forscht, weil man sich nicht mit der negativen Berufung auf Diaz' Sturz begnügen will, dann gibt viel leicht eben diese Berufung einen Fingerzeig. Dichteten doch die amerikanischen Offiziösen — nicht die amtlichen Verlautbarungen — dem ge stürzten Patriarchen in seinem politischen Todes kampfe eine Anbandelung mit Japan an! Eine ganze Anzahl von Tausenden der gelbhäutigen Rasse sollte schon in aller Heimlichkeit sich auf dein mexikanischen Boden eingenistct haben, eine Abtre Ung der Magdalenen-Bai zur K. h ensta ion in die Wege geleitet sein. Daß die Besorgnis vor Japan trotz der Ueberkleisterung der kali fornischen Einwanderungsfrage fortbesteht, ist er sichtlich. Ehe die amerikanischen Unterhändler den nun vorläufig gescheiterten Schiedsvertrag mit England unterschrieben, mußte dieses seinem älteren Bündnisse mit Japan eine Kollisionsfälle ausschließende Klausel einfügen, also die Alliic- rung für künftige japanisch-amerikanische Kon flikte unwirksam machen. Auch das verstärkte maritime Wettrüsten der westlichen und östlichen Großmacht ist allein in diesem Sinne zu er klären, da Rußland bisher an keine Wiederher stellung seiner ostasiatischen Flottenstation denkt, Europas Seemächte aber sich in Freundschafts versicherungen, ja in Nachgiebigkeiten gegen die große Republik der Westfeste überbieten — das bißchen Zündstoff, das noch zwischen Holland und Venezuela vorliegt, wird kaum die Nachtruhe der Herren in Washington stören. Alles scheint darauf hinauszulaufen, daß tatsächlich in aller nächster Zeit die zum unbedingten Schiedsver- trage eingeladenen Europamächte, also England, Deutschland und Frankreich, glatt die formelle Anerkennung der Monroe-Lehre vollziehen werden. Freitisch wäre zu wünschen, daß sie wenig stens die Festigkeit behaupten werden, ihrem Zu geständnisse eine Gegenforderung mit allem Nach drucke an die Seite zu setzen, daß der Devise: Amerika den Amerikanern! die andere entsprechen müsse: Europa den Europäern! Es war in den letzten Wochen davon die Rede, daß die Der- Theater unü Musik. Leipzig, 6. November. Reue» Theater. (Neu einstudiert: „Ales sandro Stradell a".) Sehr lange Zeit mag der Sänger auf seinen Lorbeeren ausgeruht haben. Und als er gestern wieder als angehender Siebziger erschien, ward ihm ein überaus warmer und herzlicher Empfang zuteil. So simpel die Handlung, so harmlos ihre Durchführung, ebenso unterhaltend ist diese Flotoivfche Oper, die ältere Schwester der „Martha". Ein gewisses roman tisches Frisson, vermischt mit lyrischen An- und Einfällen in Gegensatz gebracht zu einer, ihrer Wirkung.immer sicheren Realistik, gibt Gelegen heit genug zu stillvergnüglicher Unterhaltung. Einst war die Musik von starker Berühmtheit und erklang auf Klavieren und Leierkästen, schließlich aber rächte sich der musikalische Kosmopolitismus ihres Schöpfers, der mit Frankreich und Italien liebäugelte und nie eigentlich deutsch dachte und empfand. Die Musik FlotowS mutet an, wie eben Großmutters Notenschrank entnommen, und es will kaum glaublich erscheinen, daß Flotow erst 1883, drei Wochen vor Richard Wagner, aus dem Leben schied. Die gestrige, von Herrn Kapellmeister Con rad mit großem Fleiß vorbereitete und günsti gem Erfolg geleitete Aufführung verhalf der bald sentimentalen, bald kapriziös prickelnden, endlich auch vom zweiten Akte an manche humo ristische Töne anschlagenden Flotowschen Musik vollkommen zu ihrem Rechte. Ein vortrefflicher, stimmlich bestens disponierter ünd gesanglich seine Aufgabe durchaus lösender Stradella fand sich in der Person des Herrn Jäger, der sich im Kostüm