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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.01.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-01-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190001016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19000101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19000101
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- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar, Textverlust
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-01
- Tag 1900-01-01
-
Monat
1900-01
-
Jahr
1900
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.01.1900
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Vezng»'Preis G> b«r H«wt«v^bti1mi od« de» i» Stadt, bezirk «d den Vororten errtckteteu Ao«, «oestoll« abgehalt: oiertrli-btlich^SckX), «t Pvedaaliarr tigltc! er Zusielloag in« Hau« LüL Durch die Post bezogen für Lautschtaub und Lest« -reich: viinelMrtich . Lirecte täglich« Kreuzbaadiendung tu« AuSiand: monallich 7.50. Li» vkvrgen-An-gabe erscheint um '/,? Uhr. di» Abend-AuSgab« vocheulag« um 5 Uhr. Ledartton oad Erpeditio«: Lodauntsgufse S. DtoExvedtttoo ist Wechentag« ununterbrocheu geöffnet von früh 8 bi« Abend« ? Uhr. Filiale«: vtt» Klemm'« E»rtim. (Alfred Hahn), UntversitLtSsrraße 3 (Paulinum), Laut« Lösche, Lucharinrustr. 14, pari, und König-Platz 7. MWM Tagedlail Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes nn- Molizei-Amtes -er Ltadt Leipzig. Dnzeigen.Preis die ggespaltme Petitzeile 20 Pfg. Rrclamen unter demRedaction«strich («ge spalten) üO^Z, vor den Familieunochrichmi (8 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Pvei«» verzetchniß. Tabellarischer und Ziffern!«? nach höherem Tarif. Eptra-Vetla-eu (gefalzt), nur mit der Ptoraen-Ausgabe, ohne Postbeförderuag X 60.—, mlt Postbesörderung 70.—. Ännahmelchlllß für Anzeigen: Abrud-Au-gabe: Bormittag« 10 Uhr. Morge u-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Lei den Filialen and Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anreisen sind stet« an die Srpedittaa zu richten. Druck und Verlag von E. Polz iu Leipzig. ^-1. 9t. Jahrgang. Montag den 1. Januar 1900. Leipzig vor M Jahren. Wer sich eine Vorstellung davon machen will, was da« zu Ende gebende neunzehnte Jahrhundert für die Entwick lungsgeschichte unserer Stadt bedeutet, der kann einen dop pelten Weg «inschlagen: er kann diese Entwicklungsgeschichte selbst iu großen Zügen an seinem Geiste vorübergeben lassen, er kann aber auch ihren Anfang-- und ihren Enbpunct mit einander vergleichen. Den ersten Weg gedenken wir beute über- Jahr einzuschlagen, wenn in Wirklichkeit da« 20. Jahr- bundert beginnen w-rv; da wollen wir versuchen, unser» Lesern die E iwicklungSgesckickre Leipzigs im 19. Jahrhundert in einigen Aufsätzen kurz und übersichtlich vorzufüdren. Heute, Wo wir in da- letzte Jahr des 19 Jahrhundert« eintrrten, wa- uuerwarteter Weise in manchen Kreisen Anlaß zu einer Art von Vorfeier giebt, wollen wir, um unS von dieser Vorfeier nicht ganz auszuschließen, „unvorbereitet, wie wir sind-, einmal den zweiten Weg einschlagen, der der kürzere und be quemere auch de-balh ist, weil man sich dabei auf die Schil derung de- AnfangSpuncleS beschränken kann. Den Enbpunct kennen wir ja, kömuen und sollten ihn wenigsten- kennen. Zu statten kommt uns dabei, daß genau vor lOO Jahren, im Jabre 1799, eine Beschreibung der Stadt Leipzig und ihrer Zustände und Einrichtungen erschienen ist, die »u den besten Büchern in der Literatur der Stadtdeschreioungen gehört: die „Geschichte und Beschreibung der Kreis- unk Handelsstadt Leipzig" von dem ordentlichen Professor der Oekonomie an der Leipziger Universität Friedrich Gottlob Leonbarbi. Da- Buch erschien zur Ostermesse 1799 und wurde von dem Verleger, Beygang, dem damaligen Bürger meister Leipzig-, dem „Geheimen KriegSrath" Müller gewidmet. E- ist eia stattlicher Octavbanv von 750 Seiten, vorn mit einem Titelkupfer von Schnorr geschmückt, am Schluffe begleitet von einem in Kupfer gestochenen und colorirten „Grundriß" der Stadt Leipzig, der deshalb von besonderer Wichtigkeit ist, weil auf ihm zum «rsten Male die 1793 ein- geführte Häusernumerirung emgezeichnet ist. Da- Buch ist natürlich eine Verherrlichung Leipzig-, e- sucht überall die Licht seiten dervorzukebren, doch ,st e- keine-weg- gar» ohne Kritik vf»L?e>d dar-ufblicke.1. ät- hundert Jadrru .st hm nicht- ähnliche- wieder an di« Seile getreten. Wa- wollen die dürftigen Stadtbeschreibungea, die heute in der Gestalt von „Fremdenführern" erscheinen, argen das Werk von Leonhardi bedeuten, da-, nach einer (natürlich bevte veralteten) ge'Lichtlichen Einleitung eine ausführliche Topographie der Stadt und ihrer Vorstädte, genaue Nach richten über ihre Bevölkerung und deren „NabrungSzewerbe", über die RalbS-, GerickiS- und Polizeivrrfafsuag der Stadt, über die kirchliche Verfassung, über dre in Leipzig befindlichen Laude-- und landschaftlichen Collegien, die Universität, das Schulwesen, die Bibliotheken und die Naturalien- und Kunst sammlungen, die milden Stiftungen, endlich auch über die gesellschaftlichen Vergnügungen der Stadt bringt! Wenn ein Buch von ähnlicher AuSfübrlichkcit über da- heutige Leipzig geschrieben werde» sollte — wie dankbar würden un- die Nachkommen dafür sein! —, so würde da- ein Werk von mehreren starken Quartbänden werden. Wollte ein Einzelner die Abfassung unternehmen, so würde da- Werk in dem Augenblicke seine- Erscheinen- schon wieder veraltet sein. Sollte eS, ähnlich wie Leonhardi'S Buch, einen zeitlich möglichst genau begrenzten Querschnitt durch die Eutwick«laugSgeschichte unserer Stadt zeigen, so könnte «S nur durch AHMttStheilung entstehen. Warum aber nicht? Dean heutzutage nicht blo- Weltgeschichten, sondern seiest Volkskunden und Stadtgeschichlen von Consortien geschrieben werden, warum nickt auch eine Stadtbeschreibung, bei der eS doch viel weniger als dort auf einheitliche künstlerische Dar stellung aakommt? Im folgenden greifen wir nur einige wenige Puncte au- Leonhardi'- Buch heraus. Zum Vergleich wollen wir da- Leipziger Adreßbuch für 1799, den „Leipziger Abreß-, Post- und Reise-Calender auf da- Jahr Christi 1799" mit heran ziehen. Seinen FestungSckarakter batte Leipzig nach dem sieben jährigen Kriege zum Tbeil abgestreift, aber nur zum Theil. Die Wälle und Bastionen waren verschwunden, der FcstungS- graben streckenweise auSqesüllt, die Stadtmauer mit ihren Thürmeu beseitigt. Aber noch immer lief um die ganze Stadt der Zwinger um, die Stadt hatte noch ihre sämml- lichen Tbore, außer dem Schloßtbore nock vier Hauptthore (da- Halliscke, da- Grimmische, da- PeterStbor und da- Ranstädter Thor) und vier Pforten nur für den Fußverkebr (die Halliscke, die „neue" Pforte, am Ende des Brühl zwischen dem Höllischen und dem Grimmischen Thore geöffnet, die TbomaSpforte und die Barfüßerpsorte), und zwischen dem Ranstavter Tbore und der Barfüßerpsorte war sogar der Festung-grabeu noch mit Wasser gefüllt und diente al- Fisch teich. Nach den vier Haupttboren war die Stadt in vier Viertel ringetheilt, denen ebenso viel