Volltext Seite (XML)
«r. 108. Mtter Jahrg. SVich ft«» 7 Uhr- SusttRte »erd« augtoo»«»»l «.«»»»- t»g» bi, «trtais 1» Uhr: »arie«str«ß< 1». d«, t«tzt i, 1»^»» gx««Mr«il »rschetut, K»d»u »t»» «rfo^ietch, v«brck»rv ^ -T" Sonntag, IS. April L8M Tageblatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredaeteur: Theodor Krobisch. ««n'NLhMch r»«g brt uuculgeldlicher L- srrung in'« Ha»,. Dnrch die ASnigl Po »irrteltLhrttch « «W «iuzeku« Rmm«r» 1 «gr. Snserateuprche: Für dra Ran« «ü» gespaltru«» A«tl«: 1 «gr. Unter „Hing, stuckt" dir A»S« r«gr. Druck »ud Nigtnt-ma dar Htrau«g»b«r: Eikpsch ic Nelchardt« — vrralltwortttchrr «tdackrur: JulilK Nrilhardl« DvSd-'N, den 10. April. — Se. Königt. A-ajestät hat gestattet, daß der 11r. mack, vt pbil. Julius Cäsar Häntzsch« zu Dresden die von Sr. Ma jestät Nasreddin Schah m Persien bei Versetzung desselben aus der Classc der Ritter des Sonnen- und Löwenordcns in die Classe der Commandeurs verliehene Ordens-Decoration annehme und trage. — In Bad Elster ist durch zweckmäßigere Fassung der drei Cclonaden-Quellen das verfügbare Quantum Mineralwasser um 110 Proccnt vermehrt worden. Die Arbeiten sind unter -Leitung des bekannten Technikers Hcnnoch ausgcführt. . — Von Herrn Advocat Schanz geht uns in Bezug auf unsere gestrige Notiz die Mittheilung zu, daß derselbe die Margarethenhütte bei Bautzen nicht für sich allein, sondern für ein Konsortium von vier Personen erstanden habe, und daß das Werk unter Leitung eines hiesigen angesehenen Kaufmanns als Teilhabers demnächst wieder eröffnet werden würde. — Am 18. April fand wie schon in früheren Jahren eine Feier zur Erinnerung an die Erstürmung der Düppcler Höhen im Jahre 18-10 in dem festlich dccorirtcn Saale zur Tonhalle statt. Veranstaltet von dem bestehenden Fest-Eomitö hatte dasselbe alles aufgeboten um die Feier zu einem recht würdigen und acht militärischen Feste zu gestalten und gewahrte man unter den Anwesenden viele Generäle, Stabs- und Ober- osfiziere, sowie auch andere distinguirte Personen, namentlich hatten sich auch viele auswärtige Veteranen dieses Feldzuges aus fast allen Theilcn unseres Vaterlandes eingefunden. Daü sehr gewählte und umfangreiche Programm brachte außer den vcm Trompeterchor der Gardereitcr unter Herrn Stabstrom peter Wagner mit gewohnter Trefflichkeit vorgetragenen Musik stücke auch verschiedene Fcchtproduktionen unter der Leitung des Herrn Fechtmeister Staberoh, welche sehr präcis ausgcführt und mit rauschendem Beifall belohnt wurden; ebenso wurden die vom Gesangverein Orpheus unter Leitung des Herrn Eantor Müller ausgeführten Gesangsvoi träge mit großem Enthusias mus ausgenommen. Leider bemerkte man, daß gegen die letzte Festseier in derf Tonhalle, wo die Zahl der Anwesenden ge wiß an 2000 Personen betrug, die diesjährige Theilnahme an 1000 Personen wohl nicht erreichte und dürfte dadurch das Ftzst-Comit« für seine großen Bemühungen noch in die unan genehme Lage versetzt werden, das entstehende,Deficit aus eigenen Mitteln zu decken. — Dienstag, den 17. April, Abends 7 Uhr aiebt der hiesige Männergesangverein „Orpheus" in Verbindung mit dem verstärkten Witting'schen Musilchor in den Räumen des Lincke- schen Bades ein größeres Vokal- und Jnstrumental-Eoncert, in welchem insbesondere eine neue, dem Vernehmen nach sehr in teressante Eomposition von M. Bruch: „Frithjof, Scenen aus der Frithjossage von E. Tegener, ans <- Abteilungen bestehend, zur Aufführung kommt. Außerdem wird in der vom Dirigen ten des Orpheus Hrn. I. G. Müller, zum deutschen Sänger- bundessest gelieferten Eomposition: „Des Sängers Gruß" von A. Lansky die Orpheuskapelle (das aus Vercinvmitgliedern ge bildete Dilettanten-Blaschor) Mitwirken. Das Eoneert ver spricht demnach eiiz, interessantes und genußreiches zu werden.' — Gestern gegen Mittag stürzte auf der allen Elbbrüke ein Reiter mit dem Pferde