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-- 42. Jahrgang. Inserate werden dtS Bonnittaq 11 Uhr angenom- Sonnabend, den 1. Juni. """ -r!-»- 1888 ^126 und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg. Erscheint jeden Wochentag Rachuntt. V,6 Uhr für den j andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Pfg., zweimonatlich 1M. SO Pf. und einmonatlich 75 Pi. Nachbestellungen auf den Monat Juni werben zum Preise von 75 Pfg. von allen kaiser lichen Postanstatte«, sowie von be« bekannten Ausgabestellen nnb ver unterzeichneten Expedition angenommen. Expedition des Freiberger Anzeiger. Die Lage von Handel und Gewerbe. In dein jetzt dem Kgl. Ministerium des Innern von der Handels- und Gewerbe-Kammer zu Dresden überreichten Jahresbericht auf 1888 wird dieses Jahr als ein für das deutsche WirthschaftSleben hochbedeutendes bezeichnet. Mit der zweiten Hülste des Jahres begann in beinahe allen Zweigen von Handel und Industrie ein Aufschwung, wie er seit vielen Jahren nicht gekannt war. Obwohl die Fragen, die im Osten und Westen der Entscheidung harren, ihrer Lösung in fried lichem Sinne nicht naher gebracht wurden, genügte doch der eine Umstand, daß für die nächste Zukunft eine Gefährdung des Friedens nicht zu erwarten sei, um das zur Belebung der wirthschaftlichen Thätigkeit imcrläßliche Vertrauen herzustellen. Au den Börsen suchten lind fanden die reichlich vorhandenen Geldmittel Verwendung, theils zu Anlagen in zahlreichen neuen Unternehmungen industrieller Art und in ausländischen Anleihen, theils in Spekulationen ans dem Effektenmarkt. Die wenn auch noch nicht bedeutendeBesserung derLandwirthschast infolge höherer für ihre Erzeugnisse erzielter Preise mehrte die Kaufkraft des Inlandes und steigerte die Produktion und den Umsatz der heimischen Industrie» im Jnlande. Tie Ausfuhr nach dem Auslände, obwohl nach einigen Staaten durch alte und neue Zollschranken und verwandte Bestimmungen erschwert, sowie in manchen Artikeln durch den größeren Verbrauch im Jnlande verringert, sand vermehrten Absatz in anderen Ländern. Die Bestrebungen der Produzenten, durch Uebereinkünfte über die Menge und die Preise der erzeugten Waaren dem weiteren Herabsinken der Preise vorzubeugen, wurden immer zahlreicher und waren zum Theil von Erfolg begleitet. Der Verkehr zu Lande und zn Wasser nahm in den letzten Monaten des Jahres einen solchen Aufschwung, daß die Verkehrsmittel überall sich ungenügend zeigten und Seefrachten wesentlich thenrer wurden. Handel und Industrie können deshalb auf das Jahr 1888, be sonders aber auf die zweite Hälfte im Allgemeinen mit Be friedigung zurückblicken. Wenn trotzdem in der überwiegende» Mehrzahl der Indu striezweige immer »och über den niedrigen Stand der Preise geklagt und der Nutzen als in keinem Verhältnisse zu Idem Aufwand an Arbeit und Geld stehend bezeichnet wird, so Isindct dies der jetzige Handelskammer-Bericht nicht überraschend. »Dem allgemeinen schon seit Jahren andauernden Sinken des. I Unternehmergewinns könne nicht auf einmal, auch durch die Igünstigstc Entwickelung der Produktion und des Absatzes nicht, »Halt geboten werden: im verflossenen Jahre sei aber noch ein »Umstand hinzu getreten, der für viele Industriezweige die weitere »Schmälerung des Nutzens bedingte, nämlich die Erhöhung der »Rohmaterialienpreise. Theils infolge des belebten Ge- Ischäftsgangcs, theils infolge der erwähnten Uebereinkünfte der »Produzenten stieg der Bedarf beziehentlich der Preis der Kohlen, Ides Holzes, des Roheisens, von Walzeisen, Blechen; Küpser und Iseine Legirungen verharrten auf ihrem künstlich in die Höhe ^getriebenen Stande n. s. w. Die der Handelskammer in Dres- Iden zugegangenen Berichte über die einzelnen Industriezweige »bringen eine Fülle von Beweisen für