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Ottendorfer Zeitung. / Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", ,Lpiel und Sport" und „Deutsche Mode" Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Mr die Redaktion nera itwortlich Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Nr. 154. Sonntag, den 25 Dezember 1904. 3. Jahrgang. Annahme vsn Inseraten bi» vormittag zo Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Sxaltzetle berechnet Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Vie „Ottendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners- tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich I Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Und schmettern auch Utax Arendt. Der blut'gen Ariegesfurie Toben schreckt Das Aindlein in der Arippe aus dem Schlafe — Seht, wie versöhnt es die Arme streckt, Bekümmert, wie ein Hirte um die Schafe. Die Menschenliebe füllt sein göttlich Herz, Der Menschheit will es seine Liebe bringen Ihr auf der Erde schon das Glück erringen Und liebevoll sie führen himmelwärts. Es schwang der Todeswinter seine Hippe, Erstarrt liegt ringsum die Natur, Ein Licht nur strahlt von einer armen Arippe Und weist uns eines neuen Lebens Spur. Ein Stern erstrahlt uns hell am Firmaments, Beleuchtet mild, was Gottes Liebe bot, Es trifft die Menschenherzen, und der Tod verliert den Schrecken, der uns lähmen könnte. des Krieges Mord fanfaren U)ie oft die frohe Botschaft auch erklungen, Die Engel einst und Hirten uns gebracht, Sir hat noch immer unser Herz bezwungen, Daß froh es fei're Gottes Weihenacht. „Auf Erden Friede — Gott ein Wohlgefallen!" Die alte Weise klingt uns immer neu, Sie macht die Herzen und die Geister frei, Und sollte diesmal ungehört verhallen? — Schrill tönend in der Engel Iubelchor, Das Wort verhöhnend von dein „Friedens zaren", Aum Himmel richten wir den Blick empor: Erhaben über Weltruhm bleibt die Liebe, Die unser armes Erdenvolk umschließt, Die uns mit froher Weihnachtsbotschaft grüßt, V daß sie immer uns im Herzen bliebe! Oertliches und Sächsisches. Ottendorf-Okrilla, 2§. Dezember — Grüne Weihnachten. Schon seit einer ganzen Reihe von Jahren verschmäht es der Wintersanfang mit ganz vereinzelten Ausnahmen, uns zum Weihnachtsfeste mit blitzenden Schn-estächen und krystallhellen Eis zapfen zu beschenken. Tritt nicht noch ein ganz plötzlicher Wetterumschwung, wie ihn die verwichene Nacht mit ihrem kräftigen Frost zum eigentlichen Wintersanfang verhieß, ein, dann fehlt eS im Freien auch in diesem Jahre wieder an den willkommen blinkenden Fest- schmuck uud damit an Schlittschuhlauf und Schlittenfahrt. Wer auf einige Jahrzehnte zurückblicken kann, der erinnert sich, daß früher die Regel war, was jetzt als Ausnahme auf' tritt. Tie Weihnachtsstimmung wird durch das Weihnachtswetter gehoben. Nichts köstlicher als wenn es draußen friert und schneit und die Zusammengehörigen sich im trauten Familienkreis um den leuchteuden Christbaum vereinigen- Ist aber die Luft so milde, daß man am liebsten bei offenem Fenster sitzen oder einen Spaziergang im Freien unternehmen möchte, so fehlt der Kontrast zwischen draußen und drinnen, der die Empfindung belebt und das poestvolle Weihnachtöglück erhöht- Daß uns das typische Weihnachtswetter untreu ge worden ist, ist auch auf einen Weihnachts artikel von Einfluß geworden. In früheren Jahren sah man überall in den Eisenhandlungen Spielwarenläden usw. den