Vorstädte eutsprachen. Tie Zahl der sämmtlichen Häuser betrug 1340, von denen 771 innerhalb der Ringmauer, 569 in den Vorstädten lagen. Schoa hieraus kann man entnehmen, wie klein die Vorstädte waren. Noch deutlicher zeigt eS der Grundriß. Die Halliscke Vorstadt umfaßte die Gerbergasse und di« Neustraße (den vordersten Tbeil der heutigen Nordstraße), die Grimmiscke den Grimmische» Steinwea, die Neugafse (jetzt Poststraße) und die Hintergaffe (jetzt Sckützenstraße) mit ihrer „Quer straße" und die Bettelgaffe (jetzt JobanniSgaffe). Zur PeterS- vorstadt gehörten die Sandgaffe mit ihrer Verlängerung, der Ulrich-gaffe und die Windmüblenstraße, der Kauz (jetzt Marktballenstraße), die E-planade (jetzt König-Platz), das Klostergaßcken (jetzt Mühlgaffe), das Klikscker- gäßcken (jeLt Wäckterstraße) und der PeterSsteinweg; hinter dem PeterSschießgraben war sie zu Ende. Die Ran- städter Vorstadt endlich umfaßte den Ranstädter Steinweg, die Rosentbalgaffe, die „Alte Burg" (jetzt Lortzingstraße) und da- Naundörfchen. Sammtl'ck« Häuser der »gurren Stabt wi der Vorstädte waren von' l bis 1340 dr. " imerirt Tie Zählung in der inneren Stadt begann Nr. 1 bei dem Eckhau- der Peter-Kraße und de- Marktes, iu den Vorstädten mit Nr. 772 bei der TbomaSmühle. Die heute mit der Stadt verschmolzenen Vororte lagen so weit von den Vorstädten entfernt, daß sie Sonn- und Wochentag- die Ziclpuncte von Spaziergängen bildeten, und waren in jeder Beziehung noch so dörflich, daß die Leipziger darin ihre Sommerwohnungen aufscklugeu. Die Einwohnerzahl Leipzig- betrug etwa 32 000 ein- schließlich der zwei Compagnien Stadtsoldaten, di« die Tbor- wache zu besorgen hatten, und der in den Vorstädten unter- gebrachten kurfürstlichen Besatzung, die au- einem Bataillon veS FelvinfanterieregimentS von der Heyve bestand. (In der Pleißenburg lag kein Militär, sie enthielt nur kurfürstliche Magazine und Expeditionen, die katholische Hofcapelle, die Zeichenakademie und die Sternwarte.) Die Lripzigtr „Kaufmannschaft" bestand au- 170 Handels häuser^ die ^Kramerinnung" au- 302 Mitgliedern. Hierzu kamen noch 46 Buchhandlungen. Bon den Innungen der Handwerker waren die stärksten die Schneider mit 316 Meistern (die Meisterwitwen nicht mitgezäblt), die Schuhmacher mit 205, die Perückenmacher mit 134 (!), die Schuhflicker mit 74, die Kürschner mit 54, die Strumpfwirker mit 46, die Gärtner mit 45, die Tischler mit 4l, die Knopfmacher mit 38, die Bäcker mit 33, die Gold- und Silberdrahtzieber, Gold- und Silberplätter und Gold- und Silberspinaer eben falls mit 33, die Fleischer mit 30, die Buchbinder und die Lohgerber mit je 26, die Böttcher mit 25 Meistern. Die große Zabl der Perückenmacker, die übrigens schon stark im Rückgänge begriffen war (1786 hatte sie 164 betragen) wirft ein Lickt auf di« wunderlichste Zeitmode. Buckvruckereien gab e- 18, Gasthöfe 38, außerdem 16 Speisewirthe und 36 Biersckenken. Als HauptnabrungSquelle der Einwohnerschaft bezeichnet Leonbarbi natürlich das Handwerk, dessen mehr oder weniger blühender Zustand freilich immer von dem Steigen und Fallen de- Handels und der Universität abhänge. „Manufacturen und Fabriken verschaffen kaum dem sechzehnten Tbeile der hiesigen Einwohner ihr« Nahrung und können eS auch nicht, weil gerade Leipzig unter allen kursäcksischen Städten der unschicklichste sd.b.ungeeignetstes Ort zur Errichtung von Manu facturen und Fabriken ist,wie der bisherige Erfolg von den meisten hier errichteten Anstalten dieser Art zur Genüge bewiesen hat." Die Hauptmanufacturen waren: Sammt- und