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Dresdner Journal : 12.04.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-04-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189004127
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18900412
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18900412
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1890
-
Monat
1890-04
- Tag 1890-04-12
-
Monat
1890-04
-
Jahr
1890
- Titel
- Dresdner Journal : 12.04.1890
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83 Sonnabend, den 12. April, abend-. 1830 »e,ur»pr*l»: ktlr Vr»»a«a ,>ert«1jLt»rl»oi> 3 50 kl, t»» äea äv«t»et»ea ?o«t»o»t»lt«a v»«rt«l- jl^rliet» 3 »«»erti»Ib 6«» ä«ut»et»«a 8«»cl»s« tritt ko«t- uva 8tewp»Iru»cl»I»8 du»»». >» L»»,«1v» Uuwmvri»: 10 kt. L»Itv»alxi>L,,,»dal»r»»t kür Nen ü»>uo eiovr ^p^reueo 2«N« klsü»« Ledrilt 30 ?t. Vvt«r äia 2«I« 30 kt. v« ^»kollev - uvä LiE«rv»»t» vvtipr. ^uk»odd»U. Lr»edel»«»r l^iicd mit Xl>»»u»dm« ä«r 8vau- u. kUvrt^e »d«vä». k«ra»pr»cd-^»iodli»»»r Ur. 12V3. DresdnerZMnml. Für die Gesamtleitung verantwortlich: Hofrat Dtto Banck, Professor der titteratur- und Kunstgeschichte. 3va»I»»» r»a L»3tti»a!xui»rk» »»»nitrt», L«t^»i^: H. Lran-üt«»«', kouuLt»i»<>»Lr äs« Vreiävsr äournLl»; L»»d»r« 3«rU» Vi«a 3»»«l-Lr«»l»a kr»»k1»rt ». M.! ««»»««»<«»» <t l'vAt^, L«rUa-Het»»-L»»»d«iU- kr»K I,«tp»t^-rr»»a»r«rt «. ». »»cd«»: r»rt» I.»»ckv» L«rlt» rr»»»k1drt ». H. 8t«ttU«rt: Daut« <e t>'o , Isrll»: /nrattärnäant, 3r««l»a: L«»i XadaH,' L»»»«r«r: §cdü«trr, L»U« ».3.: liarct «3 Co. Neranixeder« Lüvi^I. Lrpeäition äo« Or«äver ^ourv»I». vrsiäeo, 2«illxoritr. 20. ren»»prvet»-^o»edlu»»: Ur. 1285. > - .- Nichtamtlicher Leit. Geographische Wcrchrichten. Berlin, 12. April. (Tel. d. Dresdn. Joun«) Se. Majestät der Kaiser ist heute vormittag um 9 Uhr vo» Wiesbaden wohlbehalten hierher zurück- gekehrt. Madrid, II. April. <W. T. B) Der Senat lehnte mit 10V gegen 03 Stimmen den Bericht des Marschalls Martinez CampoS, in welchem dieser sich gegen die DiSziplinarbestrafung de- General- Daban ausspricht, ab. London, 11. April. ;W. T. B.) Auf der Besitzung Coolroe unweit Newroß in Irland kam eS heute zu Ruhestörungen, al- Gerichtsvollzieher in Begleitung einer klemm Polizeimacht erschienen, um daselbst einige Pächter zu exmittieren. Lie betreffenden Häuser waren verbarrikadiert; die bei denselben versammelte Volksmenge empfing die Ge richt-Vollzieher und die Polizeimannschaft mit Steinwürfen, zwang sie, sich zurückzuziehen, ver folgte Le, griff sie weiter thätlich an und entriß ihnen Gewehre. Mehrere der Beamten wurden verwundet. Dre-den, 12. April. Zur Lage in Ungarn. In Ungarn nimmt der Rücktritt Tiszas in den Erörterungen der Tagespresse noch immer eine hervor ragende Stelle ein. Man beschäftigt sich aufs ein gehendste mit den Folgen des Ministerwechsels und den politischen und parlamentarischen Aussichten des Kabinetts Szapary. Daneben wird auch die mut maßliche Haltung Tiszas als Führer der liberalen Parlamentsmehrheit sowie die künftige Stellung des -vom Grafen Albert Apponhi geführten Teils der Opposition dem neuen Ministerium gegenüber sehr lebhaft besprach««. Wie leicht erklärlich, weichen die Meinungen über all diese Fragen sehr von einander ab und es ist darum schwer, sich schon jetzt ein Urteil darüber zn bilden, nach welcher Richtung hin sich die politischen und Parteiverhältnisse in Buda-Pest ent wickeln werden. In einer ihrer letzten Nummern äußert sich die Wiener „Presse" über die künftige Ge staltung der Dinge in Ungarn wie folgt: Ohne sich einer Übertreibung schuldig zu machen, kann man wohl sagen, daß der Rücktritt Koloman v. TiszaS von der überwiegenden