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KauhtnerHUachrichten. Verordnungsblatt der Kreishauptmannschaft Bautzen als Konfistorialbehörde der Oberlausttz. Amtsblatt der Amtshcmptmannschaften Bautzen und Löbau, des Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, des HauptzoUamts Bautzen, ingleichen der Stadträte zu Bautzen und Bernstadt, sowie der Stadtgemeinderäte zu Schirgiswalde und Weißenberg. Organ der Handels- und Gewerbekammer zu Zittau. Erscheinungsweise» Täglich abends mil Ausnahme der Sonn- und Feiertage. Gchriftleitung und Geschäftsstelle: Bauten, Innere Lauenstraße 4 Fernsprecher: Nr. 51. — Drahtnachricht: Amtsblatt, Bauten Bezugspreis: Monatlich 1 Mark. Einzelpreis: 10 Psennige. Anzeigenpreis: Die 6gespaltene Petitzeile oder deren Raum 15 Pfennige, in geeigneten Fällen Ermäßigung. Schwieriger Say entsprechend teurer. Reklamen: Die Zgespaltene Pelitzeile 50 Psennige. Nr. A rilag den 10 Juni 1910, adeaüs 12V. Jahrgang. Das Wichtigste vom Tag. * Der Kaiser soll sich, nach dem „Reichsboten", über die Borromäus-Enzyklika bei einer Abendtafcl dahin ausgesprochen haben, daß die Enzyklika geeignet sei, arge Verstimmung in die evangelischen Kreise hineinzu tragen und den konfessionellen Frieden zu gefährden. * Die Enzyklika-Interpellationen im preußischen Abgeordnetenhause wurden gestern durch den Ministerpräsidenten dahin beantwortet, daß die Regierung in der Enzyklika ebenfalls eine s ch w e r e Ve r- letzung des kirchlichen Empfindens der Evangeli schen und eine ernstliche Gefährdung des konfessionellen Friedens erblickt habe. Unmittelbar nach Kenntnisnahme des lateinischen Textes habe die Regierung den Gesand- t e n am päpstlichen Stuhl beauftragt, Verwahrung gegen die Enzyklika einzulegen und die Erwartung auszu sprechen, daß die Kurie Mittel und Wege finden werde, um durch beruhigende Erklärungen Genugtuung zu geben. Am 8. habe der Gesandte diesen Auftrag ausge führt, eine abschließende Antwort der Kurie liege aber noch nicht vor. * Bei der gestrigen Reichstagsersatzwahl in Swinemünde-Ueckermllnde ist das Ergebnis Stichwahl zwischen dem Konservativen und dem So zialdemokraten. * Der aus seinem Amte scheidende Kolonialsekretär Dernburg erhielt vom Kaiser die Brillanten zum Roten Adlerorden und ein sehr anerkennendes Handschrei ben. Zu seinem Nachfolger wurde v. L i n d e q u i st er nannt. Die schweizerische Bundesregierung be schloß, gegen die päpstliche Enzyklika offiziell den schärfsten Protest zu erheben. * Wetteraussicht für Sonnabend: Ab kühlung, Gewitter, teilweise Regen. AusMhrlicheS siehe an andere: Sielle. Der lateinische Text der BorromäuS-Gnzyklita liegt nunmehr vor. Er bringt die beleidigenden Stellen über die Reformation in folgender Fassung: Inter lurso snpsrbi ao rsbsllss bominos oonsurAokant, iniwiei Oruois Obristi, ^ui torrona sapiungnorum Dous vontsr sst. i) Ui non moribus oorrigonüi«, soll nsxanüis Piäm ospitibus nniinum intsnäontes. omnin wisoobant, latiorsm sibi nliisguo munisbant lissnlins viaw, aut osrts Luotoritstom Uoelosias ciuotumgus äsiügisntos, pro Inbitn Lorruplissinü oniusguo prinoipis populivs, guasi imposito ingo äootrinnM eins, eonstitntionom, äisoipiiunm in oxoiüiuw pstobant. Osinris, inignornm imitati inorom, nü guos pertinot LomminMio: Vao gni üioitis mnlum bonum ot bonum wslum robsllinm tumnitnm or illnm küoi inornnnpis oIsäsM appollarunt inslauruNonsm, ssss aulsm clisoiplinno vstsris rostitntoros. Rs lsmsn vsra oorruptoros oxtitsrnnt, <^uoü, oxtenuntis Unropao per ooutsntiones sr Kolla viribus, äslootionos üorum lowporum st ssosssionss urnrurarunt, guibus