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Sächsische ElbzeiLung Sächsische Schweiz UnterkllltungLbeilage«, Leben lM Bild und Wissen". Nr. 16^ 2l3ndig6 Mocllöndöllagen. "^u^üer^Wett der Frau". Illustrierte Sonntagsbeilage «Ich.-rschein-n «in,einer Nummern Infolge höherer Gewalt. Streit. «u.'sperrung, Betrieb.störung ulw. berechtigt nicht zur Kürzung des Bezugspreises oder zum Anspruch auf Lieferung der Zeitung Bsü Sckanüau, Montag, den 18. )uli 1927 71. >krgsng Tageszeitung für die Landgemeinden Altendorf, Kleingießhübel, Kleinhenners dorf, Krippen, Lichtcnhain, Mittelndorf, Ostrau, Porschdorf, Postclwitz, Prossen, Rathmannsdorf, Ncinhardtsdorf, Schmilka, Schöna, Waltersdorf, Wcndischfähre, sowie für das Gesamtgcbiet der Sächsischen Schweiz Druck und Verlag: Sächsische Elbzeitung, Alma Hieke, Inh. Walter Hieke Verantwortlich: K. Rohrlapper Anzeigenpreis (in NM.): Die 7gcspaltene 38 mm breite Petitzeile 20 Pfg., für aus wärtige Auftraggeber 25 Pfg., 85 mm breite Reklamezcile 8V Pfg. Tabellarischer Satz nach besonderem Tarif. — Bei Wiederholungen wird entsprechender Rabatt gewährt. Anzeigenannahme für alle in- und ausländischen Zeitungen Tageblatt für die LntbSIt die amtlichen Bekanntmachungen für den Stadtrat, da, «tadtbank^°"s^ -"Ostsächsische" Zweignieder- «adtßank-^--.aRg.n>k°N^tt.^ ^stschickkon.o: Dresden »8 327 »ernlprecher: Bad Schandau Nr. 22 - Drahtanschrift: Elbzeitung Bad Schandau WL Ä? ,7L°.K WM, L'L -In-.lnammer 10 baw 15 Pf» — Bei Produttionsvcrteurrungen, Erhöhungen der Wne ü7d Materialienpreise behalten wir uns da. Recht der Nachsorderung vor Entspannung in Wien Vie Regierung Herr der «age. Aeue Zusammenstöße in Wien. Bisher 6S Tote. . Nachdem es in Wien kurze Zeit verhältnismäßig ruhig zuging, wurde die Stimmung in den Sonnabend- Nachmittagsstunden wieder nervös. Sie entlud sich in Hernals. Fünf Wachleute wurden von der Menge, die sich rasch durch Zulauf aus den Seitengassen gebildet hatte, bedrängt. Die Wachleute gaben darauf Hoch- schttsie ab; immerhin wurden drei Personen verletzt, die von der Rettungsgesellschaft in das Spital gebracht werden mußten. Weiter sammelten sich in der Rosensteingaste Menschenmasten an. Hier wurden sechs Personen getötet und etwa »ebn schwer verlebt. Bürgermeister Settz gab bekannt, daß beschlossen worden ist, eine Gemeindepolizei zu bilden, die sich aus Angehörigen des Republikanische« Schutzbundes zusammensetzt. Es sind bereits 5000 ausgesuchte Leute hierfür vorgcmerkt. Diese Polizei wird ebenfalls bewaffnet. In den Kreisen der städtischen Be hörden erwartet man von der Bildung dieser Organi sation einen beruhigenden Einfluß auf die Stimmung der Arbeiterschaft. Der Bürgermeister als Landeshauptmann hat den Ausschank von geistigen Getränken verboten und für Übertretungen des Verbots Bestrafungen angedroht, Die Gcwerkschaftskommission und der Sozialdemokratische Parteivorstand haben in diesem Zusammenhang be schlossen, daß die Hotels sowie die Gaststätten und Kasfee hausbetriebe offen gehalten werden können. Das Per- sonal habe jedoch darauf zu sehen, daß das Alkoholverbot streng eingehalten werde. An die Bevölkerung ergeht im Interesse eines ruhigen Verlaufs der Protestkundgebung, so heißt es in dem „Mitteilungsblatt der Sozialdemokratie Österreichs" weiter, die dringende Aufforderung, sich in den nächsten Tagen unbedingt jedes Alkoholgenusses zu ent halten. Die führenden Kreise der Wiener Sozialdemo kratie sind bestrebt, die Bewegung wieder in die nor male Lage hinüberznleitcn. Es wird von ihnen betont, daß auch die Strcikparole diesem Zweck habe dienen sollen, indem die wüsten Ausschreitungen ab gelöst werden durch die organisierten Maßnahmen der Parteileitung. Das nächste Ziel ist, der Stadt wieder ihr übliches Aussehen zu geben, und den inneren Verkehr wieder zu eröffnen. Die Straßenbahnen sollen noch Mög lichkeit wieder den Verkehr aufnehmen. Allerdings ist nicht zu verhehlen, daß von kommunistischer Seite starke Quertreibereien , im Gange sind. In diesem Zusammenhänge ist inter essant, daß mit einem der Berliner Flugzeuge auch der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands, Pieck, nach Wien gekommen ist. Die sozialistische