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Wöchentlich erscheinen drei Nummern, PeänumeralionS-Preis 22h Sllbergr. (t Thlr.) vierteljShrlich, Z Thlr. süe da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen her Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Brit u. Eomv., Iägerstraße Nr. 25), so wie von allen Aönigl. Dost-Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. .4/ 123. Berlin, Sonnabend den 12. Oktober 1844 Spanien. Gibraltar und seine Bevölkerung. Bon George Borrow'S „Dke Dible in 8p»in", das die Leser unseres Magazins aus mehrfachen Auszügen kennen, die wir diesem Werke früher entlehnten"), ist jetzt eine vollständige deutsche Uebersetzuug in drei Bänden unter dem Titel: „Fünf Jahre in Spanien" erschienen. °°) Das Original hat in England bereits drei Auflagen erlebt und nebst seinem früheren Werke über Spanien (1'ke Lincsli) dem Verfasser einen für immer gesicherten Ruf begründet. Herr Borrvw ist aber auch ei» englischer Tourist eomme il kaut; er mag sepn, wo er will, immer wird er sich des Roastbeef und des Porter- bierS von Alt-England mit Sehnsucht erinnern. Kein Volk in der Weit ist in seinen Augen würdig, den Engländern auch nur die Schuhriemen zu lösen, aber es müssen echte Vollblut-Englishmcn sepn, und selbst die Schotten und Irländer sind ihm nur insofern von einigem Werth, als sie die Ehre haben, in den Diensten John Buü'S zu stehen. Dabei besitzt der Mann das Talent, üe nmuib».-: rebus et guibunüsm -üü« erzählen zu können: er bleibt selten bei dem gegebenen Stoffe, sondern jede neue Figur giebt ihm auch gleich zu einer neuen Episode Anlaß, und das ist gerade am meisten im Geschmacke eines Publikums, dem es weniger um Belehrung, als um abwechselnde Unter haltung zu thun. Wir zweifeln darum auch nicht, daß, seiner britischen Lxduüiv«»«^ ungeachtet, wozu auch noch ein gewisser Missionseifer und eine affektirte Nichtachtung aller anderen Kirchen außer der englisch-episkopalen kömmt, die vollständige Uebersetzuug seines unterhaltenden Buches in Deutsch- land nicht mindern Beifall finden werde, als die Abschnitte, die wir früher daraus mitgetheilt, besonders da die Uebersetzuug mit sprachlicher Gewandt heit ausgeführt ist. Der Uebersetzer hat mit Recht den englischen Titel des Buches: „Die Bibel in Spanien" durch einen dem Inhalte desselben mehr entsprechenden ersetzt. Die Bibel kommt in den Werke nur beiläufig vor, und der Verfasser hat dasselbe nur deshalb nach ihr genannt, weil er in Spanien hauptsächlich mit dem Auftrage der englischen Bibelgesellschaft sich befand, Las Buch der Bücher daselbst zu verbreiten. Wie wenig ihm dies gelungen, haben wir be reits in einem früheren Auszuge mitgetheilt, in welchem er über seine Ver handlungen mit dem spanischen Ministerium iu sehr humoristischer Weise bc- richtete. Der gegenwärtige Auszug, der den letzten Abschnitten des dritten Bandes entlehnt ist und von der Ueberfahrt des Verfassers von Spanien nach Marokko handelt, hat zum Theil de» Zweck, eine Probe der oben erwähnten deutschen Uebersetzuug mitzutheilen, zum Theil aber auch, unsere Leser aus das durch den letzten Seezug der Franzosen interessant gewordene spanisch afrikanische Gebiet zu versetzen. Wir werden zu diesem Ende unserem gegen wärtigen Abschnitt über Gibraltar einen zweiten über Tanger folgen lassen. I. Es war nahe an Sonnenuntergang, und wir durchschifften so eben die Bucht von Gibraltar; die Bucht? — nein, cS erschien nicht wie eine Bucht, sondern wie ein von allen Seiten durch zauberähnlichc Schranken umschlossener Binnensee; so seltsam und wunderbar war der Anblick seiner Küsten. Vor uns lag die uneinnehmbare Berghöhe, rechts das Festland Afrika s mit seinem grauen Dschibel Musa und die Felsenspitze von Ceuta, nach welcher eine ein same Barke hinzusteucrn schien; hinter uns Algeziras, das wir so eben verlassen hatten, mit seinem Walle von Gebirgen; zu unserer Linken die Küste Spaniens. Die Oberfläche des Wassers ward durch keine Welle gekräuselt, und während wir rasch dahin glitten, ward der seltsame Gegenstand, dem wir uns näherten, mit jedem Augenblick deutlicher und sichtbarer. Dort am Fuße des Berges und einen kleinen Theil seines Abhanges bedeckend, lag die Stadt mit ihren Wällen, besetzt mit düsteren Kanonen, die bedeutungsvoll auf ihre Steindämme und Häfen hin gerichtet waren; oben darüber, dem Anscheine nach auf jeder Fels spitze, die sür die Vcrtheidigung oder für die Vernichtung des Feindes benutzt werden konnte, blickten gleich blaffen Leichensteinen Batterieen hervor, als wollten sie das Schicksal andeutcn, das jeden angreifenden Feind hier erwarte; ") Man vgl. unter Anderem Nr. 2S—rs, so wie No. M des Magazins vom Jahre In der zuerst genannten Nummer defindet sich auch eine Skizze von dem Leben des in jeder Beziehung merkwürdigen Verfassers. --) BreStau, im Vertage von Joseph Map u. Comp., isss. während