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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.04.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-04-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100426021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910042602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910042602
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-04
- Tag 1910-04-26
-
Monat
1910-04
-
Jahr
1910
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BezuftS-PreiS Mr U»tp«ia o»d «or-ri» durch »»irre »rtarr und Spedrirure 2« al ttalich tu« Hau« ,«drach«: üv momul., L.70^2 »iertrlithrl. Bet untrru stilialru u. Nn» »ahumlellru abgeboll: 78 wo»arl„ 2.28 viertelitdrl. Lurch dir Lok: »uerdald Droiickiand« und der deutsche» Kolonien oierrelltdrl. 2.22 ^2, monall. 1.22 aulichl. Postdestellaeld. ferner in Belgien, Linemark, den Donauftaaten, Italien, Luremdurg, lXiederland«, Nor wegen, Oesterreich-Ungarn, -iustland, kchweden. Schwer, u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direv durch di« Ü>eichLlk«i!«lle de« Blatte« er-lltlich. Ta« t!eiv,iqer Lageblatt ericheini 2 mal lLgllch, Sona- a. Yei riag« nur morgen«, ltldonne., eat-Lnnanme i Augustutplatz 8, tei unteren IrLgern, Filialen, Spediteuren und Lnnahmestellen, iowie PostLmtern und Brietlrigern Uingeldectautepret« der Morgen» rutgade lU der Ndend >u«gade 8 ch, «edaktton und MetchäflSttelle: Iohanni»gasie Ü. tzrrntprecher: I46U2. >4KW. I46S4. Abend-Ausgabe. Mnger Tagtlilalt Handelszeitung. Ämtsvlatt Les Rates und des Rokizeiorntes der Ztadt Leipzig. Anzeigen-Preis t2r kttiterate au« tleiiung und Umgeb,»« di, Sgeipaltrne SO wm breit, B«tit»eil« LS dte 7« miu dreU« NeName,ell, i ^2 von aurwtrt« UV «eNamen t.20 ^2« Inserat, van Beddrden tt» amtlichen keil di» 74 mut breite Pelil^tl« «0 «eichtstian,eigen mit Blo»vorschristr» »u» in der Ndendautaabe lm Preit» erbbhr. Siabait nach Lari,. Beitagegebübr ü ^2 p. Lautend rxki. Postgebühr. sielt er« eilt« Sutrrtlg« linnen mcht zurück gezogen werden. Für da» iLrscheinen an besUmmten Lagen und Plätze» wir» kein, Garantie übernommei». «n,eigen-Snnahme: NugultusplaH 8, bei tümllichcn Filialen u. allen Annoncen- <t,ped>tionen de« In- und Auslände«. Haupt-Filiale verlta i Karl Luucker. Berrogl. vrpr. Hofhuch. Handlung, Lützoisstiabe 10. (Le.ephan Vt, l-tr. 4M3). Haupt-Sillale Lre-dein Serktrahe 4,1 (Telephon 462l). 104. Zshrgsng Nr. N4 Dienstsg, üen 2S. Aprtt lS10. pülitilche Nachrichten. Besuch König Eduards bei Kaiser Franz Joses. Wien, 26. April. (Tel.) Londoner Privat meldungen zufolge wird König Eduard von Eng land MitteAugustzu einem eintätigen Besuch in Zschl eintreffen, um Kaiser Franz Josef persönlich seine Glückwünsche zum Geburtstage darzubringen. Bon hier begibt sich der König zu einer dreiwöchigen Kur nach Marienbad. Die zweite Lesung der Finanzbill im englischen Unterhause. London, 26. April. (Telegramm.) Das Unter haus nahm die zweite Lesung des Finanz gesetzes mit 628 gegen 2-12 Stimmen an. Die irischen Nationalisten stimmten mit der Regierungs partei, die O'Brienisten mit der Opposition. Im Laufe der Debatte erklärte Schatzkanzler Lloyd George, daß seit der ersten Einbringung des Budgets der Handel zugenommen und die Be schäftigungslosigkeit abgenommen habe. Er sei der festen Ueberzeugung, dass das Land sich auf dem Wege zu einem geschäftlichen Aufschwung