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Dresdner Journal. Verantwortlicher Redactcnr: I. G. Hartmann. ÄI Erscheint mit Ausnahme der Sonn. und Festtage täglich Abend« und ist durch all« Postanstalten zu beziehen. Dienstag, de« 27. Januar. Preis für da» Vierteljahr Lhaler. Insertions-Gebühren für den Raum einer gespaltenen Zeile 1 Reugroschen. 18S7 Nichtamtlicher Theil. Aebersicht. TageSgeschichtk. Telegraphische Nachrichten. — Dresden: Nachrichten vom Staalsminister vr. v. Zschinsky. — Wien: Der Münzvertrag unterzeichnet. Nachrichten au- Mailand. Freih. v. Burger als künftiger Justizmini ster bezeichnet. — Berlin: Vom Landtag,. Die Saison begonnen. Ordensverleihungen.'— BreSlau: Vorberei tungen zur Besteuerung der Aktiengesellschaften. — Til sit: Grenzsperre wegen der Rinderpest. — Bayern: Papiergeldverbot. — Frankfurt: Aus der letzten Sitzung der Bundesversammlung. — Pari«: Die Note des „Mo niteur" über die Neuenburger Angelegenheit. Ein Toast des Prinzen Napoleon. Steuererträge. Vergers Ange legenheit. Eine Analyse des Protokolls der letzten Con- ferenzen. Cardinal Morlok zum Nachfolger Sibour'Sjernannt. Audienz des persischen Gesandten. Vermischte«. — Bern: Die Truppenenilaffungen begonnen. Eine Militärgeneral- inspection angeorbnet. Zur Charakteristik der Stimmung. — Turin: Der König nach Nizza. — Madrid: Di« Unterwerfung der Hierros. Unwohlsein der Königin. — Neapel: Aufregende Gerückte. — London: Sir R- Peel's Ausscheiden wahrscheinlich. Ertrag der Einkom mensteuer. Persien soll Englands Bedingungen acceptirt haben. Veränderungen im Kriegsministerium. Lord Napier für Washington ernannt. — China: Die Russen in Peking. Die Lage in Kanton. Local- und Provtnzialangelegrnbeitei» Mittheilungen aus Dresden, Meerana u. Wittgensdorf. Oeffentliche Gerichtsverhandlungen. (Leipzig. Zittau.) Feuilleton Inserate. Tageskalender. Börsennachrichten. Tagesgeschlchte. Telegraphische Nachrichten. Mailand, Sonntag, 2S. Januar. Eine allgemeine Amnestie für das lombardisch-venetianische Königreich wird soeben officiell bekannt gemacht: Alle wegen po litischer Vergehen Berurtheilten werden freig'claffen, die Processe niedergeschlagen. Der Specialgerichtshof zu Mantua ist aufgelöst. Es herrscht allgemeiner Jubel. Bombay, 2. Januar. Die Einnahme Bender- BuschirS bestätigt sich. Die Engländer haben dabei 4 Offiziere und 20 Soldaten verloren. Die Truppen haben sich zwischen Stadt und Festung verschanzt. Von hier sollen 2SOOO (?) Mann Verstärkung dahin gesandt werden. In Kanton ist die Lage unverändert. (Vgl. unter London.) Die Franzosen (?) haben Forts zerstört. Dresden, 26. Januar. Nach neuerlich eingegangenen Mittheilungen hat Herr Staatsminister Dr. v. Zschinsky seine Reise von Vevey über Genf und Marseille nach Nizza, wo selbst derselbe seinen Aufenthalt genommen, bei sehr ungün stigem Wetter zu machen gehabt. Gestern eingelangte Briefe melden jedoch, daß daS Befinden Sr. Excellenz gegenwärtig völlig zufriedenstellend ist. ÄLten, 25. Januar. Die heutige „Wien. Ztg." meldet, daß die (von unserm Correspondenten in Nr. 19 als nahe bevorstehend bezeichnete) Unterzeichnung des Münz vertrages stattgefunden hat- „Nachdem die Verhandlun gen über eine allgemeine Münzconvrntion bei der Wichtig keit und Mannichfaltigkeit der berührten Interessen eine ge raume Zeit in Anspruch genommen haben", schreibt da« amt liche Blatt, „ist am 24. d. M. in Wien ein Vertrag zwi schen Oesterreich und dem Fürstenthum Liechtenstein einer seits und den durch die allgemeine Münzconvention vom 30. Juli 1838 unter sich verbundenen deutschen ZollvereinSstaa- ten andererseits unterzeichnet worden, dessen große Bedeutung nicht zu verkennen ist. Obgleich eine Verschmelzung der Landeswährungen der contrahirenden Staaten weder bezweckt noch erreicht worden, begreift das erzielte Resultat die ge meinsame Anerkennung der wichtigsten Principien des Münz- wesenS in einer