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Nummer 53 — 26. Jahrgang vimü wöch. Bezugspreis für März 8— st« «ins«hl Bestellgeld. Anzeigenpreise: Die Igesp. Petltzeile »0^, Stellengesuche 20 L. Die Petitredlamezeile. 8S Milli, meter breit. 1 Osfertengebühren für Selbstabholer SO bet Uebersendung durch di« Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 10 L, Sonntags-Nr. IS s- Geschäftlicher Teil: Io/esFohmann.Dresden. Söckilsctie Freitag, 6. März 1926 Im Falle höherer Gewalt erlischt sed« Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Änzelgenausträgen u. Leistung v. Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern« ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver» antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte werd. nicht aufbewahrt, Sprechstunde d. Redaktion ö bis 6 Uhr nachmittags. Hauptschristleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden, volrsMuna Geschäftsstelle, Druck »ud Verlas i Saxonia- Blichdnickerei GnibH., DreSden-R. 16, Holbeinslratze 18. ksernriif 32722. P»s11checkk«,to Dresden 11797 Bankkonto: Basfena« St fffriäsche, Dresden. Für christliche Politik und Kultur Redaktten der Sächsische« VolkSzeitnng Dresden-Allst, 18. Holbetnstrntze 18. Fernrin M7S und 33SM. Zentrum und Reichswehr Bei der Beratung des Reichswehretats nahm am Mittwoch als Sprecher der Zentrumsfraktion des Reichstages der Abgeordnete Er sing das Wort. Seine Ausführungen über die Stellung der Zentrums fraktion zum Etat des Reichswehrmtnisteriums bewegten sich in folgenden Gedankengängen: Der umstrittenste von allen Neichsetats ist der der Reichswehr. Er ist es nicht allein wegen der großen Kosten, die Reichswehr und Marine erfordern, er ist es vielmehr auch deswegen, weil weite Kreise unseres Vol kes ans den schlimmen Wirkungen des Weltkrieges her aus zu der Auffassung gelangt sind, daß die radikale Beseitigung der Reichswehr friedensfördernd sei. Der Reichstag hat alle Ursache, sich mit dieser geistigen Strö mung in unserem Volke ernsthaft auseinanderzusehen. Die Kriege gehören zu den schlimmsten Menschheits geißeln, und darum beten Millionen von Menschen um Bewahrung vor Krieg, Pest und Hungersnot. Die große außenpolitische Linie, die die Zentrums partei in den letzten Jahren verfolgt hat, war eingestellt auf Völkerfrieden und Völkerversöhnung. Die friedliche Entwicklung Europas und in der Welt hängt aber nicht allein von Deutschland ab. Sie hängt in viel höherem Maße von den Staaten ab, die bis an die Zähne bewaffnet sind. Der Rüstungswahn ist in Europa heute größer denn je. In Polen und in der Tschechoslowakei kommen auf je 1000 Einwohner 10 Soldaten, in Frankreich sogar 14, in Deutschland nur 114. Die deutsche Politik, die diese Tatsachen nicht sieht oder nicht sehen will, wird letzten Endes für das deutsche Volk ebenso verhängnisvoll sein, wie die Politik, die ln der Vorkriegszeit glaubte, keinerlei Rücksichten auf Stimmungen und geistige Strömungen bei den Nachbar völkern nehmen zu müssen. So sehr meine Freunde mit denjenigen Volksgenossen sympathisieren, die dem Frie den und der Völkerversöhnung dienen wollen, ebenso sehr fühlen wir uns aber als politische Partei verant wortlich für die Sicherheit des deutschen Volkes sowohl der Gegenwart, als auch der Zukunft. Wir sind uns klar bewußt, daß wir mit der klei nen Reichswehr nicht in der Lage sind, unsere Landes grenzen gegen eine starke Militärmacht zu schützen. Wir sind uns' ebenso bewußt, daß einem besiegten Volke nur eine auf friedliche Entwicklung eingestellte Politik dien lich ist. Aber das, was die Siegerstaaten als ein Min- destmaß für den Schutz deutscher Landesgrenzen als notwendig anerkannt haben, können wir nicht ver neinen. Darüber hinaus ist die Reichswehr von erheb licher Bedeutung zur Erhaltung und Festigung der Staatsautorität. Demokratische und republika nische Länder haben immer Wert auf staatliche Macht mittel gelegt und diese getreulich gepflegt. Die deutsche Republik kann nicht anders verfahren. Aus dieser Ein stellung heraus wird meine Fraktion dem Wehretat in der vorliegenden Form die Zustimmung geben. Reichswehr und Reichsmarine erfordern eine Ge samtausgabe von 678,8 Millionen. Davon fallen 210 Millionen auf Besoldung, 122 Millionen auf Be schaffung von Waffen, Munition und Heeresgerät, 60 Millionen für Unterkunft. 