Seiden- manufacturen, Strumpfmanufacturen, Hutmanufacturen, Fabriken von Gold- und Silberwaaren, Tuch-, Seiden- und Pel,fLrbereien, Gerbereien, Seifensiedereien, Branntwein brennereien, Buntpapier- und Spielkartensabriken, Tabak- manufacturen und Wackstuckmanufacturen. Außerdem wurden namentlich noch viel Tischlerarbeiten fabrikmäßig verfertigt und nach auswärts versandt. Bon fremden Kauf- und Handels herren, die „die Leipziger Messen ordentlich sv. b. regelmäßig) besuchen", zählt da« Adreßbuch für 1799 über 800 auf. Der Rath der Siadt bestand au« einigen dreißig Mit gliedern, tbeil- Juristen, theils Kaufleuten, die damals noch, wie in alter Zeit, in drei Abtheilungen eingetbeilt waren, die im Regiment alljährlich mit einander abwechselten. Von den drei Bürgermeistern war aber l799 der eine schon be seitigt; nur zwei wechselten noch mit einander ab, damals Müller und Wendler. Zu den Befugnissen de- Raths ge hörte aber nicht blo- Vie städtische Verwaltung und die Polizei, sondern auch die Gerichtsbarkeit: da- Stadtgericht, die Lanvstube, die Bormunvschaft-stube und das Handels gericht. Auch iu der Lertung dieser Gerichte wechselten die RatbSmitglieder ab; nur die Beamten, die Gerichtsschreiber, Rechnungsführer, Registratoren u. s. w. waren ständig. Zur bessere» Aufrechterdaltung der- Polizei batte jedes Stadtviertel eiueu Stavthauptmann, eiuc» Stadtleutnant und einen Sladtfäbndrich, au- denen immer zunächst die neuen Rathsmitglieder des KaufmanuSstandeS gewählt wurde». „UeberdieS — schreibt Leonbarbi — besoldet der Magistrat noch 18 Gericht»- und Polizeidiener, deren Gewandtheit, Wachsamkeit und Geschicklichkeit im Ausspähen der Ver brecher musterhaft ist und wohl schwerlich in irgend einer europäischen Stadt in einem so vorzüglichen Grade an- getroffen wird." Ueder da« Marktwesen berichtet er: „Alle Nahrungs mittel und alle zur Feuerung dienlichen Materialien müssen auf den dazu bestimmten Plätzen zum feilen Verkauf auf gestellt werden, und die Höker dürfen bei nachdrücklicher Be strafung nickt eher auf den Marktplätzen kaufen, al- bis der Hegewisch sd. i. der am RathbauSlburm ausgesteckte Strohwlschj weggenommen ist." Zur Beobachtung richtigen Maßes und Gewichte- waren 9 Brot- und Semmelwieger, 4 Getreidemcffer, 1 Hopfenmeffer, 5 Holzleger, 2 Koblen- meffer u. s. w. angestellt. „Zur Verhütung alles Wuchers dcS einzelnen Holz- und Kohlenverkauss" wurde in dem Magazingebäude de- RatbS „durch einen verpflichteten Holz- und Kohlenverkäufer groschenweise nach festgesetzten Maaßen verkauft". Für da- Brot wurde jeden Monat, für daS Fleisch jeden Markttag eine Taxe ausgegeben. Der Verkauf von Bier und Wein stand „sowohl in Ansehung der Richtig keit deS MaaßeS, als auch in Rücksicht auf die innere Güte" unter der Aufsicht der Bier- und Weinvisirer. Mit Wasser wurde die Stadt außer durch zahlreiche Brunnen durch die beiden „Wasserkünste" versorgt, die „schwarze" und die „rotbe Kunst", beide bei der Nonnen mühle gelegen. DaS Wasser, das sie in sieben Hauplröhren der Stadt zufübrten, war gemischt aus Pleißenwasser und Brunnenwasser, das auS zwei bei den Wasserkünsten gegrabenen tiefen Brunnen gewonnen wurde. Straßenbeleucktung gab es nur innerhalb der Ringmauer, in den Vorstädten nickt. Sie wurde durch etwa 700 Laternen mit Oellampen bewirkt, die theils an den Häusern, theils auf hölzernen Pfählen angebracht waren. Die Stadt- thore wurden in den Sommermonaten gegen 9 oder 10 Ubr geschlossen, im Winter viel früher. Wer nach Tborschluß noch in die Stadt hereinwollte, hatte den Tborgroscken