Weise, welche, wie man zuversichtlich anneh- men darf, allgemein einen günstigen Einfluß auszuüben nicht verfehlen wird, eine Dauer versprechende, gemeinsame Grund lage der Münzverfassungen und eine wesentliche Annäherung der auf derselben beruhenden verschiedenen Systeme, endlich die Ausprägung der zur Erleichterung des gegenseitigen Ver kehrs vorzüglich berufenen Vereinssilbermünzen und der ge meinsamen Goldhandelsmünzen. Nach erfolgter allerhöchster Ratification soll der Münzvertrag am 1. Mai d. I. in Kraft treten; dessen Dauer ist zunächst bis zum Schlüsse deS Jah res 1878 festgesetzt." ÄtZicn, 24. Januar. AuS Mailand, vom gestrigen Tage, wird der „Wiener Zeitung" telegraphisch gemeldet: Mittwoch geruhte Se. Majestät mehrere Behörden und. Etablissement- zu besuchen, hierauf Audienz. Ihre Majestät die Kaiserin besichtigte einige Klöster. Abends großes, von der Stadl veranstaltetes Ballfest in dem glänzend beleuchteten und de- corirten Scalatheater, wo Ihre Majestäten bei Allerhöchst- ihrem Erscheinen mit den lebhaftesten Freudenbezeigungen begrüßt wurden. Donnerstag Hofjagd in Monza. Abends Hofconcert. Heute Besichtigung der Casernen. — Ein Correspondent der „A. Z." meldet als Gerücht, daß der dermalige Statthalter der Lombardei, Freiherr v. Bur ger, das Portefeuille der Justiz übernehmen und der gegen wärtige Justizminister, Baron Krauß, zum Präsidenten des obersten Gerichts- und Cassalionshofes ernannt werden soll. Bekanntlich ist Baron Burger, abgesehen von seinem staats männischen Talent, auch ein ausgezeichneter Rechtsgelehrter, da derselbe in früher« Jahren einer der renommirtesten Ad vokaten war. Wie in gewissen Kreisen behauptet wirb, dürfte ein italienischer Nobile zum künftigen Staathalter in Mai land ersehen sein, doch verlautet über die betreffende Wahl noch nichts Näheres. H Berlin, 25. Die gestrige Sitzung des Abgeordneten hauses hatte schon im Voraus ein ungewöhnliches Interesse erregt. Die Tribunen konnten kaum die zahlreichen Zuhörer fassen, selbst die Diplomatentribune war nicht leer, man be merkte hier den französischen Gesandten. Die vor einigen Jahren angesichts der orientalischen Verwickelungen erfolgte Creditbewilliqung von 30 Millionen Thaler, deren Aufnahme sich später für die beabsichtigten Zwecke als unnöthig erwies, hatte längst das allgemeine Interesse erregt, und es lag des halb die in diesem Sinne an das Staatsministerium gerichtete Interpellation des Abgeordneten v. Patow, welche Rechenschaft über die Verwendung des Restbestandes dieses CreditS ver langt, recht eigentlich in den allgemeinen Wünschen. Die Einbringung der Gesetzvorlage, welche dies« Gelder für die Deckung der außerordentlichen Bedürfnisse der Militärver waltung im vergangenen Jahre und ihrer Mehrausgaben in den Jahren 1854 und 1855, ferner zur BetriebSfondSerhö- kung der Generalstaatskasse und endlich zur Bestreitung der Kosten, welche die Beibehaltung der dreijährigen Dienstzeit für alle Truppen bis zu Ende dies,-Jahres erheischt, verlangt, nach dessen Ablauf man diese Mehrausgaben durch die neuen Steuern decken will; diese Vorlage hatte eine Erledigung der Interpellation herbeigeführt. Aber sie entfaltet auch in immer größer« Dimensionen jene- Finanzsystem, an dessen Entwurf man, wie Ich Ihnen zur Zeit mitgetheilt habe, im vergangenen Sommer und Herbst arbeitet,. Unstreitig wird die verlangte Deckung der bereit« gemachten außerordentlichen Ausgaben nicht verweigert werden; ob man sich indessen da mit einverstanden erklären wird, da- einmal vorhandene Ca pital für neue Etat-Überschreitungen und resp. Erweiterungen zu gewähren, muß dahin gestellt bleiben. Jedenfalls wird eine bedeutende Opposition dagegen auftreten, welche aus der Thatsache diese- vorhandenen Geldes leicht den Schluß ziehen möchte, daß zur Aufsuchung neuer Fi^anzquellen und Er hebung neuer Steuern kein Bedürfniß vorliege. Eine große Befriedigung erregte die zweite