Volltext Seite (XML)
Nr. 1VL. Donnerstag, den 23. August LIM«. k. Jahrgang WWUW ü»rdd>»st»rr krsedisn l. Wsdrdrn. kecdi s. freibeit. mm»»»* w M« «edi,r,«on»-P»rechNuni>er l » «» Nk, T» V - 1 w»rv<n «ui «gemalt. Peilt,eUe oder dneu «a»a> mlt »L ^. Reklame m Ltt ^ die Zeile, vere L. «»et er-, bedeut,»tabuti L.eöde« üioa. > aeev-t»«»» »uv , 8 ^ »itllattze- Vveatz« 4P. — .Heriildreit,^ Re. N» General-Versammlung des Vollßdcreiris für das kath. Temschiand. DK' sgcbsisckxm Katholiken stellen über 4000 Mitglieder zu dem das ganze Reich umspanncnden Volksvereii«. Cs bat für sie deshalb ein genauer Bericht über feine General versammlung am Dienstag, die alljährlich einen Glanz punkt der Katholikentage bildet, ein erhöhtes Interesse und wir geben ihn im nachfolgenden wieder. Tie Versammlung war von 8000 Mitgliedern besucht. Den ihr vorliegenden Jahresbericht für das Vercins- jahr 1905/06 (zweites Halbjahr 1905 und erstes Halbjahr 1906) müssen wir aus Raummangel in einer späteren Nummer zürn Abdruck bringen. Zu dem Jahresberickst führte Generaldirektor Tr. A. Pieper näher aus: Aus dem Jahresbericht ist zu ersehen, das; der Volksverein im letzten Jahre weiter um 40 000 Mitglieder zugenommen und damit die halbe Million Mit glieder übersclrritten l>at. Noch mehr ist die Vereinsarbeil gewachsen. Ein Zweifler könnte fragen: Gewis; die Zahlen könnten imponieren. Aber ist der Volksverein wirklich mehr als eine bloße Schutztruppe der bestehenden Geseltsck>aftsord- uuiig? Keine Frage könnte treffender kennzeichnen, tvas der Voltsverein nicht sein will. Eben, weil der Volksverein sich nicht in den Dienst eines starren Konserpatisinus ge stellt hat, tut und entfaltet er eine stets reichhaltigere prak lisch» Arbeit. Er sah von Anfang an seine Hauptaufgab- darin, ans sozialem Gebiete Leben zu wecken, einen gesund n sozialen Fortschritt zu fördern, den die neuzeitliche rasche wirtsclchtliche Entwickelung ermöglicht, zu dem andererseits die weiten Volkskreise »atnrgewaltig auswärts drängen. Leben aber bedeutet Selbstbetätigung der Volksmassen. Gewis; kann dabei der Volksvoreiu sich nicht der Ab wehr gegnerischer Angriffe entziehen, an erster Stelle seitens der Sozialdemokratie. Aber auch in seiner Abwehr- tätigkeit ist der Volksverein jenem leitenden Gedanken treu geblieben, das; er zur Selbstbetätigung erziehen will. Tie einzig wirksame Abwehr kann nur darin bestehen, die A n - gegriffenen widerstandsfähig zu machen, sie zu befähigen, das; sie sich selbst verteidigen können. Das aber heif;t sie aufklären über die Gefahren und die Mittel zu ihrer Abwehr. Das bedeutet, ihnen eine eigene feste Ueberzcugung vermitteln von der Wahrheit und Güte dessen, vxls verteidigt werden soll. Die religiösen und sozialen .Kämpfe unserer Tage spielen sich nicht mehr nur unter Gelehrten und Gebildeten, den Führern des Volkes ab. Sie sind vielmehr verlegt in die Presse, die in jedes .Hans kommt, in die Flugblätter, die von geschäftigen Hän den an jedermann verbreitet werden, in gesellige Gespräch,', sogar auf die Arbeitsstätte. Darum können wir unsere Ge sinnungsgenossen treu der Religion und Kirche, treu dem Staate und der Gesellschaftsordnung nur dann erkalten, wenn wir sie bis zum letzten Mann und Jüngling, bis zu den letzten erwerbstätigen Frauen und Mädchen apologetisch widerstandsfähig machen, so das; sie imstande sind, sich selbst zu verteidigen. Gleiche Arbeit gilt es zu leisten ans sta a t s b ü r g er liche m Gebiet. Es wurde schon hervorgchoben, das; im Gegensatz zu früheren Jahrhunderten heute dem Staats- und Gemeindeleben immer größere soziale Ausgaben zufallen. Daher drängen die Dolksmassen zu weiterer Teilnahme an der Gesetzgebung, zum größeren Einflüsse ans die Ver- naltung. Diese Entwickelung ist zu begrüßen. Es ist aber nicht genug damit getan, das Wahlrecht zu erweitern. Größere politisch Rechte bleiben unfruchtbar oder werden gar mißbraucht, wenn nicht mindestens