befinde, wie es einen solchen grösser selten erlebt hat. Die Wahlunruhen in Chambon-Feugerolles. Ueber die tumultuarischen Szenen in Chambon- Feugerolles. das im Wahlkreise Briands liegt, teilen wir in Ergänzung der gestrigen Nachricht von der An zündung des dortigen Gemeindehauses noch folgenoes mit: Paris, 26. April. (Telegramm.) Der Staats anwalt von St. Etienne hat gegen 12 Personen Haftbefehle erlassen, die beschuldigt sind, das Bürgermeisteramt von Chambon-Feugerolles in Brand gesteckt zu haben: vier konnten bereits fest genommen werden. Infolge der Verhaftungen ent standen neue Ruhestörungen. Man bcwars die Gendarmen mit Steinen. Der Präfekt traf Maßnahmen, um die Ruhe wiederherzustellen. Chambon-Feugerolles, 26. April. (Telegramm.) Die Erregung unter der Bevölkerung dauert an. Gestern wurden vier Personen unter der An schuldigung. Schüsse auf Gendarmen ab gegeben zu haben, verhaftet, ebenso ein junger Mann, der sich der Festnahme widersetzte. Iw er Schwadronen Dragoner und 80 Gendar men befinden sich bereits in dem Orte, ein Bataillon Infanterie wird noch erwartet. Das Befinden des Sultans. Konstantinopel, 26. April. (Tel.) Das Befinden des Sultans ist normal. Das Fieber ist gänzlich geschwunden. Die Temperatur beträgt 37, der Puls 84. Der Aufstand in Albanien. nimmt wieder, wie bereits mitgeteilt, größere Dimen sionen an. Es ist den Truppen der türkischen Regierung unter Schefket Torget Pascha nicht gelungen, den Eng paß von Katschanik zu besetzen. Dort halten vielmehr die aufständischen Albanesen, angeblich 10 000 Mann hoch, die Wacht und leiten oder hemmen den Verkehr nach ihrem jeweiligen Gutdünken. Zur Verstärkung der Regierunastruppen sind deshalb noch zwei Bri gaden mobilisiert worden. Folgende Drahtnachrich ten liegen vor: Saloniki, 26. April. (Telegramm.) Gestern wurde wiederum im Engpaß Katschanik von Arnau- ten ein Zug durch Schüsse aufgehalten, die Weiterfahrt aber gestattet, da der Zug weder Militär noch Kriegsmaterial beförderte. Der Engpaß ist an geblich von 10 000 Arnauten besetzt. Weitere Militärtransporte sind auf dieser Bahnstrecke ein gestellt worden. Konstantinopel, 26. April. (Telegramm.) Der Ministerrat hat beschlossen, die Redifbrigaden in Sa loniki und Smyrna zu mobilisieren und nach Ober albanien zu entsenden. Welchen Umfang die Bewegung in Albanien an genommen hat. geht aus folgenden, dem ,.B. L." ent nommenen Zahlen hervor: Bei Ghilan stehen 3000, an der Drenitza 2000, in der Gegend von Lipljan 4000, bei Padrima 3000, in der Umgegend von Prisrend bei Podgori 3000. bei Lapleseli und bei Ljuma je 6000 bewaffnete Arnauten. Hierzu kommt noch der 2000 Mann starke Stamm der Ostrosops. Weitere 12 Bataillone und 4 Batterien sind nach Albanien unterwegs, so daß die Gesamtzahl der Trupven 62 Ba taillone und 16 Batterien beträgt. Die Reservisten von Saloniki sind einberufen worden. Zur Kretasrage. Konstantinopel, 26. April. (Tel.) Die türkischen Vertreter bei den kretischen Schutzmächten erhielten den Auftrag, nochmals die Schutzmächte darauf auf merksam zu machen, daß die Pforte eine Schwur- lei st ungderkretischen Kammer auf den Namen des Königs von Griechenland als eine schwere Beleidigung auffassen und sich dagegen wehren würde. Zur Lage auf Kuba. Paris, 26. April. (Tel.) Der „New Pork Herald" meldet aus Havanna: Der Sekretär des Präsidenten Gomez veröffentlicht im Namen des Präsidenten