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HllMimMk (UigMM und Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Dienstag, de» 25. Mai 1880 ^NH8 Der Abonnementspreis betrügt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Waldenburger Anzeiger Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächstcr- scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. ^Waldenburg, 24. Mai 1880. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser hat vom Sultan einen großen, am europäischen Ufer des Bosporus oberhalb Therapia s gelegenen Park zum Geschenk erhalten. Dem deut schen Botschafter Graf Hatzfeld in Constanttnopel machte der Sultan bei einem Diner in Dildig- Kiosk hiervon Mittheilung. Bevor die Mächte zu einer Nachconferenz ge schritten, haben sie eine Aufforderung an die Pforte erlassen, welche die Ausführung des Berli ner Vertrages betreffs Armeniens, Montenegros und Griechenlands verlangt, sowie Uebernahme der Sicherheitsgaranlie für die an Ort und Stelle zu sammentretende Grenzregulirungscommission, welche die Pforte früher ablehnte. Die von dem dritten und vierten Bundesraths- ausschuß über die Anträge Preußens und Hamburgs, betreffend die Einverleibung Altonas in das Zollgebiet, gemachten Vorschläge, die Einverleibung zu beschließen, wurde in der Plenarsitzung des Bundesraths vorbehaltlich der näheren Modalität der Ausführung einstimmig angenommen. Nachdem das Wuchergesetz nunmehr in Kraft getreten, schreibt das „Teltower Kreisblatt," dürfte es am Platze sein, ein oberstrichterliches Erkenntniß des Reichsgerichts in Leipzig so weit als möglich zu verbreiten. Dasselbe lautet: Ein Gläubiger, welcher seinem Schuldner durch die Bedrohung der gericht lichen Zwangsbeitreibung seiner fälligen Forderung zu der Ausstellung einer Schuldurkunde über eine Summe, die der Schuldner thatsächlich ihm nicht schuldet, nöthigt, ist wegen Erpressung zu bestrafen. Mit anderen Worten: Wenn zu einem Arbeiter oder Bauer nur ein Wucherer der bekannten Sorte kommt und fagt, wenn Du mir statt der z. B. erhaltenen 20 Mk. nicht 25 Mk. schreibst, so verklage ich Dich, und der betr. Schuldner schreibt es, da er die schuldigen 20 Mk. nicht zur Verfügung hat, so kann er den Wucherer wegen „Erpressung" verklagen, ein Vergehen, welches nach H 253 des N.-Str.-G.-B. mit Gefängniß nicht unter einem Monat und event. Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte bestraft wird. Die „Staatsbürger-Zeitung" sagt über die kirchen politische Vorlage, „daß die Slaatsregierung sich diese elf Artikel sehr gut hätte ersparen können, sie hätte einfach nur zu sagen brauchen: Einziger Ar tikel. Die Staatsregierung wird hierdurch ermäch tigt, die Gesetze vom 11. Mai 1873 u. s. f. in Kraft zu erhalten oder zu suspendiren, je nachdem sie das eine oder das andere für erforderlich hält." Ueberall, wo sich geistiger Einfluß geltend machen kann, suchen sich die Juden vorzudrängen. Dies ist namentlich auf dem Gebiete der Presse der Fall, und nicht allein in der deutschen Rcichshaupt- stadt, sondern auch in den Provinzen. So ist der Redacteur der fortschrittlichen „Königsberger Har- tung'schen Zeitung," Herr Michels, ein Reformjude; Redacteur des fortschrittlichen Memeler „Dampf boot" ist der Rabbiner vr. Rülf; der Redacteur des fortschrittlichen „Bürger- und Bauernfreund" in Insterburg heißt Isidor Schlesinger. Die jüdische Presse liest dem deutschen Lehrer