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Voigtlän-ischer Anzeiger. — ' Fünfundsechszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Jährlicher AbonnemmtSpreiS für diese- Blatt, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 6 Ngr. — Die Znfertton-gebühren werdm mit 1 Ngr. für die gespaltene CorpuS-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhältniß drS Raumes. — Donnerstag. 111. 21. September 1854. Aeitbetrachtungen. Endlich ist die Krimexpedition doch eine Wahrheit gewor den und Aller Augen sind gegenwärtig auf die Krim, auf Sebastopol gerichtet, wo vielleicht in demselben Augenblicke, da wir dieses schreiben, ein erbitterter, furchtbarer Kampf auf Leben und Tod gerungen wird. Denn was man auch wünschen oder fürchten mag, so steht so viel fest, daß es den Russen nicht zu verargen ist, wenn sie ihre Pontusfeste bis zum letzten Athemzuge vertheidigen, wenn sie die zahlreichen Millionen, welche sie an den Bau der Ponlusflolte und dieses Kriegshafens gewendet, nicht vergeudet haben, wenn sie eine Stellung, die ihnen ein furchtbares Uebergewicht im Pontus giebt, nicht hergeben, wenn sie ihren Einfluß, ihre Macht, an deren Begründung sie seit einem Jahrhunderte eben so geschickt als beharrlich gearbeitet, nicht brechen lassen wollen. Auf der andern Seite ist nicht minder gewiß, daß die Flotten und Armeen der Westmächte im und am Pontus, dafern sie nicht, wie die in der Ostsee, rühmlos und bespöt telt, wo nicht verspottet, den dießjährigen Feldzug schließen wollen, eine große Waffenlhat thun müssen; ist gewiß, daß vorzugsweise England an der Vernichtung der russischen Pontusflotte und des Pontus beherrschenden Sebastvpocs außer, ordentlich gelegen sein muß; ist nicht minder gewiß, daß der „Ruhm" Frankreichs zur Zeit im Morgenlande nicht gewach. sen ist, und daß dieß der Geringste dieses auf den „Ruhm" so versessenen Volkes fühlt; ist nicht minder gewiß, daß nur der Fall Sebastopols eine Entschädigung für solch Ungeheuern Aufwand an Menschen und Gelb dem Westen gewähren würde. Und ein furchtbarer Kampf dürfte es werden. Auf der einen Seite stehen 80,000 Mann Kerntruppen, theils Franzosen, denen selbst ihr erbittertster Feind den Ruhm der Tapferkeit und deö Muthes nickt wird streitig machen wollen; anderseits Engländer, die an Disziplin, Ausdauer und kalter Entschlossenheit mit jeder Truppe wetteifern, drittentheils endlich Aegypter, die sich während dieses Krieges allgemeine Achtung erwarben. Auf der andern Seite kämpfen vielleicht eben so viele auserlesene russische Krieger, deren unerschütter liches Feststehen in der Schlacht schon den „alten Fritz" zur Verzweiflung brachte, von Glaubenswuth erhitzt, angeführt von einem Feldherrn aus einem der stolzesten russischen Ge. schlechter, einem Menzikoff, der seinem Kaiser Ehre und Kopf dafür verpfändet hat, daß Sebastopol nicht fallen werde. Wahrlich, dem Tode steht in jedem Falle eine reiche Ernte bevor! Und die Flotten! Seitdem die Welt steht, hat sie noch keine solche Armada gesehen. 50 Linienschiffe von 60—120 Kanonen, 100 Kriegsdampfer jeder Größe, mit Geschützen ausgerüstet, deren Stärke und Tragweite in früheren See, kriegen unbekannt war, schwimmen nach der Krim. Aber hinter den Granilwällen von Sebastopol wartet die keines- weges verächtliche russische Flotte nur auf den günstigen Augenblick, hervorzubrechen und ihren Antheil zu nehmen an der Bekämpfung der verhaßten Feinde. Und ist sie auch außer Stand, allein mit den feindlichen Flotten eS aufzu- nehmen, so dürfte sie doch im Verein mit den russischen Land, truppen den Verbündeten das Spiel bedeutend erschweren, nach Befinden verloren machen helfen. Ganz Europa, die ganze gebildete Welt lauscht in athemlofer Spannung der Dinge, die dort kommen sollen und wie die noch ruhenden, im Dunkel verhüllten Schicksalsloose fallen werden. Aeitungew Oesterreich. SebastianSberg in Böhmen, 14. Septbr. Unsere Stadt, in welcher erst vor zwei Jahren an 40 Num mern durch Feuer verunglückten, ist gestern durch einen neuen Brand beinahe gänzlich verheert worden. Zwischen 9 und 10 Uhr Vormittags brach das Feuer in einem nördlich ge legenen Häuschen aus und verbreitete sich mit einer solchen Schnelligkeit nach beiden Seiten hin, daß um 11 Uhr die Kirche und um 12 Uhr der größte Theil des Ortes in Brand stand. In Kurzem waren die Pfarrei, die Kirche, das Zoll- unb Ralhhaus und die Schule dahin. Der Brand, der 200 Gebäude in Asche legte, soll durch Kinder, die von ihren Eltern unvorsichtiger Weise allein gelassen wurden, entstan den sein. Bayern. Die N. M. Z. constatirt eine tägliche beträcht liche Abnahme der Cholera in München; und aus Augsburg, 15. Septbr., meldet die A. Z.: Endlich dürfen wir das Auf, hören der Seuche, welche unsere Stabt so hart mitgenommen hat, als nahe betrachten. Die Zahl der Sterbefälle von vor gestern auf gestern war nur noch 11, und die Mehrzahl der 34 neuen Erkrankungen ist, nach dem Ausspruch der Aerzte, nicht von besonderer Bösartigkeit. 20 Kranke (8 männliche und 12 weibliche) sind gestern genesen. Italien. Die „N. Pr. Z." vernimmt aus zuverlässiger Quelle, daß die nordamerikanischen Freistaaten das Fürsten, thum Monaco nun wirklich gekauft hätten, und daselbst eine Flottenstation zu etabliren gedenken. Bekanntlich hat Sar dinien im Jahre 1848 das Fürstenthum besetzt und sich ein- verleibt und vorläufig ist Sardinien im Besitz. Den Nord, amerikanern wird es wahrscheinlich nicht leicht gemacht werden, ihre neugekaufte Flottenstation im französischen See und in der Nachbarschaft von Malta zu übernehmen, waS nach an«