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WM MÄE WrM, MD, Zickiilkhil M die MWndki. ' AmLsbLcrLL fir die Kgl. KmtshaupLmannschaft zu Meißen, das Kgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Erscheint wöchentlich zweimal, Dicnötalch und Freitag». — Abonn cmentpreis vierteljährlich 1 Mark. Einzelne Nummern 10 Pfg. — Inserate werden Montag- und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Nr» 47. Dienstag, den 12. Juni 1888. Kommenden Donnerstag, den 14. dö. Mts., Nachmittags 6 Uhr, öffentliche Stadtgemeinderathssitzung. Wilsdruff, am 11. Juni 1888. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Dagcsgeschichte. Ueber das am Donnerstag veröffentlichte Gesetz, betreffend die Ver längerung der preußischen Legislaturperioden, schreibt die „Köln. Ztg.": Mit der erfolgten Veröffentlichung bes Gesetzes über die Abän derung deö Artikels 73 der preußischen Verfassung ist die innere Lage in einer Weise geklärt, daß die staatSerhaltendcn Parteien Anlaß haben, große Freude und Genugthuung zu empfinden. König Friedrich hat die Verkündigung eines wichtigen politischen Gesetzes angeordnet, welches gegen den Widerspruch Derjenigen beschlossen worden war, die sonst Alles bekämpften, was die Regierung und die Krone für nützlich erachteten, in jüngster Zeit aber sich den Schein ums Haupt flochten, als ob das Herz des neuen Herrschers bei ihnen wäre. Wir haben in allen unseren Aus führungen zur obwaltenden Krise betont, daß die Entscheidung ausstehe und Niemand bestimmt zu sagen wisse, wie sic ausfallen werde; wir haben aber auch nickt verhehlt, daß die Verwerfung des gegen die eingcschworene Opposition zustande gekommenen Gesetzes ein harter Schlag für die Re gierung sein würde, wie für die Parteien, die ihr in schweren Tagen Mann an Mann zur Seite gestanden haben. Um so ungetheilter ist unsere Freude, daß der König durch Genehmigung des Wahlgesetzes für Preußen deutlich und entschieden bekundet hat, er kenne Freund und Feind. Daß unser Kaiser und König keine unstatthafte Wahlbeeinflussung dulden werde, ist ebenso gewiß, wie es feststcht, daß dieselben Männer, die so «—laut übev «etliche. Wahlbtcinfluffung zu klagen wußten, von Parteiwegen das Allerschlimmste in Entstellung und Verdächtigung zur Irreführung der Wähler geleistet haben. Das Entschiedenste, was geschieht, um die Freiheit der Wahlen nach jeder Hinsicht zu sichern, hat unseren Beifall. Wahlergebnisse, die nicht aus der freien Meinung des Volkes hervorgehen haben keinen Bestand; das weiß auch bie Regierung; dieselbe wird darum ebenso ruhig ungehörigen Einflüssen ihrer Beamten auf die Wahlen vor beugen können, wie sie die Pflicht hat, Entstellungen ihrer Absichten durch die regierungsfeindlichen Parteien mit allem Nachdruck entgegenzutretcn. Was jetzt noch von der Schwierigkeit übrig geblieben sein mag, betrifft nickt mehr die allgemeine politische Lage, und seiner Erledigung kann man ohne die mindeste Aufregung entgegensehen. Unser preußisches und deutsches Volk hat Anlaß, bei Schlichtung dieser Schwierigkeit, wie bei dem früheren, tiefergehenden Entschluß des Kaisers und Königs dankbar zu wünschen, daß ihm ein Herrscher von so tiefem, selbstlosem Pflichtge fühl recht lange erhalten bleibe. Der Vizepräsident des preußischen Staatsministeriums, v. Puttk amer, hat in einem Schreiben Se. Maj. den König um seine Entlassung ge beten. Diesen Entschluß faßte v. Puttkamer in Folge eines allerhöchsten Handschreibens Sr. Maj. des Kaisers. — Damit ist die Lösung der Schwierigkeiten vollendet. Nachdem das Wahlgesetz ohne jede andere Kundgebung veröffentlicht war, somit das Gesammtministerium und seine Politik in entschiedenster Weise gebilligt war, konnte von Puttkamer sein Amt niederlegen, ohne