Mehrheit der Ma gyaren sehr bedauert wird. Selbst die Opposition er kennt die Verdienste TiSzas um die politische Hebung und wirtschaftliche Entwickelung Ungarns an, und eS giebt wohl nur sehr wenige, welche die Erfolge Tiszas leugnen würden. Aber die den Kulissen uäherstehen- den Politiker geben doch zu, daß die während der Wehrgesetzdebatte im vorigen Jahre gemachten Fehler das Ansehen des Ministerpräsidenten bedeutend ge schädigt haben und daß es daher im Interesse Tiszas wie seiner Partei viel besser gewesen wäre, wenn er im vorigen Herbst unmittelbar nach der überraschenden Vorlage des defizitlosen Staatsbudgets zurückgetreten wäre. Dieser „Abgang" hätte sich jedenfalls glänzen der und staatsmännischer ausgenommen, als jener mit dem Jncolatsgesetze, den eigentlich doch niemand ernst genommen hat. Die Kunst, zur richtigen Zeit zu gehen, hat Tisza jedenfalls nicht verstanden, und darunter leidet auch jetzt die liberale Partei. Wäre TiSza im vorigen Jahre in der Vollkraft seines An sehens zurückgetreten, er hätte als Führer der Mehr heit dieselbe viel bester und leichter zusammenhalten können, als ihm dies fortan möglich sein wird. Auf jeden Fall ist es sehr bemerkenswert, daß trotz alle- Feuilleton. Konzert. Der vierte Aufführungsabend des Ton- künstlervereinS hatte gestern iin Gewerbehaussaale ein zahlreiches Publikum versammelt. Derselbe be gann mit einer vorzüglichen Wiedergabe des Quartetts in Ls änr für Pianoforte, Violine,. Viola und Vio loncell von Th. Kirchner seitens der Herren Schmeidler, Rappoldi, Göring und Grützmacher. Dieses zum ersten Mal in der Öffentlichkeit gespielte Stück be ginnt in allen Teilen recht verheißend mit durchweg ansprechend und geschmackvoll erfundenen, wohlverwend baren, wenn auch nicht gerade originellen Motiven, zeigt aber nur im Adagio genügende Klarheit und musikalische Feinheit der Durchführung vereint mit erfreuendem Wohlklang des Satzes, um das Interesse der Hörer zn gewinnen und festzuhalten. Die drei anderen Sätze können weder durch Anmut oder Tiefe ihres gedanklichen Inhalts, noch durch den Reiz un gekünstelter formaler Gestaltung unsere Teilnahme erregen und berühren in manchen hübschen, ja geistreichen Einzelheiten lediglich den Musiker. Der gequälte Charakter des fleißig, aber bei schwacher Inspiration gearbeiteten Werkes wurde durch Felix Mendelssohns im gestrigen Programm darauffolgende Ü 6 «r-Sonate für Pianoforte und Violoncell am schärfsten verdeut licht Wie ander», belebend nnd ergreifend wirkt diese spirituelle, krystallklare Musik voll seiner, oft warmer Empfindung auf unsere Phantasie und unser Gefühl, die sie namentlich in dem poetischen, träumerisch süßen Andante mit dem wnnderbar stimmungsvollen Zwie energisch, daß sich Koloman Tisza von o- „Zu den vier Jahreszeiten" fand Marschalltafel statt. Wie auf der Hinfahrt zur Villa Langenbeck, so wurde der Kaiser auch auf der Rückfahrt von da vom sondern auch einen Systemwcchsel bedeute. Dir Regierungspartei habe keinen Koloman Tisza mehr; sie müsse daher selbst zu denken anfangen und die Führer mögen sich daher um eine Beschleuni gung der unerläßlichen Reformen bekümmern. Unter tanten. Einen aus Berlin mitgebrachten Blumenkorb den jüngeren Elementen der Mehrheit herrscht wieder überreichte Er, wie der „Rhein. Kur." berichtet, im ein ebenso lebhaftes wie begreifliches Vorwärtsstreben, Namen Seiner Gemahlin. — Die Mittagstafel in der und daß diesem Streben die älteren Elemente der Villa Langenbeck zählte nur vier Gedecke Im Hotel Partei, die alte Tisza-Garde, schließlich zum Opfer " ' ' - fallen werde, das wird nicht nur gewünscht, sondern 4 Uhr bei der österreichischen Kaiserin. Se. Majestät