gleichzeitig staats bürgerliche Erziehung den Wahlberechtigten die notwendige politiscl>e Reise vermittelt. Zuletzt stellt die Entnnckelung der neuzeitlichen Gesellschaftsordnung gleiche Forderung an die soziale Schulung des Volkes. Hier sind im letzten Jahr hundert genwltige Verschiebungen eingetreten. Gewiß wird stets ein Unterschied der Stände und eine mehr oder weniger große Abhängigkeit der unteren Stände bleiben. Gleich wohl kann eine größere persönliche Freiheit und Selbstän digkeit, eine tvachseude Durchführung der Rechtsgleichheit oder Gleickchercckstigung den verschiedenen Gruppen der Er- werbstätigen gewährt werden. Sie wird heute ungestüm von den aufnärtsdrängenden Klassen gefordert. Sie ist gleichzeitig eine Forderung der Entwickelung unseres Wirt- lckxntslebens, das an die Selbstverantwortlichkeit und Selbstbetätigung auch in den arbeitenden Ständen immer Koben: Anforderungen stellt. So stehen wir heute vor der großen Aufgabe, nicl>t bloß die Arbeiterklasse, sondern mich die derselben sozial gleichgestellten Minderbemittelten in allen Berufskreisen in den Gesellsckxrftskörper einzugliedern, durch Dnrckstiibrung weitgehender wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher NeclKsgleichheit. Um diese drehen sich vielfach mehr als um Forderung einer Lohnerhöhung, einer Beschränkung der Arbeitszeit, einer besseren Behandlung, die schärfsten sozialen Kämpfe unserer Tage. Uns soll aber auch zum Volksverein Hintreiben unsere vaterländische imd nationale Gesinnung. Sie ist uns nicht bloß religiöse Pflicht, sie ist uns auch ein natürlickx'S Bedürfnis, eine angeboren? Pflicht. Wer sein Vaterland liebt, der mnß heute durch Förderung der sozialen Reform der amvachsenden sozialen Revolution entevgenzuwirken suchen, noch mehr aber bestrebt sein, durch soziale Arbeit das Wohlergehen aller Staats bürger und damit deren Glück nach Möglichkeit zu fördern. dadurch zugleich auch das Staatslveseu am besten zu kräftigen. Der Präsident des Katholikentages Landgerichtsrat röber begrüßte den Volksverein und nennt ihn nach seiner sozialen Bedeutung den allerwichligstcn Verein der Gegenwwart. Jeder deutsche Katholik, der sich seiner Aufgabe im öffentlichen Leben bewußt sei. müsse es als Pflicht und Ehre ausfassen, Mitglied des VolkSoereins zu sein und bleiben. Möge der Verein noch immer zu nehmen. innerlich und äußerlich, an Bedeutung und Kraft, möge dev Volksverein dazu beitragen, daß wir in Deutsch land zu einer richtigen Lösung der sozialen Frage kommen aus christlichein Boden, (lermania (local! Germanin lehrt im Volkäverein durch die Schulung des katholischen Volkes! (Lebhafter Beifall.) Oberlandesgerichtsrat Marx (Köln) spricht hieraus über die Bedeutung der sozialen Tätigkeit des Volksvereins. Kardinal-Erzbischof Dr. Fischer (Köln), von stürmischem Beifall begrüßt, spricht seine Freude aus über die Ausbreitung des Volksvereins, denn, »ich halte ihn für den wichtigsten und bedeutendsten Verein, der in so hervorragen der Weise wirkt, daß Papst Pius X. selbst ihn als Vorbild für die Organisation der Katholiken Italiens hingestellt bat. Der Herr Weihbischof und ich, wir machten uns immer zur Aufgabe, bei den jährlichen Visitationsreiscn selbst in den entlegensten Teilen des Landes die Pfarrer auf den Volksverein aufmerksam zu machen und lassen die Einrede nicht gelten, daß man dort keine Besorgnis vor dem Ein- dringen der Sozialdeniokratie zu haben brauche. Selbst in die entlegensten Pfarreien mnß soziale Hülfe und Auf klärung gebracht werden, weil gerade aus ihnen ein reicher Abfluß stattfindet in die Jndnstriebezirke. Ich wünsck-e, daß der Volksverein hier in der »iederrheinischen Kirck-enprovinz sich noch weiter anSbreitet, aber ich wünsche noch besonders, daß er auch im übrigen Deutschland sich noch mehr ansbrei- ten möge wie bisher. Ich habe eben aus der Statistik des Jahresberichtes gesehen, das; er in verschiedenen Gegenden des deutschen