uno vslut impstu üroto, tripisx iiiuä, antoa äisiunotum äiwieatioztzs instanratum sst gsnus, a guo inviota st sospss Dsolssia »smpsr svassrat; bos sst, primae astatis srusnta ssrtamina; äomestiosm subinäs psstsm errorum; äsnigus, per spesism sasrns libsrtatis vincliosnäas, eam vitiorum lusm ao äissiplinns svsrsionsw, sä guam kortssss nee sstas msäis xrosssssrst. „Inmitten dieser Verhältnisse erstanden hochmütige und rebellische Männer; Feinde des Kreuzes Christi; Männer „irdischen Sinnes, deren Gott der Bauch ist". Diese suchten nicht die Sitten zu verbessern, sondern die Dogmen zu leugnen, brachten alles in Unordnung, ließen für sich und andere der Zügellossigkeit freieren Lauf" (wörtlich: machten für sich und andere den Weg der Zügel losigkeit breiter) „oder sie verachteten doch Autorität und Führung der Kirche und brachten mit einer gewissen Ty rannei nach dem Belieben gerade der verdorbensten Fürsten und Völker ihre Lehre, Verfassung und Disziplin in Ver fall. Alsdann ahmten sie jenen Gottlosen nach, denen die Drohung gilt: Wehe euch, die ihr das Böse gut nennt und das Gute böse! und nannten den Tumult der Aufrührer und jene Zerrüttung von Glaube und Sitte Erneuerung und sich selbst Erneuerer der alten Ordnung" (die lat. Worte instsurstio, instsurstor bedeuten sachlich dasselbe wie rekvrmstio, Reformation, Reformatoren. Der ital. Text hat, vrgl. „B. N." Nr. 125, rikorms und rikormstori). „Aber in Wahrheit waren sie Verderber, weil sie Europas Kräfte durch Streit und Kriege verzehrten und so den Abfall und ') kkilip. III, 18. 19. ') Issi v. 20. die Spaltungen der Neuzeit vorbereiteten (oder zur Reife brachten), in denen sich wie in e inem Angriff jener drei fache vorher getrennte Kampf, aus dem die Kirche immer unbesiegt und glücklich hervorgegangen war, vereinigte: die blutigen Kämpfe der ersten Zeit, dann die innere Pest der Irrtümer, endlich unter dem Vorgeben, heilige Frei heit zu beanspruchen, jene Seuche der Laster und Zerstörung der Zucht, zu der vielleicht auch das Mittelalter nicht ge langt war." Dieser lateinische Text, auf den viele als auf den eigentlich offiziellen warten zu sollen meinten, vielleicht in der Hoffnung, er werde nicht so schwere Anstöße geben wie der italienische, ist datiert vom 26. Mai und in den,,^cts spostolicse seäis", Iahrg. lO, Bd. 2, Nr. 9 veröffentlicht. An welchen Text man sich zu halten hat, diese Frage er scheint aber unerheblich, da die Abweichungen des lateini schen vom italienischen unerheblich sind. Es sind Nuancen des Ausdrucks, am sachlichen Gehalt, am Eesamteindruck der Enzyklika ändern sie nichts, zumal Milderungen und Verschärfungen einander die Wage halten. Als Milde rung kann man gelten lassen, daß von sscrs UKertss, hei liger Freiheit, die Rede ist, wo im italienischen Text ge radezu „evangelische Freiheit" gesagt war, sachlich ist's kein Unterschied; hätte der Verfasser etwa mit dieser Freiheit, die er als Deckmantel des Lasters hinstellt, etwas anderes gemeint, wie wäre man darauf verfallen, im italienischen Text evsngelica zu sagen? Oeieetio und 8ece88ione8 klingen weniger heftig als im italienischen ribellione e Lpo8ts8is; umgekehrt aber ist das oorrupti88imi cuiu8gue principi8 populive, gerade der verdorbensten Fürsten und Völler, womöglich noch ärger als der italienische Text, den die „Germania" in ihrer Uebersetzung so sehr gemildert hatte. Und ebenso vitorum lu«8 — das ist nicht anders zu übersetzen als Seuche der Laster — jeder Abschwächungs versuch ist hier vergeblich und jedes weitere Wort über flüssig. Politische Nachrichte«. Deutsches Reich. Die