daß dies das Gesammtministerium berührte; zumal, was wahrscheinlich ist, das Schreiben des Kaisers einen Inhalt hat, der die Möglichkeit ausschließt, daß der Freisinn den Rücktritt des einzelnen Ministers als eine Niederlage des Ministeriums auslege. v. Puttkamer trat im Juli 1879 als Kultusminister und Nachfolger Falk's in's preu ßische Ministerium, wurde 1881 als Nachfolger Eulenburg's Minister des Innern und erhielt am 18. Oktober desselben Jahres die Vizepräsident- schast des Staatsministeriums. Der Kaiser hat dem Minister des Innern und Vizepräsidenten des preußischen Staatsministeriums, Herm v. Puttkamer die erbetene Dienstentlassung ertheilt. Gleichzeitig hat Se. Majestät demselben das Großkreuz des Hohenzollern - Ordens verliehen. — Mit der interi mistischen Leitung des Ministeriums des Innern ist der Unterstaatssecretär Herrfurth betraut worden. — Ueber den Nachfolger des Ministers verlautet bis zur Stunde noch nichts; man nennt gerüchtweise verschiedene Namen, u. A. den Oberpräsidmten von Posen, Grafen Zedlitz; ferner den Staats minister von Bötticher. In letzterem Falle dürfte das Staatssecretariat im Reichsamt des Innern anderweitig besetzt werden. Tritt ein höherer Beamter an Stelle des Herm Puttkamer, so würde das Vizepräsidium des Staatsministerums wohl nicht weiter mit dem Ministerium des Innern verbunden bleiben, sondern einem anderen Mitgliede des Cabinets über tragen werden. Der Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha hat dem Kaiser Friedrich sein im Thüringer Walde so überaus romantisch und in ozon reicher Lust gelegenes Lustschloß Reinhardsbrunn zum Sommeraufent halt zur Verfügung gestellt. Bei der wirklich vorzüglichen Lage des be kannten Lustschlosses, in welchem bereits ein Mal die Königin von Eng land Erholung gesucht, ist es somit uicht ausgeschlossen, daß Se. Maje stät der Kaiser, anstatt wie früher verlautete, nach Homburg, demnächst nach Reinhardsbmnn übersiedelt. Da Morell Mackenzie auf Wunsch des Kaisers vorläufig nicht nach England zurückkehrt, ist die Gattin und die Tochter des englischen Arztes am 5. Juni in Potsdam eingetroffen. Die Herrschaften werden dort Wohnung nehmen. Wenn die „Kreuzzeitung", was allerdings nicht unwahrscheinlich ist, gute Quellen in St. Petersburg hat, dann weht am dortigen Hofe ein sehr anti-französischer Wind. Der Zar soll ungehaltener als je auf das „revolutionäre Frankreich" und fest entschlossen sein, es in einem Krieg gegen Deutschland allein zu lassen, um seine Ziele im Orient energisch verfolgen zu können. Die Freunde des Friedens mit Deutschland hätten mehr denn je geneigtes Gehör beim Zaren und Giers, der Minister des Aeußeren, sei wieder parsona Arata, kurzum es sei ein völliger Um schwung eingetreten. Sollte den Boulanger mit seiner albernen Rede ver ursacht haben? Dann können wir uns bei ihn, bedanken! Die Pforte ist durch die Forderung Rußlands, die Kriegs entschädigung aus dem letzten russisch-türkischen Kriege pünktlich zu zahlen, in Verlegenheit gesetzt worden. Der russische Gesandte in Kon stantinopel, hat die türkische Regeriung daran erinnert, daß sie nach einem im Jahre1882 zwischen der russischen Gesandtschaft und der Pforte abgeschlossenen Uebereinkommen gewisse Revenüen aus ihren Staatseinkünften Rußland zur Bezahlung der Kriegsschuld, die sich noch immer auf 650 000 Pfund beläuft, abtreten wollte, daß diese Verpflichtung aber nicht gehalten, die Pforte vielmehr jetzt im Begrifft stehe, behufs Abschluß einer Anleihe anderweitige Revenüen ihren neuen Gläubigern überlassen wolle. Herr von Nelidoff hat hiergegen Protest eingelegt ^ind behauptet, die Pforte müsse zunächst 'hre Schulden an Rußland zahlen, ehe sie das beregte An lehen abschließe, in jedem Falle