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Bischofswerda, Stolpen und Umgegend. Amtsblatt -er Kgt. Amtohanptmannschaft «n- -er Kgl. Schulinspection z« Kanhen, sowie -es Königlichen Verichtsamleo un- -es Sta-trathes z« Kischofswerda. Diese Seilschrist erscheint wechintlich zwei Mal, Mittwochs und Soauaveud» und kostet einschließlich der Sonn» abend« erscheinenden „belletristischen Beilage" vierteljährlich 1 Mark bv Pfg. (IS Rgr.). Inserate werdm bis Dienstag« und Freitag« früh 8 Uhr angenommen. 85. l Sonnabend, den IS.-Oetober. 1878. Die Ca-inetskrisen in Oesterreich-Ungarn. Die Türkenfreundschaft der Magyaren hat in letzter Zeit wieder so schöne Blüthen getrieben, daß die Herren Ungarn jetzt sogar so weit gehen, die Rückberufung der Armee aus Bosnien zu verlangen. Diese freundschaftliche Gesinnung beruht jedoch nicht btos auf den Banden der weitläufigen Verwandt schaft — die übrigens auch nur von der Art ist, wie diejenige, welche etwa zwischen den Deutschen und den Persern besteht — auch nicht lediglich auf den Gefühlen der Dankbarkeit für die Dienste, welche die Pforte den ungarischen Flüchtlingen 1849 nach der Catastrophe von Vilagos erwiesen, — sondern vornehmlich auf dem Russenhasse und der Furcht vor einer Majorisirung durch die slavischen Völker. Die Ungarn sehen in der Erhaltung der türkischen Herrschaft auf der Balkauhalbinsel ein die Verwirklichung des Panslavismus mit hinderndes Moment, während sic in der Annexion türktsch- slavischer Provinzen durch Oesterreich zunächst eine Stärkung des antimagyarischen Elementes im eigenen Staate erblicken, welches die Gefahr einer Ma- jorisirüng und der Beseitigung der Selbstregierung ihrer Nationalität vergrößert. In zweiter Reihe aber er kennen sie in der Annexion Bosniens eine Auf forderung an Rußland, sich dauernd in Bulgarien und Rumelien festzusetzen, mithin einen gewaltigen Anfang mit der Sammlung der slavischen Stämme unter seiner Aegide zu machen. Diese Befürchtungen sind nicht ungerechtfertigt, zumal die Ungarn nur eine kleine, kaum 5 Millionen Köpfe starke Völkerinsel im riesigen slavischen Volks meer« ausmachen und selbst in ihrem speciellen un garischen Baterlande, den Slaven und Deutschen gegenüber, in der Minderheit sind. Daraus erklärt sich jetzt, wo Mn am Vorabende der Annexion steht, die ungeheure Aufregung im Ungarlgnde, Mlche di« bekannte große Pester Volkversammlung lnit ihren von der Leidenschaft eingegebenen radikalen Beschlüssen zur Folge hatte und weiterhin das Ent- laffungSgesuch des Pester CabinetS herbeiführte, da durch aber auch dem Wiener Ministerium Ver- anlassung gab, seine Demission zu wiederholen, um hie Stellung de» ihm verhaßten Canzler» Andrassy jN upternriniren. Die Entlastung wurde von beiden Cabineten so energisch gefordert, daß dem Kaiser Franz Josef nicht» übrig blieb, al» sie zu gewähren. Aber außerordentliche Schwierigkeiten verursacht e» jetzt, Leute zu finden, welche die äußere Politik An- drassy's zu unterstützen geneigt sind, und die dabei eine Mehrheit im Parlamente haben würden. Sämmtliche ungarische Parteiführer, welche der Kaiser bisher mit der Neubildung des CabinetS beauftragte, erklärten sich außer Stande, dem zu entsprechen. Ob er in Cisleithanien in dieser Be ziehung mehr Glück hat, bleibt abzuwarten. Betreffs Ungarns scheint kein anderer Ausweg übrig zu sein, als das Cabinet Tisza-Szell im Amte zu belassen. Allein, wenn dieses auch nicht auf dem radikalen Standpunkte der erwähnten Pester Volksversammlung steht, so stellt es doch Bedingungen betreffs der bosnischen Okkupation, auf welche Andrassy nicht eingehen kann, ohne seiney ganzen Plan zu durchkreuzen und sich beinahe der Lächerlichkeit preiszugeben. So soll unter Anderen Bosnien nur aus bosnischen Einkünften verwaltet werden. Da die Candidaten der Wiener Portefeuilles jedenfalls ähnliche Bedingungen machen werden, so dürften wie Tage der Anorassy'schen Canzlerschaft gezählt sein. Was aber dann? Noch hoffen Einige, daß sich das bisherige ungarische Cabinet, in Anbe tracht der Ungeheuern Schwierigkeit der Lage erweichen und bestimmen lasse, die Andrassy'sche Orientpolitik noch einmal zu vertheidigen, oder wenigstens zu entschuldigen. Gelänge das, so wäre vor der Hand die drohende Wolke verscheucht. Ertheilte aber das ungarische Parlament ein abfälliges Verdict, dann Würde die Lage womöglich noch schlimmer sein, al» sie ohne Beschreitung dieses Umweges gewesen wäre, und man müßte befürchten, daß die Wiener Militärs partei versuchen würde, ihr nicht parlamentarisches System auch auf Ungarn anzuwenden und dort »sm Interesse des Gcsammtstaates- einen Systemwechsel mit Gewalt einzuführen. Das Bewußtsein einer staatlichen Zusammen? gehörigkcit ist in Oesterreich-Ungarn in der.That eia Ding, welches, außer der Dynastie, nur die MilitÄ? partei kennt, leider aber auch nur in sehr einseitiger Wist. Den einzelnen Völkern de» habsburgischen Kaistr? staateS aber ist die StaatSidee, der Gedanke, tiNettz großen Ländercomplrxe anzügehören, den mm.vor