zu bezahlen. Dieses Tborgelv wurde mit zur Bestreitung der Straßenbeleucktung verwendet. Gereinigt wurden die Straßen wöchentlich zwei Mal, Mitt wochs und Sonnabends. Bis 3 Ubr Nackmiltags batte jeder Hausbesitzer die Straße vor seinem Hause kehren und „den Kotb in Haufen werfen zu lassen". Dann fuhren 12 ein spännige Karren durch die Straßen und holten ibn ab. DaS Postamt, das kurfürstlich war, befand sich im Amt bause am Tbomaskirckhofe. Die „Expedition" wurde besorgt von 2 Einnehmern, 9 Postsckreibern, l Postpackmeister, 4 Brief trägern und 4 Briesträgergehilfen. Die „Poslkuisckenexpedition" batte sieben Postkutschen unter sich, darunter die von Leipzig nach Dresden gebende und die von Leipzig nach Berlin, die aber „gegenwärtig nickt im Gange" war. Die meisten Reisenden bedienten sich der Exlraposten, die sie im „Post stall" auf dem Grimmischen Sreinwege bestellten, wo unter einem Postmeister 12 Postillons mit 48 Pferden immer zum Fahren bereit waren. An Sckulen gab eS außer den beiden „lateinischen Stadt- sckulen" (der TbomaS- und der Nicolaisckule) nur eine einzige öffentliche Volksschule, die 1792 errichtete Ratbsfreischule, daneben noch die kleine Schule im „Arbeitshaus« für Frei willige". Aller übrige BclkSsckulunterricht lag in den Händen von 17 Privatsckulen (Winkelschulen), unter denen sich einige durch bessere Leistungen bervorthaten. Neben den beiden öffentlichen Bibliotheken der Stabt, *»er Universitätsbibliothek und der Ratbsbibliothek, geb eS viele Leihbibliotheken. Die brocutendste darunter war die Beygang'schr im Küstner'schen Hause auf der PcterSstraße, die 70 000 Bände enthielt und mit einem Lesemuseum ver bunden war, wo gegen 150 deutsche und ausländische Zeitungen und Zeitschriften auSlagen. Unter den Kunst- und Naturaliensanimlungen waren die bedeutendsten die Winckler'sche Gemäldegalerie auf der Katbarinenstraße, die Richter'sche am TbomaSkirckbof und daS mit der Löwenapothcke verbundene Linckische Naturaliencabinet. Ein ständiges Tbeater gab eS nicht. In dem Schauspiel bause, daß 1766 auf der Ranstädter Bastei errichtet worden war, spielten in der Oster- und Michaelismesse täglich die kurf. säcks. privilegirtcn deutschen Hofsckauspieler unter Seconda. Bisweilen blieben sie auch im Sommer da, wo dann aber nur drei- oder viermal in der Woche gespielt wurde. Seit l78I bestanden die Gewandhausconcerre, von der Concert- gesellschaft veranstaltet und 1799 von Schicht geleitet. Die sonstigen hervorragenderenVergnügungsgeseUsckafien rer Stadt waren: die Ballgesellschaft, die im Winter j--den Freitag in dem Ballsaale hinter dem GewandbauSconcerisaale „großen Ball" hielt, die „Vertraute Gesellschaft", die Fraternität, die Sechzehn», die Zwölfer, die Amicitia, die Eintracht, die Harmonie, die Ressource, die Socierö und der klace cks Itepos. Obwohl im Leipziger Buchhandel schon damals viele Zeit schriften erschienen, wissenschaftliche und belletristische, gab es doch nur zwei Zeitungen >m heutigen Sinne: die „Leipziger Zeitungen", die täglich mit Ausnahme von Freitag und Sonntag in dem Umfange von acht Seiten in Quart er- r . t, l. chendes M -st Du wohl haben?" .Ich glaube kaumIe^viderte da« Achthundert, T»-- Ä» v-'t, die >' ich ur irr i 'ch Platz zu machen ' -*>r an, daß sie diel arbeiten musii-."nn> »ei nicht böse", bat e«, „wenn - tea la,>e-, ah«* ich hatte »ch zu thun, Du n m-vaal —" -w^^fchmri«»: „GeißillmchM -5paene LÄ,«rHch »ch zu lÄ«rhahchi »« -al Dn he-i-r «xlr^.t, '.chendes Prosit Neujahr! Eine Sylvefiervision von Fre Herrn von Schlicht (Dresden). StaLtrua