das eben Gesagte. Auch Iin den Arbeitslöhnen sind mehrfach, zum Theil erhebliche »Erhöhungen zu verzeichnen gewesen; ganz vereinzelt nur hat I man sich zu Verminderung der Arbeiterzahl oder zu Verkürzung »der Arbeitszeit gezwungen gesehen. Außerdem ist auch nicht in »Abrede zu stellen, daß vielfach noch die erzeugte Menge der »Waaren und somit das Angebot die Nachfrage trotz starker »Steigerung der letzteren übertroffen und dadurch eine Besserung »der Preise verhindert hat. Es ist indessen im Gegensätze zn »den Vorjahren hervorznheben, daß eine beträchtliche Anzahl von »Artikeln ihren Preisstand halten konnte und weitere Rückgänge »nur von einer verhältnißmäßig Keinen Zahl berichtet wurden. »In vielen Industriezweigen hat inan sich theils zu zeitweiliger »Verstärkung des Betriebs durch Mehreinstellnng von Arbeitern, »theils zu dauernder Vergrößerung der Anlagen durch Neu- Mbauten, Ausstellung von Kraft- und Arbeitsmaschinen u. s. w. »veranlaßt gesehen. In der Lage des Handwerkes ist im Ganzen wenig »verändert; der Kampf der Groß- mit den Kleinbetrieben dauert Win der früheren Schärfe fort. Obwohl es an unermüdlichen »Bestrebungen der Handwerker nicht fehlt, durch engen Anschluß sich untereinander und dein Wettbewerbe der Großbetriebe ge genüber zu festigen nnd vor Allem auf die Heranbildung tüchtiger Arbeitskräfte hinzuwirken, obwohl ferner diese Be strebungen zum Theil erfreuliche Erfolge aufzuweise» haben, so ist doch nicht zu vergessen, daß dem ersehnten Ziele der Neubelebung deS Handwerks nicht im Fluge, sondern nur Schritt für Schritt näher gerückt werden kann. Einer der folgenreichsten Schritte auf dein Gebiete der Sozialpolitik bildet die im Berichtsjahre erfolgte Vorlegung des Gesetzentwurfs über die Alters- nnd Invaliditäts-Versicherung. In dem Han dels- und Gewerbekammcr-Bericht wird darüber gesagt: „Möge das Ergebniß der heißen Kämpfe, zu welchen dieser Entwurf Anlaß gegeben hat, ein der edlen und menschenfreundlichen Ab sicht seines Urhebers cntspreckjendcs und seine Ausführung in der Praxis, die mit namhaften Schwierigkeiten verknüpft ist, eine solche sein, daß der Friede in unserem Vaterlande dauernd gesichert wird." Mit einer sehr behcrzigenswerthcn Mahnung schließt der Bericht. Diese zeitgemäße Mahnung betrifft die besonders seit der in der zweiten Hälfte deS Jahres 1888 eingetretene Neu belebung deS Unternehmungsgeistes immer zahlreichetgewordenen Gründungen von industriellen Aktiengesellschaften weniger durchErrichtung neuer Anlagen als vielmehr vorwiegenddurchEr werbung bestehender Betriebe und Umformung derselben zu Mtienunternehmungen. Die betreffende Aeußernng lautet wörtlich: „Es ist dieser Erscheinung eine gewisse thatsächliche Begründung insofern nicht abznjprechen, alS in dem stetigen Zurückweichen desZinSfußcS, den sich mehrenden Konversionen der sicheren Anlagepapiere den vielen in ihrem Einkommen ge schmälerten Kapitalisten der begreifliche Anlaß gegeben ist, für ihre Kapitalien ein höl^res Zinserlrägniß zu suchen. Die Ge legenheit dazu bietet sich ihnen, theils durch Betheiligung an ausländischen Anleihen, theils — nnd die?' wäre an nnd für sich ini nationalen Interesse vorzuziehen — in der Erwerbung von Antheilen industrieller Unternehmungen im Vaterlande. Aber es ist nicht zu vergessen, cineStheilS, daß der geschäftliche Aufschwung erst vor Kurzem begonnen hat und eine Bürgschaft ür seine Dauer von Niemand übernommen werden kann, anderntheils, daß in vielen Fallen der Privatmann, der an der Börse Antheile derartiger Aktiengesellschaften kauft, dieselben zu solchen Preisen erwirbt, welche, um nur die übliche Verzinsung und den Ueberparistand zu decken, eine lange Reihe von Jahren vorauSsetzen, in welchen die betreffende Gesellschaft gleich mäßig hohe Erträgnisse