zusammen. Letzteres mußte wegen Beschädigung behutsam von dannen geführt werden. — Gestern Vormittag ist am Kohleneinschiffungsplatz im großen Gehege ein Hut und ein Stock aufgesunden worden. Unweit davon lag eine Parthie Schriften. Ihr Inhalt beweist, daß ihr Besitzer, der bekannte Emst Graf, genannt Napoleon Bonaparte, sie dort absichtlich niedergelegt, uni den Fiadcr darauf aufmerksam zu machen, daß ec in der Elbe den Tod gesucht hat. Die Auffmdung seines Leichnams, die dies be stimmt bestätigte, ist noch nicht erfolgt. — Aus einem kaufmännischen Geschäft auf der Alaun- gafse ist in der voroergangenen Nacht ein Geldbetrag von ca. 16 Thalern gestohlen worden. Der oder die unbekannten Diebe haben die von der Straße aus in den Laden führenden Thüro gewaltsam geöffnet und sich hierzu eines Centrumbohrcrs be dient, wie ein solcher überhaupt bei mebreren neuerlichen Dieb stählen in hiesiger Stadt zur Anwendung gekommen ist. Die große Verwegenheit, mit der die Diebe auch in diesem Falle zu Werke gegangen, macht cs denn insbesondere den Besitzern von Läden, auf die es die Diebe sitzt besonders abgesehen zu haben scheinen, Behufs ihrer eigenen Sicherheit zur dringenden Pflicht, für möglichst sichern Verschluß ihrer Localitättn ja rechte Sorge zu tragen, und alte, ausgelcicrlc Cchlößcr und leichte Thüren lieber sofort durch neue und feste, oder wenigstens mit Eisenblech beschlagene Thüren zu ersetzen. — Vorgestern Abend fand eine eigmthümliche Verhand lung auf dem Bautzner Platze statt, die viel Achnlickkeit mit dm Verhandlungen auf einer Universalbörse hatte. Ein, wie es schien, im Zustande de« verdunkelten Bewußtseins befindlicher Mann suchte daselbst eine Droschke unter dein Regle,ncntspreis zu micthen. Zuerst bot er seine Mütze als Fahrlohn an, und erhielt, da der Droschkenkutscher nicht nebenbei Bekleidungs- und Kopsbedeckungshändler ist, ein kurzes „Ne, das geht nich" zur Antwort. Der sich schwach auf den Füßen fühlende Bieter ge lobte mit dringenden Bitten noch einen Sechser zu geben, der Nossebändiger versuchte darauf nur sich lächelnd aber gravitä tisch einen Eigarrenstummek anzubrenncn: der schwachsüßige Pil ger versprach nun ein Töpfchen Lagerbier für die Fahrt, aber mit derselben von dem zahlreichen zuschauenden und zuhörenden Publikum bewunderten Ruhe brannte sich der Nosselenker ein drittes Streichhölzchen endlich an und sagte wieder: „Ne, 's geht nich". Endlich offerirte der graue Spekulant alle seine Gebote — nehmlich Mütze, Sechser und ein Töpfchen Lager bier — zusammen, aber unbarmherzig kümmerte sich der kühne Kutscher nur um seine endlich brennende Eigaere, schlug die Beme übereinander,' legte sich bequem auf seinen Kutscherbock zurück, und sagte endlich den Duft seines Cigarrenrauchs wol lüstig einathmcnd „Ne, daraus wird nischt". Und wankenden Schritts mußte nun der fahrlustige Alaun, nur von einigen nicht sehr teilnehmenden Knaben begleitet, den Weg in Straßen suchen, die ihm sehr sonderbar, wahrscheinlich krumm, vorzu kommen schienen. — Locale Studien. Da oben lacht vom Aprilhimmel die gelbe Sonne hernieder, gleichsam als rufe sie die Winter schläfer wach. Und sie sind erwacht, am großen Weltenfenster stthen die Erdenkinder und blicken in den Frühling hinaus und rerben sich die Augen, gleichviel, ob ihr Herz an politischen Leimruthen gefangen ist, gleichviel ob die hausbacknen Alltags sorgen die tiesinnersten Gewö be der Menschenbrust durchfurchen. Das Osterfest ist vorüber. Die GrabeSlieder der heiligen Woche sind längst verstummt und auch das „Allelujah" de; Aufer- stehungsmorgens ist verschwommen im Abendrorh des letzten Feiertages. Der alte Schlendrian ist herabgefallcn auf die Straßen und Plätze uns in die Hütten und Paläste der Sterb lichen. Die Droschkenkutscher sitzen wieder in Fragezeichenform und bekannter Uniform auf dem schiefgedrücklcn Bock und schnarchen