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Wochen- und Unchrichtsdlatt zugleich 8esch«fts-Aiizeiger sm Hühners, Nttlitz, Kenisüors, Riisdmf, St. KBit», ymmchmt, Mliiicmii mS MLlse«. Amtsblatt für de« Stadtrat zu Lichtenstein. ——— — -— — 4«. Jahrgang. — Nr. 151. Donnerstag, den 3. Juli 1890. Dieses Blatt erscheint täglich (außer Sonn- und Festtags) abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer 10 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiser!. Poftanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespaltene Korpuszeile oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. LaKdreKte« fällig! BetanntMKchMg. Der Unterzeichnete ist vom 1. bis zum 31. Juli dieses Jahres beur laubt und wird während dieser Zeit durch Herrn Regierungs-Assessor vr. Krische, in Kirchensachen durch Herrn Superintendent Weidauer vertreten, beziehentlich mitvertreten. Es wird dies für das mit der Königlichen Amtshauptmannschaft geschäftlich verkehrende Publikum bekannt gemacht. Glauchau, am 29. Juni 1890. Königliche Amtshauptmannschaft. Merz. R. Deutscher Reichstag. Sitzung vom I. Juli, 1'/- Uhr. Am Bundesratstische: von Bötticher, von Marschall, von Vcrdy. Zur ersten Beratung steht der Gesetzentwurf betr. die Konsulargerichtsbarkeit in Samoa. In der Debatte bedauert Abg. Hammacher (natlib.), daß bei dem Gerichtsverfahren auf Samoa auch gegen Deutsche künftig das englische Recht zur Anwendung gelangen solle. Es wäre wünschenswert, hierin eine Acnderung eintreten zu lassen. Äundesratskommissar Geh. Nat Hellwig: Die Be schlüsse der Samoa-Konferenz begründen diese Befürchtung nicht. Die Reichsregierung wird sorgfältig darüber wachen, daß die Deutschen in ihrem Recht nicht znrückgesetzt werden. Darauf wird sofort in die zweite Beratung der Vorlage eiugetretcn. In 8 1 wird auf Antrag des Abg. Hammacher (natlib.) die Bestimmung, daß die Gerichtsbarkeit des deutschen Konsuls auf Samoa eingeschränkt (oder außer Uebnug gesetzt) werde» kaun, dahiu abgeändert, daß die eingcklammerten Worte gestrichen werden. Der Rest wird ohne weiteres an genommen. Es folgt die dritte Beratung des Nachtragsetats betr. die Erhöhung der Beamtcngehälter. In der Generaldebatte wünscht Abg. Linge ns (Ztr.) eine erweiterte Sonntagsruhe für alle Reichsbeamten. Abg. Sperlich (Ztr.) meint, daß es nun Zeit ist, mit den Erhöhungen der Beamtengehälter abzuschließen. Die Steuerzahler sind damit durchaus nicht einverstanden und die Beamtin sind bei ihrem sicheren Gehalt auch thatsächlich viel besser gestellt, als die Geschäftsleute. Härten, die sich bei einzelnen Beamtenklassen in dem Gehaltssätze zeigen, können immer noch beseitigt werden, doch bedarf es dazu keiner be sonderen Erhöhung. In der Spezialdebatte wird ein formeller Antrag des Abg. v. Strombeck (Ztr.) angenommen und mit dieser Aendernng der Nachtragsetat im Einzelnen und dann im Ganzen genehmigt. Es folgt die zweite Beratung des dritten Nachtragsetats betr. die neuen Militärforderungen (65 Mill.). Abg. Richter (freis.I konstatiert, daß die in der Bud- getkommission angestellten Ermittelungen ergeben haben, daß die Ersparnis, welch? durch die von der Reichsregierung zu- gestandenen 6000 Manu Dispositionsnrlauber mehr pro Jahr herbeigeführt wird, sich auf 100,000 Mark beläuft, d. h. auf noch röcht ein Prozent der durch die Neubewilligungen er forderlich gewordenen Summen. Der ganze Nachtragsetat wird hierauf in seinen einzelnen Teilen debattelos genehmigt. Hierauf werden Wahlprüfuugen erledigt. Die Wahlen der Abgg. Schneider-Hamm (natlib.), Raeithel (kreis.). Frhr. v. Unrnhe-Bomst (freikons.) werden für giltig erklärt, jedoch Resolutionen beschlossen, in welchen die Reichsregiernng ersucht wird, Ermittelungen über Unregelmäßigkeiten anzustellcn, die bei diesen Wahlen vorgekommeu sein sollen. Gleiche Beschlüsse werden auch bezüglich der Wahlen der Abgg. Graf v.Döru- Hoff-Friedrichstein (kons.), Rackowski (Ztr.) gefaßt. Für giltig erklärt werden die Wahlen der Abgg. v. Minnigrode (Welfe), Beckmann <Ztr.), Haberland (Ztr.), vr. Virnich (Ztr.), Schmidt-Elberfeld (freis.), Samhammer (freis.),. Graf von der Decken (Welfe), v. d. Schulenburg-Hehlen (Welfe), Uhlendorff (freis.), Hacke (freis.', Werner (Antisemit), Rozzeki (Pole). Die Wahl des Abg. Pickeiibach (Antisemit) beantragt die Wahlvrüfnngskommission zn beanstanden. Abg. Böckel (Antisemit) beantragt, die Wahl für giltig zu erklären. Ungesetzlichkeiten sind bei der antisemitischen Agitation im Pickenbach'schen Wahlkreise nicht vorgekommen; wohl aber haben sich die freisinnigen Agitatoren nicht inner halb der gesetzlichen Grenzen gehalten. Für die Letzteren wäre also eine Bestrafung am Platze. Abg. Gutflaisch (freis.) bestreitet Letzteres. Die antisemitische Agitation war eine außerordentlich leidenschaft liche und hat weite Volkskreise auf das Tiefste aufgeregt. In jedem Falle müssen die Erhebungen stattfinden, wo die Gesetzwidrigkeiten liegen. Haben die Antisemiten sich solche nicht zu Schulden kommen lassen, wie Herr Böckel behauptet, fo können sie ja erst recht mit einer Untersuchung einver standen sein. Abg. Rickert (freis.) verliest ein antisemitisches Flug blatt, in dem eine Reihe von Personen als Güterausschlächter und Wucherer bezeichnet werden. So haben die Antisemiten agitatiert. Angestellte Ermittelungen haben ergeben, daß die Mitteilungen der Flugblätter zum größten Teile unwahr sind. Abg. Böckel (Antisemit): Die freisinnigen Redner haben hier von Verhetzung durch die Antisemiten gesprochen. Davon sollten sie lieber still sein. Verhetzen versteht niemand besser, als die freisinnige Partei, Gerade infolge der anti semitischen Agitation sind nicht mehr so viele Ausschreitungen gegen die Juden, wie in früheren Jahren, in Hessen vorge kommen. Abg. Liebermann v. Sonnenburg (Antisemit): Herr Rickert hat einzelne Fälle angeführt, in welchen die antisemitischen Behauptungen nicht zutrcffen. Aber in über 400 Fällen ist in Hessen festgestcllt, daß Juden sich des Wuchers schuldig gemacht haben. Die Herren links sind uns übrigens noch verschiedene Judendebattcn schuldig, z. B. darüber, warum die Juden in Sachsen nicht als Referendare zugelassen werden, warum sie nicht Offiziere werden u. s. w. Herr Rickert hat die Debatten noch nicht angeregt, wir warten nur darauf. Der Antrag Böckel auf Giltigkeitserklärung der Wahl des Abg. Pickenbach wird nicht genügend unterstützt. Das Haus beschließt Beanstandung der Wahl, das Gleiche wird bezüglich der Wahl des Abg. Holtz (freikons.) beschlossen- Schließlich wird der Reichskanzler ersucht, verschiedene Un regelmäßigkeiten, die bei den Wahlen im 2., 6. und 9. Wahl kreise der Provinz Posen vorgekommen sind, zur Kenntnis der preußischen Regierung zn bringen. Darnach vertagt sich das Haus auf Mittwoch 10 Uhr: (Dritte Lesung der heute in zweiter Beratung angenommenen Vorlagen.) Tagesgefchichte. Lichtenstein, 2. Juli. In der heute nachmittag 5 Uhr stattgefundenen K ir ch e n v o r st a n d s si tz u n g ist zum künftigen Oberpfarrer Herr Vereins geistlicher Pastor Seidel in Dresden gewählt worden. — Unter den Lostagen, welche einen entscheiden den Einfluß auf die Witterung eines bestimmten Zeitraumes von längerer oder kürzerer Dauer haben sollen, ist der bekannteste der heutige 2. Juli oder das Fest Mariä Heimsuchung. Dieser Tag steht der maßen im Ruf, Regen zu bringen, daß er am Nieder rhein „Marientncf", in Köln „Mariasies" genannt wird. Von ihm heißt es in Deutschland: „Geht Maria über den Berg naß, so regnet's sechs Wochen ohne Unterlaß." Die wissenschaftliche Bedeutung solcher Lostage besteht darin, daß in Europa im Sommer die mittlere Windrichtung auf die Nordwest seite der Windrose fällt. Diese Winde bringen bei ihrem Verdrängen der östlichen (im Sommer wärmeren und trockneren) Winde ein Sinken der Temperatur herbei und leiten, wenn sie Anfang Sommer die Oberhand gewinnen, unsere Regenzeit ein. Der heutige 2. Juli ist Heuer noch dazu ein kritischer Tag zweiter Ordnung. — Es wird dem „Chemnitzer Tageblatt" mitge teilt, daß sich am dortigen Platze zwei Amerikane r aufhalten, welche in den Eisengießereien Eingang ver suchen, um