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Vierzehntes ABONNEMENT-CONCEKT im Saale des Gewandhauses zu Leipzig Donnerstag, den 24. Januar 1878. Erster Theil. Ouvertüre zur Oper „Die Abenceragen“ von L. Cherubini. Lieder aus dem Cyclus „Dichterliebe“, gesungen von Frau Kölle-Murj ahn. Wenn ich in deine Augen seh’, So schwindet all’ mein Leid und Weh ; Doch wenn ich küsse deinen Mund, So werd’ ich ganz und gar gesund. I. Wenn ich mich lehn’ an deine Brust, Kommt’« über mich wie Himmelslust; Doch wenn du sprichst: »Ich liebe dich!« So muss ich weinen bitterlich. II. Das Mädchen heirathet aus Aerger Den ersten, besten Mann, Der ihr in den Weg gelaufen ; Der Jüngling ist übel dran. Ein Jüngling liebt ein Mädchen, Die hat einen Andern erwählt; Der Andre liebt eine Andre, Und hat sich mit Dieser vermählt. Es ist eine alte Geschichte, Doch bleibt sie immer neu : Und wem. sie just passiret, Dem bricht das Herz entzwei. Am leuchtenden Sommermorgen Geh’ ich im Garten herum. Es flüstern und sprechen die Blumen, Ich aber, ich wandle stumm. Im wunderschönen Monat Mai, Als alle Knospen sprangen, Da ist in meinem Herzen Die Liebe aufgegangen. Aus meinen Thränen spriessen Viel’ blühende Blumen hervor, Und meine Seufzer werden Ein Nachtigallenchor. HI. Es flüstern und sprechen die Blumen, Und schau’n mitleidig mich an : » Sei unserer Schwester nicht böse, Du trauriger, blasser Mann ! « IV. Im wunderschönen Monat Mai, Als alle Vögel sangen, Da hab’ ich ihr gestanden Mein Sehnen und Verlangen. V. Und wenn du mich lieb hast, Kindchen Schenk’ ich dir die Blumen all’, Und vor deinem Fenster soll klingen Das Lied der Nachtigall. VI. Die Rose, die Lilje, die Taube, die Sonne, Die liebt’ ich einst alle in Liebeswonne. Ich lieb’ sie nicht mehr, ich liebe alleine Die Kleine, die Feine, die Reine, die Eine; Sie selber, aller Liebe Bronne, Ist Rose und Lilje und Taube und Sonne. Heinrich Heine.