eine Erklärung über ein angebliches Kom plott, das von der Neger Partei gegen das Gouvernement geplant worden sein soll. Ungefähr 60 Neger, darunter der General Etanoz, der Führer der unabhängigen Neger, sollen in Haft genommen worden sein. Die Verhaftungen er folgten namentlich in Havanna, Santa Clara und den östlichen Provinzen. Als die Nachricht von den Verhaftungen bekannt wurde, machten die Neger der Provinz Pina del Rio den Versuch, sich zu er heb e n. Die Regierung, die sich des loyalen Ver haltens der Neger in den bäuerlichen Provinzen ver sichert hat, setzt die Untersuchung in dieser Angelegen heit fort. Sie hat mehrere höhere Persönlichkeiten, die nicht der Negerpartei angehören, in dem Verdacht, die eigentlichen Anstifter der Bewegung zu sein. Lm polililchec Beleiüigungspro;etz. Berlin, 25. April 1910. Ein interessanter Beleidigungsprozeß wurde heute nachmittag vor der 145. Abteilung des Schöffengerichts Berlin-Mitte verhandelt. Der Vorsitzende des Ver eins Deutscher Zeitungsverleger und Verleger des „Hannoverschen Courters" Dr. Mar 2aenecke klagte gegen den verantwortlichen Redakteur der „Wahr heit" Otto Weber wegen Beleidigung. Gegenstand der Anklage bildete ein Artikel der „Wahrheit vom 12. März d. I. unter der Ueberschrift „Harden und seine Freunde— moralisch geohrfeigt . Es wird in dem Artikel auf die Vorträge Maximi lian Hardens hingewiesen und ferner an die Ein- drücke erinnert» die der „Hannoversche Courier und der „Zeitungsverlag" des Herrn Jaenecke gegen die „Wahrheit" aus Anlaß des bekannten Prozesses Dahsel gerichtet hatte. Als Harden in Hannover seinen Vortrag hielt, habe Dr. Jaenecke ihn als Gast in seinem Hause ausgenommen. Nachdem Harden Hannover den Rücken gekehrt habe, wurde Dr. Max Jaenecke zum Bezirkskommando zitiert und ihm bedeutet, daß es mit der Ehre eines inaktiven Offiziers unvereinbar sei, einen Mann wie Harden in seinem Hause aufzunehmen. Dr. Max Jaenecke habe die Hacken zusammengeschlagen, eine Entschuldigung gestammelt und seinen Abschied einaereicht. Der Artikel spricht dann die Genugtuung darüber aus, daß das inaktive Offizierkorps es unter seiner Würde halte, einen Mann als Kameraden anzu sprechen, der sich als Freund eines Harden bekennt. Wer sich eng an Harden anlehne, wie Jaenecke dieses getan, setze sich der Gefahr aus, daß er ebenso wie Harden moralisch geohrfeigt werde. Den Vorsitz in der Verhandlung führte Amts gerichtsrat Wollner. Dr. Max Jaenecke war in Beistand des Rechtsanwalts Dr. Busse-Hannover, für den Beklagten war Rechtsanwalt Dr. B rede reck erschienen. Ein Vergleich wurde vom Privatkläger abgelehnt, der Angeklagte ließ erklären, daß er den Wahrheitsbeweis führen wolle. Dr. Max Jaenecke gab an, daß Maximilian Harden keinen Strafantrag gestellt habe, sondern erklärt habe, die Angriffe eines Herrn Bruhn reichten nicht an ihn heran. Dr. Bredereck nahm für den Angeklagten den Schutz des 8 193 in Anspruch, da der vom Privat kläger herausgegebene „Zeitungsverlag" und der „Hannoversche Courier" die „Wahrheit" angegriffen hätten. Der Artikel der „Wahrheit" richte sich auch weniger gegen Dr. Jaenecke als gegen Harden, der von der „Wahrheit" als nationaler Schädling be trachtet werde. Daß die Vorgänge aus dem Be- zirkskommando sich so abgespielt hätten, wie sie rn dem Artikel geschildert werden, dafür berufe er sich auf das Zeugnis des Bezirkskommandeurs Oberst