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Herausgegeben von Öl'. Otto Dammer AchtllNdzWlUlzigstcr Jahrgang. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter. Wöchentlich ein Bogen Iriedrich Hearst Kieck's 1863. Xr. 20. Die Elbzölle. Von Or. H. Rentzsch. Schiffbare Ströme haben seit uralten Zeiten die einfachsten und natürlichsten Verbindungswege für den Güterverkehr gebildet, und selbst nachdem die Lokomotive beflügelten Laufs ihre langen Güter züge mit sich fortführt, ist die Bedeutung der Wasserstraßen nicht ver gessen, sondern noch klarer erkannt worden. Für eine Masse von Transportgegcnständen, welche keine hohen Beförderungsspesen ver tragen und nicht gerade an eine sehr kurze Lieferungsfrist gebunden ! sind — wie Stein- und Braunkohlen, Torf, Holz (als Brenn- und i Baumaterial), Bausteine, Getreide, Obst, Häute. Wolle, Baumwolle, ! Roheisen, Erze, Farbehölzer, überhaupt Rohstoffe aller Art — bleibt ! die Wasserstraße immer noch der angemessenste Weg. Nicht genug, daß die Natur die Fahrstraße selbst erbaut hat und fortwährend in Stand ! hält, liefert sie nach dem Gesetz der Schwere gleichzeitig unentgeldlich die bewegende Kraft und tritt sie stromaufwärts wenigstens theilweise mit ihren Luftströmungen helfend ein. Zum Ueberfluß ist die Dampf kraft auch bei der Flußschifffahrt als Motor benutzt worden, obgleich nicht zu verkennen ist, daß sie, zumal bei der Bergfahrt, mit der Schnelligkeit der Dampfkraft auf Schienen nicht gleichen Schritt hal ten kann. In industricreichcn Ländern ist man deshalb bemüht gewesen, die Zahl der Wasserstraßen durch den Bau von Kanälen da zu vcrmeh- l ren, wo die Bodenbeschaffcnheit und der Waffcrreichthum es erlaub ten. Holland verdankt seiner Kanalisirung die Blüthe seines Handels; England hat die Zahl seiner Kanäle zum Vortheil seiner Industrie stetig vermehrt, und die Chinesen erkannten schon in vorchristlicher ! 3Hi bte hohe Wichtigkeit des Wassertransports. Das himmlische Reich ist in.seinen Ebenen mit zahlreichen Kanälen durchzogen, die nicht nur Straßen und Eisenbahnen ersetzen, sondern durch den leb haft entwickelten Binnenhandel für den Mangel des auswärtigen Verkehrs schadlos halten. Seit dem Ban der Eisenbahnen ist nun allerdings für das euro päische Festland die Anlage großartiger und kostspieliger Kanäle un- nöthig geworden, und wird man in der Regel, wenn es sich nicht um die Verbindung zweier schiffbarer Flüsse bandelt, dem Eisenbahnbau den Vorzug geben, da der Transport per Eisenbab» abgesehen von der größeren Schnelligkeit auch in den Wintermonaten möglich ist. Die Wichtigkeit der natürlichen Straßen, welche die Natur ohne jedes Anlagekapital darbietct, und auf denen wenigsten« nach der Richtung zum Meere hin auch der Aufwand für die fortbewegende Kraft in Wegfall kommt, wird aber dadurch nicht alterirt. In Deutschland hat man freilich lange Zeit hindurch nicht einsehen wollen, von wie hoher Bedeutung ein schiffbarer Strom für den Verkehr zu werden vermag, und nachdem der Handel angesangen hatte, der Flußschifffahrt größere Aufmerksamkeit zuzuwenden, scheiterte eine ergiebige Benutzung wie derum an den Scparatintcrcssen und an den Zöllen der deutschen Kleinstaaterei. Kein Strom ist nach dieser Richtung mehr miß handelt worden als die Elbe, und selbst für den Rhein — abgesehen von der diplomatisch-hinterlistigen Deutung des Begriffs, jusyu'» In wer von Seiten der Holländer — hat die Stunde der Befreiung früher geschlagen, als für die Elbe. Und doch ist für beide Ströme das noch nicht einmal erreicht worden, was vor fast 50 Jahren, im Jahre k8I5 in der Wiener Congreßakte versprochen worden ist. Die Klagen über die Verhinderung der freien Schifffahrt auf der Elbe reichen bis in die Zeiten des 30jährigen Kriegs hinauf. Schon im Jahre 1628 verbot Kaiser Ferdinand H. den protestantischen Fürsten, ferner Passagezoll auf der Elbe zu erheben. Das Erscheinen Gustav Adolph s von Schweden verhinderte die Durchführung des Verbots, und das Beispiel der englischen Könige, die als Kurfürsten von Hannover zum Besten ihrer Privatkaffe die Elbzölle erhöhten, war so verlockend, daß eS bei den übrigen Elbuferstaaten recht bald Nachahmung sand. Deutschlands traurigste Zeit, die Unterjochung unter die Napoleon schc Gewaltherrschaft, brachte wenigstens die eine Erleichterung, daß die Elbzölle als Binnenzölle, die zu dem Napo- leon'schcn Handelssystem nicht paßten, beseitigt wurden. Aber schon im Jahre 1814 wurden die Zölle in der alten Weise wieder forter hoben. Trotzdem, daß die Wiener Kongrcßaktc im folgenden Jahre die Freiheit der Schifffahrt auf den deutschen Strömen ausdrücklich garantirte, überließ man doch die weitere Verständigung den Ufer staaten und die Folge davon war, daß die alten Belastungen des Elbvcrkehrs in ungeschwächter Kraft fortbcstande». Für unsere Zeiten ist es freilich räthselhaft, daß die Handelswclt nicht energisch auf die Erfüllung der verheißenen Zusagen drang, indessen erklärt sich die Lauheit auS dem Mangel an Gemeinsinn wie aus der geringen Be deutung der Presse, hauptsächlich aber wohl daraus, daß trotz der Zölle immer noch ein schönes Geld mit der Schifffahrt verdient wurde. Man muß sich erinnern, daß bei dem Mangel der Eisenbahnen der Flußschifffahrt die Konkurrcnz^mit den Frachtfuhrlcuten, zumal bei dem damaligen Zustande der Straßen, nicht schwer werden konnte, und daß der Elbzoll, abgesehen davon, daß er auf die Konsumenten