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eltetrißische Aeilage zum sächsischen Erzähler. Zur gemeinnützigen Unterhaltung für alle Stände. Eine letzte Unterredung mit Napoleon III. Von A. Mels. Am 24. December des jüngstverflossenen Jahres Derabschiedete ich mich von dem am 9. Januar so Plötzlich und unerwartet dahingeschiedenen Kaiser der Franzosen. — Ich hatte den Zug,, welcher 8 Uhr L5 Minuten Charing Cross verläßt, versäumt, und mußte den nächstfolgenden um 10 Uhr 45 Min. nehmen. Der Leser wird vielleicht lächeln, wenn ich ihm erzähle, daß dieses mir unbegreifliche Versäum- niß mich wehmüthig stimmte. Ich weiß mir das eigentlich selber nicht zu erklären, denn es hatte ja gar nichts zu bedeuten, ob ich dem Kaiser einige Stunden früher oder später Lebewohl sagte; zumal, da alle meine Angelegenheiten besorgt waren und ich bis 8 Uhr Abends, der Stunde meiner Abreise nach Dover, noch Zeit genug hatte um mich zu langweilen. Doch, wie gesagt, ich war ganz eigenthümlich gestimmt, ünd als ich den Grund dieser Stimmung durchaus nicht zu finden vermochte, schob ich sie auf das einfache Factum, den Zug ver säumt zu haben; ein Factum, welches mir in meinem ganzen Leben noch nichlzpassirt war, obgleich ich so ziemlich ganz Europa durchstreift hatte. Aergerlich schlenderte ich den Strand hinunter und ttat in die Redaction von „London-Figaro", dessen Herausgeber mir befreundet ist; — er war am Morgen nach Devonshire gereist, um die Feier tage .mit seiner Familie zu verbringen. Noch ver drießlicher ging ich Fleet-Street hinunter, um in der Redaction von „Daily-Telegraph" eine halbe Stunde zu verplaudern, entsann mich jedoch noch zur rechten Zeit, daß' um diese Stunde wohl noch keiner der Herren Redacteure auf's Bureau gekommen sein würde, und trat in das wenige Häuser davon ge legene Old Cheese-House, — ein Bier- und Caffee- haus, welches sehr wenige Leute in London kennen, in dem man jedoch seit einigen achtzig Jahren wohl stündlich — ich meine von 9 Uhr Morgens bis 12 Uhr Nachts, und für Eingeweihte noch länger — Schriftsteller und Journalisten findet, und wo <in Ton herrscht, von dem Leute, die nur die eng- -lische Kaufmannswelt kennen, nicht den entferntesten Begriff haben. Was sich vieletcht nicht drei Mal des Jahres ereignet, mußte mir an dem Tage passiren: das Local war leer — gänzlich leer! Was war da zu thun; Ich nahm ein Handsome Cap und ließ mich nach Picadilly zu meinen Verlegern Mssrs. 'Chapmann und Hall fahren, um mit ersterem eine letzte Unterredung über die englische Veröffentlichung einiger meiner Werke zu haben ; ... er war nach Wales am Morgen abgereist! — Nun, wurde mir die Sache nachgerade komisch, und als ich eine Viertelstunde später in der prächtigen Wartehalle von Charing-Cross auf- und abging, dachte ich, daß, wenn nun noch apf der kurzen Strecke nach Chislehurft ein kleiner Eisenbahnunfall stattfände, der Vormittag dieses äiv8 nela8 für mich Alles das gehalten hätte, was er versprochen. Diese Genugthuung fand ich nun nicht: aber wohl eine andere, auf die ich nicht im Entferntesten gerechnet hatte; die jedoch beim geringsten Nachdenken mir klar vorgeschwebt haben würde. — Ich kam nämlich um 11 Uhr und 10 Minuten vor der Gitterthür von Camden-House in Chislehurft an . . . und täglich um 11 Uhr präcis setzte sich Napoleon III. mit seiner Familie und seinem Hofstaat zum Frühstück. - Ich mußte also noch fünf Viertelstunden warten!!! — Auch das noch; — da mir jedoch nichts unausstehlicher ist, als das Atichambriren, ging ich die Mauer des Parks entlang , um mir das Haus anzusehen, welches sich der Graf Clary, einer der Ordonnanzofficiere des Kaisers, wenige Tage vorher für seine junge Gattin gemiethet hatte. — Plötzlich am Hintern Eingänge des Besitztums, welches mir ein Vorsprung der Mauer verbarg, hörte ich eine traurige, doch wohlklingende Frauen stimme, welche sagte: „tkv tieaven dle88 Vour graoiou8 M^v8tv . . . takv my llo^ver8, mv I^orä . . . take ttlvm." (Der Himmel segne Ew. lieb reiche Majestät; nehmen Sie meine Blumen, Mylord, nehmen Sie sie!) Ich beschleunigte die Schritte, doch mit einem Male wurde die Stimme grell und kreischend: „Von'rv a wretotieä olä vvomsn, you. nvver gave mv Üower8 to mv graviou8 I^orä. — 'de äamneä von äiä'nt. (Sie schuftiges altes Weib, Sie gaben niemals meine Blumen meinem liebreichen Lord; verdammt sei, wer's nicht thut.^ Und dann, wieder den früheren elegischen Ton an nehmend, fuhr sie fort: tke kmaven 8vvä it8 mv8t wonäerfull gitt8 to ^our ponerluN Us- ^v8t^, grseiou8 L,orä ..." (Der Himmel spende seine wundervollsten Gaben Euerer groß mächtigen Majestät.) Da mit einem Male hörte ich hinter dem Gitter, dem ich nun ziemlich nahe war, sagen : „Ikere 18 tke polive . . ." (Da ist die Polizei) und wie der Wind, sah ich ein weibliches Wesen durch das Haidekraut huschen und an der jen- eitigen Ecke der Mauer verschwinden. Am Gitter tand die mir bekannte Portiersfrau und sah mich ächelnv kommen ; sie hielt Blumen in der Hand.