kam zu der erlauchten Frau ganz allein, ohne Adju- auch geglaubt. Seit einigen Tagen ist wieder von einer volkswirtschaftlichen Fraktion innerhalb der Re gierungspartei die Rede, welche durch die Besprechung des Zonentarifes, der Valutaregulierung, des Konkurs gesetzes u. a. m. bald dem Handelsininlster, bald dem Finanzminister unangenehm werden will. Einer an deren Gruppe ist wieder die Verwaltungsreform ans Herz gewachsen, doch ersieht man aus dem Eifer, mit welchem diese Angelegenheit behandelt wird, daß es sich auch in diesem Falle weniger um die Reform selbst als um persönliche Bestrebungen handelt. Schließlich muß noch jener Strömungen gedacht werden, welche sich mit der Verschmelzung der Parteien abgeben. Die einen sprechen von derVereinigungdergemäßigtenOpposi- tion mit den jüngeren Elementen der Regierungs partei, die anderen glauben, daß das parlamentarische Glück Ungarns in diesem Augenblick in der Gründung einer großen „Nattonalpartei" bestünde, welche aus den Hofmeister der Kaiserin, Frhrn. v. NopSca, empfangen, in« Vestibül von der Kaiserin Elisabeth selbst herzlichst begrüß , auch die Erzherzogin Marie Valerie, der Erz herzog Franz Salvator und das ganze Gefolge der Kaffenir standen im Vestibül. Die Kaiserin war tief schwarz gekleidet. Der Monarch verweilte von 2 bis Tagesgtschlchte. * Berlin, 11. April. Se. Majestät der Kaiser traf gestern früh 9 Uhr 45 Minuten in Wiesbaden eilt und fuhr vom Bahnhofe aus, überall von der dicht gedrängten Volksmenge jubelnd begrüßt, durch die festlich geschmückte Stadt nach dem Schlosse. Dort empfing er um Hl 1 Uhr die Prinzessin Christian von Schleswig Holstein-Sonderburg-Augustcnburg mit den Prinzessinnen - Töchtern, welche einen prachtvollen Theerosenstrauch überreichten. Se. Majestät geleitete die hohen Herrschaften bis ins Vestibül und verab schiedete sich von denselben aufs herzlichste. Um 12 Uhr fuhr der Kaiser hierauf zur Prinzessin Christian und stattete darauf noch der Prinzessin Louise von Preußen einen Besuch ab. Uni H2 Uhr stattete der Kaiser sodann vom Schlosse aus der Kai serin von Österreich in der Villa Langenbeck einen Besuch ab. Se Majestät, Allerhöchstwelcher die Uniform seines ungarischen Husarenregimcnts Nr. 7 angelegt hatte, wurde an der Treppe von dem Ober ¬ wirklich liberalen Elementen der Regierungspartei, auS der gemäßigten Opposition und aus den gemäßigten Elementen der äußersten Linken bestehen müßte und die noch einer angeblich verläßlichen Berechnung über eine Mehrheit von dreißig Stimmen verfügen würde Graf Julius Szapary scheint von allen diesen Strömungen und Bestrebungen nicht viel zu halten. Er sieht vorläufig noch ruhig zu, wie die Streber ein ander aus die Hühneraugen treten, wie sich die Unge duldigsten anschicken, die Hörner abzustotzen. Seine nächsten Freunde versichern, daß der heutige Kabinetts- chef länger im Amte verbleiben werde, als die Schwarz seher glauben. Die Hauptsache sei, daß nicht im Schoße des Ministeriums selbst Zwistigkeiten auf- tauchen. Die Regierungspartei werde jedoch den Grasen Szapary schon darum so lange als möglich halten, weil sie nicht die Sitze der Mehrheit wird auf- geben und nicht in die Hände eines Ministerpräsidenten wird gelangen wollen, der ihr noch weniger paßt als der Graf Julius Szapary. dem der Rücktritt TiSzas selbst die sogenannten Gut eingeweihten überrascht hat. Vor wenigen Tagen ist in Buda-Pest eine Bro schüre „Hsr» usllltM" (Ohne Tisza) von einem sich unter dem Pseudonym „Ariston" bergenden Verfasser erschienen, in welcher versichert wird, daß der Minister wechsel eingetreten sei, weil die Familie TiSza den selben schließlich gefordert hätte. Wie Ariston