geben muß. Daß bei der Festsetzung des Aktienkapitals je eine so niedrige Schätzung der übernom menen Werthe stattfände, daß dadurch eine Werthstcigerung der Antheile gerechtfertigt würde, scheint ausgeschlossen. Wie es möglich sein soll, daß innerhalb einer meist sehr kurzen Zeit seit Bildung der Gesellschaft der Werth der Anthcile eine so beträchtliche Steigerung erfahren habe, um dieselben dem Pu blikum mit namhaftem Aufgelde anznüieten, ist meist nicht ersichtlich. Ta man indeß nur zu sehr geneigt ist, Vorgänge ähnlicher Art, welche noch nicht zu lange Zeit hinter der Gegenwart zurückliegen, zu vergessen und nachdem in nächster Nähe lockenden höheren Gewinne zu greifen, ist es umsomehr Pflicht, an diese Vorgänge und an ihre das wirthschaftliche Leben auf ein Jahrzehnt und langer hinaus lähmenden Folgen noch zur rechten Zeit zu erinnern." Tagesschau. Freiberg, den 31. Mai. Demnächst steht eine Reise des deutsche« Kaisers nach Mainz bevor, wo der Monarch mit dem Grvßherzog von Hessen zusammentreffen und eine große Truppenbesichtigung abhalten will. Wahrscheinlich wird der Kaiser von Mainz auS auch Wiesbaden besuchen, um wegen des Platzes für den Theater- Neubau Entscheidung zu treffen. Dem Kaiser wird in Mainz jedenfalls der festlichste Empfang bereitet; für den Fall es der Aufenthalt einigermaßen zuläßt, soll derselbe u. a. auch zu einer Rheinfahrt mit Aufgebot zahlreicher Dampfer und Be leuchtung der Landhäuser am Rhein, jenem großartigen Schau spiel eingeladen werden, welches seit der Hafeneinweihung in Mainz und der Festfahrt des Frankfurter Binnen-Schifffahrts- Kongresses noch in der Erinnerung Vieler lebt. Die Kaiserin wird sich am 28. Juni mit dem Kronprinzen nnd den Prinzen Eitel Friedrich, Adalbert, August Wilhelm und Oskar auf 5 Wochen nach Kissingen begeben. — Der Besuch des Schahs von Persien an dem Berliner Hofe wird bereits am 9. Juni erwartet und soll der Schah mit seinem aus 22 Personen be stehenden Gefolge im Schloß Bellevue Wohnung nehmen. — Dem italienischen Hilfsverein in Berlin hat König Humbert durch die dortige italienische Botschaft ein Geschenk Von zwei tausend Lire überweisen lassen, welches auf Veranlassung des Grafen de Launay, der Präsident des Vereins, vr. Vivtti, ab gehoben und der Vereinstässe zugeführt hat. Dem Berliner Polizeipräsidium ließ der König von Italien in Anerkennung Ides Pflichteifers der Schntzmannschaft ebenfalls die Summe von zweitausend Lire zur Bertheilung an die während der Festlichkeiten thätig gewesenen Exekutivbeamten überweisen. — Ten Grauen Schwestern in der Niederwallstr. 8 in Berlin und den Barmlierzigen Schwestern im Hedwigkrankenhause sandte der König von Italien je 1000 Mark. — Der Reichskanzler Fürst Bismarck, die Fürstin und Graf Wilhelm von Bismarck haben sich Mittwoch Mittag nach Schönhausen begeben. Die Rückkehr nach Berlin dürste aber schon in den nächsten Tagen erfolgen. — Ter deutsche Bundesrath wird über den Gesetz entwurf, detr. die Jnvaliditäts- und Altersversicherung, erst in einer der nächsten Sitzungen Beschluß fassen. — Den offiziösen „Berl. Polit. Nachr." zufolge ist die Andeutung, als habe in den Regierungskreisen die Absicht bestanden, für die Kohlen reviere Westfalens den Belagerungszustand zu proklamiren, vollständig erfunden. Der an Stelle des zurückgetretenen Ober präsidenten von Hagemeister zum Lberprasidenlen der Provinz Westfalen ernannte UnterstaatSsekretär im Ministerium für Elsaß-Lothringen, Studt, gilt als ein sehr energischer Beamter. Nach einer Dortmunder Mittheilung der „Volkszeitung" sollen nicht 40, sondern im Ganzen nur 9 Mitglieder des Streik- KomiteS verhaftet sein, 7 in Bochum, 2 in Gelsenkirchen. Die Führer.der bekannten Deputation an den Kaiser, Bunte, Schrö der und Siegel, sind auf freiem Fuße. 