tage, der soeben in Hamburg seine Sitzungen ab gehalten hat, gehörig die Leviten, daß derselbe auf Vortrag des Lehrers Pfeiffer einstimmig Thesen annahm, wornach die Simultanschule einen christ lichen Charakter haben müsse. Der Lehrertag, das Organ von 30,000 deutschen Lehrern, ist freilich "och nicht so weit hebräisirt, daß es sich für die Anbetung des goldenen Kalbes als das Ideal der deutschen Volksschule erhitzen sollte. Belgien. Bei den großen Festlichkeiten, welche im August zu Ehren der 50jährigen Unabhängigkeit Belgiens in Brüssel stattfinden, wird das deutsche Reich durch das kronprinzliche Paar, Oesterreich-Ungarn aber durch sein Kaiserpaar vertreten sein. England. — Im Unterhause antwortete der Staatssekretär für Indien, Hartington, auf die AufrageGarleys, es ständen über 60,000 Truppen in Afghanistan, einschließlich der Garnison in Peschawar. Die bis herigen Kriegskosten betrüged annähernd 7,155,000 Pfd. Sterliuge, über 3,000,000 Pfd. seien für Eisenbahnzwecke verausgabt worden; sobald die Häuptlinge einen Herrscher in Kabul erwählt hätten dessen Autorität eine dauernde Freundschaft gegen England verheiße, würden die Truppen nach und nach zurückgezogen werden. Rnfzland. Wieder hat General Loris Melikoff einen Mann in einflußreicher Stellung über Bord springen lassen, und zwar den Stadthauptmann Surrow. Derselbe hat wegen seiner „zerrütteten Gesundheit" den Abschied genommen. Im Prozeß I)r. Weimar ließ der StaatSprocu- rator die Anklage gegen Weimar wegen Beschaffung des Giftes für Solowiew in der Sitzung vom 22. Mai fallen. Der Angeklagte Trotschanskp lieferte einen gelungenen Alibibeweis. Er war während der Ermordung Messenzeffs unter Polizei-Aufsicht im Gouvernement Archangel internirt. Saburoff, der ruhigste und gewandteste von allen Angeklagten, vertheidigte sich gegen die Zeugenaussagen ungemein geschickt. Gegenwärtig nimmt man an, daß an keinem Einzigen die Todesstrafe vollzogen werden würde. Türkei. Laut Meldung aus Skutari rücken 4000 Alba nesen des Districtes Divre, durch eine große An zahl türkischer Deserteure verstärkt, unter denen auch Islam Bep, auf Tust vor, um die dort gegen Montenegro concentrirten Albanesen zu verstärken. Ein Angriff der Albanesen wird befürchtet. Aus dem Muldenthale. ^Waldenburg, 24. Mai. In der morgenden Versammlung des Gewerbevereins wird Herr Photo graph Leunis mittels seines vortrefflichen Sciopticons Lichtbilder produciren. Da der Abend auch hier durch ein sehr interessanter und unterhaltender zu werden verspricht, machen wir umsomehr hierauf aufmerksam, als nach dem Beschlusse des Ausschusses mit dieser Versammlung das Wintersemester ge schlossen werden soll und daher wahrscheinlich mehrere rückständige Anträge zur Erledigung gelangen. *— Die Theatergesellschaft der Frau Director Schlegel hat gestern mit großem Erfolg durch das Volksstück „Das Mädel ohne Geld" debutirt. Die Spielenden ernteten großen Beifall und wurden mehrfach wieder hervorgerufen. Die Gesellschaft wird hier nur 14 Tage weilen, um dann das Altenburger Sommertheater zu übernehmen. Das Nepertoir scheint meist nur neuere Stücke aufzuweisen, und rathe» wir daher allen Theaterfreunden, die wenigen Vorstellungen recht fleißig zu benutzen. — Die Staatsanwaltschaft zu Zwickau macht be züglich des versuchten Raubmordes an dem Hotelbe sitzer Junghändel bekannt, daß der Thäter, nachdem die Ausführung seines Entschlusses ihm mißglückt