vrrvl»«. DaS alte Jahrhundert feie te den letzten Tag seiner Herrschaft, aber nicht sang» und klangt, i wollte es heradsteigen von dem Thron, auf dem eS hundert .jähre gesessen hatte. Gerne hätte es noch einmal seine Kinder, die Jahre, seine Enkel, die Monate, seine Urenkel, die Tag«, um sich versammelt — aber sie waren vor ihm gestorben. En hatte e« denn die Werke, die Errungenschaften der ver flossenen Jahre, Monate und Tage zu sich besohlen und sie Alle hatten versprochen, pünktlich zu erscheinen. Ungeduldig ging daS Jahrhundert nun in seinem großen Lhroasaal auf und ab. „Ich bin wirklich begierig, welche Er- rnngellfchastrü heute kommen werden — ich freue mich, sie All: einmal Wiederrufehen. E« ist mir ein Bedürfnis, ihnen Allen noch einmal die Hand zu schüttel« und mich bei ihnen für ihre Mitwirkung zu bedanken, daß sie mir zu dem guten ReuommSe verhalfen haben, daS mir während meiner Skegierungtzeit treu blieb." Da« Jahrhundert sah nach der Uhr: es war schon 6 Minuten nach 8, und zu präctse 8 Uhr hatte es geladen. ' La :iffu.!t sh die Tbü- und al« erste Errungenschaft er- fch-'n da« -co:; eKr, r,7 „Gei nicht böse", tat es, „wenn w Zttzdrieg nach g, erleben. M «te da Flutzs Zärtlich strich daS Jahrhundert ihr über die Räder: „Sei nicht verzagt", sagte es, „denke nicht nur an die viele Arbeit, die Du hast, denke auch an den großen Segen, der Du für viele Arme bist." In diesem Augenblicke klingelte daS Telephon: „Sei nicht böse, wenn ich nicht selbst kommen kann", bat es, „aber während ich sonst immer Abend- um zehn Uhr frei habe, scheint es, als wenn ich heute gar nicht fertig werden soll. Ich weiß nicht, waS die Menschen sich heute Alles zu sagen haben — Herr Gott, da klingelt schon wieder Einer nach mir, eS ist wirklich zum wahnsinnig werden — gute Nacht. Schluß." Mit lautem Geklingel nahte einelektrischerStraßen- bahnwagen: „Ich habe Dir auch etwas mitgebracht", sagte er zum Jahrhundert, „lauter Ansichtspostkarten mit vielen herzlichen Grüßen — die Postboten konnten die große Menge nicht befördern, da nahm ich sie ihnen ab." „Du bist eia guter Junge", lobte daS Jahrhundert, „wenn Du nur nicht so wild wärst und nur nicht so schnell dahin stürmtest — paß auf. Du wirst noch viel mit der Polizei zu thun bekommen, wenn Du Dich nicht änderst. Erst kürzlich hast Du wieder einen Menschen überrannt." „Warum gehen sie mir nicht au- dem Wege", sagte gering schätzig der elektrische Wagen, „eS ist ihre eigene Schuld." DaS Jahrhundert legte sei» Gesicht in ernst« Falten und achte anscheinend über eine Antwort nach, da erklang plötzlich t vor ihm eia laute« „knippS, knippS", und erschrocken fuhr er usammen. Danke schön, liebe« Jahrhundert, nun kannst Du ruhig bleib«», jetzt hab« ich Dein Bild schon", erklang da eine stige Stimme, und fröhlich ihren Hut schwingend, eilte die Holographie von dannen. Drohend erhob da« Jahrhundert di« Hand: „Solche Unver- theit — «ich nicht einmal zu fragen, ob ich mich «ich typen will. Da« wäre noch schöner, Venn Jeder nach Belieben »einem Gesicht schalten «ad walten wollte. Hand m H:nd erschienen da- M i rr 0 s k 0 p und die B ar- t e r i 0 l n g . c: Ra, Kinder, geht es gut?" fragte daS Jahr hundert, „se d Jh ;ufrieden mit Eurer Arbeit?" „So will ich Dir daS Wasser zum Kochen bringen", rief das Petroleum, näher tretend, „und gerne stelle ich mich Dir zur Verfügung." „Einen Augenblick müssen wir noch warten, bis daS Streich hölzchen kommt", meinte daS Rothe Kreuz, da eilte daSSaeker- heds Taendstikker auch schon herbei und opferte seinen