Vaterlandes noch nicht so reckst Wurzel gefaßt hat, ja sogar z u r ü ck g e g a n g e n ist. Das darf nicht geschehen. Ich hoffe, daß der heutige sckstme Tag, diese herr liche Versammlung dazu beitragen möge, die Ausbreitung des Volt'svereins zu fördern, und daß alle, die hier zugegen sind, in die Heimat zurückkehren mit dem festen Vorsatz, ihrerseits tätig zn sein, damit der Volksverein immer mehr sich ausdehne." Sodann spendete der Kardinal der Tätigkeit der Her ren Dr. Pieper und Professor Dr. Hitze Anerkennung nnd wies ans die soziale Tätigkeit des Herrn Fabrikbesitzers Franz Brandts hin: hierüber sagte er: „Ich l>abe so oft mit Rührung gesehen, wie er init seiner Frau Gemahlin so treu besorgt ist für seine Arbeiter nnd Arbeiterinnen und habe mir gesagt: Wenn alle Arbeitgeber so besorgt Uxiren nnd ein solch gutes Herz für ihre Arbeiter hätten, dann wäre die Arbeiterfrage nnd die soziale Frage leicht gelöst." (Lang- anhaltende Bravorufe.) Der Herr Kardinal spendet alsdann den bischöflichen Segen. Sodann spricht Kaplan Danders «Münster) über die apologetische Arbeit im Volksverein. In seiner Rede be weist er: Der Dolksverein schließt grundsätzlich jede kon fessionelle Polemik au«, nicht mit den llnterscheidimgS- lehren der einzelnen Bekenntnisse befaßt er sich, sondern mit den Grundlagen des Christentums, nnd eine ehrliche Kritik seiner mehrjährigen ernsten Tätigkeit wird ihm das Zeugnis nicht versagen dürfen: Der Volksverein bat es den Katholikenversammlungen gleichtnn wollen in Positiver Arbeit, niemals in negativen Leistungen. Weit entfernt, den Spalt zn erweitern, weit entfernt, soviel Kroft mi- nütz zn vergeuden, hätten wir keinen sehnlicheren Wnmch. als daß alle jene, denen es ernst ist mit dem Woble des Volkes und die überhaupt noch auf gläubigem Boden stehen, uns die Hand reichen zur Verteidigung der höchsten Güter in .Kirche und Vaterland, znm Krenzzng gegen den radikalen Unglauben. Hieran schließt Weihbischof Dr. Müller «Köln) an die Geistlichen die Bitte, für Ausbreitung des Volke verein« zu arbeiten. Er erinnert an die Worte NeichenspergerS: Am wichtigsten ist die katholische Tat! Vereinigen wir uns als Männer der Arbeit, aber mich als Männer des Gebetes! Fabrtkdirektor Franz Brandts verliest zur Freude der Versammlung ein Telegramm des zurzeit in Amerika weilenden zweiten Vorsitzenven dcS VolkSvereinS. Justiz- rat Karl Trimborn: Ec dankt sodann allen Rednern nnd schließt die Ve-sammlung mit einem Hoch auf Papst nnd Kaiser. S3. General-Versammlung der Katholiken Deutschlands zu Essen. (Fortsetzung ouS der Beilage.) Essen, 20. August. In der ersten gesckstossenen Versammlung kam das Telegramm zur Verlesung. das an den Kardinal Merrp del Vak gesandt worden nxrr: es lxrt folgenden Wortlaut: „Die 58. Generalversammlung der Katholiken Deutsch lands, zn der sich in Essen, der berühmtesten Fabrikstad: Deutschlands. Tausende treu ergebene Söhne der heiligen kathcstisäzen Kirche namentlich ans dem arbeitenden Stande znsammcngefnnden haben, legt dem Heiligen Vater die Ge fühle der kindlickx'n Liebe und den ehrfurchtsvollsten Ge horsam untertänigst zn Füßen nnd bittet als Unterpfand der päterlickx'n Zuneigung Seiner Heiligkeit und zur Er- langung der göttlichen Hilfe untertänigst um den aposto- lisck>en Segen." Darauf nnr ein längeres Schreiben des heiligen Vaters eingegangen, das wir später zun; Abdruck bringen. Von den übrigen Festversammlnngen am Montag sei herborgehoben jene der Vinzenzvereine. Vom Zentralkomitee nnd Präsidium der Generalver- jammlung waren zu der im Alfredislxmse stattsindcnden Versammlung erschienen Graf D r o st e - V i s ch e r i n g nnd Arbeitersekretär G i e S b e r t S. Ter Vorsitzende. Ro dp-Köln, hieß die Erschienenen herzlich willkommen nnd verlas im Anschluß hieran einen Brief des General präsidenten, lvelcker bedauerte, infolge Krankheit der Ver sammlung sernbleibe» zn müssen. Redner wies dann ans die Ausbreitung