war, durch das Fenster der Junghändel'schen Stube unter Zurücklassung einer schwarzseidenen, aus dem Geschäft von Gierisch in Zwickau herrührenden Mütze, eines Paares rindslederner fast neuer Stiefeln, eines auffallend kurzen groben Hemdes, eines gestickten Chemisiettes ins Freie gelangt und entkommen ist, kurz danach mit blutigem Gesicht in bloßem Kopf und barfüßig in der Nähe des Schwanenteiches gesehen worden. Es ist dem Thäter den angestellten Erörterungen zufolge ge lungen, sich, nachdem er sich gereinigt, in einem Hause in Zwickau eine dunkle mit Pelz verbrämte Tuchmütze, deren Rand zum Herabklappen einge richtet ist und in Marienthal, wohin er sich gewen det, ein paar alte mit Seitenflecken versehene Stiefeln zu verschaffen. Ueber sein Aussehen und seine Kleidung ist im Uebrigen Folgendes ermittelt. Der Mann ist ungefähr 24 Jahre alt, kleinstämmig, mit dunklem Haar versehen, stumpfnasig, hat run des bartloses Gesicht von fahler Farbe. Bekleidet ist er gewesen mit dunklem Rock und dunklen an den Enden aufgefransten Hosen. Jedermann, der Wahrnehmungen gemacht hat, welche zur Ermittelung der Person des Thäters beitragen können, wird dringend ersucht, solche zur Kenntniß der Staats anwaltschaft in Zwickau direct oder durch Ver mittelung eines Polizeibeamten zu bringen, eintreten denfalls auch die sofortige Festnahme des Verdäch tigen zu veranlassen. Atts dem Sachfenlande. — Am 1. Dezember d. I. findet im ganzen Deutschen Reiche die geordnete Volkszählung statt (die letzte erfolgte am 1. Dezember 1875), womit auch eine Aufnahme der landwirthschaftlichen Be sitzungen des Viehstandes verbunden ist. — Der Empfangs-Ausschuß für das V. deutsche Turnfest sieht sich nach der „Frkf. Ztg." jetzt in der Lage, eine Ucbersicht über alle Vergünstigungen zu geben, welche bezüglich der Frankfurter Sehenswürdig keiten den durch Mitgliedskarten sich ausweisenden Theilnehmern des V. deutschen Turnfestes geboten werden. 1. Ohne Eintrittsgeld zu sehen ist: Beth manns Museum, Börse von der Gallerte der Han delskammer aus (9 Uhr vorm. bis 6 Uhr nachm.), Dom nebst interessanten Gegenständen der Schatz kammer, Kaisersaal, Kunst und Alterthümer-Samm- lung im Archivgebäude, Kunstvereins-Ausstellung, naturwissenschaftliche Sammlung im Senkenbergischen Museum, Sammlung des Städel'schen Kunstinstituts (10—2 Uhr), Paulskirche (10—12 Uhr), Pfarr- churm, jedoch zugleich nur 25 Personen. 2. Gegen Entgelt zu sehen: Ausstellung des mitteldeutschen Kunstgewerbe-Vereins, während der Festtage über haupt für Jedermann zu 20 Pf. geöffnet, Palmen garten für Besitzer von Turnsestkarlen vorm. zu 20, nachm. zu 50 Ps., Zoologischer Garten überhaupt nur zu 50 Pf., Aquarium außerdem nur gegen die gewöhnliche Zahlung von 50 Pf. — Der Vorstand des evang. Vereins des Gustav- Adolf-Stiftung in Leipzig macht bekannt, daß die 34. Hauptversammlung des Gesammtvereins am 14. bis 16. Septbr. d. I. in Karlsruhe stattfindet. — Aus Leipzig wird geschrieben: Eine neue himmelstttrmende Erfindung ist gemacht worden. Der Mailänder Astronom, Celso Fornioni, hat ein Nephodoskop erfunden, ein Instrument zur genauen Bestimmung der Windrichtung der Wolken. Ein Deutscher (wenigstens dem Namen nach) war der Mechaniker, der es nach des Professors Angaben gearbeitet hat, Ritter Kohlschütter (Kohlschitter), Op tiker der Brera. Es ist also so weit gekommen, daß Zeus der Wolkenerschütterer und Versammler