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Nr. 15 — 90. Jahrgang Montag, den 19. Januar 1931 Wilsdruss-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Telegr.-Adr.: .Amtsblatt' Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstremamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ »^^/druffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in 5 und den Ausgabestellen 2 NM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 NM.» bei Postbestellung Abtrag- . gebühr. Einzelnummern Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und unsrreAus. träger und Geschäftsstellen 2 2—2 nehmen zu jeder Zen Be- Neuungen entgegen. 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Anzeigennehmcn alle Vermittlungsstellen entgegen. //Einigkeit und Recht und Freiheits Sachsen feiert die Reichsgründung. Am Tage der Reichsgründungsfeier wehten die Flaggen auch über dem Sachsenland, das sich erst 1870 wieder den übrigen deutschen Staaten zugesellt hat, nach dem es vorher zu den schwankenden Gestalten in der Ge schichte der deutschen Kleinstaaten gehört hatte. Wie über all in deutschen Landen, gab es auch in Sachsen Para den in den Garnisonen, an denen Kriegervereine und die allen Veteranen insbesondere lebhaften Anteil nahmen. Die Sächsische Staatsregierung beging den Tag mit einer offiziellen Neichsgründungs Staatlichen Schauspielhaus Dresden, in dem sich Spitzen der Behörden, der Reichswehr und eine groß-, Leladener Gäste versammelt hatten. Zwischen mu Darbietungen der Staatskapelle stand die Gc- oenirede des Leipziger Professors Geheimrat Dr. Bran denburg jn einer sachlichen — in Anbetracht der Bedeutung des Tages vielleicht zu sachlichen — Weise die Entwicklung des Deutschen Reiches seit dem bedeut samcn Gründuügsakt im Spicgelsaale von Versailles iu äußerer wie innerer Hinsicht an dem geistigen Auge vor überziehen ließ. „Leuchtend", so sagte er anfangs, „steigen die Gestalten des greisen Kaisers Wilhelm I., Bismarcks und Moltkes heute vor unseren Augen auf. Sehnsuchts und neidvoll gedenken wir der wunderbaren Siegesstim mung, die ihre Weihe durch die Wiederherstellung der deutschen Einheit erhielt. Die höchsten Träume der Väter schienen erfüllt, die alte Zwietracht, das böse Erbteil un serer Geschichte, begraben, und unsere Grenzen und unsere Stellung in der Welt für immer gesichert." Freilich, so führte der Redner u. a. weiter aus, sei auch damals nicht alles so glanzend gewesen, wie es in der Begeisterung erschien. Tie alte Zwietracht rüttelte an Bismarcks Wert. Zu den partikularistischen Strömungen kam die Emanzi pation der Arbeiterschaft, und der bedeutende Wirtschaft liche Aufstieg Deutschlands schuf äußereGefahrenmomente, die Bismarck durch die Schaffung des Dreibundes zu ban nen suchte, die aber unter seinen Nachfolgern zu jener Einkreisung des im Herzen Europas liegenden Deutschen Reiches führten, die 1814 den Ausbruch des Weltkriegec zur Folge hatte. Wohl hatten die drohenden Augusttage jenes Jahres die erhebende Folge, daß das deutsche Volk allen Hader vergessend, wieder in seltener Einmütigkeit und begeistert zusammenstand, aber um so erschütternde; und unheilvoller war die Zersplitterung am Ende dec verlorenen Feldzuges. Deutschland erlebte die schwerst. Krisis, die es seit der Franzosenzeit im Anfang des 19 Jahrhunderts durchzumachen gehabt hat. Und doch, wenn wir die jetzige Lage mit der damaligen vergleichen so zeigt sich ein gewaltiger Unterschied: damals wurde der deutsche Staat vollständig zerstört, diesmal aber sind Wir — trotz der Loslösungsbestrebungen im Rheinland und in Bauern 1918 bis 1920 — zusammengeblieben Und als Ursache dieser inneren Festigung muß zweifellos auch die Reichsgründung vor 60 Jahren genannt werden Diese gewaltige Leistung des Bismarckschen Reiches solle unvergessen sein und gebe uns ein Recht, diesen 18. Ja nuar als ein nationales Fest zu feiern. Tenn nur vereint, schloß der Redner, können wir in der Welt wieder etwas bedeuten, deutscher Kultur festen Rückhalt geben und die Wunden des Krieges und des Machtspruches von Versailles heilen. Nur vereint können wir das neue Deutschland schaf fen, das uns allen als Ziel vor der Seele steht. Wenn wir auch die alten Formen noch nicht Wiede« gefunden haben, so sollen wir uns doch über alles land schaftlich und sozial Trennende hinweg als Brüder, als Kinder eines Hauses fühlen. Dieses Gefühl habe I87l da: Deutsche Reich geschaffen, und es müsse uns auch heul wieder beleben, Wenn wir unserem Vaterlande eine frei: und gleichberechtigte Stelle unter den übrigen großen Völ kern der Welt wiedererringen wollen. Die Parade der Dresdner Garnison Dresden, 18. Januar. Die Anteilnahme der Dresdner Bevölkerung war auch bei dem Appell und der Parade der Reichswehr wie bei -allen derartigen Gelegenheiten, eine außer ordentlich starke: dichte Menschenmassen säumten die Straßen und Wege um den Alaunplatz, über den ein naßkalter Wind strich und des öfteren