Partei leitung hofft, daß die weitere Entwicklung sich in ruhigen Bahnen bewegen wird, über die Wiederaufnahme des Eisenbahn-, wie überhaupt des Fernverkehrs verlautet allerdings noch nichts; man hört aber, daß die Wieder herstellung des normalen Verkehrs auch hier sobald wie möglich angestrcbt werden muß, schon wegen des Ein drucks nach außen. * Einschränkung -es Zugverkehrs nach Tirol. Die Neichsbahndirektion München teil« mit: Wegen Streikes der österreichischen Bundesbahn- angestellten ist der gesamte Verkehr auf den österreichischen Strecken ab Salzburg, Simbach, Kufstein und Mittenwald seit Sonnabend nacht eingestellt. Bis zu diesen Über- gangsstationen wird auf den deutschen Strecken der Zug verkehr durchgeführt. Die Züge auf der Linie Berchtes gaden—Schellenberg—Salzburg werden wegen Streikes der Salzburger Tramwaygesellschaft nur zwischen Berch tesgaden und Schellenberg—Hangender Stein gefahren. Vom italienischen Militärkommando am Brenner trifft die Nachricht ein, daß, wenn der Bah«, verkehr nicht ausgenommen werde, Italien seine Transit- zuge über den Brenner nach Deutschland unter militä- rischer Bedeckung selbst führen werde. In der Unrgebu«« des Brenners liegen etwa 10 000 Munn zu Manöver». Oie Stätte der Unruhen. - Die Straßenkämpfe in Wien erinnern in ihrem Dermuf an den Putschversuch, der in Wien in den Ostertagcn des Jahres 191!) stattsand. Auch damals entstaub plötzlich in den links- radikalen Arbcitcrkreisen wegen angeblicher ungerechter Urteils Ler Austtzpalap in Wie«. eine Ausftandsbewegung, und die Demonstranten marichicucn aus den äußeren Bezirken auf tue Ringstraße. Auf dieser Prachtstraße stehen die meisten öffentlichen Bauten: baS Parla ment, das Rathaus und der Justizvalast, der auch die höchsten Gcrichtsstcllen beherbergt, bilden eine architektonische Einheit. Dicht daneben liegt die Universität, die in den lctzien Wochen der Schauplatz zahlreicher Demonstrationen und heftiger Kämpfe zwischen Nationalsozialisten und sozialdemokratischen Studenten gewesen ist. Warum die wütende Menge die Akten, die im Justizpalast verwahrt werden, vernichtete, ist nicht rechi erklärlich, da im Justizvalast nur Zivilgcrichtsbarkrit geübt Wird. Sollten auch die Ärnndbnchaktcn, die sich im Justizpalast befinden, ver brannt fein, so wäre dies ein geradezu unersetzlicher Schaden. Die Wiener Strassenbahn fährt wieder. Wien, 17. Juli. Der heutige Sonntagvormittag hat in voller Rtzhe begonnen, und die Ruhe nach dem Sturm dauert noch an. Heute morgen wurde man durch die Wiederaufnahme des Straßenbahnvcrkchrs angenehm überrascht. Die sozialistische Nalhausmchrheit hatte sich entschlossen, wenigstens den Straßen- bahnvcrkchr wieder aufzunchmen, ohne eine Intervention der 'Gewerkschaften abzuwarlen. Zuerst wurde ein Straßenbahn-Not verkehr eingerichtet. Es fanden sich aber bald genügend Kräfte, darunter besonders besonnene Leute, die nicht organisiert sind und nur durch den Terror abgehalten waren, so daß der Verkehr wieder vollständig normal verläuft. Im 17. Wiener Stadtbezirk ist es gestern abend erneut zu Un ruhen gelommeu, die auf die Nachbarbezirke überzugreifcn droh ten, al/; ein Wolkenbruch niederging und die Kämpfe beendete. KortMreitende Beruhigung tn Wien. Nach weiteren aus Wien eingetroffenen Meldungen wirkt die k. a. in der Wiederaufnahme des Straßenbahnverkehrs zum Ausdruck kommende Beendigung des Generalstreiks beruhigend aus die Gemüter. Zu Störungen ist es kaum noch gekommen. Die Gasthäuser sind wieder geöffnet. Das Alkoholverbot besteht weiter. Immerhin ist die Stimmung auch weiterhin gedrückt. Auch die elektrische Stadtbahn hat den Betrieb wieder ausge nommen. Fünf kommunistische Straßenbahner, die den Dienst verweigerten, wurden- sofort entlassen. Insgesamt sind bisher '252 Verhaftungen vorgenommen worden. Die Gemeindeschutzwach e, die Sonntagsrüh gebildet wurde, ist feierlich aus die Republik vereidigt worden. Bürger meister Seitz machte es der Gemeindeschutzwachc zur Pslicht, ihre Ausgabe in strengster Neutralität durchzusühren. Der gestrige Mmistcrrat nahm den Bericht Dr. Seipels ent gegen. Es wurde beschlossen, der Polizei den Dank und die An erkennung der Bundesregierung