Schlittschuh dominieren. In langen Reihen waren die blanken Stahlschuhe ausgehängt und fanden bis auf das letzte Paar ihren Käufer. Infolge des wärmeren Weihnachtswetters kam der SchliNschuh als Festgeschenk mehr und mehr in Abnahme; die Geschäftsleute behielten über große Restbestände am Lager. Der Schlittschuh hörte auf, die vorherschende und typische Weihnachtsauslage zu sein, und auch in diesem Jahre ist er nur vereinzelt in den Schaufenstern aufgetaucht. Nun, man muß sich darein finden wie man sich ja auch an die grünen Weih nachten gewöhnt. Unangenehmer wären weise Ostern, die im neuen Jahre wegen des späten Ostertermins jedoch glücklicherweise nicht zu befürchten sind. Langebrück. Der Stadtrot zu Kamenz hat das Erstehungsrecht in der Zwangs versteigerung des Kurbades an Herrn Restaurateur Künzel in Dresden abgetreten. Dresden. Am Donnerstag vormittag verbreitete sich das Gerücht, die Gräfin Montignoso sei plötzlich hier angekommen. Die Gräfin traf früh 8 Uhr mit dem Münchner Schnellzuge über Hof—Reichenbach hier ein und fuhr in einer Droschke nach dem Hotel Bellevue, wo sich ihr früherer Rechts beistand Dr. Zehme, der tags zuvor schon von Leipzig eingetroffen war und Zimmer bestellt hatte, erwartet. In der Begleitung der Frau Gräfin befanden sich!Än Geheimsekretär und ein Kammerdiener. Gegen 9 Uhr verließ die Gräfin tief verschleiert das Hotel und schritt über den Theaterplatz nach dem Taschenberg palaiS. Se. Majestät der König befand sich bereits auf der Jagd und die Prinzen im Unterrichtszimmer. Die Gräfin wurde von der Dienerschaft erkannt und, einem seit der Scheidung ergangenen Befehle entsprechend, zurückgewiesen. Ein Kriminalgendarm, der ihr gefolgt war, geleitete die Gräfin in das Hotel zurück, das nunmehr von Polizei in Zivil be obachtet wurde. Die Eingänge zum Taschen berg-Palais wurden streng von Beamten ge hütet, die jeden Eintretenden nach dem Aus weis frugen; die Eingänge in der ersten Etage waren verschloßen. Inzwischen hatten sich Herr Polizeipräsident Köttig und der Kämmerer Sr. Majestät des Königs Kammerherr v. Criegern in das Hotel begeben und ver weilten etwa eine halbe Stunde bei der Gräfin die mit Rechtsanwalt Dr. Zehme im Salon er schien. Um die Mittagszeit hatte sich eine neugierige Menschenmenge vor dem Hotel an- gesammclt. Als die Gräfin Montignoso mit Rechtsanwalt Dr. Zehme erschien und die bereitstehende Equipage zur Fahrt nach dem Bahnhof bestieg, wurde ihr von verschiedenen Seiten mit Zurufen und Hüteschwenken ge huldigt. Die Gräfin fuhr über die Augustus- brücke nach dem Neustädter Bahnhof, wo sie in Begleitung ihres Rechtsbeisiandes und des Herrn Polizeipräsidenten um 2 Uhr 25 Min. nach Leipzig abreiste. Der Königliche Kämmerer v. Criegern begab sich vom Bahnhof nach dem Königlichen Schloß zurück. In Leipzig wurde die Gräfin bei der Ankunft um i/, 6 Uhr vom Herrn Polizeipräsidenten Brett schneider empfangen. Sie fuhr unmittelbar darauf im geschloffenen Wagen in die Stadt. Eine große Menschenmenge hatte sich an gesammelt, um sie zu sehen. Der Wagen fuhr nach Gautsch in die Villa des Herrn Dr Zehme wo die Gräfin auch die vorletzte Nacht ver brachte. Sie beabsichtigte nachts 12 Uhr 48 Minuten vom Bayerischen Bahnhofe aus ihre Rückreise anzutreten. — Die frühere Kronprinzessin von Sachsen, hat den sächsischen Boden noch nicht wieder verlassen, um, wie ursprünglich beabsichtigt von Leipzig aus die Rückreise nach ihrem der zeitigen Wohnorte