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Streit wird Tanz. oHilHormoonio 3. LANDHAUS-KONZERT 1970/71 Alle Gedanken der Weisen losen den Stein nicht auf. der sich vom Dach lockert und stumm die Schale sprengt als der Stärkere, der ungeheuer Vermummte. In meiner Hirnschale trag ich die Gedanken der Welt, die sie nicht denkt, aber ihnen gehorcht. Krieg wandelt sich in Arbeit, das Feld der Ehre zum Feld des Bauern: die Sage unseres Tages, wunderbar nicht minder als alle Märchen der Frühe! Doch umsonst war nicht die Geschichte, nicht der Zusammenprall der Heere, nicht das Getöse vergangener Schlacht. Denn geschehen sind wir. Und alle Zeiten reichen in rauchenden blutigen Schüsseln uns entgegen das Menschenmögliche: zu überwinden! Das Bündel Speere in unsrer Brust öffnet die Gasse der Freiheit. Flammen wehen die Farben, den Rosen und Blicken spielen sie wie Kinder zwischen den Eltern. Was ist dies liebliche Flüstern, das ich immer höre? Die Ohren täuschen mich nicht. Es ist der Wind nicht — und ist es doch! Es sind die Bäume nicht — und sind es doch! cs ist eine Rede, und sie kommt mit den Strahlen - und eine Stille ganz erfüllt wie das Sagen von Liebesleuten, die schweigen. Es muß da etwas sein wie eine Quelle im Wald. Da ist ein Blau in den Gräsern und ruft: Vergiß mein nicht! Programmblätter der Dresdner Philharmonie - Spielzeit 1970/71 - Chefdirigent: Kurt Masur Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Druck: veb polydruck Werk 3 Pirna - 111-25-13 0,18 ItG 009-13-71 Die Sage unseres Tages Arbeit ist die große Selbstbegegnung des Menschen. Wüßte er sonst, wer er ist? Sammelt er das Wasser am Staudamm, so sammelt er sich. Läßt er sich gehen, so ist er nur Wasser, das verrinnt. Facht er das Feuer an im gemauerten Ofen, so ist er es, der wärmt, Wütet er, ist er nur Feuer, das Städte und Länder frißt. Geht er nicht die Bahnen der Sterne, bleibt er das grasende Vieh. Fühlt er nicht die Sehnsucht der Menschheit, ist er der Stein, der erschlagt. Der Dresdner Komponist Johannes Paul Thilman, einst Schüler von Grabner, Scherchen und Hindemith, wirkte lange als Professor für Komposition an der Musikhochschule „Carl Maria von Weber" in seiner Heimatstadt. Er gehört zu den führenden Komponistenpersönlichkeiten unserer Republik, insbesondere auf dem Gebiet der Instrumentalmusik. 1960 erhielt der Komponist für seine Nationalpreis Verdienste und sein vielgestaltiges schöpferisches Werk den unserer Republik und den Andersen-Nexö-Kunstpreis der Stadt Dresden. Johannes Paul Thilman trat im Jahre 1926 mit einer übrigens von Paul Hinde- Donaueschingen erstmalig an die mith interpretierten Bratschensonate in Öffentlichkeit, 1929 brachte Osborne unter Scherchens Leitung auf dem Musik ¬ fest der IGNM in Genf sein Klavierkonzert zur Aufführung. Seitdem fand das umfangreiche, vielseitige und substantiell gewichtige Schaffen des Kompo ¬ und Ausland. Bedeutendste Diri ¬ nisten ständig steigende Beachtung im In- sich seiner Orchesterwerke an. Thilman bedachte fast alle genten nahmen Gattungen der Kammermusik, vor allem die Bläsermusik, schuf Werke für Laien- und Schulorchester sowie reizvolle Hausmusik. Sein Stil ist durch handwerkliche Reife, urmusikantisches Temperament, durch Prägnanz, Linearitat sowie durch formale Durcharbeitung im Detail gekennzeichnet. Auch als Musikschriftsteller trat der Komponist mit drei Büchern zu Fragen der neuen Musik sowie mit Aufsätzen über Musik in in- und ausländischen Fachzeitschriften hervor. Der Liederzyklus „Die Sage unseres Tages“ nach Gedich ¬ ten von Georg Maurer für Alt und kleines Kammerorche ¬ ster entstand im Jahre 1970 als Auftragswerk der Dresdner Philharmonie zu Ehren des bevorstehenden 25. Jahrestages der Gründung der Sozialistischen Ein- Das Werk besteht aus sechs Hauptteilen, heitspartei Deutschlands. denen jeweils ein Gedicht Georg Maurers zugrunde liegt und die durch Improvisatio ¬ nen" überschriebene instrumentale Meditationen verbunden sind, wodurch der inhaltliche Zusammenhang auch kontrastierender Textgedanken gewährleistet ist. Dienste einer überhöhenden Textaussage Die musikalische Gestaltung, im stehend, beeindruckt ebenso durch ihre innere Geschlossenheit wie durch die aparte Farblichkeit der Instrumentation. Die Komposition verkörpert Johannes Paul Thilmans reifen, gültigen Spätstil. Mit ihrer Uraufführung anläßlich des 65. Geburtstages des Komponisten möchte die Dresdner Philharmonie Werk und Person eines Künstlers ehren, mit dem sie jahrzehntelange fruchtbare schöpfe ¬ rische Zusammenarbeit pflegt. Alle Gerüche der Rosen haben die Liebenden füreinander erfunden. Nun duften sie Und wie zwischen Und der Plump fallen die Hohlköpfe . . . Die Schwerbeweglichen gleiten aus auf dem Weltparkett. Ihre Figuren sind nicht mehr gefragt. Die alten Schlachtordnungen langweilen den frischen Menschengeist. Unerwartete Rosenbukette steigen aus dem Pulverdampf der Geschichte, und enttäuscht wird werden, wer noch Harlekinsbewegungen zerfetzter Leiber überden Schwaden erwartet. Die Choreographie der Geschichte liegt in unseren Gliedern zwingend, und kein Stockmeister wehrt unseren Schritten, die durch ihn gehen wie die Erde durch ihren alten Standpunkt.