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Sonntag, 58. 28. Mai 1848. Ditst« Blatt Prril fLr erschnat täglich » ' »ierrrlta-, M Dresdner Journal, ZM »ezikhen. Zeile «r Pf. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Redigirt von Karl Biedermann. Inhalt. Dar neue Wahlgesetz. — Tagesgeschichte: Dresden: Dritte und vierte Sitzung der zweiten Kammer. Crimmitschau: Vaterländischer BezirkSverrin. Berlin. Posen. Tilsit. Frankfurt. Heidelberg. München. Aus der bairischen Pfalz. Wien. Prag. Triest. Mailand. Paris. — Feuilleton. — Eingesendetes. — GeschäftSkalendrr. — Ortskalender. — Angrkommene Reisende. Das neue Wahlgesetz. Das alte Sistem, über welches jetzt der „Stab gebrochen worden ist", sträubte sich beharrlich gegen jede Abänderung des Wahlgesetzes, wohl wissend, daß mit diesen veralteten Satzungen auch sein veraltetes Wesen fallen mußte. Nur schüchtern tauch ten die ersten Versuche -u Reformen desselben auf, und wenn wir beharrlich gekämpft hätten, hätten wir von dem Starrsinn des Ministers Könneritz vielleicht die große Gunst erhalten, daß eine Beschleunigung des Wahlgeschäfts, die Ausdehnung der Wähl barkeit über das ganze Land, und eine Herabsetzung des Zensus erreicht worden wäre. Jetzt, seit dem Umschwung der Dinge vom März, haben wir ein neues Wahlgesetz mit mehr demokra tischer Grundlage, und wir glauben nicht zu irren, wenn wir be haupten, daß auch dieses nicht ganz genüge. Denn die Zeit ist schon weiter vorgeschritten und verlangt radikalere Umgestaltungen, als sie hier geboten sind. Was zunächst die Form des neuen Wahlgesetzes anbelangt, so hat die Regierung sogleich die Ausführungsmaßregeln mit in das Gesetz ausgenommen. Dadurch wird dies weitschichtiger. Ein Gesetz ist aber um so klarer, je einfacher, kürzer und para- grafenärmer es ist. Diese Kunst hat man sich in Deutschland noch anzueignen. — Wir heben daher aus dem 114. Paragraf daS Wesentlichste aus, um eine Uebersicht des Entwurfs zu geben, wie folgt: Oie Wahlen zur Ständeversammlung finden statt- ») zur Ernennung der Abgeordneten der Rittergutsbesitzer in die erste Kammer (durch unmittelbare Wahlen), d) der au- den städtischen und ländlichen Wahlbezirken in die zweite Kammer (durch mittelbare Wahlen). Wählbar ist jeder selbstständige unbescholtene StaatS- angehörigeSachsenS,dereinAltervon30Jahrenhat. Al» selbstständig gilt Derjenige, welcher einen eigenenH.auS- halt hat. Ausgeschlossen davon sind: ») die in aktivem Dienste de- Auslandes Befindlichen, d) die unter Kuratel Stehenden, e) Frauens personen, 6) Almosenperzipienten, e) Diejenigen, zu deren Vermögen ein Schuldenwesen entstanden ist, l)alle von öffentlichen Aemtern Ent setzten, von der Praxis Removirten, SuSpendirten, x) die von enteh renden Verbrechen nicht Freigesprochenen. X. Für die erste Kammer: Stimmberechtigt bei den Wahlen der Rittergutsbesitzer sind diejenigen, welche volljährig sind, denen rin- der oben genannten Hindernisse nicht im Wege steht und die beliehenen Besitzer eine- der in der Beilage zur Verordnung vom 6 November 1832 verzeichneten Rittergüter sind. Zu Ab geordneten der Rittergutsbesitzer wählbar sind die vorstehend Be rechtigten, wenn sie im Besitz eine- Rittergutes sind, daS mindesten- 2000 Thlr. reinen JahreSertrag giebt. — Es werden in die erste Kammer 12 Rittergutsbesitzer gewählt und zwar auS dem Mittel der in dem betreffenden Kreise Wählbaren. 8. Jndie zweite Kammerwählen 1)32städtische Wahl bezirke je 1 Abgeordneten, Chemnitz 1, Dresden und Leipzig je 2, zu sammen 37. Stimmberechtigt und zum Wahlmann wählbar ist je de- volljährige, im Gemeindebezirk wesentlich wohn hafte Mitglied der Stadtgemeinde, Bürger sowohl al- Schutzverwandte, mit Ausnahme der oben Genannten. Die Zahl der Wahlmänner jede- Bezirk- bestimmt sich dergestalt, daß auf jede Stadt soviel Wahlmänner gerechnet werden, als die Zahl von 50 in der Zahl der vorhandenen Stimmberechtigten aufgeht. Wo mehr als 25 Wahlmänner herauSkommen, müssen so viel Wahlabtheilungen gebildet werden, daß keiner derselben mehr al» 25 Wahlmänner zu ernennen hat. Wählbar aber sind die wählbaren Einwohner auch der übrigen Abteilungen. 2) In den ländlichen Bezirken, deren 38 gebildet werden, ist stimmberechtigt und zum Wahlmann wählbar jede- voll jährige, im Gemeindebezirkwesentlich wohnhafte Mit glied der Gemeinde, mit Ausnahme der durch obige Gründe Aus geschlossenen. Größere Gemeinden emennen für je 100 stimmberech tigte Urwähler einen Wahlmann, ein Mehrbetrag von wenigsten- 50 gilt für voll. Auch können hier (wie oben) Wahlabtheilungen gebil det werden. Die Wahlmänner sind bei der Wahl der Ab geordneten nicht an die Wählbaren ihre- Bezirk-ge bunden. Mit Freuden wird man bemerken, daß in diesem Entwürfe die Eintheilung der Abgeordneten für die zweite Kammer nach Ständen aufgehoben ist, daß eine Beschränkung der Wählbarkeit nach dem Bezirk nicht mehr stattfindet und daß die Abhängigkeit der Wählbarkeit von Zensus und Glaubensbekenntniß aufgehoben ist. Nicht minder ist das ganze Wahlgeschäft vereinfacht und ver kürzt worden, so daß eine schnelle Einberufung deS Landtags mög lich ist. Nichtsdestoweniger leidet das Gesetz an mehrfachen Uebel- ständen, die so bedeutend sind, daß sie die geborenen Lortheile wie der in den Hintergrund treten lassen. X. Dadurch, daß man die erste Kammer beibehalt und für diese die Wahlen der Rittergutsbesitzer besonders gesetzlich ordnet, hat man doch den Ttändeunterfchied aufrecht erhalten. Die erste Kammer aber wird und muß in der zweiten aufgehen, so daß ihre Mitglieder künftig dort Sitz und Stimme haben. Wozu in ei nem kleinen Lande zwei Kammem, wenn noch dazu die allgemei-