Kopf. Nach kurzer Zeit war die Bouillon bereitet, und sich be haglich in seinen Lehnstuhl zurücklegend, begrüßte daS alte Jahr hundert seine Gäste, die nun schnell einander folgend in den Saal traten. Mit lautem Gestöhn kam eine gewaltige Dampfmaschine heran: „ES genirt Dich doch nicht, wenn ich rauche?" fragte sie höflich. DaS Jahrhundert lächelte: „Rauch nur so viel Du willst, im Anfang hat e» mich etwas geniert, da« will ich gerne ein gestehen, aber nun habe ich mich schon lange daran gewöhnt." Und dichte Dampfwolken von sich stoßend, machte die Dampf maschine es sich in einer Ecke bequem. Da fuhr eine Automobile vor, der ein sehr hübsche«, schlanke-, graziöses junge- Mädchen entstieg. „Guten Lag, lieb« Reclame", begrüßte daS Jahrhundert die neu Lu gekommene, „mich freutdaß Du Dich auch bei mir sehen läßt. Wi« geht e« Dir deuatz" „Gut, sehr gut", eaviderte die Reclame, und züudete sich «ine Ligo rette an, „je Lager ich leb«, desto jünger werde ich." Sie wiegte sich kokett in den Hüsten: „Hast Du meta aeue- Kleid schon beü undert? Ohne mich könaa» sie Alle nicht mehr leben. Da« hab- ich mir bet mein« Geburt auch nicht träum« lass«, daß ich noch einmal eine so große Roll« in der Welt spül« würde. Nun, mir kann e- dur recht sein — ich verdiene ein fchwerrs/Gtück Geld." . „See Nur sparsam", da» Alle- wiel „und gjeb nur auch schlecht« ffeabuch," . . h»aschk»e — die sah alt «G abgenutzt man "erli ch die Wclt zu Statt jeder Antwort legten sie zu Füßen des Jahrhunderts einen großen Sack, in dem wimmelte es von Bacillen jeder Art. Erschrocken fuhr das Jahrhundert zusammen: „Kinder, bleibt mir nur mit Euren Bacillen vom Leibe — besonders mit dem Cholera-Bacillus. Viermal habe ich diese entsetzliche Krank heit bereits durchgemacht, nun verschont mich damit. Ich bin überhaupt viel krank gewesen, und wenn die Koch'sche Lymphe und dasHeilserum mir vor Jahren nicht geholfen hätten, wer weiß, ob ich dann überhaupt heute noch lebte." „Aber als Du Reconvalescent warst, habe ich Dir doch sehr gute Dienste geleistet ?" fragte da die S 0 m a t 0 s e. „Das hast Du, mein Kind", lautete die Antwort. „Warum nahmst Du mich nicht?" fragte Nutr 0 l, „ich hätte Dir sicher noch besser geholfen." Das Jahrhundert lächelte, dann sagte es: „Fechtet Euren Streit in den Zeitungen aus. Hier aber haltet Frieden — es sollte mir leid thun, wenn ich heute noch das Gesetz wegen unlauterenWettbewerbes gegen Euch in Anwendung bringen müßte." Schweigend, aber sich gegenseitig scharfe Blicke zuwerfe"» zogen die Beiden sich zurück. In seiner Eigenschaft als Wirth fühlte daS Jahrhund? sich verpflichtet, etwas für die Unterhaltung seiner Gäste zu >rgen — eS sah sich um, ob Niemand da wäre, der etwas «iciren oder da« LÜd „Ist denn kein Stuhl da — Stuhl da, meine Hulda, Hulda, Hulda" singen könne. Da erklang mit m Male eine etwa- blecherne Stimme: „Der Fledermaus- .lzrr von Strauß. Gespielt von der Capelle deS ersten Gard« tegiments zu Fuß. Ein- — zwei — drei" und dann ertönte die rythmischc Welse de- ewig schönen Walzer-. „Ah, Du bist es, mein liebe- Grammophon", rief dos Jahrhundert, „wie freundlich von Dir, daß Du uns Deine Künste zeigst." Dem Walzer folgte der Sang an Aegir, dann kam da- durch die Lvo si8t«rs liarrisaa'» bekannt gewordene Couplet: „Ja beim Souper erlebt man tolle Sachen." Selbst da« Jahrhundert lächelte bei der Erinnerung an r- gangene Zeiten, und es sang laut mit, als die Okkarina das .ied spielte: „Auch ich war ein Jüngling mit lockigem Haar."
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