des Settecento aufs Vorteilhafteste prä sentierte und durch seine schöne Gesangsdarbie tung über FlotowS recht oberflächliche Senti mentalität liebenswürdig hinwegzutäuschen wußte. Frl. Eichholz durfte und konnte nicht anders erscheinen denn als eine von Gott Amor besiegte Signora, erfreute durch ihre ausgezeichnete, auf echt musikalischem Grunde ruhende gesangliche Kunst und verlieh ihrer äußerlich wirmch italie nisch anmutenden Erscheinung die Allüren der vornehmen Tochter Venedigs. Die beiden Ban diten hielten an sich, ließen ihren Humor nicht zu derb ins Kraut schießen und verharrten in folgedessen streng im Rahmen der komischen Oper. Herrn Schön le berS Barbarin» glich einem römischen Campaguolen und Herr Kunze er schien in unübertrefflicher Maske als richtiger Lazzarone. Die beiden Kumpane, die so guten Herzens sind und sich über die Maßen an schönem Gesang begeistern können, sollte aus ihrer Bank im Winkel des Salotto nur ruhig ihr Moraspiel ein bißchen weiter treiben! — es war lustig anzu- schauen. Herr Dlab al suchte der Schattenge stalt des eifersüchtigen Bassi nach Möglichkeit Le ben einzustauchen. Ganz vortrefflich hielt sich der Chor und Frl. Grondonas Maskerade durfte als Ausschnitt des venezianischen Karne vals jener guten alten Zeit gelten. Sehr Er freuliches schuf Herrn Marions Regie. Er ließ uns erst von der Giudeeca aus in der Mond nacht hinüberschauen nach dem Dogenpalast und der Piazzetta und versetzte uns dann in das malerische Campagnerdorf in die Nähe der Kirche, wo aus der Locanda alla Campagna der Herrgott seinen Arm herausstreckt. Auch die Vorhalle im Hause Stradellas hatte Stimmung. Man sollte immer wieder älteren komischen Opern nachfor schen, solange man sich noch des Besitzes eines so vorzüglichen Baßbuffos erfreut. „Don Pasquale" und „La Serra Padrona" könnten gern wieder einmal ihr lustig Wesen vor uns treiben und sind überdies tantiömefrei. . . Luxen Lsguitr. Seveik-Quartett. (1. Kammermusikabend.) Mit einer in jeder Beziehung tadellosen, über zeugungsvollen Darbietung des G-Dur-Streich- quartetts Op. 106 von Dvorak eröffnete das Quartett die verheißungsvolle Reihe seiner Auf gaben für diesen Winter. Einen neuen Vertreter hat das Cello erhalten. Herr Ze lenk« ist ein vorzüglicher Musiker, der sich im Spiel gut ein gliedert und dennoch Persönlichkeit durchfühlen läßt. Als Nr. 2 kam eine Neuheit zur Auf führung: T-Dur-Sonate Op. 29 für Violine und Klavier von Roderich von MojsisovicS, ein dreisätziges Werk in gewohnter Form, nur mit der Eigenart, daß alles Wesentliche, Melodische die Violine ausbeutet, während das Klavier in interessanter, oft frappierend eindringlicher Har monik den Unterbau liefert. Wie der 1. Satz gespielt wurde, erschien er rein lyrisch, auf das Empfindliche eingestellt; ich meine aber, daß hier schon eine romantische Schattierung hinzu treten muß; denn die folgenden Sätze tragen un verkennbar romantischen Charakter; der 3. Satz schlägt sogar zum Teil über daS Gebiet der Ro mantik hinaus ins Leidenschaftliche. Thematisch ist die Sonate sehr einfach zu erfassen. Man kann ohne große Müh« fast alle- auS dem Haupt thema deS 1. Satzes erklären. Die Hauptsache ist aber der große Empfindung-wert, der dem Werke iunewohnt; die Sonate ist mit dem Herzen geschrieben. Tie Ausführung bemüht sich, das Werk seinem Inhalte gemäß darzustellen; nur schoß Herr Lhotosky mit seinem süßen Geigen ton insofern über das Ziel hinaus, als er alles mit Sentimentalität umgab, wodurch in dein Werke meiner Ansicht nach etwas Wesentliches verdeckt wurde. Herr Hugo Krömer am Kla