45 Millionen auf Verpflegung. 24 Millionen auf Bekleidung und 11,7 Millionen aus Bildungswesen. Daneben kommen noch eine größere Anzahl anderer Posten vor, vor allem auch der Neubau von zwei kleinen Kreuzern und sechs Torpedobooten für die etwas über 80 Millionen angefordert worden sind. Die Kritiker des Wehretats sagen, daß der Posten für Waffen und Munition im Verhältnis zur Vorkriegszeit viel zu hoch sei. Das ist richtig. Wir haben im Haus- haitausschuß eingehend über diese Angelegenheit gespro chen, und da hat sich herausgestellt, daß diese hohen Kosten eine Folge der Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages und der Schi kanierungen der Interalliierten Militär-Kommission sind. Es ist der Reichswehr und der Marine verboten, mit Uebungsmunition zu schießen. Ferner hat die alliierte Miiitär-Komilliffion einige wenige Fabriken für die Ver stellung von Munition und Heeresgerät zugelassen. Diese Betriebe können, da sie keinerlei Konkurrenz baden, dem Reiche jeden Preis abfordern, und aus die sem Grunde ist der verhältnismäßig hohe Ansatz für diese Etatpositionen zu erklären. Neben den laufenden Reparaturarbeiten sind im Etat Neuanforderungen für den Bau kleiner Kreu zer und Torpedoboote gestellt. Bei der völligen Ueber- alterung der jetzigen Schiffe sind diese Neubauten not wendig. Auslandsreisen unserer kleinen Kreuzer haben nach übereinstimmenden Berichten der Ausländsdeutschen günstige Wirkungen ausgelöst. Ein bemerkenswertes Kapitel des Reichswehretats sind die Ausgaben für das B i l d u n gs w e s e n. Für die Unterrichtung der Reichsmehrangehörigen sind 480 hauptamtliche und ein mehr als das Doppelte von neben amtlichen Lehrern vorhanden. Es dürfte zurzeit auf der Welt keine zweite Wehrmacht geben, in der der All- FMM O Sie FkMOMW Brian- verhindert eine Debatte über -ie ungarische Affäre in -er französischen Kammer Paris, 4. Mürz. Die Kammer beschäftigte sich am Schluß ihrer Mittwochsitzung mit dem Interpellationsantrag der Sozia listen über den ungarischen Finanzskandal. Blum wünschte Aufschlüsse über „die Weisungen, die die französische Regierung ihren Völkerbundsdelegierten über die Beziehungen mit den Ver tretern der ungarischen Negierung erteilen werde". In einer kurzen und energischen Ansprache erklärte Bciand, das; eine Debatte im gegenwärtigen Augenblick unmöglich sei. Die unga rische Justiz gehe ihren Weg. und auch die diplomatischen Bezie hungen zwischen der französischen und der ungarischen Regie rung würden fortgesetzt. Seine Erklärungen seien notgedrungen sehr kurz, da er sich große Zurückhaltung auferlegen müsse, lieber die Weisungen an die Völkerbundsdelegierten könne er sich unmöglich aussprechen. In jedem Falle dürften die Vertre ter im Völkerbund nicht durch feste Richtlinie» gebunden sein. Er schlage vor, die Interpellationsdebatte um vierzehn Tage zu verschieben. Bis dahin würden die ungarischen Behörden ihr Urteil bereits bekanntgegebcn haben. Nach Briand ergriff Blum abermals das Wort und führte ans: Die Presse sämtlicher Parteien habe die Interpellations- anträge gutgeheißen. Es handele sich bei den Ungarn um eine Negierung, die die Herstellung falscher Banknoten in einein staatlichen Institut geduldet habe. Er wünsche, daß der Minister. Präsident sich sofort zu der Angelegenheit äußere. Briand er widerte darauf unter allgemeiner Bewegung, daß nicht er. son dern ein anderer Minister der Auswärtigen Angelegenheiten die gewünschten Erklärungen in dieser Angelegenheit abgeben werde. Er