Engelbrecht. Dr. Jaenecke: Die Vorgänge haben sich nicht so abgespielt, wie sie in dem Artikel geschildert werden. Ich habe meinen Abschied eingereicht aus Gründen, in die diese Vorgänge allerdings mit hinein- spielen. Rechtsanwalt Dr. Buffe stellt den Antrag, Bezirks kommandeur Engelbrecht, den früheren Kriegs minister v. Einem und Generalleutnant v. Wachs zu laden, um die Sache aufzuklären. — Rechts anwalt Dr. Bredereck: Dr. Jaenecke hat sich zu dem Kriegsminister v. Einem begeben und gesagt: Ich habe aus Anlaß dieses Vorfalles den Abschied ge nommen. — Dr. Jaenecke: Das stimmt nicht. Zu nächst ist in dem Artikel absolut falsch, daß mir nahegelegt worden sei, meinen Abschied zu nehmen, sondern ich habe den Abschied von selbst genommen. — Vors.: Warum? — Dr. Jaenecke: Wed ich dazu als Landwehroffizier berechtigt war und weil mir die ganze Art und Weise nicht paßte, in welcher das Bezirkskommando die Sache auffaßte. — Vors.: Also, als Sie den Abschied einreich ten, war das Verfahren gegen Sie bereits eingeleitet? — Dr. Jaenecke: Zehn Minuten nach der Unterredung mit dem Bezirkskomman- dcur habe ich mein Abschiedsgesuch eingereicht. Daß die Behauptungen des Artikels über die Stim mung der inaktiven Offiziere nicht richtig sind, dafür berufe ich mich auf das Zeugnis von Professor Otzel von der Technischen Hochschule in Hannover, des Verlegers Kasemann-Danzia und anderer. — Bert. Dr. Bredereck: Hat der Privat kläger nicht zu dem Kriegsminister geäußert: Wenn nichts gegen mich oorliegt, kann ich ja wieder ein treten? Dr. Jaenecke: Das ist unrichtig, denn wer seinen Abschied genommen hat, kann nicht wieder eintreten. Ich bin dreimal beim Kricgsminister von Einem gewesen und zwar auf dessen Wunsch. Der Minister sagte zu mir, daß ihm aus der Umgebung Sr. Majestät gesagt worden sei, daß es wunderbar wäre, daß der „Hannoversche Courier" für Maximilian Harden eintrete. Er wäre doch Reserveoffizier. Ich sagte: Ick bin nicht mehr Re serveoffizier, ich habe meinen Abschied eingereicht. Darauf wurde der Kriegsminister sehr aufgeregt und sagte: Was ist denn da wieder für eine Torheit gemacht worden; das gibt wieder eine fürchterliche Geschichte, warum haben Sie sich nicht beschwert? Es fielen noch andere Ausdrücke, die ich aber nicht in die Oeffentlichkeit bringen möchte. Ich antwortete: Ich habe nicht Zeit, mich vier bis sechs Wochen lang mit Beschwerden beim Ehrengericht abzugeben. Da der Minister inzwischen abgerufen wurde, bat er mich, am nächsten Tage wicderzukommen. Es wurde dann die ganze Sache nochmals durchgesprochen. Ich sagte zum Kriegsminister, daß er im Reichstage in den Fällen Lynar und Hohenau Sacken vorgetragen habe, die auf einer falschen Information beruhen müßten. Sein schiefes Urteil käme daher, daß er Herrn Harden nicht kenne. Ich sagte ferner: Ick bin Vorsitzender des Vereins Deutscher Zeitungsverleger und wenn die Deut schen Zeitungsverleger für ihren Vorsitzen den eintreten, so gibt es eine fürchterliche Geschichte. Ich betonte, daß ich die Sache nicht breitdrücken wolle unter der Voraussetzung, daß der Bezirks kommandeur unter der Hand aufgeklärt werde, warum ich dieses täte, damit er nicht falsche Schlüffe ziehe. Hierauf wurde ich zum Generalleutnant von Wachs, Direktor im Zentraldepartement des Kriegsministeriums, gebeten, der die Sache mit mir einrenken sollte. Ick sagte auch diesem Herrn, daß ich