der Vinzenzkonserenzen in de» letzten znan- zig Jahren hin: mit Reckst könne man sagen, daß es kein Werk der christlichen Eharitas gebe, welches sich nickst im Rahmen der Statuten der Vinzenzpereine ansführen lasse. Baron p. V i t t i n g h o f f - S ch e l l - Wien überbrachte die Grüße der österreichischen Vinzenzbrüder, wobei er her vorhob. daß die Vinzenzbereine in Oesterreich Großes ans dem Gebiete der Jugendfürsorge geleistet hätten. Zurzeit beständen 17 Kiiabenbesckstistignngsanstalten: man könne das Vorgehen der Vinzenzvereine ans diesem Gebiete als bahn brechend bezeichnen. Namens der Vereinsmitglieder von Elms; - Lothringen beglückwünschte Dr. B n r g n b nru - Straßbnrg die Stadt Essen zu dem innerhalb ibrer Mauern herrschenden charitativen Geist. Landgerickstsrat Dr. Schmidt legte energischen Protest gegen die Anfeindungen der be stehenden Vereinsslatnt'.'n ein. Tie Gegner zeigten, daß sw sich nie ernstlich domit besck)äftigt hätten. Man müsse sie lesen nnd mit Verständnis ansführen. Mit einem Appell zum Irenen Festlxckten an den Vereinssatznngen schloß Redner seine Ausführungen. Herr Reinierkens-Essen be° bandelte i» längerem Referate die Schulspartassen und trat für energisckv Förderung derselben ein. Rektor Rüben Köln hielt einen begeisternden Vortrag über den Zweck und die Eristenzberechtignng der Vinzenzvereine, der mit vielem Beifall ausgenommen wurde. Außerdem tagte die Vcrsaiilinllliig drr Vorstände der Hilfspcrciiic des Borrvinänsprrcins. Redakteur Herz-Bonn bebandelte die Frage: „Wie bauen wir die Borroinänsvereine in Stadt und Land zeit gemäß ans?" - Kaplan Onadslieg bebandelt dasselbe Thema unter besonderer Rücksichtnahme ans die Verhält nisse im rheinisch-westfälischen Industriegebiete, speziell in Essen. Auch eine Vrrsniiimliing drs Vcrriiis abstinriitrr Katholiken war entsprechend stark besucht. Ter Verein, der für Montag abend seine Mitglieder und Gönner zn einem Festabend »ach dem Mnsitmat im städtischen Saalban entboten batte, stellt abweickxmd vom KrenzbündniS, welches die Total- abstinenz zunächst nur für Trinker, sowie für Frauen nnd Kinder vorschreibt, ans dem Standpunkt der Total- Abstinenz. Er wurde im Jahre 1908 begründet nnd ist im vergangenen Jahre von ttl> ans 850 Mitglieder angeumchsen. Die Versammlung nmr von elnm 200 Personen bestickst. Am Eingänge des Saales war eine reichhaltige Ausstellung altöliolgegnerischer Literatur veranstaltet, die großes Inter esse fand. In seiner Ansprache hob der Vorsitzende des Zen- lialanssckmsses, Herdes Hamburg, hervor, daß der Verein in engster Fühlung mit den kirchlichen Behörden und ans tircksticher Grundlage seine Ziele verfolgen >volle «Beifall) und daß auch seine Beziehungen zn den verNxmdten Organi sationen diirclmns freundlich seien. Tie Festrede hielt I'. EasnS <>. IV: er rief namentlich die tätholisck>en Geist lichen zum Kampse gegen den Alkohol auf. Eine weitere Ansprackx hielt Gros von der Schiilenbing. Ein Fcstkommcrs des Verbandes katholischer sarbrntragrndcr Stiidcntrntörpvrativlikil fand auch am Montag abend im großen Saale des „Krieger- Heims" statt. Woist über >«100 Teilnehmer lxitten sich ein- gesunden. Essen, 2l. August. ,ie zweite geschloffene Versammlung begann »in 1l Uhr. In Anlx'tracht der gleichzeitig tagenden Versammlung des Voltsvereins nxrr die Beteiligung über aus stark. Es zeigt sich vier, was schon die Beratung in den Ausschüssen erkennen ließ: das Interesse an der Beratung der Anträge »stichst. An den M'iatungen der sozialen Aus schüsse nahmen gestern sicher 200 Personen teil, nnd die Dis kussion n>ar so rege, daß der Vorsitzende -Herold nur eine ab gekürzte Debatte znlassen konnte, ansstilulich wnrde zu nächst verbandelt über die Einwanderung von Arbeitern nnd Gesellen in die Großstädte. Man beschloß, dringend die soziale und religiöse Weiterbildung der ländlichen Arbeiter- weit in der Heimat zn empfehlen. Besonders für die Saison-