sei die Pforte verpflichtet, Rußland von den Revenüen aus ihren Staatseinkünften zur Erfüllung ihrer Verbind lichkeiten zu überweisen. Der russische Gesandte hat seine Note mit dem Bemerken geschlossen, daß, wenn die Pforte nicht baldigst zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten schreite, Rußland sich genöthigt sehe, Schritte zu thun, welche der Pforte ernste financielle Verlegenheiten bereiten würden. Da die Pforte sich augenblicklich nickt in der Lage befindet, Rußland zu befriedigen, so wird sie zu ihrem gewohnten dilatorischen Verfahren Zu flucht nehmen und das Uebrige abwarien. Rußland wird, so calculirt die Pforte, augenblicklich keinen Krieg mit ihr führen wollen, in welchem sie auf den Beistand mächtiger Staaten würde rechnen können. Auch ist das türkische Heer stark genug, um eventuell einen russischen Angriff, von welcher Seite er auch kommen könnte, mit Erfolg zurückzuweisen. Sie hat in Europa wie in Asien jederzeit mehrere hunderttausend trefflich aus gerüstete und vollkommen kriegstüchtig ausgebildete Streiter zur Hand, so daß ihre Lage, die militairische wie politische, gegenüber Rußland niemals günstiger war, als gerade jetzt, wo Rußland keinen einzigen Verbündeten auf der Balkanhalbinsel, sondern, wenn man das kleine, militairisch kaum in Rechnung zu ziehende Griechenland ausnimmt, lauter Gegner hat. Die Russen werden sich deshalb mit leeren Drohungen begnügen und von jeder Action gegenüber der Pforte abstehen, während die Pforte sich in Entschuldigungen und Liebenswürdigkeiten gegenüber der russischen Ge sandtschaft erschöpfen wird. Zwischen dem Sultan von Sansibar und Italien scheint sich ein ernster Konflikt vorzubereitcn. Der Sultan soll auf die Anfrage in einem Schreiben des Königs von Italien an ihn in wenig korrekter Weise erwidert und diese Beleidigung durch die längere Weigerung, das Schreiben cntgegenzunehmcn, noch schwerer gemacht haben. Daraufhin habe der Konsul Genugthuung in einem Entschuldigungsschreiben des Sultans an den König gefordert, und als ihm dieses verweigert worden sei, die Flagge eingezogen. Am Mittwoch ist bereits ein Kanonenboot nach Sansibar abgegangen, dem am Donnerstag ein weiteres Kriegsschiff gefolgt ist, mit der Weisung, die Vorstellungen des Konsuls zu unterstützen und nöthigenfalls die italienischen Staatsangehörigen an Bord zu nehmen. Die Italiener sind in ihren afri kanischen Besitzungen auch nicht auf Rosen gebettet. Der französische Finanzminister hat am Donnerstag in der Kammer ein Gesetz eingebracht, welches die gänzliche Unterdrückung der Paßgebühr anordnet. Dieselbe beträgt für einen Auslandspaß Franks 12,60 und soll dem Staat seither jährlich 50 000 Franks eingetragen haben, auf die die Regierung verzichten will, um die Franzosen für die Visum gebühr der deutschen Botschaft zu entschädigen. Vaterländische». Wilsdruff. Der hiesige „Gemeinnützige Verein" Hai letzten Sonn abend auf dem sogenannten „Kirschberg" am Sachsdorfer Fußwege eine Ruhebank anbringen lassen und wünscht, daß dieselbe, da man von diesem Punkte aus eine hübsche Fernsicht genießt, auch fleißig benutzt werde, em pfiehlt dieselbe aber auch gleichzeitig dem Schutze des geehrten Publikums. — Durch neuerliche Verordnung des Königl. Sächs. Justizministeriums wird bestimmt, daß in der Regel zwar die Aufnahme von Wechselpro testen den Notaren Vorbehalten bleiben soll, daß jedoch dem bei einem Amtsgericht eingebrachten Antrag aus Wechselprotest-Aufnahme dann statt zugeben ifl, wenn am Ort des Gerichts kein Notar wohnt, oder wenn der Antragsteller sich in glaubhafter Weise auf besondere Umstände bezieht, wegen deren ein beachtliches Interesse an Vornahme der Amtshandlung durch einen Beamten des Gericht« begründet sein kann.