ostwärts und westwärts, gegen Afrika und Spanien hin, auf den äußersten Punkten sich Kastelle, Thürme oder Atalaias erhoben, die das Ganze und zugleich die ganze Umgegend von Land und Wasser beherrschten. Mächtig und drohend erschienen die Festungswerke, und sie würden, sähe man sie in irgend einer anderen Lage, ohne Zweifel an und für sich schon die Seele be schäftigen und ihr Staunen erhöhen; allein der Berg, der stauncnswürdige Berg war überall um sie, unter ihnen oder über ihnen, und schwächte den Ein druck ihres Anblicks. Wer würde wohl, wenn er den ungeheuren Elephanten mit seinem geschwungenen Rüssel ungestüm in den Kampf stürzen sicht, noch aus den Thurm blicken, den er aus dem Rücken führt, oder die Wurfspieße derer fürchten, die er trägt, wie gewandt und kriegerisch sie auch sepn möchten? Nie erscheint Gott so groß und gewaltig, als wenn die Werke seiner Hand mit den Schöpfungen der Menschen im Kontrast stehen. Betrachte das EScurial, cs ist ein stolzcr Bau; aber bewundere eS noch, wenn Du kannst, sobald Du den Berg, der spottend darauf nieder sieht, anschaust- Betrachte jenen Stolz der maurischen Könige, betrachte Granada von seiner Ebene aus, und bewundere cs noch, wenn Du kannst; denn Du siehst dahinter die Alpujarrcn, die stolz darauf herab blicken. O, was sind doch die Werke des Menschen, im Vergleich mit dcnen des Herrn! ebxn das, waS der Mensch im Vergleich mit seinem Schöpfer ist! Der Mensch baut Pyramiden, und Gott baut Pyramiden; die Pyramiden des Menschcn sind Steinhaufen, winzige Hügel auf Sandcbenen; die Pyramiden des Herr» sind die Anden und die Himalaya-Berge. Der Mensch baut Mauern auf, und so auch sein Gebieter; aber die Mauern Gottes sind die schwarzen Abgründe von Gibraltar, ewig, unzerstörbar und unersteigbar; während die des Menschen erklettert, durch die Wogen zer trümmert oder durch Blitz oder Pulver-Erplosionen zerschmettert werden können. Will ein Mensch seine Macht und Größe zu seinem Vortheil zeigen, so möge er fern von den Gebirgen weg fliehen: denn die breiten Wimpel Gottes, eben seine Wolken, flattern auf den Spitzen der Berge, und die Majestät Gottcs offenbart sich am meisten in den Gebirgen. Nenne Gibraltar den Berg Tarik s oder des Herkules, wenn du willst; aber betrachte ihn einen Augenblick, und du wirst ihn den Berg Gottes nenncn. Tarik und der Riese der Vorwelt mögen etwas darauf erbaut haben °); allein der gesummte dunkel farbige Stamm, zu welchem Tarik gehörte, und alle die berühutem Niesen des Altcrthums, von dcnen Hercules einer war, würden nicht im Stande gewesen sepn, seine Felscnspitzen aufznführen oder seine ungeheure Masse zu ihrer gegen wärtigen Gestalt auszuhauen. Wir gingen nicht weit von dem Hafen vor Anker. Da wir jeden Augen blick den abendlichen Kanonenschuß zu hören erwarteten, nach welchem Nic. mand mehr in die Stadt eingelassen wird, so war ich sehr in Angst, daß ich die Nacht würde am Bord dcs schmutzigen catalouischen Dampfbootes zubrin gen müssen, das ich gern eiligst zu verlassen wünschte, da ich nicht nothwen dig hatte, wcitcr darin zu fahren. Ein Boot näherte sich uns jetzt, auf dessen Hintertheil sich zwei Personen befanden. Der Eine stand auf und fragte mit einer gebieterischen Stimme nach dem Namen dcs Fahrzeugs, nach seiner Be stimmung und seiner Ladung. Als dies beantwortet war, kamen sie an Bord. Nach einem kurzen Gespräch mit dein Capitai» waren sie im Begriff, sich wieder zu entfernen, als ich fragte, ob ich sie wohl nach der Küste begleiten könnte? Derjenige, au dc» ich mich wendete, war ein schlanker, junger Mann in einem Frack von Barchent. Er hatte ein langes Gesicht, lange Nase und weiten Mund, mit großen, unruhig umherblickenden Augen. In sciuem Ge sicht war ei» gewisses Grinsen, welches darin bleibend zu sepn schien, und hätte er nicht eine bronzene Gesichtsfarbe gehabt, so würde ich ihn sür ein verzärtel tes Londoner Stadtkind und für nichts wcitcr gehalten haben. Er war in dessen nichts der Art, sondern das, was man eine Felsen-Eidechse nennt, das heißt, Jcmand, der zu Gibraltar von englischen Aeltern geboren ist. Als er meine Frage, die ich auf spanisch that, hörte, grinste er noch mehr als je und fragte in einem fremdländischen Accent, ob ich ein Eingeborener von Gibraltar scy? Ich erwicdcrte, daß ich nicht die Ehre hätte, aber daß ich ein britischer Unterthau sey; worauf er erklärte, daß er ohne Bedenken mich nach der Küste mitnehmen würde. Wir traten ins Boot, welches von vier genuesischen Ma trosen pfeilschnell ans Laud gerudert wurde. Meine beiden Begleiter plauderten in ihrem fremdartigen Spanisch, während der im Barchent-Rocke dann und wann mir sei» ganzes Gesicht zuweudetc und sein letztes Grinsen immer noch abscheulicher erschien als das frühere. Wir erreichten bald den Kai, wo mein ') Der Name Gibraltar ist bckamulich eine Kvrrumpinmg aus Gibel «Dschibel) Tarik, Tariksberg.