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sische Themen- und Formenwelt, keineswegs kraftvoller, ja zum Teil auch tragi scher Töne. Am 30. Dezember 1877 fand die Uraufführung der Sinfonie (die Brahms übrigens in einem Brief an seinen Verleger Fritz Simrock humorvoll „das neue liebliche Ungeheuer" nannte) durch die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Hans Richter statt; Clara Schumanns Voraussage „Mit dieser Sin fonie wird er auch beim Publikum durchschlagenderen Erfolg haben als mit der ersten" sollte sich dabei nachhaltig bestätigen. Eine meisterhafte variationsmäßige Durchdringung und Bindung der einzelnen grundsätzlichen Themen, aus der eine ungemein starke Einheitlichkeit der Stim mung erwächst, charakterisiert gleich den ersten Satz (Allegro non troppo). Entscheidend für den Aufbau des gesamten Werkes ist das aus drei Tönen (d—cis—d) bestehende Anfangsmotiv, das in Violoncelli und Kontrabässen quasi wie ein Motto dem in den Hörnern einsetzenden Hauptthema vorausgeschickt wird und als Grundmotiv in zahlreichen Variationen und Ableitungen die Sin fonie durchzieht. In Hörnern und Holzbläsern erklingt das Hauptthema des Satzes wie ein Frage- und Antwortspiel; geheimnisvolle Klänge der Posaunen und der Baßtuba folgen. Nach diesem wie eine selbständige Einleitung an mutenden Beginn tragen die Violinen eine weitgeschwungene, bereits abgelei tete Weise vor. Es verbreitet sich eine ausgelassene Fröhlichkeit, die jedoch durch das dunkel gefärbte, von den Violoncelli angestimmte zweite Thema wieder gedämpft wird. In der poesievollen Durchführung des Satzes, die durch aus große Steigerungen aufweist und ihren Höhepunkt in einem Fugato erreicht, dominieren das Grundmotiv, das Hauptthema und daraus abgeleitete Gedan ken. Noch einmal erklingen die schönen Melodien des Satzes in der wieder von ungetrübter pastoraler Stimmung erfüllten Reprise. Ein wenig melancholisch, empfindungsschwerer gibt sich der folgende, in drei teiliger Liedform angelegte Satz (Adagio ma non troppo). Sein Hauptthema bildet eine schwermütige Cello-Kantilene in H-Dur, die dann von den Violinen aufgenommen wird. Nach einer kurzen, vom Horn begonnenen fugierten Episode erfolgt ein Taktwechsel; der Mittelteil setzt mit einem für Brahms sehr charakte ristischen synkopierten Thema der Holzbläser ein. Unruhige, erregte Klänge führen zu spannungsvollem musikalischen Geschehen. Doch mit der Wiederkehr des wehmütigen Cellothemas durch die Flöten in der freien Wiederholung des ersten Teiles beruhigt sich der Aufruhr wieder. In milder Resignation verklingt der Satz, dessen Hauptthema in der Coda, in Holzbläsern. Streichern und schließlich in der Klarinette zu gedämpften Trioienschlägen der Pauke zer bröckelt. Besonders beliebt wurde in kurzer Zeit der mit seiner gemütvollen Liebenswür digkeit etwas an Schubert erinnernde dritte Satz (Allegretto graziöse). Durch die Holzbläser erklingt von Pizzikato-Achteln der Celli begleitet, das anmutige menuettartige G-Dur-Hauptthema mit seinen drolligen Vorschlägen auf dem dritten Viertel, das übrigens auch aus einer Ableitung des Grundmotivs der Sinfonie gewonnen wurde. Auch ein zweimal in verschiedener Form auftreten der, rasch vorbeihuschender Trioteil kann als Variierung des Hauptthemas erkannt werden. Aber trotz dieser kunstvoll verzahnten, zum Teil leicht ungarisch gefärbten Thematik erscheint der sehr wirkungsvoll instrumentierte Satz mit leichter Hand hingezaubert. Unproblematisch gibt sich auch das jubelnd ausklingende, beschwingte Finale der Sinfonie, von dem der gefürchtete Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick sagte: „Mozarts Blut fließt in seinen Adern." Nach dem ein wenig zurückhalten den, geheimnisvollen Beginn — das Hauptthema huscht zunächst wie von Ferne ertönend in den Streichern vorbei, ehe es im Orchestertutti aufklingt — entfaltet sich kräftige Fröhlichkeit. Auch das sexten- und terzenselige, etwas ruhigere zweite Thema stellen die Streicher (Violinen und Violen) vor. Diese beiden Hauptthemen, die sich in der Coda schließlich vereinigen, sowie das immer wieder benutzte Grundmotiv des Werkes und daraus abgeleitete Nebengedan ken tragen das Geschehen des trotz einiger besinnlicher Wendungen kaum von Schatten berührten Finalsatzes, der das Werk in festlicher Freudigkeit beschließt. Dr. habil. Dieter Härtwig Zentraler Klub der Jugend „Martin Andersen Nexö" Dresden 8060 Dresden • Alaunstraße 36/40 • Fernruf 55532 en Nächstes Konzert: Dienstag, den 14. Juni 1983, 19.30 Uhr Showprogramm mit dem Tanz- und Schauorchester Rostock (Dieses Konzert ist für das ausgefallene vom 15.11.1982) Programmblätter des Zentralen Klubs der Jugend — Spielzeit 1982/83 Direktor: Helmut Rinke Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Druck: Buchdruckerei Bernd Henke, Dresden 1982! 83 III 9 92 JtG 059 9 83