Volltext Seite (XML)
Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das „Wilsdruffer Tageblatt" erscheint täglich nachm. 5 Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle unv den Ausgabestellen 2 Mk. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 Md., bei Postbestellung L Mk. zuzüglich Abtrag- gebühr. Einzelnummen: LSPfg. AlleBostanstalten fUk 2ÜN9ÄkU^s U. UlNgbgLNv Postboten und unsere Aus träger un- Geschäftsstellen — nehmen zu jeder Zeit Be stellungen Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenv Porto bciliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gefpaltene Raumzelle 20 Goldpfennig, die 2gespaltencZeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Gold pfennig, die 3gespalteneReklamezetle im textlichen Teile lOO Goldpfennig. Nachweisungsgebühr 20 Goldpfennige. Vor- Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 annabme bisvorm. lOUHr — — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wenn der Betraq durch Klage eingezogen werden muß oder derAuftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, de« Amtsgerichts und Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen Nr 277 83. Ia^raang Telegr.-Adr.: «Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Poit'check: Dresden 2640 Donnerstag 27 November 1624 Mlkerbrmö auf Abbruch. Im allgemeinen ist es ja dem Deutschen gleichgültig, wenn, um den Faust zu zitieren, „hinten weit in der Türkei die Völker auseinanderschlagen". Und kaum minder gleichgültig ist es dem Deutschen, wenn in Ägypten der eng lische Hauptbefehlshaber ermordet wird und dann in den Folgen dieser Tat die englische Rücksichtslosigkeit ihre poli tischen Karten aus den Tisch wirft und Ägypten als das behandelt, was es ist, trotz seiner angeblichen Rechte, näm lich als eine englische Kolonie. Zaglul Pascha ist von seinem Posten als Ministerpräsident zurückgetreten und damit zerstäubt der letzte Rest eines gesetzmäßigen Widerstandes gegen die englische Forderung. Formell hat England im Februar 1822 Ägypten zu einem unabhängig en Staat gemacht, wenigstens grundsätzlich; Teile der ägyptischen Souveränität blieben allerdings in englischer Hand, besonders die Vertretung nach außen. Zaglul Pascha hat bekanntlich nach dem Weltkrieg, der ja angeblich zur Befreiung der Völker, zum Schutz der Zivilisation und zur Durchführung des Selbst bestimmungsrechts geführt worden ist, diese Ideen aufge griffen und versucht, sie für sein Volk nun auch in die Praxis umzusetzen. Der Hüter aller dieser Ideen, die frei lich von vielen Menschen als Phrasen bezeichnet werden, ist die Organisation Völkerbund genannt. Nun wendet sich Ägypten, französischen Meldungen nach, an den Völkerbund, will die ägyptische Frage in Genf aufrollen. Theoretisch wäre ja diese Frage ungefähr die drin ge n d st e i n d e r W e l 1, die vor das Forum von Gens gehört. Bloß praktisch kommt sie nicht dahin. Schon jetzt wird in Genf betont, daß ein Appell Ägyptens an den Völkerbund vollkommen zwecklos sei, weil dieses Land ein mal dem Völkerbund gar nicht angehöre, auf der anderen Seite die ganze Angelegenheit eine innere englische Angelegenheit sei, von einem internationalen Kon flikt aber nicht die Rede sein könne, der nach den Statuten ein Einareifen des Völkerbundes ermöaliwen würde Fast amüsant ist es, daß in der englischen Presse nur der „Daily Herald", das Arbeiterblatt, offiziös gegen das Ultimatum und die englischen Schritte in Ägypten sich ausfpricht, nachdem Macdonald noch im Sommer dieses Jahres dem ägyptischen Ministerpräsidenten jedes Entgegenkommen in der Frage der ägyptischen Unab hängigkeit verweigert hat. Die gesamte andere Presse äußert sich natürlich in schärfster Form gegen den Ver such, die ägyptische Frage in Genf aufzurollen. Und dabei ist es gleichgültig, ob sich konservative oder liberale Blätter darüber äußern. Man geht dabei sogar zu Drohungen über, weist auf Folgen schwerster Art hin, die sich für das ganze Institut des Völkerbundes ergeben würden, wenn man in Genf wagen sollte, die ganze Angelegenheit zu be rühren. Sagen doch englische Blätter deutlich heraus, ein Eingreifen Les Völkerbundes in Ägypten würde den Ab bruch des Bundes bedeuten. Das ist das Interessanteste an dieser Entwicklung: der Völkerbundsrat oder die Völkerbundsversammlung wird gehorsam dem Gebote Englands folgen, wie sie ja auch früher dort in Genf niemals den Petitionen und Wünschen der ägyptischen Nationalisten auch nur Gehör geschenkt haben. Hier handelt es sich um eine