erzählt, hätte an dem Tage, als Tisza mit Desider Szilagyi wegen Eintritt- desselben in das Kabinett zu unter handeln begann, im Palais des Ministerpräsidenten ein großer Familienrat stattgefunden, in welchem die Brüder Ladislaus und Graf Ludwig TiSza der An sicht Ausdruck gaben , daß Koloman TiSza den For derungen der Opposition nicht nachgeben solle. Die Regierungspartei stehe nach ihrer Ueberzeugung uner schütterlich fest, die Wolken würden sich verziehen nnd bald würde er wieder der Herr der Lage sein. Die anderen Mitglieder der Familie Tisza aber verlangten Publikum jubelnd begrüßt. Bei dieser Rückfahrt sah man im Wagen des Kaisers einen Rosenkorb, den Allerhöchstihm die Kaiserin Elisabeth überreicht hatte. Nachher ließ der Kaiser die Garnison alarmieren und auf dem großen Exerzierplatz an der Schiersteiner Landstraße die Truppen (Infanterie und Artillerie) manöverieren. Abends H8 Uhr besuchte der Kaiser die Witwe des geh. Oberfinanzrates und Provinzial steuerdirektors v. Maaßen, eine Verwandte des gegen wärtig bei ihr weilenden Oberhofmarschalls v. Lie benau, bei welcher er das Abendessen einnahm. Um 9 Uhr 20 Min abends trat der Kaiser unter stür mischer Huldigung der Volksmenge die Rückreise nach Berlin an. — Der preußische Staatsminister und Minister für Handel und Gewerbe, Frhr. v. Berlepsch, sowie der Staatssekretär des Answärtigen Amtes, Frhr. Mar- litik zurückziehe, teils weil er der Ruhe be dürfe, teils aus dem Grunde, «veil die Wehr gesetzdebatte „böse Geister" entfesselt habe, die nur durch diesen Schritt wieder besänftigt werden könnten. Der energischeste Vertreter dieser Anschauungen war der Sohn des Ministerpräsidenten, Stephan TiSza, der stets großen Einfluß auf die Entschließungen seines Vaters hatte. — Es ist nicht unmöglich, daß sich die Dinge so verhalten haben; doch ist es ganz gewiß, daß die politischen und parlamentarischen Momente, welche den Ministerpräsidenten zum Rücktritte veran laßt haben, viel stärker waren, als die Ratschläge einer besorgten Gattin und eines einsichtigen SohneS. Und daß TiSza selbst erst in den allerletzten Wochen ganz ernstlich und entschieden an den Rücktritt gedacht hat, das beweisen verschiedene Maßnahmen von seiner Seite und Äußerungen seiner nächsten Umgebung, welche überzeugt war, daß Koloman Tisza noch da« Jahr 1891 als Kabinettschef erleben werde. Es ist eben ziemlich einfach und recht menschlich auch in diesem Falle hergegailgen. Und dasselbe ge schieht auch mit der liberalen Partei Ein Vertrauter Tiszas, Julius Horvath, dessen Unbeständigkeit in politische«« Anschauungen sehr bekannt ist, hat erst jüngst im „Pesti Hirlap" erklärt, daß da- Kabinett Szapary nicht nur einen Personen-, gespräch der Instrumente ganz und gar gefangen nimmt! Die Herren Heß und Böckmann haben die schöne Komposition zu voller Wirkung gebracht und für ihren trefflichen, in den dynamischen Abstufungen ungemein sorgfältigen, geistig belebten Vortrag die verdiente Anerkennung des Publikums erhalten. Franz Schuberts Octett (L 6ur op. 166) für zwei Violinen, Viola, Violoncell, Baß, Klarinette, Horn und Fagott, auSgeführt von den Herren Rappoldi, Lange- Frohberg, Göring, Grützmacher, Rüdiger, Oppitz, Ehr lich und Stein, bildete den würdigen Abschluß der diesmaligen Produktionen. Wir hörten das Adagio und Allegro davon in ausgezeichneter Wiedergabe -v- Die wilde Rose. Eine Erzählung 4 (Fortsetzung.) 