fügte hinzu, es wäre ein großer Fehler, wenn das französische Parlament sich anmaßen würde, über andere Nationen zu Ge richt zu sitzen. Frankreich habe darauf bestanden, in sämtliche Einzelheiten eingewsiht zu werden und gefordert, daß die Schul digen der Gerechtigkeit ausgeliefert würden. Es habe durch- gcsetzt, daß französische Kommissare bei der Untersuchung zu gegen gewesen seien. Ein Urteilsspruch sei noch nicht ergangen, doch hätten die ungarischen Behörden die Verhaltung hochgestell ter Persönlichkeiten ungeordnet. — Nach dieser Erklärung Briands zogen die Sozialisten und Kommunisten den Interpel- lationsantrag zurück. Ninlfchttfch in Paris Paris, 4. März. Der südslawische Außenminister Nintsch Lisch hatte gestern vormittag seine erste Be sprechung mit Briand, der nach einer Havasmeldung we.rere Besprechungen folgen werden. Der polnische Presseset-zug Eine deutsche Protestnote in Warschau Berlin. 4. März Der deutsche Gesandte in Warschau hat am 1. dieses Monats im Aufträge der Reichsregierung dem polnischen Ministerpräsi denten eine Note überreicht, in welcher gegen die zügellose pol nische Pressekanyiagne, wie sie sich aus Anlaß der letzten Deut- schen-Verhaftungcn in Polnisch-Oberschlesien insbesondere auch gegen das deutsche Generalkonsulat in Kattowitz gerichtet hat und andauernd richtet, schärfster Einspruch ciugelcgt wird In der Note wird naäidrücklich darauf hingewiesen, daß trotz der auf entsprechend ernste Borstellungen des deutschen Generalkonsuls erfolgten Versprechungen des Kattowitzcr Wojwoden Abhilfe nicht geschaffen wurde, und daß jener weiter den Presseangris- fen, die ihm in dürren Worten Spionagetätigkeit vorwerfen. aus gesetzt blieb. Es ist in der State auch ausdrücklich daraus hin- gewiesen worden, daß die Ortsbehörden sehr wohl in der Lage waren, diesen allen internalionalen Gepflogenheiten widerspre chenden Ton der Presse zu müßigen, seien doch gleichzeitig mehr fach deutschsprachige Zeitungen wegen Auslassungen beschlag nahmt worden, die an dem Vorgehen der polnischen Polizei Kri tik übten. Warschau, 4. Mürz. In der Miltwachsitzung des Senats kam die Interpellation des Senators Cueponek wegen der pol nischen Verfolgung der deutschen Minderpeiten in Oberschlesie» zur Verhandlung. Der polnische Iustizminffter Piechotski erklärte unter anderem daß am 12. Februar dieses Jahres 13 Personen in Oberschlesie» verhaftet worden seien, die beschuldigt waren, militärische Spionage getrieben zu haben. Einer der Verhafteten starb im Gefängnis. Als Ursache des Todes sei Selbst mord festgestellt worden. Die Untersuchung in diesem Falle werde etwa in vier Wochen beendet sein. Zum Schluß erklärte der Iustizminffter. daß er augenblicklich keine Veranlassung sehe, neue Verordnungen in dieser Angelegenheit zu treffen. gemeinbildung der Soldaten eine so große Beachtung geschenkt wird, wie in der deutschen Reichswehr. Anläßlich der Fememorde sind in der Oeffentlich- keit gegen die Reichswehr schwere Beschuldigungen über ihre Zusammenarbeit mit illegalen Ver bänden erhoben worden. Der Herr Reichswehrmini ster hat geltend gemacht, daß sowohl er. als auch Gene raloberst von Secckt jedwede Zusammenarbeit von Reichswehr und nationalistischen Nechtsorganen wieder holt verboten hatten. Ist dieses Verbot erfolgt, dann muß, nach Auffassung der Zentrumspartei, aber auch alles getan werden, damit die Befehle der Reichswehr- leitung auch befolgt werden. Die zwölfjährige Dienstzeit verlangt von den Reichswehrangchörigen große Opfer, daher halten wir es für notwendig, daß seitens des Ncichswehrmini- steriums den Soldaten der Aufenthalt in den Kasernen so angenehm wie nur möglich gemacht wird. Bor allem aber legen wir Wert darauf, daß den aus der Reichs wehr ausscheidenden Soldaten ein gutes Fortkommen im bürgerlichen Leben ermöglicht w>rd. Dis Soldaten haben ein Anrecht darauf, daß sie in weitestgehendem Maße bei den öffentlichen