sich über die neueren Betriebseinrichtungen jener Betriebe zu orientieren. Da jedenfalls keine der dortigen Maschinenfabriken ihre als spezielles geistiges Eigentum zu betrachtenden Neuerungen in ihren Betrieben irgend einem Fremden ohne Weiteres Preisgeben wird, so seien auch die Interessenten der hiesigen Umgebung hierauf aufmerksam gemacht. — Eine doppelte Wohlthat zu erweisen, ist einem unbekannten Herrn bez. einer Dame Gelegenheit geboten. Mit dem Zuge fts12 Uhr am 11. Juni ist ein Herr von Döbeln nach Dresden ge fahren und hat einem Schaffner irrtümlich ein auf Dresden-Deuben lautendes Fahrbillet vorgezeigt. Dieses Billet ist von dem Schaffner zurückgewiesen worden und darauf hat der betreffende Herr, seinen Irrtum berichtigend, sich durch ein vorschriftsmäßiges Billet ausgewiesen. Das von dem Schaffner dem Herrn zurückgegebene Billet Dresden-Deuben ist nun am Nach mittag desselben Tages bei einer von Dresden nach Deuben fahrenden Dame angetroffen worden und der vorerwähnte Schaffner steht unter dem Verdachte, daß er dasselbe dem betr. Herrn nichtzurückgegeben, sondern Mißbrauch damit getrieben habe. Der Schaffner beteuert seine volle Unschuld, ist aber nur in der Lage, dieselbe zu begründen, wenn der betr. ihm unbekannte Herr bez. die Dame seine Angaben bestätigt. Hoffentlich gelingt es, eine oder beide Personen hiervon zu benachrichtigen. Durch ihr Eintreten befreien sie den Schaffner von dem Ver dacht und dieser ist auch noch gern bereit, einen Betrag für die Ferienkolonien zu geben. — Eine Anzahl angesehener Aerzte, Juristen und Großindustrielle sind inDresden mit hervor ragenden Bankfirmen in Verbindung getreten, um folgende nachahmungswerte Aktiengesellschaft in's Leben zu rufen, welche den Mitgliedern derjenigen Stände eine Versicherung gegen Krankheit darbieten soll, die in das Krankenkassengesetz nicht einbegriffen sind, und also eine große Lücke im Krankenkassen wesen ausfüllt. Die in Berücksichtigung kommende umfangreiche Gruppe setzt sich aus denjenigen Be völkerungsteilen zusammen, welche zwischen den durchaus Wohlhabenden und den durch das Kranken- kassengesetz versicherten Arbeitern stehen. Es sind dies Handwerksmeister, Gewerbtreibende, Kaufleute, Be amte, Lehrer, Offiziere, Künstler, Ingenieure, Tech niker, Rechtsanwälte, Aerzte, Gelehrte und viele andere mehr. Dies Institut soll im Stande sein, eine tägliche Krankheitsentschädigung in der Höhe des ausgefallenen Erwerbs bei den betreffenden Berufsklaffen zu zahlen. Die Gesellschaft will daher eine Entschädigung von 2—20 M. pro Tag ge währen. Dieser weite Spielraum ist gelassen, um nicht nur den Erwerbsverlust zu ersetzen, sondern auch den Mehraufwand durch Arzthonorar, Arzneien rc., denn die Versicherten erhalten weder freie ärzt liche Behandlung, noch freie Medizin. Wie die Arbeiterkrankenkassen zahlt die Gesellschaft das ver sicherte Krankengeld 13 Wochen lang vom 3. Tage nach der Erkrankung. Die zu zahlenden Versicher ungsprämien sind verschieden je nach dem Lebens alter und der Höhe der täglichen Krankenentschädig ung. Folgendes Beispiel diene dafür: Versicher ungsalter das 33. Lebensjahr, Betrag des Kranken geldes 5 Mark täglich. Prämie: monatlich bei Ijähriger Versicheruugsdauer 4 Mk. 20 Pfg., bei Versicherung bis zum 50. Lebensjahre 4 Mk. 90 Pfg., bis zum 60. 5 Mk. 20 Pfg. Bei jährlicher Zahl ung treten 6 Proz. Ermäßigung ein. Beim Ableben des Versicherten während der Versicherungszeit ge währt die Gesellschaft zum Bestattungsaufwand den fünfzigsachen Betrag der für den Tag ver sicherten Summe. Mit der Krankenversicherung sind Abteilungen für Unfall- und Lebensversicherung verbunden. Das Gesellschaftskapital beträgt 1 Million Mark. — Der stärkste, d. h. kraftvollste Mann wohl von ganz Sachsen ist der Hausdiener in „Stadt Hamburg" zu Glauchau, namens Landgraf. Im Zirkus Lohmann beim letzten Vogelschießen in Glauchau trat Landgraf als Ringkämpfer in die Schranken und nahm es mit seinem Gegner, einem berufsmäßigen „Kraftmenschen", derart auf, daß dieser ihn nicht zu werfen vermochte, im Gegenteil,