gar nicht die Absicht hätte, über die Sache Lärm zu schlagen, ich verlange nur, daß der Bezirks kommandeur in Hannover unterrichtet würde, wes halb ich über die Sache schwiege. An diese Unter redungen schloß sich ein längerer Briefwechsel, der damit endigte, daß Generalleutnant von Wachs Dr. Jaenecke einen stenographischen Bericht über die Reichstagsverhandlung übersandte, in welcher auf Ser Schneider. Von Otto Stoeßl. Ich war meinem bisherigen Schneider weiter gegangen. Seine englischen Stoffe stammten gerade wegs aus Brünn, und seine Anzüge waren so knapp zug'emessen, daß Ellenbogen und Knie nach kurzer Zeit allzu dreist hcrvorstachen. Als ich diese Nachteile ,zeigte, meinte er, der Schneider müsse auf zahlreiche Bestellungen hinarbeiten und könne nicht für die Ewigkeit schaffen. Eine unverschämte Bemerkung, die ich als Anspielung auf meinen Beruf nicht leicht ver zeihen wollte. Kurz, ich suchte einen besseren Nach folger, der echte englische Stoffe nach einem ordent lichen Schnitte zu verarbeiten wisse, so daß ein Ge wand behaglich und leicht saß, ohne vergecktes An sehen, hübsch, ohne auszufallen, geschmeidig anliegend, ohne bald die Form zu verlieren. Das alles sollte er von selbst ohne weitläufige Anweisungen treffen und beim Anproben einem nickt alle Mängel als Vorzüge einreden, schließlich sollte er bürgerliche Preise berechnen, denn zum Teufel, wozu ist man denn leider Gottes ein Bürger. Diele bewarben sich um meine Gunst. Keine Woche verging, ohne daß mir etwelche englische oder französische Herrenkleidersysteme unter den verlockend sten Wucher-Ratenzahlungsbedingungen und promp tester Bedienung angeboten wurden. Endlich ent schloß ich mich für einen Mann, der durch wortkarge Einfachheit auf mich wirkte, indem sein halbsteises Firmakärtchen bloß seinen bedeutenden Namen und Titel bekanntgab „Äladar Allerhand, Tailor", welche inhaltsschwere Zeile von zwei ins Papier gepreßten Medaillen flankiert war. die, wie eine nähere Be trachtung ergab, eigentlich nur Vorder- und Rück seite eines Ehrenzeichens für Schneiderkunst irgend einer Ausstellung bedeuteten. Diesen Händen wollte ich mich anverträuen. Aladar Allerhand führte einen offenen Laden in einer reichen Straße der inneren Stadt neben Geschäften von tadelloser Vornehmheit. Seine Auslage wußte einen leisen, seichten Ton von Lockung, eine Art von menschlichem Pfiff nach der Auf merksamkeit der Vorüberspazierenden mit der in sol cher Umgebung gebotenen Haltung geschickt zu ver einigen. Während anderwärts nur einzelne kostbare Stücke diskret ausgelegt waren, wirkte hier ein« köst lich nachlässige Fülle und Vielseitigkeit. Stoffe zu Häuf versprachen Kleidungsstücke für ave Jahreszeiten und Gelegenheiten eine» eleganten Weltlaufes, Dutzende importierter weiter und berühmter eng lischer Mäntel hingen an einem Halter, über schim mernder russischer Rohseide kokettierten anmutig üppige Damenpelze aus Astrachan und Bisam neben einem Umhang, für den mindestens vier blaue Füchse aus Sibirien Schlauheit und Leben eingebüßt. Da neben leichte, dicht geflochtene, eng eingerollte oder kühn schattende Panamahüte für das drohende Früh jahr, und auf besonders verlockenden Stücken ein Täfel chen mit reizvoll niedrigen Preisziffern. Nicht ohne Erwartung und Spannung betrat ich das wohlfeil-vornehme Lokal und fand mich gleich nach der Eingangstür in einem Engpaß, aus welchem es