Florenz anzutrcten. Sie ist in Leipzig erkrankt und liegt dort in der Gautzicher Villa ihres Rechtsbeistandes Dr- Zehnte, der sich schon in ihrer Begleitung auf der Rückfahrt von Dresden nach Leipzig befunden hatte. Obersteina. Der Steinbruchspächter Thohmsckke von hier, ist in das Bautzner Landgerichtsgefängnis eingeliefert worden. Danach ist anzunehmen, daß sich die Verdachs- gründe gegen Thomschke vermehrt haben. Lommatzsch. In letzter Zeit sind hier wiederholt Diebstähle ausgeführt worden. In der vergangenen Nacht statteten Einbrecher dem Hause des Steuereinnehmers Naumann und dem Kirchhoffschen Grundstück in der Bahnhofstraße einen Besuch ab, wobei ihnen in dem einen Falle Stollen, in dem andern eine goldene Damenuhr, zwei goldene Ketten, eine Brosche und andere Schmucksachen in die Hände fielen. Döbeln. Die hier zu Besuch weilende Privatiere Schluckwerder aus Bautzen wurde am Donnerstag 'am Wehr der hiesigen Ober- mühle als Leiche aus der Mulde gezogen. Die 52 Jahre alte Dame hat voraussichtlich aus Schwermut selbst den Tod gesucht. Leipzig. Ein 29 Jahre alter Handlungs gehilfe aus Stuttgart bestahl seinen hiesigen Chef und ward flüchtig, nachdem er noch einen Geldbries geraubt hatte. Der Adressat des letzteren fand statt des Geldes nur Papier- lchnitzel in dem Briefe. — In der Zweiganstalt des Leipziger städtischen Krankenhauses in der Vorstadt Plagwitz hat sich ein bedauerlicher Unglücköfall zugetragen. In einer Stube des obersten Stockwerks war ein hautkranker Handelsmann Portius untergebracht, nachdem er in trunkenem Zustand eingeliefert worden war. In der Nacht zum Sonntag wurden die Insassen deS Krankenhauses plötzlich durch Feuerlärm auf» geschreckt. Der Fußboden der Zelle, in der Portius schlief, war durchgebrannt, man fand den Raum dicht mit Rauch gefüllt, und als die Feuerwehr eintraf, war der Kranke bereits erstickt. Der betrübende Fall kam in der Sitzung der Stadtverordneten am Mittwoch zur Sprache, wo Bürgermeister Dittrich erklärte, es treffe niemand ein Verschulden. Der Ver walter habe noch spät abends sich überzeugt, daß sich nur noch wenige im Auslöschen be griffene Kohlen, in dem kleinen eisernen Ofen der Krankenstube befunden hätten, die Dielen seien durch ein großes Ofenblech geschützt. Man müße annehmen, daß der Kranke später selbst noch einmal nachgeheizt habe, und daß dabei glühende Kohlen über das Blech hinaus gefallen seien und den Balkenbrand verursacht hätten. Der Bürgermeister teilte weiter mit, daß die Angelegenheit von der Staats anwaltschaft noch untersucht werde. Aue. Ein nettes Bürschen wurde hier in der Person des 12 Jahre alten SchulknabenS Paul Georgi zur Haft gebracht. Georgi trieb sich in der Gegend von Aue herum und ließ Schule Schule sein. Am vorigen Sonntag hat er mit einem anderen Jungen in einer Strohfeime genächtigt und aus Fahrlässigkeit die Feime angezündet, die dadurch völlig ver nichtet worden ist, wobei sich die Burschen erheblich im Gesichte verbrannt haben. Georgi hat schon öfters im Freien genächtigt und ein förmliches Räuberleben geführt. Er hat fsich auch ein Revolver kaufen und nach Böhmen flüchten wollen. Rippien. Den Verbrennungstod erlitt die 11jährige Tochter des Bergarbeiters Fritzsche, deren Kleider durch glühende Schlacken in Brand gesetzt wurden, die aus dem Ofen ge fallen waren. Erfenschlag. Der Ausstand der Weber und Arbeiterinnen in der hiesigen mechanischen Weberei von Otto Speer ist beigelegt.