2. Acht Tage gingen vorüber, in der Mühle am Wolfsgrund herrscht lustiges Leben. Die zweite Frau ist in des Müllers Haus mit großen« Pomp einge zogen. Nicht zu reden von der reichen Aussteuer, auch die Vettern und Basen, die sie in die neue Heimat begleiteten und bis zur Stunde sich noch auf der Mühle befinden, nehmen sich stattlich und vornehm auS. Der Müller ist der lustigste von allen. Er ist stolz auf die vornehmen Verwandten seiner Frau, unter denen sich sogar ein Gelehrter befindet. Einer, der, wie er erzählt, in den eleganten Salons der Residenz sich zu bewegen pflegt und dort ein gern gesehener Gast ist Zwar ist er schon über die Dreißig hinaus und noch immer Student, der sich auf die Corpsmütze etwas zu gute zu thun scheint; aber das hat seinen Grund, wie die Frau Müllerin in einer vertraulichen Stunde ihrem Gemahl erklärte: „Der Leonhard", sagte sie und lehnte den Kopf dabei zärtlich an die Brust des Müllers, „büßt für seine allzu große Anspruchslosigkeit; er hat ein zu fühlendes Herz für seine Nebenmenschcn. Anstatt seine hervorragenden Kenntnisse zur Ablegung des Staatsexamens zu verwerten, läßt er sich von denen, die nichts wissen, dazu verleiten, sie fähig zu machen, das Examen zn bestehen, sie kommen zu Amt und Würden, und er steht bescheiden zurück. Doch das Verdienst bleibt nie unbelohnt! Ein Mann mit solchen Kenntnissen muß noch steigen, er kann es schließlich noch zum Minister bringen." Diese vertraulichen Mitteilungen hatten den Müller mit Begeisterung für den Vetter erfüllt, der außerdem, während er gegen die anderen etwas hochfahrend war, sich gegen ihn mit einer Leutseligkeit und in einer so vertraulichen Umaangsweise benahm, daß der Müller sich gar sehr geschmeichelt fühlte. Überraschend war es ihm, daß HanS seine Ansicht nicht teilen wollte; der schlichte Bursche konnte es nicht fassen, daß rin Mann, angewiesen auf den Ertrag seiner Arbeit, in den Jahren, wo andere schon Amt und Familie hätten, noch mit der bunten Mütze umherlaufe; da müsse etwas nicht richtig sein, und vom Minister werden, sei gar nicht die Rede. Der Müller kehrte seinem Freund mit mitleidigem Achselzucken den Rücken und fuhr fort, Vetter Leon hard besonderen Respekt zu erweisen. Endlich rüsteten sich die Verwandten zur Abreise, schall v. Bieberstein, sind zu Bevollmächtigten des Bundesrats ernannt worden. — Die „Berl. Pol. Nachr." schreiben: Wenn bei der Erörterung der Frage der Organisation der Reichszentralbehörden in der freisinnigen Presse die Erwartung wachzurufen versucht wird, als ob eine Erfüllung jenes auf die Einrichtung von verantwort lichen Reichsministerien bezüglichen Punktes des Fnsions- programmes von 1884 in Aussicht stehe, so täuscht man sich oder andere. Denn eine Einrichtung, welche notwendig mit einer nicht unerheblichen Einschränkung der Einwirkung des Bundesrats auf die Verwaltung sowie mit einer Minderung der Bedeutung desselben in dem Organismus des Reiches wie insbesondere dem Reichstage gegenüber verbunden sein, mithin eine Schmälerung der Stellung der Bundesregierungen dar stellen würde, erscheint weder erwünscht noch auSsichts- voll. Wir haben es hier eben wieder mit dem kon sequenten Bestreben zu thun, den Personenwechsel im Amte des Reichskanzlers für einen völligen Wechsel deS Systems nach der Richtung deutschfreisinniger Auf fassung auszugeben. Der Zweck dieses Manövers ist klar. Erst soll möglichst viel Stimmung für die Teutschfrcisinnigen gemacht und dann durch den sicher zu gewärtigenden Rückschlag Unzufriedenheit erzeugt und so oppositionellen Tendenzen der Boden geebnet werden. Abgesehen aber von solchen parteisüchtigen Spekulationen liegen doch gute Gründe zu der An nahme vor, daß Erwägungen darüber stattfinden, wie zweckmäßig ohne Beeinträchtigung der Stellung des Bundesrates den Reichsämtern eine größere Selbst ständigkeit und eine verstärkte Verantwortlichkeit ge geben werden kann. ES ist kann« mehr möglich, daß eine