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VekchSstsftelle und Redaktion r Dresden »A. 16, Holbeinstraße 4« Nr. «S LS. Jahrg. Donnerstag den 16. März 1916 Sächsische Fernsprecher 21366 Postscheckkonto Leipzig Nr. 14767 BezuaSpretS, AuSaabe X mit illustr. Beilage vierteljährlich 2.40 ^4. In Dresden und ganz Deutsch- land frei Haus 2.S2 ^4; in Oe 4.4» X. öeslerreich Ausgabe » dterteljahrlich 4.R0 ^4 In Dresden und ganz Deutschland srei Haus 2.22 ^4; in Oesterreich 4.0» X. Einzel-Nummer 40 Die Sächsische Vollszeitung erscheint an allen Wochentagen nachmittags. Wlkszeitum Anzeigen! Annahme von Meschüslsauzeigen dis 40 Uhr. von Familieuauzcigeu bis 4 4 Uhr vorm. Preis sür die Pctit-Spaltzcile 20 ^, im Rella- metcil OO >s. gür undeutlich geschriebene, sowie durch Fern sprecher ausgcgcbenc Anzeigen können wir die Verantwortlichkeit fiir die Richtigkeit dcS Leites - nicht übernehmen. Sprechstunde der Redaktion: 44—42 Uhr vorm. l Organ der Zentrumspartei. Einzige Tageszeitung für die katholische Bevölkerung im Königreich Sachsen. Ausgabe ä. mit illustrierter Unterhaltungsbeilage und relig. Wochenbeilage Feierabend. Ausgabe U nur mit der Wochenbeilage. MM VkS UWlMl8 M All! Ueber die römische Frage äußern sich in der letzten Zeit eine Anzahl Blätter wieder lebhafter. Sie halten die Lösung dieser Frage mit Recht für sehr wichtig und vordringlich, nur sind sie über das „Wie" nicht ganz einig. Ta hat z. B. jemand in den „Neuen Zürcher Nachrichten" einen Artikel veröffentlicht, der von dem Blatte als „von besonderer Seite" kommend bezeichnet und dem eine autoritative Bedeutung beigemessen wird. Ter Verfasser kommt nach einer allgemeinen Be leuchtung von zwei hochwichtigen Thesen: Garantiegesetz, Teilnahme des Papstes am eventuellen Friedenskongreß, zur Beantwortung der Frage: Was die Katholiken aller Nationen für den Heiligen Stuhl tun können und tun müssen. Seine Antwort, sagt der Verfasser, möge gleichsam das Programm der Katholiken aller Nationen werden, da sie ails unbestreitbaren Prinzipien, hochwichtigen Doku menten und authentischen Informationen beruht, und so mit, wie der Verfasser hoffen zu dürfen versichert, mit den Intentionen des Heiligen Stuhles in keiner Richtung in Widerspruch stehen dürfte. Als Hauptpunkte bezeichnet er: 1. Hinsichtlich des italienischen Garantiegesetzes müssen die Katholiken mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln in der Presse und in den Vereinen eine unzweideutige und wirksame Propaganda für die Idee betreiben, daß das Gesetz absolut ungenügend sei, um die notwendige Freiheit und Unabhängigkeit des Heiligen Stuhles sichern zu können, und daß es nicht bloß von Anfang seiner Existenz an unge nügend war, sondern auch insbesondere während des Welt krieges sich erst recht praktisch ungenügend gezeigt hat. 2. Hinsichtlich der „Römischen Frage" im allgemeinen muß immer und kategorisch hervorgehoben und betont werden, daß die Frage, im Gegensatz zu den so oft wieder holten und beharrlichen Erklärungen der italienischen Ne gierung, die Frage sei eine innere Frage Italiens, ihrem Wesen und ihrer Natur nach durchaus inter national und sür den gesamten katholischen Erdkreis vom höchsten Interesse ist. 8. Wenn nun die italienische Negierung gelegentlich des Beitritts zum Londoner Vertrag verlangt und erreicht hat, die Mächte der Entente möchten jede Modifikation des Garantiegesetzes ausschließen, wie wenn die römische Frage als eine rein innere Frage Italiens, das Garantiegesetz aber als genügend anznsehen wäre, so müssen die Katholiken gegen dieses Attentat energisch Stellung nehmen und den Akt der italienischen Regierung offen und laut verurteilen als einen Akt, der nicht bloß gehässig, sondern auch ganz unnütz erscheint, da ja der Heilige Stuhl sicherlich vom protestantischen England, vom schismatischen Rußland und von der französischen Regierung keine Initiative zu seinen Gunsten zu erwarten hat! 4. Die Katholiken müssen prinzipiell »nd mit unermüd lichem Eifer die Idee verteidigen: der Heilige Vater dürfe in keinem Falle von e i n e in eventuellen Friedenskongreß ausgeschlossen werden. Die wichtigsten Gründe, die für die Beteiligung des Papstes au einem solchen Kongresse sprechen, sind