päpstliche Enzyklika und die Leipziger Stadtver ordneten. In der letzten Sitzung der Leipziger Stadtver ordneten teilte der Vorsteher mit, daß die Katholische Gemeinde die Stadtverordneten zu der am 5. Juni ab gehaltenen 200jährigen Jubelfeier des ersten öffent lichen katholischen Gottesdienstes in Leipzig eingeladen hatte. Er, der Vorsteher, habe die Einladung auch bereit willigst angenommen, aber nach dem Erscheinen der Bor romäus-Enzyklika des Papstes habe er sofort erklärt, nicht an der Feier teilnehmen zu können. Der Rat habe die gleiche Haltung eingenommen. — Diese Erklärung wurde von allen Seiten durch lebhafte Zustimmung ge billigt. Tumult in einer ösfentlichen Versammlung. Die So zialdemokratie suchte am 8. eine öffentliche, vom „Reichsverein zur Bekämpfung der Sozialdemokratie" ver anstaltete Versammlung, in der der Reichstagsabgeordnete Generalleutnant z. D. v. Liebert als Redner ange kündigt war, zu stören. Schon lange vor Beginn der Ver sammlung war der Saal überfüllt; es mögen mehr als 2000 Personen anwesend gewesen sein, unter ihnen vielleicht die Hälfte Sozialdemokraten. Als man die Versammlung eröffnen wollte, verlangte der bekannte Obergenüsse L i - pinski das Wort zur Geschäftsordnung, das ihm jedoch nicht gegeben wurde. Hierauf erhob sich ein großer Tumult mit Johlen, Pfeifen und dem Absingen von Arbeiter liedern, einem Beginnen, das der andere Teil der Ver sammelten mit dem Liede „Deutschland, Deutschland über alles" beantwortete. Auf die Aufforderung Lipinskis ver ließen die Genossen dann lärmend den Saal, worauf Herr v. Liebert seinen Vortrag hielt. * * * Der Wechsel im Kolonialamt wird heute im „Reichs anzeiger" wie folgt veröffentlicht: „Seine Majestät der Kaiser haben Allergnüdigst geruht: dem Staatssekretär des Reichskolonialamts, Wirklichen Geheimen Rat Dern burg unter Verleihung der Brillanten zum Roten Adler orden erster Klaffe die nachgesuchte Dienstentlassung zu erteilen und den Unterstaatssekretär im Reichskolonial amt vonLindequist unter Verleihung des Charakters als Wirklicher Geheimer Rat mit dem Prädikat Exzellenz zum Staatssekretär des Reichskolonialamts zu ernennen und mit der Stellvertretung des Reichskanzlers im Ge schäftskreise des Reichskolonialamts nach Maßgabe des Ge setzes vom 17. März 1878 (R.-G.-Bl. S. 7) zu beauftragen." — Dem scheidenden Staatssekretär ist übrigens anläßlich des Ausscheidens aus seinem Amte das nachstehende Allerhöch ste Handschreiben zugegangen: „Da Sie zu Meinem Bedauern auf dem Wunsche bestanden haben, aus Ihrem Amte als Staatssekretär des Reichslolonial- amts entlassen zu werden, habe Ich Mich entschlossen, Ihnen durch Order vom heutigen Tage den erbetenen Abschied in Gna den zu bewilligen. Ich spreche Ihnen hierbei Meine vollste An erkennung für die hervorragenden Verdienste aus, die Sie sich in vierjähriger, an Erfolgen reicher Arbeit um die Entwickelung der deutschen Schutzgebiete erworben haben. Als Zeichen dieser Meiner Anerkennung habe Ich Ihnen die Brillanten zum Roten Adlororden 1. Klaffe verliehen und die Generalordenskommission beauftragt, Ihnen die Dekoration zugehen zu lassen. Ihr wohlgeneigter Kaiser und König Wilhel m, l. k. Neues Palais, den 9. Juni 1910. An den Wirklichen Geheimen Rat Dernburg, Staatssekretär des Reichskolonialamts." Dazu bemerkt die „Nordd. Allgem. Zeitung": „Die Worte hoher Anerkennung, mit denen Se. Majestät dem Entlassungsgesuch des Staatssekretärs Dernburg ent sprochen hat, werden überall Zustimmung finden. Die Tat sachen, auf die sich die Kaiserlichen Worte beziehen, be dürfen nicht der Aufzählung im