kein Entrinnen gab, da ein hochaufgeschossener Jüngling mit zutraulicher Ehrerbietung sogleich die schmale Pforte verstellte, während rechts und links die breiten, mit Herrlichkeiten bedeckten Stufen der beiden Auslagefenster bis ins Innere des Ladens reichten. So war man eingekeilt und geradewegs hineingenötigt. Bescheiden fragte ich nach Stoffen für einen Winterrock. Der Jüngling wälzte Lasten herbei, schlug die Ballen unter entzückten Lobprei sungen auf, zeigte die aufqeklebten englischen Ur- jprungsmarken, rollte die Stoffe stürmisch zwischen den Fingern, sie waren vorläufig unverwüstlich. Der schuf für die Ewigkeit! Schüchtern begehrte ich einen weichen, leichten und doch warmen braunen Stoff Wie sollte seine Firma damit nicht dienen können? Er suchte lange, schien aber immer nur andere Farben zu finden, die er immer leidenschaftlicher anpries, vor meinen Augen spazierten Dutzende von grauen, schwarzen, blauen, salz-, und psefferartigen, gräten- mustrigen, breit- und engkarierten Ballen, nur kein schlichter brauner war dabei. Das braune Tuch werd« eben nicht getragen, es aefalle Heuer nicht und seine Firma führe beim Allmächtigen keine Ware aus dem Vorjahr. Ja, wenn ich vor 12 Monaten einen braunen Mantel gewollt, hätte ich 20 bekommen können, wäh rend wieder blau um keinen Preis aufzutreiben ge wesen wäre. Aber fetzt? Still beharrte ich auf meinem Wunsch. Das sei nun einmal meine Farbe. Endlich zog er ein Stück hervor und läckelte trium- vierend: in ganz Wien würde ich kein solches Braun finden, so leuchtend, so flaumig Er entfaltete es, zog es gleichsam innig an seine Brust und murmelte: „Leider nur ein Rest, es reicht nicht." Aber wenn ich statt eines Mantels etwa eine Weste daraus haben wollte? Seufzend und verzichtend wählte ich in Gottes Namen ein schwarzes Tuch. Und der Preis? Er nannte eine großartige Summe. Ich verbeugte mich dankend und versprach, wiederzukommen, wenn ich den Haupttreffer gemacht haben würde. Der Jüngling wich nicht von der Tür und lächelte um einen Grad vertraulicher: der Herr Bankdirektor So undso zahle das Doppelte, der Herr Regierungsrat N. habe für drei Söhne drei gleiche Mäntel bestellt, was er aus seinen Büchern zu erhärten bereit sei, während der Graf N. noch höhere Preise anstandslos bewillige, die eben nach der sozialen Stufenleiter und allgemeinen oder besonderen Dermöaenslage abge messen seien. Der Jüngling ließ offenbar von seinen Idealen dies und jenes nach. Mit einer Kühnheit, deren ich mich selber schämte, bot ich eine Summe, welche seine Forderung um ein Dritteil kürzte. Der Jüngling lächelte mit schmerzlicher Verneinung. Wieder wollte ich die Bestellung bis zum Haupt treffer hinausschieben, mich bestens empfehlen, als aus dem Mittelgründe des langgestreckten, vollbe setzten Raumes von dem Holzverschlage der Kaffe her ein zweiter kleiner, pfiffig lächelnder gewandter Mann vorsprang und den abgerissenen Faden der Unterhandlungen wieder anknüpfte. Einem Kavalier von meinem Range — als ich diese Ehrung be scheiden abwies, lächelte er tröstend — könne doch wohl eine solche Bagatelle keine Schwierigkeiten ver ursachen. Dabei schraubte er mit gutherzigem Augen blinzeln mein Angebot wieder um ein Fünftel hinauf, so daß wir uns ein wenig angenähert hatten. Dafür bekäme ich's aber. Es würde zu weit führen, nach zuerzählen, welche Märchen von Tugenden dieser Mantel verwirklichen