vor allem die Tat sache, daß der Papst der Statthalter des göttlichen Friedens fürsten ist, und die höchste moralische Autorität auf Erden repräsentiert,^ind sodann der wichtige Umstand, daß 'Seine Heiligkeit soviel bis jetzt bereits getan hat, um den er sehnten Frieden zu beschleunigen, und unterdessen wenig stens die schrecklichen Konsequenzen des Krieges, soweit wie möglich, zu lindern. Das reichste Material für solche Erörte rungen bieten ja die herrlichen Friedensdokumentc des Papstes und die erfreulichen Resultate seiner Bemühungen zugunsten der Kriegsgefangenen, von denen bereits zahl reiche innige Danksagungen an den Heiligen Vater ge langt sind. Bei dieser Gelegenheit kann auch sehr opportun hervor gehoben werden, daß der Heilige Stuhl eigentlich neutral nicht genannt werden kann — wie znmcist geschieht, — son dern iin Weltkrieg nnparteii s,ch dasteht, da so viele am Krieg beteiligte als Katholiken Söhne und Untergebene des Papstes sind. Auf den ersten Blick leuchtet ja der Unterschied zwischen Unparteilichkeit des Hl. Stuhles und der strikten Neutralität der nicht kriegführenden Staaten ein. 5. Wenn nun auch hier Italien, wie die Zeitungen ge meldet haben, und wie man leider allen Grund hat zu glauben, bei Gelegenheit des „Londoner Vertrags" den Ausschluß des Hl. Stuhles vom Friedenskongreß erreicht hat, so müssen die Katholiken, wenn auch ein „Friedens kongreß" heute problematisch erscheint, und der Hl. Stuhl N MW SkllW T»WU tW. T. B. Amtlich.) Großes Hauptquartier, 16. März 1916. Westlicher Kriegsschauplatz In Flandern, besonders in der Nähe der Küste, nahmen die Artilleriekämpfe' merklich an Heftigkeit zu. Sie steiger ten sich auch in der Gegend von Rohe und von Ville-aux- bois (nordwestlich von Reims). In der Champagne machten die Franzosen nach starker, ober unwirksamer Artillerievorbereitung gänzlich erfolg lose Angriffe aus unsere Stellungen südlich von St. Souplet und westlich der Straße Somme—Py—Souain, die uns wenige, ihnen sehr zahlreiche L^ite kosteten. Wir nahmen außerdem 2 Offiziere, 169 Mann unverwundet gefangen und erbeuteten 2 Maschinengewehre. Links der Maas sind weitere Versuche des Feindes, uns den Besitz der Höhe „Toter Mann" und der Waldstellungen nordöstlich davon streitig zu machen, im Keime erstickt worden. , Zwischen Maas und Mosel hat sich die Lage nicht ver ändert. Südlich von Niederaspach drangen unsere Patrouillen nach wirkungsvoller Beschießung der feindlichen Gräben in diese vor, zerstörten Verteidigungsanlagen und brachten einige Gefangene und Beute mit zurück. Im Lustkampfe wurde ein französisches Flugzeug süd östlich von Beine (Champagne) abgeschosseu. Die Insassen sind verbrannt. — Feindliche Flieger wiederholten heute nacht einen Angriff auf deutsche Lazarette in Labry (östlich von Conflaus). Der erste Angriff war in der Nacht zum 13. März erfolgt. Militärischer Schaden iit nicht venn- sacht; von der Bevölkerung sind eine Frau schwer, eine Frau und zwei Kinder leichter verletzt. Oestlicher Kriegsschauplatz Patrouillenkämpfe an verschiedenen Stellen der Front. Keine besonderen Ereignisse. Balkan - Kriegsschauplatz Nichts Neues. Oberste Heeresleitung. Rücktritt des Großadmirals v. Tirpitz Berlin, 16. März. Wie wir hören, hat der Staats sekretär des Reiäismarineamts Großadmiral v. Tirpitz seinen Abschied ein gereicht. Zu seinem Nach folger ist der Admiral v. Capelle in Aussicht ge nommen. Zum Rücktritt des Staatssekretärs v. Tirpitz von der Spitze der Reichsmarineverwaltung, an der er fast zwanzig Jahre gestanden hat, sagt das „Berl. Tagebl.": v. Tirpitz sei unbestreitbar eine der wenigen starken Persön lichkeiten, die in der Nachbismarckschen Zeit in einer Anstellung tätig gewesen seien. Er sei in der Ausführung seiner Ideen ein unermüdlicher Organisator von ungewöhnlicher Willenskraft und glänzenden Geistes gaben gewesen und habe Offiziere und Mannschaften mit be- wnndcrswertem Tatendrang erfüllt. Der „Berl. Lokalanz." stellt fest, daß Tirpitz in sechs Flottcngesetzen den Plan verwirklicht hat, niit dem er in dad Anit einzog, aus den, er jetzt scheidet. Zu Beginn des Welt- krieges sei das Flotteuprogramm noch nicht durchgeführt gewesen. Das Maximum ihrer Stärke sollte erst 1920 er- reicht