vier spielte technisch vorzüglich, im übrigen aber trocken, was auch in den Solostücken von Tebussv nachteilig zu bemerken war. Die sentimentalen Drücker der 1. Geige schadeten auch dem sonst gut gespielten F-Moll-Quartett von Beethooen. Die Akzente waren da nur angedeutet, infolge dessen erschienen die lyrischen Stellen ebenfalls zu weichlich ^.rtur Loklegel. von Frankreichs erstem Bürger Heute vollendet Herr Armand Fallieres, der achte Präsident der französischen Republik, sein 70. Lebens- jahr. Daß er eine groß« geschichtliche Gestalt sei, haben auch seine Bewunderer nie behauptet, aber ebensowenig ist zu leugnen, daß er ein echter Typ des französischen Bürgertums ist. Es gibt nichts bür gerlicheres als Herr FalliLres es ist. Sein Urgroßvater und fein Großvater waren Schmiede in Billeneuve de Mezin. Großvater FalliLres war ein Mann mit der Körperkrafi eines Simson — der Enkel hat von ihm die physische Stärke geerbt — und von ent schlossenem Geiste und unbeugsamem Willen. Dieser hartköpfige intelligente Gascogner arbeitete sich Schritt für Schritt vorwärts machte Geld und legte alles, was er verdiente, hübsch sparsam beiseite. Sein Sohn Pierre stieg dann bereits ein« Stuf« höher auf der sozialen Leiter, indem er zum Beamtentums überging, und Hm wiüter folgte sein Sohn Armand, der sich dem Recht sstudrum widmete, Advokat und später Bürgermeister wurde und 1876 in die politisch« Laufbahn eintrat. Das Merkwürdigste an dieser Laufbahn ist, daß er sich eigentlich nie zur politischen Macht gedrängt hat und daß sie ihm trowem in den Schoß gefallen ist. Als aber dann Herr Fallieres ins Elyfi« umzog, blieb er darum doch ganz und gar der alte Herr FalliLre». der alt« Herr Fallitzre. . Der Zuschnitt des Lebens im Präfidentenpalaste wollte dem sparsamen Gascogner gar nicht passen. Er reduzierte die Zahl der Pserde in den Präsident- sichen Ställen von 30 auf etwa den zehnten Teil. Er zog einen Haufen dekorativer Stellungen ein. Ein kommandiereiü>er General im ElyfS«? stein Be dürfnis dafür, erklärte Herr Falliere», und kündigte dem Herrn General für die nächste Woche. Ein Küchenchef mit Ministergehalt? Dafür hatte nun einigten Staaten eine Einmischung in den türkisch-italienischen Krieg planten, um für ihre wirtschaftlichen Interessen eine be sonders günstige Stellung bei den Machthabern am Goldenen Horn cinzuhaudeln. Die Verzöge rung ihrer Neutralitätserklärung war damit in Verbindung gebracht. Ein solches Eingreifen in unsere wahrhaftig genug verwickelten Händel im nahen Orient haben wir alle Veranlassung uns ganz energisch zu verbitten. Im übrigen muß man den Erfolg der ameri kanischen Vcrbrüderungspläne abwarten. Der jüngste Kongreß der fünf südamcrikanischen Nord staaten in Caracas mit seiner unverkennbaren Spitze gegen die Union war gerade kein Früh lingszeichen für ein Himmclanwachscn der pan amerikanischen Bäume. Ein noch schlimmeres' Omen ist es, daß eben in diesem Augenblicke Chile und Peru über ihre alte Arikafrage das Kriegsbeil auszugrabeu beginnen! 2. Der Krieg in Tripolis. Heber den Türkisch-Italienisch«» Krieg laufe».'auch jetzt noch keine klar« Meldungen ein. Die englischen Blättermeldungen über die Grausamkeit«», die sich die Italiener in Tripolis wehrlosen Arabern gegen über zuschulden kommen ließen, veranlaßt die italie nische Negierung weiter, Dementis herauszugeben. So veröffentlicht die „Agenzia Stefani" den Armee befehl, den General Caneva am 9. Oktober in Neapel erlaßen hat, da er der beste Beweis sei für die Gefühle der Menschlichkeit, von der das italie nische Besatzungskorps in T r