einzige Person daS volle Maß von Geschäften und von Verantwortlichkeit trägt, welches allmählich dem Reichskanzler erwachsen ist. Eine weitergehende Teilung der Arbeit und der Verantwortung erscheint im Interesse gedeihlicher Fortführung der Reichs- angelegenhciten beinahe unabweisbar. Unbeschadet der allgemeinen politischen Verantwortlichkeit des Reichs kanzlers dürfte eine Verstärkung der ressortmäßigen Verantwortung der oberste«« ReichSbehörden angezeigt nnd bei vorsichtigem Vorgehen auch wohl angängig sein. Dies gilt insbesondere auch bezüglich der Stellung der Äeichsämter gegenüber dem Kaffer. Es liegt in der Statur der Sache, daß es dem Gedanken des persönlichen Regiments des Herrschers am meisten entspricht, wenn die Zentralbehörden mit ihin un mittelbar in Beziehung gesetzt, ihm direkt verantwort lich sind, ohne daß das Amt des Reichskanzlers sich überall als notwendige VermittelungSstation zwischen Kaiser und Reichsvcrwaltung schiebt. ES würde nichts anderes als die Erfüllung jenes Wortes des Fürsten Bismarck sein, daß Se. Dtajestät der Kaiser sein eigener Kanzler sein werde, wenn jetzt an die Herstellung direkter und selbständiger Verantwortung der obersten Reichsbehörden innerhalb ihres Ressorts und in den durch die Rücksicht auf die allgemeine politische Ver antwortlichkeit des Reichskanzlers gezogenen Grenze«« herangeaangen werden sollte. O Wien, 11. April. Die Ausschreitungen des Pöbels haben sich seit letzten Dienstag nicht wiederholt; der heutige Tag verlies in den Vororten, die letzthin der Schauplatz der Tumulte waren, voll ständig ruhig, es kamen nirgends Ansammlungen oder Gesetzwidrigkeiten vor. Gesten« in den Abendstunden fanden allerdings wiederum einige nicht ganz unbe denkliche Zusammenrottungen statt, einzelne Gruppen schiene«« zn einer Wiederholung der aufregenden Scenen Neigung zu haben und wollten dem gütigen Zuspruche der Schutzmannschaft zum Auseinandergehen keine Folge leiste««, aber als die Husaren mit gezogenen« Säbel in vollen« Galopp ansprengten, war in wenigen Minuten alles i«« die Nebengassen hinein zerstreut. Im ganzen nur der Vetter stand ai« dem Morgen trüben Sinnes in der Wohnstube am Fenster. Man hatte eben das Frühstück beendet, bis auf den Müller und seine Frau, sowie Leonhard hatten alle das Zimnier verlassen. Die junge Frau hatte den letzteren lange schweigend beobachtet, plötzlich begann sic: „Du siehst so trübe aus, Leonhard, was ist mit Dir, ai« was denkst Du?" Der Student wandte sich nach der Base langsam um. „Babette, das kann ich Dir nicht sagen." „Oho", nahm der Müller lachend das Wort, „wir werden'- wohl erraten. Die blonde Else, nieineS Nach bars Tochter, mit der Herr Leonhard gestern abend am Gartenzaun stand, hat's ihm angethan." Die Mundwinkel der Frau Babette verzogen sich seltsam, als -der Student schnell einfiel: „Der Vetter kann nicht anders als schwatzen Ich erinnere mich kaum, mit dem Mädchen gesprochen zu haben. Nein, was mich bedrückt, könnte ich Euch wohl sagen, wenn ich nicht fürchtete, Ihr lachtet mich auS." „Wem sollte daS wohl einfallen?" ließ sich die Base vernehmen. „Der Gedanke, Euch zur Last zu fallen, war mir peinlich, so ungern ich auch von hier ginge. Ich weiß, was Ihr sagen wollt," fuhr er pathetisch fort und streckte dabei den Arm gegen seine Zuhörer auS, die ihn hatten unterbrechen wollen. ,Zhr meint eS gut mit mir. Ihr habt mich lieb und würdet mich auch ohne Gegenleistung von mir bei Euch behalten, doch gönnt mir daS stolze Gefühl, Eure Regina zu bilden. Ihre Schulbildung ist sehr mangelhaft, sie «st bereit- 13 Jahre, also ,st eS die höchste Zeit, nachzuholrn,
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