Vorlage des Finanzministers in Betreff des neuen Termins einer Ersatzgewährung für die außer Cour- gesetzten Kassenscheine und DarlehnSkassenan- weisungen, von denen noch über 24,000 Thlr. durch mehr als 2000 Personen nachträglich angemeldet worden; Letztere haben alle die Gnade Sr. Maj. des Königs in Anspruch ge nommen und werben jetzt au- den Beständen der Staats schuld entschädigt werben. Wie sich übrigen« aus den bis herigen Arbeiten der beiden Häuser des Landtages und aus dem Umfange der ihnen vorliegenden Arbeiten schließen läßt, dürste die gegenwärtige Session von besonders langer Dauer sein und sich bi- in die Mitte des Mai au-dehnen. Die Berathungen über da« Ehescheidungsgesetz dürften nicht mehr lange auf sich warten lassen, dagegen möchte bis zur Voll endung der CommissionSarbeiten hinsichtlich der Finanzvorla gen doch geraume Zeit vergehen. — Die Minister haben all mählich alle ihre Salons eröffnet und empfangen an be stimmten Tagen. Gestern war eine glänzende Soiree im Hotel de« Minister- de- Innern. Morgen findet rin parla mentarische- Diner zu Ehren des Präsidenten de- Abgeord netenhauses statt. — Gelegentlich sei hierbei bemerkt, daß bei dem letzten Orden-feste auch der gewiß vielen Ihrer Leser wohlbekannte Badearzt vr. Gan- zu Karlsbad, der sich ganz besonders um die unbemittelten Kranken vielfache Verdienste erworben hat, mit dem rothen Adlerorden vierter Klasse aus gezeichnet worden ist. Denselben Orden hat auch der in Dresden stationirte Steuerrath Graf v. Roß erhalten. Breslau, 23. Januar. (Bresl. Z.) In Bezug auf die Ausführung deS soeben den beiden Häusern des Landtags vorgelegten Entwurf«, betreffend die Besteuerung der Aclien- und Commanditgesellschaften, ist e« von hohem Interesse, zu vernehmen, daß heute den Direktorien der sämmtlichen hier domicilirenden neun Gesellschaften (die Eisenbahngesellschaften werden von dem Entwürfe nicht berührt) eine Verfügung seitens der königl. Regierung zugrgangen ist, worin dieselben angewiesen werden, zunächst für da« Jahr 1855, und bei den Gesellschaften, deren Geschäftsjahr nicht mit dem Kalen derjahr zusammenfällt, nach dem Abschluß deS Geschäftsjah res 1855—1856 eine Nachweisung ihre« Reingewinne- ein- zureichen. Diese Nachweisungen sollen jetzt binnen 14 Ta gen und später jährlich zum 1. Juli eingereicht werden. Diese Nachweisungen müssen enthalten: den Namen der Gesellschaft, Datum der Bestätigung, unter dem Haupt« rubrum „Gesellschaft-kapital", die Specialrubriken „Grund- kapital", „Erhöhungen", „Summa", ferner den Betrag der au-gegebenen Aktien, wobei das Datum der einzelnen Aktien emissionen, Stückzahl und Nennwerth der Aktien und die Summe de« Nominalbetrag- derjenigen Aktien anzuqeben ist, auf welche Einzahlungen zur Gesellschaftskasse erhoben wor den sind, gleichviel, ob nur Theilzablungen gegen Interims quittungen oder Vollzahlungen gegen Aushändigung der Acliendocumente stattgefunden haben. Ferner müssen die Feuilleton. Hoftheater. Sonntag, 25. Januar: Don Larlo,, Infant von Spanien. Trauerspiel in fünf Auszügen von Schiller. (Posa: Herr Emil Devrient.) Sowohl die Erinnerung an den in den Annalen deS königl. Hoftheater» so denkwürdig gewesenen 8. April de- vorigen Jahre-, wir die Aussicht, Herrn Dawison zum ersten Male in der, wie man hörte, auch für ihn neuen Rolle deS König- Philipp zu sehen, hatten die Zuschauerräume in einer Weise überfüllt, daß Mancher erwartete, auch eine Ausräumung deS Orchester-zu Hilfe genommen zu sehen, um den Andrang zu befriedigen. Indessen freute e« unS wahrhaft, daß die königl. Generaldirection die Herübernahme dieser bei Etadltheatern üblichen Sitte nicht für rathsam gefunden hat. ES würde damit der Anfang gemacht worden sein, «inen Gradmesser mehr für die ost so trügerische Aeußerlichkeit der Erfolge einzufübren, wäh rend man, um diese „Erfolge" zu constatiren, an der Addition der bi- zur Unsitte getriebenen Hervorrufungen