i p o l i s sich leiten laße, und di« beste Antwort auf die Beschuldigungen aus wärtiger Blätter, daß die Italiener in Tripolis Aus schreitungen begangen hätten. In dem Armeebefehl wird Offizieren und Sol daten eingeschärft: 1) Achtung vor Privateigentum jeder Art; 2) Achtung vor dem mohammedanisch«» Glauben; 3) keine Belästigung der Frauen; 4) billiges Verhalten gegenüber den eingebore nen Kaufleuten, die, wie es im Kriege nun ein mal sei, häufig übermäßig hoch erscheinende Preise fordern dürften. Ueber die Lage in Tripolis. wird gemeldet: Der italienische linke Flügel ist während der Kämpfe seit dem vorigen Sonnabend 2—3 Kilo meter zurückgewichen. Die Italiener haben sich in den Oasenvierteln in Schützengräben ver schanzt. Zn die Häuser und Gartenmauern sind Herr Fallieres gar nichts übrig; wozu war denn Jenny da; Jenny gehört« zu dem alten Stamm der Dienerschaft der Familie Fallieres aus Loupillon, und als Herr Falliöres zur Präsidentschaft gerufen worden war, übernahm sie resolut das Kommando im Palaste. Dabei sah sie ihre Aufgabe vor allen Dingen darin, ihren guten alten Herrn, an dem sie mit zäher Treue hängt, vor seinen vielen Besuchern zu schützen, und der Präsident hat manchmal in Per son vermittelnd eingreifen müßen, wenn Jenny einem wichtigen Besucher unbeugsam den Zutritt zu ihm verwehrte, weil „Moussu" nicht gestört werden dürfe. Ja, Herr Fallieres blieb auch im Elysae ganz der, der er gewesen war. Um die Vorschriften und Launen der Mode kümmerte sich der alte Weinbauer nicht einen Pfifferling; weder die Bügelfalte noch der Hofenaufschlag fanden bei ihm Anerkennung, und der, wie soll man sagen? der — sehr bürgerlich« Fall seiner Hosenfalten hat schon manchen Karikaturen zeichner inspiriert. Wenn man an den übereleganten Felix Faure denkt! Herr Fallieres trägt noch heute unentwegt seine LavalliLre-Krawatte in blauem Surah mit weißen Punkten, wie sie so ungefähr vor 30 Jahren die feinste Mode gewesen ist. Seit 1876, wo er Ab geordneter wurde, bezieht er diese Meisterwerke aus demselben Geschäfte; sie kosten Stück für Stück 19 Sous oder etwa 75 Pfennige. Ebenso getreu ist er seinem Schuhmacher geblieben, der ihm für 15 ein Paar Stiefel liefert, wie er sie eben haben will. Sein Leben ist geregelt, wie das eines Uhrwerkes. Um 6 Uhr des Morgens steht er auf, nimmt ein kaltes Bad und begibt sich dann auf seinen Morgenspazier- gang, dessen Länge ein bestimmtes Mindestmaß haben muß. Dann kommt er nach Hause, arbeitet den ganzen Tag und ist bei Tische der bescheidenste Esser. Lin milder Rotwein mit viel Mineralwasser: das ist sein Getränk und um Vrll Uhr ist er zu Bett. Die Bürde seines Amtes sind ihm die Pflichten der Re präsentation, die ihm sogar schon gelegentlich den Ge danken an Rücktritt nahegelegt haben; sein Ver gnügen ist eine Jagd, vor allem aber ein Ausflug in seine geliebten Weinberge zu Loupillon, wo er, in Joppe und weite Hosen gekleidet, wie di« andern Landleute auch, seine Pfeif« im Munde, herzensfroh unter seinen Reben wandelt. So trocken Herr Falliöres im allgemeinen ist, so fehlt es ihm doch keineswegs an Mutterwitz, und man «rzählt sich von ihm manches hübsche Wort. Zn seiner Unterhaltung äußerte er einmal, so etwas, wie dt« in Rede stehende Begebenheit, habe man doch noch nie gesehen. „Pardon, H«rr Präsiden^ im Zohre 1646 war es noch viel schlimmer", bemerkt« einer der Herren mit denen «r sprach. „Im Jahr« 1646?" wiederholte nachdenklich Herr Falllsre». „Im Jahr« 1646! Da müssen Sie doch aber noch recht jung ge wesen fein."
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