sägemühlenartig den Fahrgästen entgegen, während der Andalusier vorn an der Wagengabel im Futtersaek mit Hin dernissen und Kummetleistenkrümpfen soupirt. Um ihn herum piept der Proletarier der Vögelwelt, der spitzbübische Spatz im grauen Frack und faltcnloscn Pantalons. Der Docfgastwirth eilt mit dem bekannten blauen Büchlein wieder in die Stadt zur Vorgesetzten Behörde, um sich die Erlaubniß zu den sonn täglichen Tanzmusiken zu holen; denn auch die Erinolinen an dm Ufern der Unter- und Obcrclbe hangen nicht umsonst im braunlackirten Schrank, sie wollen ausgeschwcnkt werden nach allen Melodieen von Lumbye, Strauß, Wallerstein und Lanner. Die Wallfahrten nach dem Walsschlößchen vergrößern sich, die Pilger strömen nach dem Guhrmüllcr'schcn Brunnen des Lebens, sich nicht kümmernd um Daubitz und Jehann Hoff und Robert Süßnntch und G. A. W. Mayer und Kurtzhalv: Seitdem alle Phitosophen und Chemiker des 10. Jahrhunderts bei Leibes leben bewiesen und beschworen, daß Bier kein Gift sei, seitdem setzt sich der Erdenmensch stündlich an die Quelle, die zum Strome auschwillt und durch die ganze Bierstraße in's Vater land hineinwogt. Wer guckt denn dort zum Schaufenster her aus und schneidet ein Gesicht, daß man davon laufen möchte? DaS ist ein Kürschner, der seine Augen bald auf die vorüber- pilaemoe Menschheit wirft, die ihren Körper bereits mit dem Frühlingshavelock umhangen, bald die Pupillen hinausschiebt gegen den wolkenlosen, blauen Himmel, ob er diesen Winter auch gar kein barmherziges Schneeflückchen herabsendcn woltte Die Motte summt um Zobel und Biberfell herum, dem uaurigen Kürschner das monotone Trostlied singend: „Es kann ja nicht immer so bleiben!" Die großen Läden des Altmarktü und der Echloßstraße hängen ihre sommerlichen Dumentoiletlen heraus und vor ihnen stehen Eva's Töchter vom ! 2. bis 80. Jahr, schmachtend und trachtend und erachtend, ivie sie wohl bats in diesen Mousselins cka iaino vor der Kanzel oder vor dem Or chester paradiren möchten. Daneben steht da§ Proletarierweib mit dem lungernden Säugling auf dem Arm, nur einen leichten Blick wirft sic auf die Kostbarkeiten und die glücklicheren Ver treter ihres Geschlechts, dann drückt sie sich seufzend um die Ecke. Der Kreuzthürmer sucht aus der höchsten Eommode Dresdens die Spai büchse heraus und bläst hüsteln» hinein, um sie vom halbjährigen Staube zu säubern, der Frühling bringt auch ihm, dem hochgestelltesten Manne der Stadt, neuen Be such von nah und fern, der einmal seine Nase von dort oben in's thcure Vaterland hinausstrecken und das Auge schweifen lassen will im Fluge von der Schildwacht des Könizsteinü bis zu den fclsenkellcrigcn Rauchwolken des Plauenschcn.Grundes, von den „Eierschecken" Pieschens bis zur höchsten Sprosse der wacklig gewordenen „Himmelsleiter" bei Sörnewitz, voin „wil den Mann" bis zu jener Stelle der Residenz wo einst die „Asrikanerin" gegeben werden soll. Die Omnibusse der Aclien- So haben geworfen l gcsellschaft, sowie die von Thomm und Dietze rollen durch di Stadt zu den Thoren hinaus, ganze Famü>en wollen frisch Luft schnappen da draußen in den frühlingvschwangeren Auer Die Blasewitzcr Omnibusse sind oft so vollgepfropft, daß Kut scher und Eonducteur nur an einem einzigen Theile ihres Kör pers am Sitze hängen und balanciren müssen wie Blondst über'm Niagara. Die Kinderwagen quietschen dein Antonsplatz zu, ihre Insassin strampeln und schreien der lieben Sonne ent gegen, die ihre senkrechten Strahlen auf die kindlichen Nasen löcher sendet, um welche die srühcrwachtc Fliege ihre Polka'i riskirt. Die Oiestauration des Großen Gartens und die anderer außerhalb des städtischen Weichbildes lackiren auf's Neue db Tische und Stühle in Grün und Weiß, putzen die Fenster uni stäuben die Geldkasten aus, um die Neugroschen der FrühlingS- güste mit stiller, ab.r tiefgefühlter Theilnahme in Empfang zv