einzelnen. Sie füllen eine verhältnismäßig kurze Amtsperiode aus und sind daher im frischen Gedächnis. Wenn sich Exzellenz Dernburg nicht hat entschließen können, sein Amt noch weiter fortzuführen, so ist das Bedauern darüber nicht am wenigsten lebhaft bei dem Reichskanzler, der in ihm einen tatkräftigen, unermüdlichen und sachverständigen Mitarbeiter auf einem Gebiete geschützt hat, das doch wesentlich erst durch Dern burgs Tätigkeit zu einem verheißungsvollen Fruchtfeld ge worden ist. Es heißt, nur der ausgezeichneten Arbeit des scheidenden Staatssekretärs gerecht werden, wenn wir feststellen, daß er sich dabei in jeder Beziehung , des vollsten Vertrauens beim Reichskanzler erfreute." Jedenfalls wird man, wie wir diesen offiziösen Worten der Anerkennung noch hinzufügen wollen, dem scheidenden Staatsmanne das Zeugnis nicht versagen können, daß er einen starken Willen und eine zielbe wußte Tätigkeit zu Gunsten unseres gesamten Kolonial wesens zu entwickeln gewußt hat. Es konnte bei seinem Amtsantritt nicht geleugnet werden, daß die höhere Verwaltung unserer Kolonien in vielfacher Hinsicht gerade dem kaufmännischen Standpunkte zuwenig Rechnung trug und es mußte daher sehr nützlich er scheinen, daß der Versuch gemacht wurde, die kaufmännische Erfahrung und die umfassenden sachlichen Kenntnisse eines so hervorragend begabten Mannes nach dem Beispiele an derer Staaten für das deutsche Kolonialwesen nutz bringend anzuwenden. Inwieweit Herr Dernburg sich in der Praxis den jeder Staatsverwaltung gesteckten Grenzen anzupaffen vermocht hat und in welchem Umfange seine ge samte Tätigkeit unseren Kolonien zu dauerndem Vorteil gereichen wird, dürfte die Zukunft lehren. — Die deutsche Presse hat um deswegen noch einen be- , sonderen Anlaß, das verhältnismäßig frühe Scheiden der > bürgerlichen Exzellenz aus einem so hohen und wichtigen Staatsamte zu bedauern, als Herr Dernburg aus einer bekannten und angesehenen Iournalistenfamilie hervor gegangen ist. Als Trost mag sich der Scheidende in seine nunmehrigen Mußestunden die Erwägung mitnehmen, daß in unserem jungen Kolonialwesen bei den hohen Stellen stets ein sehr schneller und starker Verbrauch der Kräfte stattgefunden hat! i Der Kaiser über die Enzyklika. Der „Reichsbote" i schreibt in Nr. 181 vom 8. Juni: „Von der neuesten offi- zielten Kundgebung des Papstes, der sog. Borromäus-En- ' znklika, ist auch der Kaiser nicht angenehm berührt worden. Gelegentlich einer Abendtafel kam das Gespräch allgemein auch auf die päpstliche Auslassung. Der Kaiser sprach sich dohin aus, daß sie, sofern sie tatsächlich so laute, wie sie bisher bekannt geworden, geeignet sei, a r g e V e r st i m - mung in die evangelischen Kreise hinein zu tragen und den konfessionellen Frieden zu gefährden. '' dessen Förderung er sich so angelegen sein lasse. Einer sach lich historischen Darstellung der Religionsgeschichte will auch der Monarch sein Ohr nicht verschließen, er ist aber ö nicht geneigt, Unterstellungen willig hinzunehmen. Der Kaiser bezweifelt jedoch, daß der Papst der Kundgebung den Sinn untergelegt habe, der bisher herausgelesen wor den ist. Es ist, wie wir wissen, der dringlichste Wunsch des Kaisers, daß die Angelegenheit nicht auf das politische Ee-> I biet hinübergezerrt werden möge; sie sei rein konfessionelle-:» Sache und vom kirchlichen Standpunkte aus zu betrachten ! und habe mit Politik nichts zu tun." — Es ist kaum mäg-- z lich, daß mit dieser gelegentlichen Unterhaltung die voll- ' äändige Auffassung und Willensmeinung des Kaisers , ' i wiedergegeben ist. Denn sonst hätte der Reichskanzler M