'Der Streik im Ober- bergamlSbezirk Dortmund ist als beendet zu betrachten; heute werden alle Arbeiter wieder in den Gruben sein. Dem Vernehmen nach sollen die österreichisch-« «garische« Delegationen am 22. Juni zusaminentrrten. — Freudigen An klang findet in Österreich eine Aeußerung des Erzherzogs Rainer. Derselbe dielt nämlich als Kurator der Akademie der Wissen schaften in Men bei der vorgestrigen Jahresfitzung die Er öffnungsrede, in welcher er des Ablebens deS Kronprinzen Rudolf gedachte und dann fortfuhr: „Leider muß gesagt werden, daß ein Kamps gegen die Aufklärung und den Forochritt er öffnet wurde, den gerade wir am meisten beklagen müßen, weil wir den Werth der Wissenschaft zu schätzen wissen. Wir »vollen hoffen, daß diese Erscheinung eine vorübergehende sein werde." — Im ungarischen Abgeordnetenhanse entwickelte vor gestern der Justizminister unter lebhaftem Beifall seine Reform- plüne, welche die Feststellung des Systems des materiellen Rechts, den Ausbau der richterlichen Organisation und die Ent führung des mündlichen Verfahrens in allen Gerichten umfaß ten. Auf eine Bemerkung Hedossy's erklärte der Minister, die Regierung »verde noch in dieser ReichstagSperiode einen Gesetz entwurf betreffs des Wahlgerichtshofs unterbreiten. Wie man aus Bern meldet, schlägt der schweizerische BundeSrath den eidgenössischen Räthen eine neue Wahlkreis- Eintheilung für den Nationalrath vor. Nach derselben würde Genf allein ein Kreis mit fünf Vertretern bleiben; die übrigen Fünfer-Kreise in den Kantonen Zürich, Bern, Thurgau, Waadt und Neuenburg würden getheilt werde». Weitere Aenderungen sind für Aargau, St. Gallen und Luzern vorgesehen. Durch diese Eintheilung dürften die Konservativen im Nationalrath einen Zuwachs von 4 bis 10 Mitgliedern erhalten. Zu Ehren der Rückkehr des Königs von Italien fanden ich am Mittwoch Abend zahlreiche Vereine mit Musikkorps und Fahnen vor dem Palazzo Reale in Maifapd..ein Und ver anstalteten eine imposante Kundgebung. Während die Musik die Nationalhymne spielte, brachten die Vereine und die zahl reichst herbeigeströmte Menge auf den König und den Prinzen von Neapel unausgesetzt begeisterte Hochrufe. Sowohl der König wie der Kronprinz erschienen mehrere Male auf dem Balkon und dankten für die Huldigung. Nach der Kundgebung vor dem Palazzo Neale sand auch eine solche vor dein Deutschen Konsulate in Mailand statt. Der König und der Kronprinz wurden auch im Theater mit Jubel begrüßt. — Die italienische Kammer beschloß gestern auf einen von dem Präsidenten er gänzten und von der Regierung zustimmend begrüßten Antrag San Donatos dem König Humbert bei der Rückkehr nach Rom eine Huldigung in größtem Maßstabe darzubringen. Das Kammerpräsidium, sonne sämmtliche Abgeordnete werden den König empfangen, um dadurch dem deutschen Kaiser und dem deutschen Volke für den glänzenden Empfang des Königs Humbert zu danken. — Das in Rom verbreitete Gerücht von dem Tode des Papstes erwies sich als nnbegründet. Die Stichwahlen für die nicVerlänVische« Provinzial- Staaten haben folgendes Ergebniß geliefert: Die Sitze der Liberalen wurden von 342 auf 326 vermindert, hingegen die der Antiliberalen von 241 auf 257 vermehrt. In sieben Provinzen erlangten die Liberalen die Mehrheit, in dreien die Antiliberalen. . Sehr geschickt vertheidigte sich am Mittwoch der belgisch« Ministerpräsident in der Repräsentantenkammer gegen die Be schuldigung, mit Hilfe von Polizeispionen den Ruin belgi scher Bürger herbeigeführt zu haben. Wenn er dies gethan hätte, wäre er infam, so aber sei es eine Infamie, wenn der artige Anschuldigungen ohne Betveise gegen ihn erhoben würhen. (Beifall der Rechten.) Beernaert schilderte den Besuch, welchen ihmPourbaix im Ministerium gemacht, und wie dieser ihn um