nehmen. Die Dienstmädchen klettern an den Fronten der Häuser herum, reißen die Doppelfenster heraus und poliren die ein fachen Scheiben, nicht ahnend, daß ein einziger Salto mortale von den Höhen des dritten Stocks auss Trottoir hinab im Nv das Band der Liebe zerre ßen kann, das sie mit dem blauer Gardereiter oder dem schmucken Jäger geknüpft; denn der Dich ter sagt: , Zue Liebe ist geschaffen Die Welt in jeder Fmi», Vom Menschen bis zum Affen — Vom S.raph bis zum Worin! Und ick, der Liebe Göttin ganz allein, (Ich soll-c ohne Liebsten sein? O nein, o nein, o nein, o nein, Mein Vaterland mich, gröber sein!" wir einen Blick in das Frühlingstreiben der Welt Immer höh.r steigt die Sonne am Himmel und senkt ihre wärmenden Strahlen herab auf Feld und Wald, aus Berg und Thal. Bald werden auf's Neue die Thürmer «ach dem Glockenstrange greifen und ein neues Hochfest mit ihren Glockenstimmen verkünden — Pfingsten! „Friede sei ihr erst Geläute!" — Die Einwirkung der politischen Schwüle auf daS ge summte Geschästsleben läßt sich schon jetzt nicht mehr verkenn«, die Stockungen machen sich bereits sehr bemerklich. Am Auf fälligsten läßt sich dies beim Häuserbau wahrnehmen, denn von gegen 200 projectirten Bauten sind so viele bis auf bessere Tage sistirt, daß vorläufig nur ca. 70 in Angriff genommen werden. Aber auch in anderen Branchen, in kaufmännischen und den verschiedensten Gewerben, macht sich eine Geschäfts- abnahme merklich, die sehr zu beklagen ist. Man ist deshalb allenthalben darüber einstimmig, daß der drohende Krieg, zumal ein zerfleischender Bruderkrieg unter Deutschen, zu verdamm« sei und daß in Wirklichkeit kein genügender Anlaß, ausgenom men verwerfliche Absichten, dazu vorliegt. Man hofft jedoch, daß trotz alledem ruhige Ueberlegung des großen Unglücks bei den betreffenden Staatslenkern eine Umkehr herbeiführen und uns den so kostbaren Frieden ferner erhalten werde, denn Friede ernährt, Krieg zerstört, Hunderte und Tausende werden arm, Wenige reich. — Ein hiesiger Künstler wurde in den vergangen« Ta gen von einem fremden Herrn, der sich für einen College» ausgab, umeine Unterstützung zur Fortsetzung der Neise ange bettelt. Er erhielt auch eine solche. Als aber der Erstere einige Tage darnach in ein hiesiges G schäft kam, auS dem er seine nöthigcn Toilettensachcn zn entnehmen pflegt, war er nicht wenig erstaunt, als ihm unter Vorzeigung seiner Visitenkarte mit Photographie erzählt wurse, daß ein Fremder sich mittelst derselben als seinen intimen Bekannren dort cingeführt und den allerdings mißglückten VeFuch gemacht habe, zu pumpen» Unser Künstler erkannte in der ihm beschriebenen Person s.fort seinen schätzbaren Eollcgen, der bei ihm gebettelt und dabei je denfalls Gelegenheit gefunden hatte, ein Exemplar seiner Visi tenkarten mit Photographie, die in der Stube auf dem Tische gelegen, neben dem der Bettler gestanden, zu eecamotiren. — Ein größerer Pulvertranöport ging gestern hier durch. Derselbe bestand ans zwei großen Wagen mit 160 Etr. Pulver. Dasselbe kam aus Westphalen und ist nach Schlesien zu dorti gen Eisenbahnbautcn bestimmt. — In den letztvergangenen Tagen haben nicht weniger als 100 Allswanderer unsere Etat passirt. Sie kamen inS- gesamint aus Böhmen und gingen nach Amerika. — Am Freitag Abend erhielt ein gelber Dienstmann an der Ecke der A-aunstraße und dcü Bautzner Platzes von emer Frauensperson den Auftrag den folgenden Tag zu dem Todten-- bettmeister auf dem Neustädter Kirchhof ein ihm übergebenc» Kistchcn zu tragen. Der Dicnstmann übernimmt ohne jeglichen Argwohn das Kistchen zur Besorgung und trägt cs den folgen den Morgen zu dem bezeichnet« Tovtenbettmcister. Als dieser dasselbe öffnete, findet sich darin 'der Leichnam eines KindeS weiblichen Geschlechts vor. — Oessentkiche Gerichtsverhandlung vom 14. April Zw« Angeklagte ersehe men im Saal, des ausgezeichnet« Be-