Verwaltungen Unterkmfft finden. Wir erwarten vom Reichsivehcministerium. daß bei der Auswahl des Mannschafts- und Ossiziersersatzes demokratisch eingestellte Leute nicht nur nicht znrück- gewiescn, im Gegenteil besonders berücksichtigt werden. An der Reichswehr ist in den letzten Jahren viel Kritik geübt worden. Sicherlich sind Fehler vorge kommen. Die Reichswehr teilt hierin das Schicksal des Reichstages: denn da sind auch schon Fehler gemacht worden. Die Gerechtigkeit erfordert aber, daß der Reichswehr für ihre geleisteten Dienste Anerken nung gezollt wird. Sie Kat Dank und Anerkennung verdient! Die Besoldung ist svärlich. die Zukunft für die Reichsmehrangehörigen höchst unsicher. Sicherlich wird diese Anerkennung im ganzen Volke geteilt werden, wenn auch die Reichswehr in allen ihren Teilen zu einer freudigen Bejahung des deutschen Bolks- staytes, der deutschen Republik, sich bekennt. — Das junge demokratische und wahrhaft nationale Deutsch land, das leben will und sieh nach Freiheit sehnt, sucht den Weg zur Reichswehr. Sucht ihn die Reichswehr in demselben Maße zum Herzen des demokratischen Volkes, dann wird zwischen Volk, Nation und Reichswehr jener Zusammenhang hergestellt, der eine friedliche und glück liche Entwicklung sicherstellt. Die Debatte über Sen Wehret«» Berlin, 4. März. Der Reichstag beschäftigte sich in seiner gestrigen Sitzung mit dem Etat des Reichswehrministeriums. Abg. Graf v. d. Sch nie» bürg (Tuatst zollte der sachge mäßen Arbeit der'NcichSwehr höchste Anerkennung. Jeder Offizier sehe ein, daß die Reichswehr keine Angrisfswasfe, sondern nur ein Mittel der Landesverteidigung sein könne. Bei der an sich notwendigen Entpolitisierung der N"ichs- wehc sehe Dr. Gehler offenbar mit dem rechten Auge schärfer als mit dem linken. — Abg. Künstler (Sozst übte an dem Reichswehretat scharfe Kritik. Der Rr:chs- wehrminister habe bei der Aufführung seines Etats te,ne Rücksicht auf die Notlage des Volkes genommen und die dringend notwendige Sparsamkeit vermissen lassen. ES müsse geprüft werden, ob iie Reichswehr wirklich fest zur Re publik stehe. Das Hauptübel läge varin, daß über d e Ein stellung in die Armee die in den meisten Fällen monar chistisch gesinnten Kompagniesührer zu entscheiden haben. Tie Sozialdemokraten könnten dem Wehrminister persönlich ke.n Vertrauen eulgegenbringen und würden deshalb sein Ge halt ablehnen. ES folgten dann die AuSüihrungen des Abg. E r s i n g (Ztrst. die wir an anderer Stelle wiedergegebcn haben. Abg. Brüninghaus (DVPst bemerkte, daß einzelne Uebet- slände nicht zu verallgemeinernden Angriffe» gegen die Reichswehr Anlaß geben. Das Bestreben des Reichswehr- Ministers. die Parteipvlilik aus der Reichswehr fernzu- balten, verdiene die Unterstützung aller Parteien. — Abg. Schneller (Kommst bczeichnetc den Reichswehretat alS einen Etat der Verschwendung öffentlicher Mittel und die Reichswehr als ein Instrument gegen die Arbeiter. Seine Fraktion stelle den Antrag, dem Minister das Vertrauen zu versagen. Ncichswchrminister Dr. Gcßler wandte sich gegen dt« Kritik, die an den Mehrforderungcn im ReichSwchre.a. .>eubt worden sind. Diese Forderungen ergeben sich daraus, daß tnc Munitionsbcstüude auf das von der Entente üfflgcsetzte Matz ergänzt werden mutzten. Einen Verzicht darauf würde die Stillegung vieler Fabriken und die ErwerbSIvskg'eit von Tausenden von Arbeitern bedeuten. In seiner Be ziehung gehe Deutschland über das im Versailler Vertrag festgeichke Matz binauS. Kein Staat hat ein größeres Inter esse daran als Deutschland, datz es auf der Abrüstungs konferenz zu einem positiven Ergebnis kommt. DaS ietz.ge System der Reichswehr ist auf die Dauer unhallbar. Es ist schwer, bei diesem System die Reichswehr vor politischen Ein flüssen zu schützen. Das ist gelungen, obwohl das zum . Aufbau der Reichswehr unentbehrliche Offizierkorps mit allergrößtem Mißtrauen dein neuen Staat gegenüberstand.