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Dienstag. Nk 87 13. December 1870. Erscheint Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Postanstalten. Wrißerih-Zeiturig.H Amts- und Äuzkigk- Klatt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadträthe zu Dippoldiswalde und Frauensteiu. VcrMwortlichtr vrdürtrur: Lari Ichnr in Dippol-iswalde. TageSgefchiehte. Dippoldiswalde, 12. Decbr. Unseres Königs Geburtstag ist heute Morgen durch eine Reveille unseres Schützencorps begangen worden. Die städtischen Gebäude und mehrere Privathäuser waren festlich be flaggt. Abends wird im Rathskeller ein von dem Pachter arrangirteS Festessen, im Schießhause eine Vereinigung der Militärvereins-Mitglieder stattfinden. — Der am Sonnabend gehaltene 18. patriotische Unterhaltungsabend wurde außer den üblichen Mittheilungen rc. ausgefüllt durch einen vorzüglichen, reichen Beifall erntenden Vortrag des Herrn Lehrer Stein über Elsaß und Lothringen in geographischer Beziehung, und wurde derselbe durch eine große, eigens dafür angefertigte Karte erläutert. Weitere Mittheilungen über diese Länder in künftigen Unterhaltungsabenden wurden zugesagt. — Nächsten 17. Decbr. sind eö 100 Jahre, daß einer der größten deutschen Tonkünstler, Louis van Beethoven, das Licht der Welt erblickte. Allerwärts, wo Beethovens herrliche Werke bekannt sind, und das ist in der ganzen civilisirten Welt, bereitet man sich auf eine würdige Feier dieses Tages vor; in mehrer» größern Städten ist sogar eine mehrtägige Feier be absichtigt. Bei uns soll eine Vorfeier staltfinden, die mit dem 19. patriotischen Unterhaltungsabend verbunden sein soll. Die vereinigten Gesangskräfte, sowie mehrere Musikfreunde, haben ihre Mitwirkung zugesagt, und eS steht demnach ein außergewöhnlicher Genuß bevor, auf den wir um so mehr aufmerksam machen wollen, als die Einnahme gleichfalls dem Internationalen Hilfs verein zufließen soll. (S. die Inserate.) — Mit dem 12. Decbr. hört auch für Stadt und Landbezirk Dippoldiswalde der Hundeschlag auf. Privatbriefe, die nach Leipzig gekommen sind, uüM dem Eindrücke der grausigen Schlacht vor Paris, melden übereinstimmend, daß unsere Regt- iNenter 107 und 108 in der vordersten Vertheidigungs- linie des Dorfes Brie gestanden und „gekämpft haben, wie die Löwen." Drei furchtbare Stürme wurden von ihnen abgeschlagen. Während bei Metz und Sedan die Gewehrkugeln wie dichter Hagel umhersausten, sind in diesem entsetzlichen Kampfe die Soldaten mit Granat- und Vollkugeln in gleichen Massen überschüttet worden. Der (aus Dippoldiswalde gebürtige) Ober-Stabs-Arzt vr. Poppe, der schon 1859 und 1866 als Arzt stets zur Truppe commandirt war, dem erst kürzlich für sein tapferes und aufopferndes Verhalte« vor dem Feinde das eiserne Kreuz und der sächsische Heinrichs-Orden verliehen worden wat, — dieser Brave wurde mitten in seinem Berufe, den Verwundeten auf dem Schlacht felde beizustehen, von einem feindlichen Granatschuß durch den Kopf getödtet! Ein Soldat der 8. Compagnie des 107. Regi ments (aus Leipzig) schreibt vom 1. Decbr. (also vor der Schlacht bei Brie) über das Gefecht am 30. Nov.r Etwa gegen 9>/s Uhr kamen wir bei Villiers ins Ge fecht. Mit Todesverachtung und Löwenmuth wurde von unserer Seite gefochten, und zwar gegen eine Uebermacht von mehr als das Sechsfache. Bis ziemlich gegen Abend wurde mit wechselndem Glück gekämpft, dann aber wurve mit Er bitterung und dem Beispiel unserer Wackern Offiziere gefolgt, d. h. wir nahmen den Stier bei den Hörnern und attakirten mit gefälltem Bajonnet und unter endlosem Hurrah auf die Feinde zu; da vermochten sie nicht länger standzuhalten und in Eile traten sie den Rückzug an; wären wir hier nicht so schwach gewesen, ich glaube, wir hätten sicher die ganze Bande gefangen. Todt und verwundet sind von der 10. Compagnie 4 Offiziere und wenn ich nicht irre 49 Mann, und bei meiner Compagnie 1 Offizier und 72 Mann. Sie können mir glauben, mein Werthester Herr, unter Thränen — ich schäme mich deren nicht — schreibe ich diesen Brief, denn nur zu lebhaft tritt mir die ganze Scene wieder vor die Augen, und vor Rührung rufe ich aus: „O Sachsens Volk, könntest du ein einziges Mal deine Söhne fechten sehen!" Frauenstein. Die von der Oberpostdirection be absichtigte Aufhebung der Postverbindung zwischen hier und Dippoldiswalde hat auch bei uns einiges Aufsehen erregt und zwar umsomehr, als vor der öffent lichen Bekanntmachung in der Leipziger Zeitung davon auch nicht das Mindeste hier verlautete. Der durch Aufhebung dieser seit langen Jahren bestehenden Post verbindung abgeschnittene direkte Verkehr mit Dippoldis walde und Umgegend wird von Vielen vermißt werden, da die in Aussicht stehende Postverbindung zwischen Klingenberg und Dippoldiswalde erst dann in'S Leben treten kann, wenn die im Bau begriffene Straße zwischen diesen beiden Orten fertig ist. Man hätte wohl Seiten der Kgl. Oberpostdirection die zwischen hier und unserer mehrerwähnten Nachbarstadt bestehende schon genannte Verbindung wenigstens so lange bestehen lassen können, bis wenigstens ein indirekter Ersatz geschaffen war. Die Redaction dss. Bl. hat bereits sin ihrer vor. Nr. eine Lanze darüber gebrochen. So sehr man nun aber auch jdaS Eine zu bedauern hat, so begrüßt man das Andere, nämlich die Errichtung einer täglich zweimaligen Postverbindung zwischen hier und Bahnhof Klingen berg, da der Verkehr dorthin ein bedeutend lebhafterer ist, weil die Bahnverbindung mit der Residenz in Frage kommt. Passagiere, die jetzt mit der früh 4^ Uhr von hier nach Klingenberg abgehenden Post nach Dresden