würde. Aber ich bestand strenge auf meiner Summe. Vergeblich suchten der Jüng ling und der Pfiffige das Gespräch auf andere Ge biete binüberzuscherzen, der eine, indem er mir aus dem Kassabuch die Namen der vornehmen Gesell schaft bekanntgab, mit denen ich die Ehre dieses Kleidungsstückes teilen dürste, der andere, indem er die mannigfachen Gelegenheiten erdichtete, bei wel chen der Mantel seine Dienste zu leisten fähig wäre. Alle Sporte, Bergwanderungen, Automobufahrtcn, Luftschiff- und Eisenbahnreisen bedürften eines sol- chen Stückes, wobei scherzhaft zarte Warnungen vor jeglicher Uebertreibuna eingeflochlen wurden, die dem Besteller ein allzu frühes Ende bereiten könnten. Ich blieb fest, da wurden sie mutlos. Nun trat langsam aus dem Hintergrund, allmäh lich sozusagen den ganzen Horizont füllend, der Herr der Herrlichkeiten selber, Aladar Allerhand hervor. Er war schon betagt, gleichsam ein großartiger Sonnenuntergang, aber wohlerhalten. Auf einer imponierend weitreichenden Stirne saß ein Kranz pfefferbraunen, gelegentlich zausigen und mausigen Haares, während der Bart in mächtiger, nußbraun gefärbter Herrlichkeit tief auf eine geblümte Samt weste hinabwallte. Dieses bedeutende Haupt saß etwas lose auf einem dünnen, vielfältigen Halse, so daß es gleich einer schweren Blüte wippte und schwankte. Hob er es, so wurde man unter dem Bart über der Weste einer üppigen Seidenkrawatte gewahr, die von einer Perle wie von einer Kroko dilsträne geschmückt war. Herrn Allerhands Gestalt war von eigentümlicher, gelenkiger Ungeschicklichkeit, als wären die einzelnen Bestandteile seiner Figur lose zusammengesetzt, so daß ebenso wie der Kopf auch die Arme an den Schultern, besonders aber der lauschend voraebeugte Rumpf auf den Hüften gleich sam ohne Scharniere fragwürdig zu balancieren schien. So bebte er mir entgegen, reichte mir mit weltmännischer Verbeugung die Hand: „Haben der Herr Doktor schon gewählt?" Die beiden Dorinstanzen setzten ihn von der Sach läge in Kenntnis und zeigten ihm das Tuch. „Herr Doktor, ich beglückwünsche Sie zu Ihrem Geschmack, es ist dies in der Tat ein treffliches, ein unverwüstliches, ein wahrhaft edles Material." „Ich hätte freilich ein braunes Tuch derselben Art vorgezogen, aber es ist leider keines mehr vor rätig." „Herr Doktor, Sie haben Glück, mit Verlaub. Es hätte mich geschmerzt, Ihnen mit diesem braunen Tuche dienen zu können. Ganz abgesehen von der Qualität. Ich will ja nicht sagen, daß es schlechter gewesen wäre als das schwarze, denn ich führe über haupt keine niedere Ware. Bei mir ist alles Prima Aber es wäre um einen Grad minder trefflich ge wesen, dieses wird nach 10 Jahren noch lein wie heute, jenes wäre nur noch fünf Jahre so geblieben. Dieser Mantel kann uns alle noch überleben. Aber nicht dieser Umstand ist es, der mich erfreut^sondern daß niemand in Wien Heuer einen braunen Mantel trägt. Der Herr Doktor wären der einzige gewesen, man hätte Sie von weitem schon daran erkannt. Und dieses auffallende Stück hätte mich verraten, mein Geschäft habe die Verantwortung übernommen, allein in ganz Wien ein unmodernes Tuch zu liefern. Be greifen Sie, daß ich glücklich bin, Ihnen gerade hierin nicht entgeqenkommen zu können?" Ich be griff und sagte niedergebeugt, leider gestatteten es mir ja auch meine Verhältnisse nicht, den schwarzen
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