auszusprcchcn. Zugleich wurde dem Polizeipräsidenten Schober ei» namhafter Betrag zur Ver teilung an die Verletzten und die Hinterbliebenen der Gefallenen überwiese». Dle Opfer der Wiener Revolte. Prag, 17. Juli. Der Schaden, der durch den Brand im Justizpalast entstanden ist, wird auf viele Millionen österreichische Schillinge geschätzt. Die Zahl der Toten dürste etwa 150 betragen; die Zahl der Verwundeten 700. In einem einzigen Spital be finden sich mehr als 10 Tote. Im ganzen wurden im Lause des gestrigen Vormittags 080 Verletzte eingeliesert, von denen 11 ge storben sind. Nach einer Meldung des tschechischen Preßbüros erscheinen die Wiener Zeitungen auch heute nicht, mit Ausnahme des sozial demokratischen Mitteilungsblattes. In einer Extraausgabe dieses Blattes wird bekannt gegeben, daß bei einer Wiederholung der blutige» Zusammenstöße sofort der Ausnahmezustand verhängt werde. Die Spitäler sind mit Verwundeten überfüllt. Die Straße» nach den Vorstädte» sind abgespcrrt. Die Autos werden angehaltc» und nach Waffen durchsucht, da man befürchtet, die Kommunisten könnten sich von auswärts Massen komme» lasse». 'Um 0.30 Uhr abends sind auf der Donau Dampfer mit Teile» des Bundeshccres aus Krems, St. Böllen und anderen Orlen cingctroffen, die die Bundesregierung zur Verstärkung des Poli- zcischutzcs angeforderl hat. Wien, 17. Juli. Der heutige Tag dürfte auch politisch eine vorläufige Entspannung bringe». In einer amtliche» Veröffent lichung wird angckündigt, daß heute die Beendigung des Eisen bahn- und Telcgraphenstreiks erzielt werden dürfle. Ausein andersetzungen über den blutige» Freitag werde» im Nationalrat stattfinden. Indes wird heute zwischen dem Bundeskanzler Seipel und de» Führern der Mehrheitsparteien einerseits und den Sozialdemokraten und Bauern« andererseits über den zweifel los sehr nahe» Einberufungstermin des Parlaments verhandelt. Wie der Vertreter der T.-U. erfährt, nimmt die Regierung den Standpunkt ein, daß die Beendigung des Streiks unumgängliche Voraussetzung der Einberufung des Parlaments sei. Es scheint schon jetzt festzustehe», daß die Sozialdemokralen »achgebe» wer den. Die Formierung einer Gemeindepolizci durch den Bürger meister ist offenbar ein Kompromiß zwischen Regierung und Sozialdemokratie. Das heutige Rcgierungskommuniquc deutet dies an, indem es von der Tajjache selbst Kenntnis gibt, und auch die beiden Bedingungen bekannt gibt, die offenbar verein bart worden sind, nämlich die ausdrückliche Bestimmung, daß die Gcmeindeschutzwache nur für die Tage der Gefahr bestehen soll und daß ihr Zusammenwirken mit der Bundespolizei sichergestellt ist. Die Sozialdemokraten und die Revolte. Im Vergleich zu den erste» Slunden nach den blutigen Zu sammenstöße» hat sich das politische Gesamtbild in Oesterreich voll kommen gedreht. Während am Freilagnachmittag eilt Ver handeln mit den Sozialdemokraten fast unmöglich blieb und jedenfalls allgemein von zu erwartenden sozialistischen Forder ungen gesprochen wurde, ist davon jetzt keine Rede mehr. Viel mehr wird angenommen, daß die Vorkommnisse des 15. Juli die Machtstellung der Sozialdemokratie in Oesterreich sehr zerrüttet habe». Die Inszenierung der -Unruhen wird als kommunistische Arbeit bezeichnet, und die ersten Roheiten und Ausschreitungen seien von Gesindel verübt worden, für das die Sozialdemokratie keine Verantwortung übernehmen will. Aber die Handvoll Kpmmuniste», die für sich allein in Oesterreich völlig machtlos sind, konnte ihre verhängnisvolle Rolle nur dadurch spielen, daß -die Arbeiterschaft durch eine verantwortungslose radikale Agi tation eine leichte Beute lichtscheuer Elemente werden konnte. Ferner hat die sozialistische Stadtverwaltung bzw. Landesver waltung Wien eine sehr schwere und kaum sühnbare Schuld auf sich geladen, indem sie die Zurückziehung der Polizei und ihre Er setzung durch den sozialistischen Schutzbund gerade in dem Augen blick anordnetc, wo eben noch durch ernstes Zugreifen die Kata strophe in ihren Anfängen hätte erstickt werden können. Es ist sehr wohl möglich, daß man jetzt von bürgerlicher Seite ver suchen wird, die Frage der verfassungsmäßigen Stellung Wiens -als besonderes -Bundesland auszurollen.