Macht- frage, genau wie bei der Eroberung Wilnas durch Polen. Da nützen die Proteste der Schwächeren gar nichts, da nützen nichts die mehr oder weniger schönen Reden, die in Genf gehalten werden, da nützen nichts all die Artikel und Beschlüsse des Völkerbundes, — hier entscheidet allein die Macht, und einhellige Zustimmung würde jede englische Negierung in England finden, die Ueber aus den ganzen Völkerbund verzichtet als auf die englische Machtstelluna in Ägypten. Das ist der Völkerbund, das ist seine wahre Stellung: nicht die Begriffe von Zivilisation und Selbstbestim mungsrecht regieren in der Welt, sondern nur die Macht, die Macht, die sich auf die Wirklichkeiten der Panzerschiffe, Kampfgeschwader und Bataillone stützt. Nur wo der Schwächere von dem Völkerbund behandelt wird, da vermag dieser seinen Willen durchsetzen, aber nur einen Willen, der ihm eingeflößt ist durch den Machtwillen der Großen. So häuft sich Unrecht auf Unrecht. Zu der Vergewalti gung der Schwächeren tritt nun die Duldung der Verge waltigung durch ein im Völkerbund führendes Mitglied. Amerika denkt bisher nicht daran, dem Völkerbund bei- Swrcten, R u ßl a n d wird das ebensowenig tun, wird sich Zttdcm das billige Agitationsmatcrial, das den Sowjets diese Zurückhaltung des Völkerbundes in der ägvptisckien Frage in die Hand getan hat, nicht entgehen lassen. Es wirft sich von selbst die Frage auf, ob der Völkerbund, der un dem Tage von Versarlles gegründet wurde, noch langer Anspruch aus ernsthafte Wertung hat, wenn er vor dem britischen Augenrunzeln zurückschreckt. Das ägyptische Geras wo. Die Londoner Blätter veröffentlichen aussübrNche ^richte über den Eindruck, den die Vorgänge in Ägypten in Berlin, Paris und Rom hervorgerufen ^ben. Ter Veraleich der ägyptischen Mordtat mit der von SWien dam in MMN Mm Wy, aber.. Abdel Kerims Frir-ensbedingungen. Eigener Fernsprechdiensl des „Wilsdruffer Tageblattes". Pari s, 26. November. Nach einer Mechung von der spanischen Grenze, die offenbar der Zensur entgangen ist, scheint die spanische Regierung zu versuchen, die unglücklich verlaufene Milltäroperation in Marokko durch einen Friedensschluß mit Abdel Kerim zu liquidieren. Der Deputierte, der mit der offi ziellen Sondierung bei Abdel Kerim betraut war, hat dieser nach längeren Verhandlungen folgende Bedingungen für den Frieden gestellt: 1. Räumung der ganzen spanischen Zons mit Ausnahme von Melilla und Geuta. 2. Anerkennung der Unabhängigkeit der Rifs. 3. Zahlung einer Entschädigung von zwanzig Millionen Pesetas. Außerdem soll Abdel Kerim die Lieferung einer ge wissen Menge Kriegsmaterial verlangen. Unterzeichnung der Begnadigung durch den sranzsfischen Staatsckef. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Paris, 26. November. Die Begnadigung des Generals v. Nathusius ist, wie eine verläßliche NachricyL mitteilt, gestern von dem französischen Staatschsf unterzeichnet worden. Lehnt General von Nathusius die Be gnadigung ad? Paris, 26. November. Der Verteidiger des Generals v. Nathusius Nikolai ist heute in Paris eingetrosfen, In deut schen Journalistenkrersen verlautet, daß er erklärt haben soll, General v. Nathusius lehne eine Begnadigung ab und bestehe auf Revision seines Prozesses. An französischer amtlicher Stelle wartet man eine Bestätigung dieser Mitteilung ab, die die Dinge, wie ausdrücklich Hervorgehoden wird, außerordentlich komplizieren i Die deutsch - englischen Hündelsvertrags- Verhandlungen London, 26. November. Die Ausarbeitung des deutsch- ! englischen Handelsabkommens hat heute unter dem Vorsitz Lord ! Serajewo und des britischen Ultimatums mit dem öster- s reichifch-ungarischen erregt Verstimmung. In einem Leit artikel betonen die „Times", dieUnabhängigkeitserklärung Ägyptens 1022 sei mii vier Vorbehalten ausgestattet ge wesen, von denen sich eine auf den Sudan bezog. Das Blatt legt ausführlich dar, daß die britische Regierung durchaus innerhalb der Grenzen dieser Bestimmungen ge blieben sei. Was den Vorschlag betreffe, die Frage dem Völkerbund vorzulegen, so könne weder viel Gutes noch viel Schlechtes daraus erwachsen. Der britische Stand punkt sei in rechtlicher Beziehung einwandfrei und ent spreche den Interessen Ägyptens und der Welt. Die briti sche öffentliche Meinung könne gegen eine wirklich nn- parteiische Untersuchung der Handlungen der Zaglulre- giernng keinen Einwand erheben. Inzwischen habe die bri tische Negierung die Aufgabe, die begonnene Aktion zu e'n-m erfolgreichen Ende zu führen. d'Abernvns und Herrn v .Schemers einen günstigen Verlauf g«° ! usmmen. Es ist anzunchm-m, daß die Verhandlungen bereits m den nächsten Tagen abgeschlossen werden können. i Z R 3 — Los Angeles. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruger Tageblattes". Neuyvrk, 25. November. Z. R. 3 hat nach glücklich > verlaufener Fahrt über Philadelphia und Balt more um 1 Uhr f mittc-M amerikanischer Zeit Washington erreicht. Da die Taufe ' erst nm 2,30 Uhr stattfindet, kreist das SM vorläufig über dem i Kapitol. Auf dem silberglänzenden Rumpf prangen in rot-weiß- : blauen Buchstaben die Worte: „Los Angeles". Auf den Dächern i aller Häuser haben sich große Menschenmenge" versammelt und - jubeln dem Schiss begeistert zu. Auf dem Flugp atz, wo d'e Taufe ' swMndet, sind unzählige Aukes ungefähren und eine ungeheure s Menschenmenge erwartet dir Taufe. Die Taufe vollzieht sich, ! wie bereits gemeldet, folgendermaßen: Frau Coolidge läßt meh- l rere Tauben fliegen und spricht die Worte: „Ich taufe dich Los i Angeles". Außer der Familie des Präsidenten wird das gesamte Kabinett an der Feier teilnehmen. Auch höhere Offiziere, unter - ihnen Admiral Koffat, werden zugegen sein. Eine Botschaft Auan-Chkyur an Europa. Paris, 26. November. Die chinesische Gesandtschaft ver- ! Sffentlicht nachstehende Botschaft des Marschalls Fuan-Chiyur, s die an die Westmächte gerichtet ist: Tas chinesische Voll hat, nach- ! dem eg fick darüber Rechenschaft ablcgle, daß Präsident Dsar ! Kun und Marschall Wupeifu durch ihre Militärpolitik das Land dem Elend entgegensühren, durch Telegramme und Bittschriften mich ersucht, wenn auch- nur vorübeMhend die Geschäfts zur Wie derherstellung der Ordnung zu übernehmen. Im Einverständnis mit Tschangtfolin und Dr. Sunjatsen sowie General Tsekiang be absichtigen wir, eine Reform duraHuführen, die in erster Linie auf Absetzung der MMärgouverneure, Verringerung der Truppew- bestände und völlige Abrüstung der Soldaten abzielt. In finan zieller Hinsicht gedenken wir die Tilgung der in- und ausländi schen Schulden forlzusetzen. Hinsichtlich unserer Beziehungen zu den auswärtigen Mächten werden wir die abgeschlossenen Ver träge achten. Z «Engiauds militärisches Vorgelsen. Der Abzug der ägyptischen Truppen aus dem Su san hat begonnen. Englische Truppenteile in geschlos senen Formationen sind wiederholt durch die Straßen von Kairo und Alexandria gezogen. Ein englischer Panzerzng und Luftgeschwader haben die Eisenbahnlinien kontrol liert. In den nächsten Tagen sollen große Paraden der englischen Truppen in den wichtigsten ägyptischen Garni sonen stattfindeu. Das englische Kabinett hat ausdrücklich Lord Allenby freie Hand gegeben zur Durchführung der in der englischen Note niedergelegten englischen For derungen. Der neue ägyptische Premierminister Ziwac Pascha soll gemäßigter Sinnesart sein, von der England Nachgiebigkeit erhofft. Sonst sei man in London geneigt. Kriegsrecht über das ganze Land zu verhängen. Ter Be lagerungszustand soll tatsächlich schon durchgeführt sein. Llm Nathusius' Begnadigung. Paris, 25. November. Noch Mitteilungen der Presse faßte gestern das fran- i zösische Kabinett den offiziellen Beschluß, General von l Nathusius zu begnadigen. Dem Präsidenten der Republik i sollte heute die Begnadigungsurkunde vorgelegt werden. , Bis zur Haftentlassung dürften vermutlich noch einige Tage vergehen, da vorher ein Meinungsaustausch zwischen der deutschen Botschaft und dem französischen Auswärtigen Amt erfolgen wird. Durch die Begnadigung des Generals von Nathusius > wird die Wiederherstellung der Ehre des Generals nicht beeinträchtigt. Tas Revisionsverfahren wird ohne Zweifel durchgeführt werden, und die zweite Instanz dürfte auf Grund einer wirklich alle Umstände und Zeugen berücksich tigenden VerhandU-eg sicherlich zur vollen Freisprechung gelangen. Die Begnadigung wird aber Herrn von Aatbnsius sofort die Haftentlassung bringen Als wichtiger Entlastungszeuge für den General von Nathusius ist mittlerweile der Bibliothekvorstand im Württembergischen Landesgewerbeamt, Dr. Karl v. Seeger, aufgetreten, der seinerzeit Quartiermacher beim Armee- Oberkommando IV war. Dr. v. Seeger sagt aus. daß der General stets die einsachsten Quartiere bevorzug: habe, um das feindliche Eigentum möglichst vor Abnutzung zu schonen. Es sei geradezu grotesk, daran zu denken, daß selbst einer der Untergebenen des Generals sich fremdes Eigentum angeeignet habe. — Schon dadurch werde die Anklage hinfällig, daß General von Nalhustus beim Auf-