werden. Nichtsdestoweniger habe der unsere Seeleute beseligende Geist gegen ungeheuer überlegene Gegner Wun der gewirkt, die unserer Marine die Bewunderung der ganzen Welt erzwangen und den Namen des scheidenden Großadmirals unvergeßlich machten. selbst keinen Schritt bei den kriegführenden Mächten getan hat, um sich einen Anteil am Kongreß zu sichern, keine Mühe scheuen, um die öffentliche Meinung zur Ueberzeugung zu bringen, ein solcher präventiver Ausschuß des Hl. Stuhles müsse als die größte Ungerechtigkeit und die schwerste Beleidigung angesehen werden. Dies wäre, sagt der hochstehende Gewährsmann der „Neuen Zürcher Nachrichten", nach seiner Ueberzeugung das Programm, nach dein die Katholiken des Erdkreises in der schweren gegenwärtigen Epoche für den Hl. Stuhl er sprießlich arbeiten könnten, von der größten Wichtigkeit wäre Einheitlichkeit der Bestrebungen aller Katho liken, und hier, sagt der Verfasser, sprechen wir die Hoff nung aus, daß auch in den Ländern der Entente, trotz der peinlichen Nachrichten über ihre Haltung dein Hl. Stuhl gegenüber, ein wahres Verständnis für die heilige Sache der Kirche und ihr Oberhaupt durch die dichten Wolken der Politik durchbrechen wird. Deutscher Reichstag Berlin, 16. März. Am Tische des Bundesrates: Tr. Delbrück, Tr. Helffericb. Der Sitzungssaal ist fast vollzählig besetzt. Präsident Dr. Kaempf eröffnet di'e Sitzung nach Uhr mit folgender Ansprache: „Der Reichstag tritt in seinen neuen Sitzungsabschnitt ein im Zeichen der gewaltigen Kämpfe, mit denen unsere braven Truppen, deren Heldenmut und Kampfesfreudigkeit über jedes Lob erhaben sind, unter ihren genialen Führern im Westen die Front unserer Feinde erschüttern. Alle unsere Gedanken sind bei ihnen, wie nicht minder bei unserer stolzen Flotte (Beifall), die durch so viele Heldentaten, wie jetzt durch die glänzenden Taten und die glückliche Heimkehr der „Möwe" (Lebhafter Beifall) den Beweis geliefert hat, daß sie sich würdig messen kann mit den kühnsten See fahrern aller Zeiten und aller Völker. (Beifall.) Einmütig senden wir ihnen allen,» Truppen und Führern zil Wasser und zu Lande, unseren Truppen und den Truppen unserer Verbündeten, den dankbarsten Gruß. (Beifall.) Uns in der Heimat liegt es ob. durch den Erfolg der neuesten Kriegsanleihe, zu der jeder Deutsche mit allen seinen Mit teln freudig beisteuert und beisteuern soll, den Beweis der ungebrochenen finanziellen Kraft des Deutschen Reichs zu führen (Beifall) und zu beweisen, daß der Reichshaushalt unsererseits in Ordnung gehalten werden wird auch unter den jetzigen Kämpfen. Wenn in dem gewaltigen, bald zwei Jahre wütenden Kriege einzelne Schwierigkeiten sich uns entgegcnstellen, so haben wir den festen Willen, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Wir haben das feste und uner s chüttcrliche Bert r a neu, daß die Kraft, die durch diesen einmütigen Willen des Volkes begründet ist, ausreichen wird, alle Schwierigkeiten lnnwegznräumen. (Beifall.) Mit diesem Vertrauen beseelt, bitte ich Sie, in Ihre Arbeit einzntreten." (Beifall.) Darauf tritt das Haus in die Tagesordnung ein. Tie Neichshaushaltsrechnung für 1914 wird ohne De batte an die Rechuungskommission überwiesen. Es folgen Berichte der Petitionskommission. > Im Anschluß an eine Petition, betr. Gewährung von Hinterbliebenenrente, wird folgende Entschlie ßung angenommen: den Reichskanzler zu ersuchen, in Erwägung zu ziehen, ob der Anspruch auf Bcitragserstattung nach dem Jnva- lidenversicherungsgesetz in gewissen Fällen auch dann be- * steht, wenn der Tod des Versicherten erst nach dem 81. De-, zember 1911 eingetreten ist. Die Verhandlung einer Petition des Verbandet Sächsischer Industrieller, betreffend Maß nahmen zum Schutze der deutschen Industrie gegen die Konkurrenz des Auslandes während der Uebergangszeit nach Friedensschluß, welche Petition die Kommission für Handel und Gewerbe dem Reichskanzler als Material zu überweisen vorschlägt, wird auf Antrag des Abgeordneten Basser mann (natl.) von der heutigen Tagesordnung abgesetzt. Damit ist die Tagesordnung erledigt. Schluß: 2 Uhr 35 Minuten. Nächste Sitzung: Donnerstag 3 Uhr: Erste Lesungen des Reichshaushaltsetats für 1916 und der neuen Steuer vorlagen.