in vollem Wirbel Schneeflocken vor sich her trieb. Auf der Tribüne war eine Reihe von Generälen der alten Armee, hohe Offiziere des Reichsheeres mit den Spitzen der staatlichen und städtischen Behörden versammelt. Punkt 1,15 Uhr rasselten die Trommeln, schrillten die Pfei fen, schmetterten die «alten Armeemärsche. Die Standorttruppen stellten sich auf. Voran die alten laubgeschmückten Traditions fahnen, dann die Fahnenabordnungen aller Militär- und Krie gervereine. Wie eine stählerne Mauer standen die Truppen, vor bildlich die Manneszucht und Gestrafftheit der jungen Soldaten. An den Mauern der Häuser und der Schützenkaserne brandeten die Märsche empor. Der Wehrkreiskommandeur Generalleutnant von Stülpnagel hielt an die Soldaten eine Ansprache, in der er der Reichsgrün dung von 1871 gedachte, eines Tages, der von dem einigen deut schen Volke mit Jubel begrüßt wurde. Heute sei dieses Volk zer rissen, unfrei und geknechtet. In seiner Wehrhaftigkeit unzuläng lich gegenüber einer waffenstarrenden Umwelt. Das deutsche Volk müsse sich wieder auf sich selbst besinnen und immer das Ziel vor Augen haben, dem Vaterland die wahre Freiheit wieder zu erringen, ohne die Deutschland nicht leben und nicht wieder stark und mächtig werden könne. Von allen Musikkorps intoniert und von den Menschenmengen mitgesungen, erklang mächtig das Deutschlandlied. Dann brachte der Wehrkreiskommandeur ein dreifaches Hurra auf bas Vaterland aus und in die Rufe dröhnte eine Batterie 21 Salutschüsse. Ein Windstoß ließ die Fahnen tücher aufrauschen, als hätten sie das Lied verstanden, als be griffen sie den heiligen Schwur, als sei die alte Armee aus dem Grabe auferstanden, zu einem großen Appell der gefallenen Hel den, deren Stimmen geheimnisvoll in den Lüften raunten. Der Wehrkreiskommandeur zusammen mit dem sächsischen Ministerpräsidenten und dem ältesten sächsischen Offizier, Ge neral der Infanterie Edler von der Planitz, schritten die Front der Truppen ab. Dann begann der Vorbeimarsch vor dem Be fehlshaber. Wie eine graue Stahlwand setzten sich die Kompag nien, Schwadronen und Batterien in Bewegung, Regiment nach Regiment: Der Stab der 4. Division, Artillerieführer 4, Kom mandeur, Reiterregiment 12, Infanterieschule, Artillerieregiment 4, Nachrichten-Abteilung, 4 Kraftfahrer-Abteilung 4 und Infan terieregiment 10. Jede einzelne Kompagnie, jede einzelne Es kadron und Batterie durfte sich cm Strammheit mit den Truppen des Friedensheeres messen. — Anschließend marschierten die Truppen in ihre Kasernen zurück. * Sie ReiAsriiMUrseier im Reichstag In der Reichshauptstadt zeigten alle öffentlichen Ge bäude und Verkehrsmittel Flaggenschmu ck. Auch einige Geschäftshäuser und zahlreiche Privathäuser grüß ten den 60. Jahrestag der Reichsgründung mit Fahnen in den alten und den neuen sowie den preußischen Farven. Die erste Feier des Reichsgründungstages begann im Berliner Dom, der bis auf den letzten Platz gefüllt Ware. Von den Reichs-, Staats- und Kirchenbehördcn waren zahlreiche Vertreter anwesend, ebenso zahlreiche Parlamentarier. Punkt zehn Uhr fuhr Reichspräsident vonHin - denburg vor dem Dom vor und wurde am Fuße der Freitreppe von der Domgeistlichkeit empfangen, die ihn in das Gotteshaus geleitete. Im Mittelpunkt des Festgottes dienstes stand die Predigt des Oberdompredigers v. Burg hart. Kurz vor elf Uhr verließ der Reichspräsident unter den begeisterten Hochrufen des Publikums den Dom, wäh rend ein Bläferchor von der halben Höhe des Domes das Luthersche Schutz- und Trutzlied und das Deutschland-Lied spielte. Oie Keier im Reichstag war würdig und schlicht. Der große Sitzungssaal war diesmal weniger festlich ausgeschmückt als zu sonstigen feierlichen Anlässen. Um so eindrucksvoller die Büste des Reichsgründers vonBismarck, die sich von den: Lorbeergrün, umrahmt von weißem Flieder und lachs roten Azalien, vor dem so verkleideten Präsidentenstuhl abhob. Rechts und links der Büste standen Fahnen- abordnungen der Reichswehr, mit je drei der selben alten Fahnen der Gardercgimenter, die schon deu Preußenkönig Wilhelm 1. vor 60 Jahren bei der Kaiser Proklamation im Schlosse von Versailles gegrüßt hatten. Auch die übrige» 44 Ncgcmentsfahncn, die die Längswand des Saales umsäumten, waren Zeugen jenes dcnkwürdi gen Tages. Die Wand über dem Präsidentenplatz zierte wie üblich der stilisierte Reichsadler mit der Unterschrift „Einig keit und Recht und Freihei t", rechts und links on den Wänden wehten die schwarz-rot-goldene Rcichs- nnd die schwarz-weiß-rote Reichskrieasfla.aae mit dem ; , Die Feier der Reichsregierung , E i ch s 1 a g s g e b ä u d e — ausgenommen während der f an der Kaiserproklamatwn m Versailles teilgenommen yat Festrede des Abgeordneten Geheim ratsKahl, der schon j auf der Estrade 50 Fahnen der alten Armee. Die Feier des Reichslriegerverbandes Kyffhäuser" stand im Zeichen der Teilnahme des Reichspräsidenten v. Hin denburg, der das Wort zu einer Ansprache ergriff.