wahrlich gerade genug hat. ES gewährt einen eignen Reiz, in die Entwickelung eine eben so sehr durch wahren Beruf, wie durch Fleiß ausgezeichneten Künstler- auch auf Stufen rinzublicken, wo er sich zunächst nur noch als einen Werdenden geben kann. Herrn Dawison'« sichere- Zuschreiten auf ein große« und mustergiliige- Ziel hin ist schon seit lange ein Genuß für all die Kunstfreunde, die ihn wiederholt beobachten zu können so glücklich find. Bon dem Boden einer geliebten, aber in ihrem Sprach- und Bildung«- gebiet» beschränkten Hrimath wagte er den Eintritt in die Hallen der Kunst und Literatur einer fremden Nation. Hamburg sah ihn als Liebhaber und in episodischen, besonder« französischen Charakterrollen. Auf da« Wiener Hosburgtheater berufen, be währte er sich im Heldenfach und machte jetzt erst den ent« schiedenern Uebergang zu den Charakterrollen de« üblichen klassischen deutschen RepertoirS. Ohne Zweifel würde Herr Da- wison bei längerm Verweilen in Wien ganz und ausschließlich nur in dieser Richtung verblieben sein. Seine Berufung an die hiesige Bühne gab ihm indessen wieder die volle Freiheit, nach Luft und Neigung bald Helbenrollen, bald Charakterrollen zu spielen. Wir verdanken dieser Freiheit rind Reihe der interessan testen Vorstellungen, die noch durch den Genuß erhöht wurden, den seltenen Künstler von Wiederholung zu Wiederholung einer Partie darin immer fester und sikgeSzewiffer werden zu sehen. So in Othello, Macbeth, Shylock. Auch König Philipp reiht sich diesen Gebilden an, die wir so glücklich sein werden, einem Hochvollendrten entgegenreifen zu sehen. Der Raum ist zu beschränkt, die volle Bewunderung au«- zusprechen für Da«, wa« bereit« geboten wurde, und di» Wünsche für Da«, wa« wir etwa noch vermissen dürften, hinzuzufügen. Eine Huldigung sei dem Künstler sogleich in vollem Maße gewährt: Seine Darstellung zeugt« von einem tiefen Studium der schwierigen und in gewisser Hinsicht eigentlich unmöglichen Aufgabe. Schiller'« Philipp ist eine« seiner interessantesten Ge- bilde, aber so zusammengesetzt au- Widersprüchen, daß virlleicht nur eine ganz eigenthümliche dämonische Verwandtschaft dazu gehören wütd«, dir Aufgabe so zu decken, wie sie vorliegt. Unser Künstler hat sich in höchst geistvoller Ueberlrgung al- Grün- dirung seine« Bilde« den düster» spanischen, kirchlich gefärbtrn Ernst der Rolle gewählt; er hat tri dem sonderbaren Wider spruche deü Dichter«, welcherden König zum geheimen Liebhaberder Eboli und doch liebrbedürftigen Gatten seiner Gemahlin machte, vorgezogen, die letztere Empfindung überwiegen zu lassen; er Hal den unter dem schweren Geschick der Herrscher, selten die unbestochenen und in ihrem Unheil ungetrübten Rathgeber fin den zu können, fast melancholisch leidenden Fürsten mit be sonderer Vorliebe hervorgehoben. Ueberall, wo diese Stimmun gen deS widerspruchsvollen Charakter« der Situation entsprechen, war auch die Wirkung eine erschütternde, in der großen Scene de« zweiten Acte« sogar bi« zum tiefsten Mitgefühl hinreißende und rührende. Bedingt bleiben wird diese in den größten Contouren ange legte Leistung immer durch die Persönlichkeit de« Künstler-. Seine schlanke Figur, sein ihm in der Tragödie einmal zur Gewohnheit gewordener Sprechton werden ihn immer bestim men, sich in einer solchen Aufgabe dem PatboS de« Helden verwandter zu fühlen al« der Natürlichkeit deS Charakteristik»!-. Bei Alledem aber würden wir doch gerade nach letzter Seite hin, wo un« de« Künstler« Humor, seine Leben-beobachtung und Verwandlung-fähigkeit schon so manche« treffliche Gebilde vorgeführt hat, die Ergänzungen angelegt wünschen müssen, die diese neue Schöpfung seine- «dein und rastlosen Fleißes ohne Zweifel noch zuläßt. Die übrigen und in den Partiten deS Marquis Posa so wohl wie der Prinzessin Eboli bewunderungswürdigen Leistungen find oftmal« besprochen und wurden vom Publicum wir immer rauschend anerkannt.